Fritz Reuter
Kein Hüsung
Fritz Reuter

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2. De Brand.

                   

De Sünn is gahn, de Nacht bedeckt
All æwerall de wide Welt;
Dat Weder is heruppe treckt;
De Wind fohrt stotwis æwer 't Feld.
De Blitz, de smitt sin fahles Licht
Männ'g Einen in dat bleik Gesicht,
Un makt de Nacht tau hellighell; eine ganz andere Bedeutung hat dies Wort in der Redensart: »mi ist hellig tau Maud«, wo es »matt« bedeutet. (R.) Dag,
Un Dunner folgt em Slag up Slag,
Dat rund un rings dat rullt un gnittert,eigentlich knistert; wird von nahen, grellen Donnerschlägen gebraucht. (R.)
Un Balk un Wand un Finster schüttert. – –

De Herr geiht in den widen Saal
Mit grote Schritten up un dal;
Hei fürcht sick nich, sin Hart is fast,
Un wenn hei trotzig an de Ruten
Tauwilen leggt sin hart Gesicht,
Denn is 't, as wenn en fahlen Glast
Herute ut sin Ogen lücht,
Vel gift'ger, as de Lüchtung buten;
Un wenn Ein hürt sin barsche Stimm,
Denn klingt sei in dat Uhr so hart,
As wenn de Dunner ringsherüm
Von ehr tau 'm Besten hollen ward.
Un up den Sopha langs henstreckt,
Recht leidig, slapp un matt un bleik,
Mit siden Küssen weik taudeckt,
Liggt dor sin Fru, recht warm un weik.
Dat hüt 't Gewitter 'ruppe kem,
Dat was ehr eig'ntlich unbequem,
Sei wull grad' nah de Bedstunn' gahn,
De sei in 'n Dörp hett ingericht;
Doch bi so 'n Weder geiht dat slicht,
Dor künn 't Gewitter 'rinner slahn,
Un s' künn sick ok dorbi verküllen;
Denn sei is swack, sihr swack un kann nicks dauhn.
Un wat s' noch deiht, dat deiht s' üm Gotteswillen,
Is sihr mit Nerven»sihr mit Etwas sin«: Redensart für »an Etwas leiden, mit Etwas behaftet sein.« (R.) un möt ümmer rauhn,
Sei 's fram, sihr fram, un in dat ganze Land
Ward s' rekent tau de düllsten Framen.
As hüt 't Gewitter 'ruppe kamen,
Dunn hadd' s' dat Sang'bauk glik tau Hand,
Un hadd' sick einen Bußgesang utsöcht,
Un bed so halw lud vör sick hen,
Un wischt de Ogen denn un wenn,
Un süfzt denn ok wat Ihrlichs t'recht. –
Doch wo 's ehr Kind? Ehr lütte Jung? –
Oh, de, de würd' herute bröcht;
Denn as dat an tau wedern fung,
Un as dat Kind sei quält mit Fragen,
Dunn kunn'n 't ehr Nerven nich verdragen;
Un sine unverstänn'gen Reden,
De stürten sei tau sihr in 't Beden.
Oh de, de is gaud upgehaben,
De sitt bi 't Kinnermäten baben.

De Herr geiht an de Klingel 'ran,
Un fängt dor hastig an tau lüdden.
De nig' Inspector trett herin.
»De Knechts, de sæl'n de Pird' upschirren,
Un nah de Füerkübens seihn,«
»Is All parat, is All gescheihn;
Blot Jehann Schütt, de is nich dor,
De is tau Dörp herinner gahn.««
»Wo is de Hund? De Rackewohr!
Dor sall en Dunner 'rinne slahn!«
»»Ach Gott, ich bitt Dich, Balduin!
Bei solchem Wetter so zu fluchen!
Kann Gott Dich nicht nach oben ziehn,
Dann wird er Dich hier unten suchen
Und wird Dir das Gewissen schärfen.
Oh Gott! Bedenk doch meine Nerven!««
»Ei, halt Dein Maul mit dem Gezeter!
Ich sag 's noch mal: da schlag' das Wetter
Hinein, wenn die Befehle nicht . . . .«
Hei segg 't nich ut, dor schütt en Licht,
In einen gläugnig breiden Strahl,
Ut swarte Nacht von 'n Hewen dal,
As wenn de Sünn dal schaten wir.
De ganze Hof, de steiht in Fü'r,
Un Knall un Fall, de prallt tausamen,
Un redt mit em en dütlich Wurt;
Dat was em an dat Magerdas Magere. Die Redensart bedeutet: Eindruck machen. (R.) kamen!
Blaß prallt hei von dat Finster furt,
Steiht still vör Schreck un höllt de Hänn'
Vör dat Gesicht. – Süll dat woll brenn'n? –
Em früst un schüddelt dat as Fewer;
Hei stört't herut, sin Hof liggt swart,
Doch von den Möllerhof heræwer,
Dor is 't, as wenn dat heller ward.
Hell bluckt dat up. In lichte Hast,
As wenn 'ne Katt löppt æw'r 'e Fast
Un springt behenn' von Fack tau Fack,
So löppt de Läuchen æwer 't Dack
Un lickt sick dal,
Un stiggt tau Höcht,
In einen gläugnig roden Strahl.
De Stormwind fegt
Herin, un as 'ne gläugenige Fahn
Bülgt sick de Läuchen dörch de Lüchten.Lucht = Luft. (R.)
Hoch sitt nu stolz de rode Hahn
Un sleiht vör Freuden mit de Flüchten.
Up jedes Dack leggt sick en Füerschin,
In jedes Finster blinkt 't, as wenn dat brennt,
Un »Füer! Füer!« hürt man schri'n;
En Jeder löppt, en Jeder rönnt,
As hadd' hei ganz den Kopp verluren,
Un will sin beten Armuth redden;
Dunn schallt em plötzlich in de Uhren
De harte Stimm von sinen Herrn:
»Hir her! Hir her! Hir All tau Hop!«
Un tægernd folgen s' All den Raup,
De lett den Kuffert, de dat Bedd',
Denn de em röppt, dat is sin Herr,
Vel schrecklicher, as Füersnoth.
Dat Füer, dat kann sin All'ns vertehren
Un smitt em up dat frie Feld;
Sin Herr kann 't ok, doch sin Gebot,
Dat kann de Heimath em verwehren
Un jagt em elend in de Welt. – –

Un as s' de Herr tausamen röp,
Dunn rummelt von den Hof 'ne Slöp,Schleife = Schlitten mit einer Wassertonne. Eine Schleife von Band heißt »Sleuf«. (R.)
De is de annern wid vöran,
Un up de MährenMähre für Pferd hat im Plattdeutschen nicht den verächtlichen Nebenbegriff, der im Hochdeutschen häufig damit verbunden wird. (R.) sitt Jehann
Un jöggt herinner in den Dik,
Un springt mit beide Bein tauglik
In 't Water 'rin, un füllt un deiht
Un swenkt sick up de Mähr herup,
Un jöggt dorhen in vullen G'lopp,
Wo 't Möllerhus in Flammen steiht.
»Hirher, Hallunk! Wo büst Du west?«
Dat is den Herrn sin harte Stimm. –
Hei röppt un ritt de Mähren 'rüm.
»Hir nah den Hof! Un lat dat Nest
Tau 'm Deuwel in den Grund 'rin swälen!«
Jehann gehorkt all de Befehlen,
Dunn stört't ut 't Hus de Möllerfruw':
»»Min Kind! Min Kind! Oh, redd't min Kind
Dor baben in de Gebelstuw'.««
Jehann herunner as en Wind,
Den KittelKittel wird in unserer Gegend nur für einen Leinwandrock gebraucht; ein solches Kleidungsstück von Tuch heißt: Rock. (R.) æwer 'n Kopp, stört't nah de Dör;
De Herr, den Tægel in de Hand, springt vör
Un sleiht in vuller Wuth nah em.
»Hallunk! Hirher! Wo willst Du hen?«
Hei hürt dat nich, hei acht't dat nich;
De Mähren snorken, schuen sick;
De Herr höllt wiß, sei gahn in Enn'gehen in's Ende, bäumen sich; es wird auch der Ausdruck »sich steideln«, von »steil«, dafür gebraucht. (R.)
Un riten em de Tægel ut de Hänn';
Hei föllt, un 't ganz Gedriw'
Von Pird' un Slöp geiht æwer sinen Liw'.
»Tau Hülp! Tau Hülp! Holt an! Holt an!«
Un ut dat Gebelfinster schri't Jehann:
»»Üm Gotteswillen bringt 'ne Ledder!««
Un höllt dat Kind un winkt un röppt,
Un All'ns röppt mit un schri't un löppt,
Un Keiner deiht, wat nützen kann;
Bet endlich de oll Fauderknecht,
Oll Daniel, ein 'ranne leggt.
»Nu kamt man her un fat't mit an!«
Dörch Rok un Füer stiggt Jehann
Un hett dat lütte Worm in 'n Arm;
Un still mit einmal is de Larm,
Kein Raup ward lud, kein Wurt ward hürt,
Blot Füersusen, Funkenknattern.
As wir ehr All de Kehl tausnürt,
Stahn s' dor un seihn em 'runner klattern.
Un blot de olle Fauderknecht,
De kickt so still un wiß tau Höcht:
»Man sacht, min Sæhn Jehann, man sacht.
Den Faut bet linksch! Nimm Di in Acht!«
Nu is hei up de letzte Tram,
De Mutter smitt sick up ehr Kind.
»»Min Kind! Min Corl!«« Dor schütt dat Dack tausam,
Un dusend Funken warbeln in den Wind.
Un all de Minschen athen wedder,
Un ringsherüm, dor hürt man fragen:
»Wer was 't, wer steg dor von de Ledder?
Wer halt dat Kind? Wer ded' dat wagen?«
Sin Nam', de geiht von Mund tau Mund:
»»Dat was Jehann, was Jehann Schütt!
Hürst Du, Marik? Hei halt dat Lütt.««
Ach Gott, wo selig sei dor stund!
Wo hoch würd' ehr dat Hart nich slagen!
Wo was dat vull von Freuden-Schur'n!
Woll hadd' sei 't hürt; mit dusend Uhr'n
Hadd' sei de Nahricht in sick sagen.
Sei drängt sick dörch. »Wo is Jehann?«
Sei möt tau em, de Hand em drücken,
Sei möt in 't helle Og em blicken,
Möt seihn, wo stolz hei wesen kann.
»Jehann! Jehann! Min leiw' Jehann!«
So smitt s' sick an sin Bost heran.
Hei deiht dat blonde Hor ehr striken
Un flustert sacht: »»Lat sin, Mariken!
Min Mähren sünd mi stürlos word'n,
De möt ick heww'n. Lat sin bet morrn!««
Un de oll Daniel, de seggt:
»Gefohr is nu nich mihr vörhannen,
Des' Regen löscht von sülwst dat Fü'r,
Un ok de Stormwind hett sick leggt.«
Un Allens drängt sick üm Jehannen:
»»Hir,«« seggt de Ein, »»hir sünd Din Pird!««
»Din Swäp, Jehanning!« seggt de Anner.
»»Hir is Din Kittel!«« Jeder möt
Em wat tau Gauden dauhn up sine Ort.
Un as hei nu Marik ümfött,
De an em hängt un selig rort,
Dunn seggt oll Daniel: »'T is wohr,
Dat is in 'n Dörp dat brawste Por!«
Dunn wünscht ein Jeder still de Beiden
Dat schönste Glück un dusend Freuden.

Blot Ein steiht afsid in de Firn
Un süht vull Grimm de arme Dirn,
Un Afgunst schämert ut sin Og,
As sei den Knecht so an sick tog.
Un as hei fleiten sach ehr Thranen,
Dunn snerten sick sin Ogenbranen
So dicht tausam. Is 't von den Fall?
Is 't von de Weihdag' in de Hüft?
Oh ne! dat is von Gift un Gall,
Von de dat Hart em æwerdrift.
Doch as, ehr Kind in 'n Arm, sick nu
Heranner drängt de Möllerfru
Un ehren heiten Dank utschüdd't
Un up Jehannen allen Segen
Von Gott in 'n Himmel 'runnerbidd't,
Dunn kann hei 't länger nich verdrägen,
Dunn kann hei 't länger nich anseihn;
Hei hinkt bi Sid un winkt, un Ein,
De möt em nah sin Sloß henledden.
Jehann, Marik! Oh, häud't Jug vör den Herrn!


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