Fritz Reuter
Kein Hüsung
Fritz Reuter

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11. De Nacht.

                     

De Frühling kam mit all sin Gräun
Un all sin Blaumen antauteihn
Un streut sei ut mit vulle Hand,
As wenn hei recht spillunkenverstärkt für »spillen« = verlieren, durch Nachlässigkeit etwas verstreuen. Spillunken daher = etwas muthwillig verstreuen, verschwenden. (R.) wull;
Den nakten Barg, den kahlen Sand,
Denn' smet hei s' tau mit Hännenvull,
Un sülwst in Distel un in Durn
Hett Blaumen hei un Gräuns verlur'n.
Un as hei hadd' dit Stück verricht,
Dunn müßt hei sülwst sick d'ræwer freu'n,
Wo lacht sin helles Angesicht,
As hei sin Makwark hett beseihn!
Wo lacht sin klores, blages Og,
Wenn 't 'run kek up de gräune Flur!
Wo horkt hei up un spitzt dat Uhr,
Wenn Nachtigal un Hämpling slog!
Un danzt herum un juchheit lud:
»Süh so! Nu heww ick putzt de Brut!«
Un spelt mit sinen Schatz Verstek,
Lurt ut den gräunen Holt herut
Un dukt sick in de klore Bäk,
Verkrüppt sick in dat gräune Musch
Un leggt sick heimlich achter 'n Busch
Un lacht so lustig un so säut,
Wenn sine leiwe Brut nich weit,
Wo eigentlich de Spitzbauw is.
Un springt herut un höllt sei wiß
Un nimmt sei lachend in den Arm
Un drückt sei an sick weik un warm
Un foppt un brüdt un lacht un küßt:
»Wenn Du min Schatz man bliwen wist,
Brukst nich tau weiten, wo ick bün;
Ick bün bald hir, ick bün bald dor,
Ick schin up Di herun as Sünn,
Ick spel as Wind mit Dine Hor,
Ick sing as Vagel Di tau Rauh
Un deck Di denn mit Blaumen tau,
Ick weig as gräune Lindenbom
Di in den säuten Kinner-Drom,
Un wenn Du drömst, denn fött Di warm
Min Leiw as stille Nacht in 'n Arm. –
Doch nu, min Schatz, nu kümmt dat Best,
Nu kümmt uns' lustig Hochtidsfest;
Ick heww den Dag up Pingsten sett't,
Un dortau is ein Jeder beden,
De Lust tau Leiw un Lewen hett;
Ick säd 't ehr All, ick sprök mit Jeden:
De Bom, de bringt sin junges Gräun,
Dat Kurn sin Ohr, de Blaumen bläuhn,
Tau putzen unsen Hochtidssaal.
Un æwer Barg un æwer Dal
Tüht Allens, wat sick freuen kann,
Teihn all de muntern Gast heran;
De Hund enfängt sei vör de Dör,
Un snitt ehr Kumplementen vör;
De Katt sitt up den Kanapeh
Un nimmt de Gast dor in Enfang;
De Kater präsentirt den Thee;
Danzmeister is dat flinke Reh,
Un irnsthaft an de Wand entlang
Sitt Ahnt un Gaus as olle Tanten.
De Voß spelt Schapskopp mit den Ganten,
Un un Esel Trudeldus;
De lütten Vægel sünd Muskanten,
De Lewark bringt den Morgengruß,
Un wenn wi 's Abends gahn tau Rauh,
Denn singt de Nachtigal dortau.
De Minsch hantirt as Herr von 't Hus,
As Tafel- un as Kellermeister,
Hei bringt up Brüjam un up Brut
Mit helle Stimm dat Vivat ut,
Un unser Herrgott is de Preister.«

Un Pingsten is 't; mit gräune Riser
Sünd putzt de lütten, dürft'gen Hüser,
De Frühling kickt mit sine Sünn
In 't arme lütte Dörp herin,
Un Mann un Wiw sitt vör de Dören
In Frien unner gräune Mai'n
Un seihn mit Lust, wo ehre Gören
Sick ehres jungen Lewens freu'n.
De Nahwer kümmt un sett't sick dal
Un höllt 'ne ollverstännig Red' –
Hüt nich von däglich Noth un Qual –
Ne, wo 't vör Tiden wesen ded'.
Wat hei von sinen Vader hürt,
Un wat Grotvader dortau säd',
Wat in de Krigstid wir passirt,
Un dat hei ok Kusaken seihn,
Un wenn de grote Wind ded' weihn,
Un wo dat doch so narschen wir,
Dat em de Pip güng ümmer ut –
Un halt de Tunnerbüß herut –
De Toback dög jitzt ok nicks mihr.
Ja, in den ollen gauden Tiden,
Dunn höll de Toback ok noch Fü'r;
Indessen wull hei 't ok nich striden,
Dat 't noch in Ganzen gatlich wir,
Vör All'n in 't Frühjohr un üm Pingsten,
Hei säd' ok up dat Ganze nicks,
Veracht't de Welt nich in Geringsten,
Blot de Toback, de dög nich mihr –
Halt wedder Tunner ut de Bücks:
»Dat Deuwelstüg, dat höllt kein Fü'r!« –

Un vör oll Toppeln sine Dör,
Dor sitt dat Allens Gör bi Gör,
Un krawweln 'rümmer in den Sand
Un wirken, spelen allerhand
Un wöltern sick un lachen lud
Un seihn so nüdlich dreckig ut,
Un 't is 'ne Lust un 't is en Larm,
Backabens bugen s', maken Pütten,
Un Lisch un Fik, de beiden sitten,
Ein jede mit en Gör in Arm.
Dat ein is Jöching. Ganz verdutzt
Süht hei hüt in de Welt herin,
Oll Toppelsch hett em 'rute putzt
Un hett em weislich gegen Sünn
Sin Vaders Pudelmütz upsett't,
Un dat em dat recht nüdlich lett,
Hett s' em en Umslagdauk ümbunn'n
Recht warm! – Doch ut de PiKinderrock; auch wohl Unterrock der Frauen. (R.) nah unn'n
Dor bammeln 'rut de roden Bein.
De Jung is prächtig antauseihn! –

De anner Lütt is man noch dümming,
Mit denn', dor spelt un dröggt sick Fik
Un nimmt em hoch. »Süh so! Nu kümming!dim. von kumm, ungefähr zu übersetzen: Nun komm auch schön! (R.)
Nu gahn wi 'n beten üm den Dik.«
Un as sei nah de Möll»Möll« und »Mæhl« = Mühle. (R.) 'rüm kamen,
Dunn sitt 'ne Fru dor up den Süll
Oll Daniel sitt mit ehr tausamen –
Dunn steiht lütt Fiken vör ehr still
Un dreiht nah ehr herum dat Lütting.
»Süh, Hanning, kik! Dat is Din Mütting!«
De Fru kickt up; sei hürt dat Wurt,
Sei süht dat Kind, sei lacht 't ok an,
As blot 'ne Mutter lachen kann;
Doch de Gedanken wiren furt,
Un twischen hüt un twischen gistern,
Dor hadd'n sick dichte Wolken leggt,
De ehr Gemäuth un Sinn verdüstern.
Sei wendt sick an den Oll'n un seggt:
»Wat Reden! Wat Reden! Verstah sei, wer kann!
Wo snurrig, wo sonderbor!
›Oh, wo Schad!‹ seggt oll Toppelsch un kickt mi denn an
Un strakt mi de Backen un 't Hor.
›Oh, wo Schad!‹ seggt de Möllerfru still vör sick hen
Un geiht denn herut ut de Dör.
›Oh, wo Schad!‹ seggt oll Daniel un drückt mi de Hänn',
›Wenn s' anners doch wesen ded'!‹
Dat is, as wenn sei trurig sünd,
Un mi is so froh tau Sinn,
As set 'ck nah Regen, Nacht un Wind
Recht warm in Gottes Sünn.
Wat heww ick Jug tau Leden dahn?
An mi geiht Allens vörbi,
Un wenn sei Sünndags danzen gahn,
Denn geiht woll Keiner mit mi;
Denn sitt 'ck allein vör mine Dör,
In mine Hand de Knütt,
Denn kickt de rode Man hervor,
Denn röppt de Ul': ›Kumm mit!
Kumm mit!‹ un heidi! möt ick gahn
Woll æwer Stock un Stein,
Hen nah den Dik, hen nah de Man!
Dor sitt ick denn allein,
Dor sitt ick unner 'n Flederbom
Un hür de Bläder weihn,
Dor dröm ick männig ollen Drom,
Dor heww ick s' danzen seihn.«
Un drückt sick dichter in sin Neg
Un flustert lis' den Ollen tau:
»Un wer dat Danzen einmal seg
Denn' lett dat keine Rauh.
Wenn lücht't de Man
Wid æwer 'n Plan,
Wenn liggt de Dak
As witte Lak
Up gräune Wisch un gräune Widen,
Wenn Man un Dak sick striden,
Denn kamen s' an,
Ganz lis' heran,
Denn trippeln s' æwer 't käuhle Musch,
Denn russeln s' dörch den gräunen Busch,
Denn spelen s' irst mit mi Verstek,
Denn singen s' ut de Mæhlenbäk,
Denn flustert lis' de Bom mit mang,
Denn danzen s' an den Dik entlang,
Denn röppt de Ul': ›Kumm mit, Marik!‹
Denn gah ick 'ranne an den Dik
Un wasch mi mine Ogen klor,
Denn seih ick s' dörch dat Water teihn,
Denn sitt ick up den groten Stein
Un flecht min langes, geles Hor,
Smit Strümpings un Schäukings in 'n gräunen Busch
Un mak mi so lichting üm mine Fäut,
Un danz mit de Annern up 't käuhle Musch
Un heww denn an Danzen un Singen min Freud;
Denn singen s' un winken s' ut 't Water herut:
›Kumm 'runner, kumm 'runner, Du smucke Brut!
Oh, wo säuting! Wo säuting! Wo säut!
Un wenn so tau Maud nah dat Water mi is,
Denn kümmt de oll Daniel dortau,
De fött mi denn üm un de höllt mi denn wiß
Un söcht mi min Strümp un min Schauh.
›Leiw Daniel, oh, lat mi! Dit is jo de Stell.
Ick bliw hir bi Bäk un bi Busch.
Ick sing hir un danz, wenn de Man schint hell,
Mit de Annern all up den Musch;
Will baden un duken in 'n deipen Dik,
Dor ward ick mit Einen vertrut,
Dat röppt mi jo ümmer: ›Marik, Marik!
Kumm 'runner, Du leifliche Brut!‹« – –

Un einmal rep 't ok gor tau säut
Un Daniel was nich glik tau Städ';
De Möllerfru löppt hen un her
Un fröggt de Lüd', wat keiner weit,
Wo woll Mariken wesen künn.
Oll Daniel kümmt von 't Feld herin,
Un a s hei hürt, wovon de Red',
Dunn seggt hei still: »Ick weit ehr Städ'.«
Geiht nah den ollen Flederbom
Un nah dat Schülp an 'n Watersom,
Wis't mang de Waterlilgen 'rin:
»Dor ward s' woll sin,
Dor liggt sei unnen.«
Dor heww'n s' denn ok Mariken funnen.

As s' unner 'n Flederbom was leggt,
Dunn stahn de Minschen still un stumm,
Blot Toppelsch böhrt en Kind tau Höcht:
»Süh, dat 's Din Mutting, leiwes Kind! –
Ach Gott, Du büst woll noch tau dumm!« –
Un Man un Stirn, de lüchten baben,
Un Bläder flüstern in den Wind,
Un ut dat Water süfzt dat Ruhr.
Drei Dag' naher, dunn was s' begraben. –
Begraben? – Ja! – Doch an de Mur.


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