Fritz Reuter
Kein Hüsung
Fritz Reuter

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

8. De Murd.

         

Oll Brand is in sin Sarg 'rin leggt;
Dor liggt hei still; kein Grawwred seggt,
Wat hei all ded' un led' hir unn'n;
Hett sick 't entseggtwörtlich = hat sich's entsagt. Allgemein gebräuchliche Redensart für »sterben«. (R.) un hett 't verwunn'n.
Hett still un sacht sin Lewen slaten:
Sin Wirken hett kein Spuren laten,
As 't Abendroth is hei verswunn'n.
Kein FründschaftFreundschaft wird vorzugsweise für »Verwandte« gebraucht. (R.) folgt em achter her –
Den Herrn sin Arbeit, de geiht vör – –
Kein Nahwer dröggt sin arme Lik;
Jehann un Daniel, de dragen
Den NäsendrückerVolksausdruck für einen Sarg mit plattem Deckel, wie er für ganz arme Leute im Gebrauch ist. (R.) an den Wagen,
Sin einzigst Folg' is sin Marik,
Ehr Süfzen is sin Likensang.
Den harten, froren Weg entlang
Nah 't Kirchdörp rummelt furt de Kist;
Kein Preister segent sine Rüst;
Jehann un Daniel, de laten
Dat Sarg herinner in dat Graf,
De Schüpp tau Hand! – De Gruft is slaten,
Oll Daniel nimmt den Haut heraf
Un höllt em vör sin irnst Gesicht
Un bedt för denn', de unnen liggt,
En Vaderuns' ut deipe Bost.
De irste Snei in desen Johr
Sackt lis' herunner up den Frost,
Up 't frische Graf, in 't witte Hor,
Un dusend stille Faden wewen
Sick twischen Ird' un twischen Hewen
Tau 'in fierliches Likenkled,
Dat wickelt sick üm Allens 'rüm,
Üm 't kolle Graf, üm 't warme Lewen.
Un in Marik, dor spreckt 'ne Stimm:
»Wat drückt Di so Din grotes Led?
Wat klagst un truerst Du, Marik?
Vör Gott is Dod un Lewen glik;
Hei deckt up 't Lewen blassen Dod
Un weckt ut Nacht dat Morgenroth,
Wer in em lewt, de nich verdarwt,
Un lewen deiht, de in em starwt.
Hei leggt de Ird' in 't Dodenkled,
Un weckt sei up tau Frühjohrslewen;
Un leggt hei up Di sweres Led,
Ward hei Di ok en Frühjohr gewen,
Wo männig Blaum Di wedder waßt,
Un wo Din Hart kann wedder gräunen,
Still' Dine Klag' un lat dat Weinen!«
Sei treckt den dünnen Dauk sick fast
Üm Arm un Bost, as wir s' entslaten,
Smitt einen Blick noch up dat Graf,
Drögt sick de letzten Thranen af;
Oll Daniel kriggt ehr Hand tau faten;
So geiht sei t'rügg, in 'n Harten Mauth
För 't Unglück, wat tau kamen drauht.

Jehann führt sachten achter her,
In em spreckt 't anners, as in ehr;
Unrauhig jagt en Plan den annern:
Hei kann nu trecken, kann nu wannern
Fri æwer See un æwer Land;
Sid dem, dat dod is Vadder Brand,
Is em de Welt nich mihr verslaten;
Hei kann nu künn'gen, wenn hei will,
De Herr, de möt em trecken laten,
Un wenn hei em wat seggen süll,
Denn bliwwt hei em kein Antwurt schüllig.
Hei is nu fri, so gaud as fri,
Un ut is nu de Schinneri,
Hei dröggt s' nu nich mihr so gedüllig, –
Un as hei nah den Hof 'ran kümmt,
Dunn föllt em all dat Unrecht in,
Sin Grull, de stiggt un gruns'twird von verbissenem Ärger und Groll gebraucht. (R.) un grimmt
Em dörch dat Hart un dörch den Sinn:
»Ja,« seggt hei, »wi sünd ehr Slawen,
Sei sünd de Herrn, wi sünd dat Schund.
Den ollen Mann so tau begrawen,
Nich as en Christ, ne, as en Hund!
Den Dokter nich mal halen laten!
Ja, wenn w' so Mähren wesen deden!«
Un kriggt in Grull de Pietsch tau faten
Un haut ingrimmig mang de Mähren,
As müßt hei 't de entgellen laten.
De gahn tau Höcht un riten an.
Hei törnt un höllt sei, wat hei kann,
Doch dat 's vergews, de Tægel ritt,
De Hingst geiht dörch, de anner mit;
Un up den Hof jagt 'rup de Wag',
De Ledder flüggt, de Unnerlag'!Unterlage. So wird das Brett genannt, welches den Boden eines Bauwagens bildet. (R.)
Noch sitt Jehann – nu liggt hei unn'n,
Den Tægel üm de Hand 'rüm wunn'n,
So slept hei nah. De Mähren gahn,
Bet s' vör den Stall von sülwen stahn. –
Oll Daniel löppt un folgt den Wagen,
So fix de ollen Knaken dragen.
Gott loww! Kein Unglück is gescheihn.
Dat Veih riwwslagt, doch is 't gesund.
Jehann' geiht Blaut ut Näs' un Mund,
Doch heil sünd em noch Arm un Bein.
»Jehann, hest Di ok Schaden dahn?«
»»Ne, ne!«« Un ledd't de Mähren 'rinner
Un fött de Fork: »»Entfamte Schinner!««
Un fängt dor an up los tau slahn.
»Schäm Di,« seggt Daniel, »dat tau dauhn!
Wo kannst en Veih so glupschenplump, ungeschickt, geradezu. (R.) hau'n?«
Un will den Arm taurügg em holl'n.
Hei ritt sick los un stött den Oll'n,
Dat in de Eck hei 'rinner flüggt.
De Herr trett in den Stall un seggt:
»All wedder? Dunn all bi dat Füer!
Heww ick hir Jungs bi mine Pird'?«
»»As Jung ded' ick mi nich vermeiden,
Ick bün tau olt, üm Swin tau häuden.««
»Hallunk! So 'n Antwurt giwwst Du mi?«
»»Ja, Minschenschinner, so 'n för Di!««
De Herr, de sleiht in vuller Wuth
Em mit de Ridpietsch in 't Gesicht.
Oll Daniel springt dormang un schriggt:
»Jehann, Jehann, holl ut! holl ut!«
Vergews! Tau späd! – En mächt'gen Stot!
Hoch halt hei ut, de Fork, de flüggt,
Un mit de Meßfork stött hei 'n dod. –
»Herr Gott! Herr Gott!« Oll Daniel smitt
Sick up den Herrn un deiht un ritt
Den Rock em un de Kleder apen;
En roden Strahl flütt ut de Bost:
»Oh, Satan, Du hest gruglich drapen!«
Jehann lehnt an den Stänner-Post;Ständer-Pfosten. Stand ist der für einzelne Pferde oder ganze Gespanne durch Bretter oder Bäume abgeschiedene Raum. (R.)
Vöræwerbögt mit halwen Liw,
Steiht hei so starr, as wir hei stiw;
Un ümmer gröter, ümmer stirer
Stahn em de Ogen ut den Kopp;
So aschenbleik kickt hei, as ob
De Stot em sülwen dröp, as wir 'e
Dodslagen sülwst, un nich de Mürder.
De Pietschenstrim un rode Schrammen,
De liggen up de bleike Stirn
Un lüchten up in bläud'ge Flammen,
As wenn dat Kainsteiken wir'n. –
Oll Daniel hewt sick von de Lik:
»Oh Gott, Jehann! Oh Gott, Marik.«
Un as hei em tau seihen kriggt,
Em 'rinner süht in 't bleik Gesicht,
Dunn tummelt 'ran hei an de Wand,
Dunn warden swack de ollen Bein,
So 'n Anblick hett hei noch nich seihn,
Un höllt sick vör 't Gesicht de Hand:
»Unselig Minsch, wat hest Du dahn?
En Murd, en Murd hest Du begahn,
En Murd, de 'rup tau 'm Himmel schriggt!«
Un süht em wedder in 't Gesicht.
Un 't is, as wenn hei em noch durt,
Fött sick en Hart un stött em an:
»Hürst Du denn nich? Jehann. Jehann!
Oh, Unglückskind, furt! Mit Di furt!«
Un stött em, röppt em in de Uhren:
»Minsch, Minsch! Mak furt, süs büst verluren!«
Un in Jehann' kümmt wedder Athen,
Hei deiht as blind herümmer faten,
Un kickt nah dit un kickt nah dat
Un grippt herüm un weit nich wat,
Un Hand un Og geiht fürchterlich,
Un tast nah hinn'n un tast nah vör
Un tummelt von de Lik taurügg –
En grugliches Handtiren was 't –
Un will herute ut de Dör,
Un Daniel höllt em noch mal fast
Un röppt em tau: »De hollen Eiken!
De swarte See! – Dor will 'ck Di säuken.«
»»Ja,«« seggt hei, »»ja!«« mit hast'ge Stimm,
So holl, as kem s' all ut de Gruft.
Un as hei kümmt in frische Luft,
Dunn dreiht sick Allens mit em 'rüm.
Hei föllt, – hei rappeltrafft; rappeln hat sonst auch noch die Bedeutung = gestört sein. (R.) sick tau Höh:
»De holle Eik, de swarte See!«
Dat is sin einzigste Gedank.
De Steinmur löppt hei nu entlang:
»De holle Eik, de swarte See!«
Un 'ræwer sett't hei as en Reh.
Nu is hei weg! Nu, Gott sei Dank! –

Un all de Lüd', de Döschers all,
De drängen sick nu in den Stall:
»Wat is 'e los? Wat is gescheihn? –
Wer ded' de Daht? – Wer hett dat seihn;
En Unglück is 't, doch is 't em recht! –
Wer hett de Hand hir an em leggt?«
Un ahn dat Einer dorvon weit,
En Flustern dörch de Minschen geiht:
»Jehann, de was 't, de kann 't man sin.«
Un de Inspekter stört't herin:
»»Wat staht Ji hir as in den Drom?
Den Hingst herut! Un 'rup den Tom!
Dor löppt de Mürder dörch den Snei.
Hallunk, dat Di Din Recht gescheih!
An 'n Galgen is Din richtig Platz!«« –
De Hand up 't Krüz! En mächt'gen Satz!
Halloh! Halloh! Los geiht de Hatz!
Wo brus't hei dörch dat ap'ne Dur,
Wo sus't hei æw'r 'e hoge Mur!
Wo flüggt de Hingst, wo flüggt de Mähn!
Wo flüggt hei æw'r 'e witte Plän!
Oll Daniel wringt sin ollen Hänn':
»Herr Gott, Herr Gott, Du kannst dat wenn'n!
Ick bed un bed, weit nich för wen –
En Mürder is 't, doch as min Sæhn
Nu kriggt hei 'n fat't, nu kümmt hei 'ran –
Linksch nah de Bäk herun, Jehann!
Dor nich! Dor nich! Bet wider t'rügg!
Dor höllt dat dünne Is noch nich! –
Hei 's 'ræwer, richtig 'ræwer kamen.
Nu nimm Din letzten Kraft tausamen!
Bet rechtsch! Bet nah de Schonung 'ranner! –
'Rin nah den Holt! – Nu is hei 'rin. – –
Ach, leiwer Gott un nu de Anner!« –
Dat grise Hor tau Barg em stünn,
Hei wringt un böhrt de ollen Hänn':
»Herr Gott, Herr Gott! Wo sall dit enn'n?
Herr Gott, hei ward jo dat nich wagen?
Dat Äuwereigentlich wie hier = Ufer, sonst aber auch für jede mäßige Bodenerhebung, Hügel, gebraucht. (R.) is jo vel tau steil,
Hei schütt sick af jo Gnick un Kragen,
Behöllt jo keinen Knaken heil!
Hei sett't heran, hei wagt den Sprung –
De Hingst, de bömt, de Hingst, de stiggt
Ein Unglück is för hüt genung!«
Hei höllt de Hänn' vör dat Gesicht,
Hei kann dat Unglück nich anseihn,
Hei föllt taurügg up einen Stein
Un sackt dor swack in sick tauhopen,
Sin Glider an tau bewern füng'n,
Un all de Minschen rönn'n un lopen,
Un as de Hingst in wille Sprüng'n
Ahn Rüter em vöræwer sus't,
Is em so krank, em frirt un grus't:
»O, Herr, oh, lat mi den Verstand!
Wi stahn jo All in Dine Hand,
Wi stahn jo All in Dinen Rath;
Doch so en Dod un so 'ne Daht!
Du weitst, oh Herr, hei was nich slicht,
Oh, gah mit em nich in 't Gericht,
Straf nich tau hart, wat hei verbraken!
Ick was mal just, as hei gesinnt« –
Un 't schüdd't em dörch de ollen Knaken –
»Mit mi hadd 't just so warden künnt!« –


 << zurück weiter >>