Alexander Roda Roda
Von Bienen, Drohnen und Baronen
Alexander Roda Roda

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hasreti Hidr

In früherer Zeit kamen wenig Männer die Straßen von Banjaluka lang – und die da kamen, trugen genagelte Stiefel; man hörte sie von weitem. Damals konnte sich eine ehrbare türkische Frau noch aus dem Haus wagen.

So ging einst Salichs Mutter querüber Wasser schöpfen – und was meint ihr? Als sie den Eimer aus dem Brunnen hatte – wer stand vor ihr, als wär er aus dem Boden gewachsen? Ein Mann.

Sie war noch jung, sie war auch ohne Schleier. Da erschrak sie mächtig, daß ein Mann sie sollte gesehen haben.

Doch der Mann war alt und gut. Als er sie um einen Schluck Wasser bat, reichte sie ihm zitternd den Eimer dar.

Er trank und ging.

Als er gegangen war – was lag auf dem Grund des Eimers? Ein Metelik.

Die junge Frau dachte:

›Der freundliche Greis wird die Münze wohl als Geschenk für mich heimlich in den Eimer gespien haben.‹ Und lobte ihn noch, daß er nicht versucht hatte, sich ihrer Hand unziemlich zu nähern.

Sie sagte aber niemand ein Wort von dem Geschenk, weil sie sich des Abenteuers am Brunnen schämte, und sie tat den Metelik in ihren Kasten.

175 Denkt mal: einen Metelik– zwanzig Para– für ein Schlückchen Wasser! Was für ein edler Mann ist das gewesen!

Am nächsten Morgen liegen – staunt nur! – statt eines Meteliks im Kasten ihrer sieben. Sieben Meteliks – woher mögen sie gekommen sein?

Die junge Frau fragte die Schwiegermutter:

»Pflegst etwa auch du dein Geld in meinen Kasten zu tun?«

Die Schwiegermutter horchte auf – und schnell gefaßt, sagte sie: Ja, es wären ihre Meteliks.

Die junge Frau reichte ihr arglos die sechs Meteliks – den siebenten aber, den sie am Brunnen bekommen hatte, behielt sie und sperrte ihn sorgsam in ihr Schränkchen.

Am nächsten Morgen – ja, staunt nur! – warens wieder sieben. Da konnte sich die Junge Zucker kaufen und Kaffee und Wolle zum Sticken und allerhand hübsche Dinge, die ihr Freude machten . . . hätte sich bis an ihr seliges Ende alles, alles bieten können, was ihr Herz begehrte – wenn die Weiber eben den Mund zu halten wüßten.

Sie aber schwatzte ihr Geheimnis aus – und als sie heimkam, war der Born versiegt. Hasreti Hidr gab ihr keinen Groschen mehr.

Hasreti Hidr. – Wer sonst konnte der Alte am Brunnen gewesen sein? Hasreti Hidr zieht als Bettler durchs Land und begnadet die Leute, die ihm Gutes tun.

176 »Tut Gutes! Hasreti Hidr wird es euch lohnen.« So hat uns Salichs Mutter, wer weiß, wie oft, ermahnt.

Und als sie unlängst starb, hinterließ sie letztwillig einen Gulden für die Kranken im Hospital, einen für die Gefangenen im Kerker und einen für die herrenlosen Hunde in der Stadt.

Hasreti Hidr wird es ihr gedenken. 177

 


 << zurück weiter >>