Fritz Reuter
Kein Hüsung
Fritz Reuter

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7. De Dod.

                 

Oll Vadder Brand liggt up den Dod;
In 't Finster schint dat Morgenroth.
De oft hett schint in Noth un Leid,
De dunst'ge Lampenschin vergeiht,
En nige Morgen breckt heran. –
An 't Finstersäms lehnt still Jehann,
Süht vör sick hen, wo an de Wand
De bunten, roden Sünnenstrahlen
Sick schämernd mit de Schatten malen,
Un fohrt sick mit de harte Hand
Tauwilen æwer 't fuchte Og,
Wenn up Marik den Blick hei slog,
De mit de Schört vör dat Gesicht
Halw æwer 't Bedd heræwer liggt,
Ach, wo 't ehr dörch de Glider flog
Von Schur'n, von deipe Hartensschur'n.

Wo ded' de arme Dirn em durn!
De Dör geiht up un lising trett
Oll Daniel 'rin, geiht an dat Bedd
Un nimmt sin Käppel in de Hand,
Un seggt mit bewerige Stimm:
»Gu'n Morgen, Korl! – Kennst mi noch, Brand?«
De Krank, de dreiht den Kopp herüm
Un süht em frömd in dat Gesicht,
As wenn Ein kümmt ut firnen Land
Un wedder nu tau 'm irsten Mal
Sin Vaders Hus tau seihen kriggt.
Em is dat frömd un doch bekannt,
Un tægernd steiht hei vör de Dör
Un weit nich, ob hei 'rinner sall;
Em kümmt 't so olt un knendlichwohl von Knie abzuleiten, also = kniehoch, kleinlich, erbärmlich; wird auch gebraucht in der Redensart ›knendlich bidden‹ = knieendlich bitten. (R.) vör,
Hei stunn vör schön're Hüser all.
Un süht ehr all in de Gesichter
Un süht de goldnen Morgenlichter,
De dörch de düst're Kamer teihn;
Dat hett hei vördem All mal seihn,
Un 't spreckt so leiflich em tau Sinn;
Hei kihrt up Irden noch mal in
Un seggt. »Mariken, böhr mi höger,
Un rückt mi an dat Finster neger,
Ick will de Sünn noch einmal seihn.«
Un as 't nah sinen Wunsch gescheihn,
Dunn deiht sin düster Og sick hellen,
Hei röppt heranner Daniellen
Un fröggt so recht ut frie Bost:
»Hüt is woll wunnerschönes Weder?«
»»Wi heww'n den irsten hellen Frost.«« –
»So 's 't recht! So 's 't recht! – Hüt fall'n de Bläder.
Up desen Dag heww ick so oft
Tau Gott up minen Lager hofft.
Wenn föllt dat Blatt, denn ward ick fri,
Denn ward 'ck erlöst, säd 'ck oft tau mi.«
Un kickt sin Kind so leidigleidig wird sowohl in activer als in passiver Bedeutung gebraucht und bedeutet Beides: »Mitleid fühlend« und »Mitleid erregend«. Hier das Erstere. (R.) an.
»Kumm her, Marik, kumm neger 'ran!
Ok Di, min Kind, ward lichter sin,
Wenn ick nich mihr tau Last Di bün.«
»»Oh, Vader, ne! . . .«« – »Ick weit, ick weit:
Du wirst min Kind, min true Magd;
Ick weit mit Di all längst Bescheid,
Un wat Di drückt. Wes nich verzagt!
Ded'st Du ok . . .« – »»Vader, all min Lewen . . .!««
»Ded'st Du von sinen Weg ok wiken,
Uns' Herrgott ward Di woll vergewen;
Wi seihn uns wedder, leiw Mariken!
Wein nich, min Kind! Folg mi de Hänn',
As Du dat alle Abend dahn!
Is 't ok mit dese Sünn tau Enn',
Uns ward 'ne anner Sünn upgahn.«
Un roth von Weinen un von Scham
Giwwt s' em de lahmen Hänn' tausam. –

De Vader bedt för 't Kind so heit,
Un still is 't binnen, still is 't buten,
En Engel dörch de Kamer geiht,
Un Gottes Og kickt dörch de RutenFensterscheiben; von »Raute«. Deshalb im Kartenspiel = Carreau. (R.)
Un gütt sin Licht in vulle Flauth,
Un warmt dat Hart tau nigen Mauth.
De Vader bedt so heit för 't Kind,
Von 'n Hewen weiht de Morgenwind,
De Sünndags-Kirchenklocken klingen
Von 't Kirchdörp säut un lising her,
De sünd 't, de em de Antwurt bringen.
Un bi Marik föllt dal Jehann
Un sleiht den Arm so tru üm ehr
Un treckt sei an sin Hart heran.
Em is 't, as wenn tau dese Stunn'
De Seelennacht, de em bedrückt,
Vör Sünnenschin un Klingen wickt,
As hadd' hei sick nu wedder funn'n,
As wenn nah düst're Winternacht
In Frühjohrslust un Frühjohrspracht
Sin Hart in em tau bläuhen fung,
Unschüllig rein un froh taumal,
As wenn hei noch tau 'm Beden»taum Beden (Beten) gahn«, auch »taum Preister gahn« wird vorzugsweise für »zum Confirmationsunterricht gehen« gebraucht. (R.) gung
Un firt dat irste Abendmahl.
Un up sin gelen Locken lag
So licht un klor de junge Dag,
Un selig lücht sin Og dorin
As Hoffnungsschin un Morgensünn.

Oll Vader Brand halt deiper Athen,
Un 't was, as wenn üm sine Ogen
Sick düst're all de Schatten togen:
»Du wardst de Beiden nich verlaten,«
Seggt hei mit Mäuh tau Daniellen.
»Wi Beiden wiren Spelgesellen,
Du wirst min Fründ un blewst min Fründ.
Des' Beiden dauh 'ck up 't Hart Di leggen;
Wenn s' nich up rechten Wegen sünd,
Denn sallst Du ehr den rechten seggen.
Willst Du dat dauhn?« – »»Ja, Korl, ick will.««
Un wedder is dat ringsum still,
De kranke Bost blot rækelt holl
Un ümmer düst're ward sin Og;
Sin Daniel böhrt den Kopp em hoch,
Un swack un swäcker ward de Oll,
Doch plötzlich nimmt hei sick tausamen,
As wir'n em nige Kräfte kamen,
Un seggt. »Bald is 't mit mi gescheihn;
Ick kann min Kinner nich mihr seihn;
Doch ihre mi de Ogen breken,
Kamt neger 'ran,
Marik, Jehann!
Ick will dat letzte Wurt nu spreken:
Jug einzigst Arwdeil is de Noth,
Jug einzigst Lohn dat däglich Brod;
De Arbeit is Jug einzigst Freud,
Ji sid Jug einzigst Ogenweid;
De heilig Schrift is, richtig lesen,
Hir unn'n Jug einzigst Stütt un Staf,
Un wenn Ji nah ehr Vorschrift wesen,
Denn is Jug einzigst Trost dat Graf.
Kænt Ji nich an Jug süllst Jug freu'n,
Nich Dag för Dag mit Armauth ringen,
Ahn Afgunst, Macht un Rikdaum seihn,
Kænt Ji dat trotz'ge Hart nich dwingen,
Nich jede Arbeit still verrichten
Ahn Wedderwürd un bös' Gedanken
För jeden Herrn, ok för den slichten;
Kænt Ji nich jeden Abend danken
Uprichtig för Jug sures Brod,
Denn wir 't am Besten, Ji wir't dod.
Un dat Ji legt an mine Städ'.«
Un swacker würd' hei, as hei 't säd',
Un höger geiht de kranke Bost,
Mit Mäuh noch kann hei Athen halen;
Dörch sine Glider tüht en Frost,
De letzt von alle Irdenqualen;
Un flustert. »Wull Jug woll noch segen,
Kann blot min lahmen Hänn' nich rögen.«
Un Daniel löst de bedenstatt bedenden = betenden. – Diese abgekürzte Form des Particips ist, wenigstens in meiner Gegend, sehr gebräuchlich. Man sagt z. B. lopen Trin, schrin Gör &c. für: laufende Trine, schreiendes Kind &c. (R.) Hänn'
Un höllt sin lahmen Arm' in Enn',
Un lud un dütlich seggt de Oll:
»Lewt woll, leiw Kinnings, lewt recht woll!
Un ümmer gaht up Gottes Wegen!
Gaht an de Arbeit, an de Noth
Mit Mauth un Tauversicht! De Dod,
De bringt den Aust un Gottes Segen.
Hollt ut! Hollt ut!« – Un sackt taurügg,
Äs wenn hei wir von Arbeit mäud.

Woll gahn de Kirchenklocken säut,
Dat slaten Uhr vernimmt sei nich;
Woll süht de leiwe Gottessünn
So hell in 't braken Og herin;
Dat Glas is trüw, de Speigel blind.
Woll drückt sin Hand dat arme Kind,
Woll smitt s' sick weinend an sin Liw,
Woll fött sei em so heit un warm
Un drückt em jammernd in de Arm',
Sin Hart is still, sin Hand is stiw;
Un ein Gedank, ein Bangen föllt,
So kolt as Is, so swer as Stein,
In ehr Gemäuth: sei steiht allein,
Allein, allein in wide Welt,
Wat ok Jehann ehr seggt un deiht,
Dat tru hei ümmer bi ehr steiht;
Wat ok de olle Daniel tröst't
Un in sin frame Infolt seggt:
Sei künn sick freu'n, hei wir erlöst,
Hadd' alle Sorgen von sick leggt;
Hei wir üm ehr tau jede Stunn'
Un seg von 'n Himmel up ehr 'run
Un würd' in Leiden un in Freuden
Sin Kinner woll in Gott behäuden;
Sei hürt dat blot mit halwen Uhren,
Ehr is 't, as wir sei noch en Kind
Un hadd' bi Regen, Nacht un Wind
Sick in en düstern Holt verluren,
As wüßt sei nich, wohen un her,
As kem en Grugel æwer ehr.
Un as de Beiden Afscheid namen,
Dunn sackt sei still in sick tausamen:
Ach, wer s' doch läd'
An sine Städ'!

Sei 's still; de Nahwerfrugens kamen
Un gahn tau Hand mit Rath un Daht,
De Discher kümmt un nimmt de Mat
Un süht dat Beten Armauth an
Un fröggt nah 't Sarg. Sei antwurt't lis':
»So wollfeil as 't man wesen kann.«
Un as de Abend 'ruppe tüht,
Dunn sitt sei noch nah olle Wis'
Bi 't Bedd an ehres Vaders Sid.
Oll Toppelsch bringt de Lamp herin
Un seggt: »Nu legg Di dal, Marik,
Ick will nu wachten bi de Lik.«
»»Ne, Nahwersch, ne! Ne, lat S' mi sin!««
Un dörch ehr Glider schuddert Frost,
Un üm ehr sleiht de Fru en Dauk
Un up den Doden sine Bost
Dor leggt s' en oll vergrepen Bauk,
Purrt noch tau Höcht den Lampendacht
Un schüdd't den Kopp un seggt: »Gu'n Nacht!«
Mariken dankt, un swer Gedanken,
De trecken ehr dörch Hart un Sinn;
Wat sei ok bedt, sei willen nich wanken.
Ach, wer de Taukunft weiten künn!
In ehr is so en wild Gewäuhl,
Dat drängt sick düster dörch ehr Hart,
Un klor is blot dat ein Gefäuhl,
Dat gröter Unglück kamen ward. –
Un driste Tritten kamen 'ran;
De Dör geiht up, dat is Jehann.
Hei sitt't sick dal, ahn wat tau seggen,
Un deiht ehr Hand in sine leggen.
Hei hett de Truer æwerwunn'n
Un denkt mit Freuden d'ræwer nah,
Dat hei nu æwer Dag un Stunn'
Kann trecken nah Amerika.
Den letzten Rigel vör sin Glück
Den schow hüt morr'n de Dod taurügg.
Doch as hei s' dormit trösten will
Un tau ehr von de Taukunft red't,
Un wo dat herrlich warden süll,
Dunn gütt 't ehr frostig dörch de Ader,
As würd' dat Hart tausamen snert,
As wir 't 'ne Sünn' an ehren Vader,
As wir 't 'ne Sünn' in ehre Lag',
In nige Hoffnung furt tau lewen,
As wir' 't 'ne Sünn', an bet're Dag',
Noch mal an Freud un Glück tau glöwen.
Wat hei ok seggt von 't schönere Land,
Ehr schuddert kolt, as wenn ehr gru't,
Un treckt ehr Hand ut sine 'rut
Un fött de kolle Dodenhand.


 << zurück weiter >>