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Ein Duell in San Francisco.

Wenn die Versammlung der Spieler, Abenteurer und Glücksjäger in dem großen Zelt Plazza major in San Francisco erwartet hatte, die fabelhafte Pracht eines indischen Fürsten vor ihren Augen entwickelt zu sehen, deren Glanz noch die ausschweifendsten Träume aller Goldsucher überstrahlen würde, so hatte sie sich bitter getäuscht.

Der Maharadschah, dessen Eintritt der feierlichen Ankündigung des Tigerjägers Mac Scott auf dem Fuße folgte, hatte nicht im entferntesten etwas, das an seine indische Heimat, an den Rajah erinnerte.

Der Eintretende schien direkt aus den fashionablen Salons von London, Paris oder St. Petersburg zu kommen.

Es war ein junger Mann von etwa 27 bis 28 Jahren, von mittlerer Größe und jenem feinen, anscheinend fast weichlichen Wuchs, den man bei den meisten Stämmen und Klassen der Hindus findet. Sein Kopf war klein und oval gerundet, die Farbe seines Gesichtes glich fast der der Europäer, so durchsichtig und klar war dieselbe, obschon der Teint bei schärferer Betrachtung ein mattes, leichtes Goldgelb zeigte, wie es viele italienische Frauen besitzen. Die Stirn, breit und knochig, war von Natur zwar niedrig, hatte aber durch das Abrasieren der Vorderhaare an Wölbung gewonnen. Große, träumerisch blickende Augen von brauner Farbe, von langen Wimpern umrandet, machten durch die eigentümliche Form der Höhlenwölbung und der Brauen darüber den Eindruck, daß hinter diesem matten Glanz und ruhigen Träumen Kraft und Glut verborgen sein müsse. Die Nase war gerade und voll, und um ihre Winkel lag ein feiner Zug von Malice. Der Mund mit einer vollen Unterlippe und das runde Kinn drückten, neben einer gewissen Sinnlichkeit, Kraft und Energie aus. Das Gesicht war glatt rasiert bis auf einen elegant gepflegten und gekräuselten Schnurrbart, der ebenso wie das kurze lockige Haar von schwarzer Farbe war.

Der Indier trug eine untadelhafte, feine Toilette. Sein olivengrüner Jagdfrack mit blanken Knöpfen, Gilet und die Beinkleider waren von modernstem Schnitt, ein Pariser Hut deckte seine Stirn, und die mit kurzen silbernen Sporen geschmückten Glanzstiefel, wie die Glacéhandschuhe zeigten die besondere Kleinheit und feine Bildung der Füße und Hände. Einer jener seltenen schwarzen Diamanten von der Größe eines Fingernagels hielt den Knoten der modernen Kravatte zusammen.

Dieser schwarze Diamant war das einzige Juwel, das der Maharadschah trug, und in keinem Saal Europas würde irgend ein Abzeichen den Sohn Indiens verraten haben, wenn nicht ein seltsamer Schmuck den Blick auf sich gezogen hätte. Es war dies ein kleines rundes Stückchen weißen Thons von der Dicke einer Oblate, das auf die Stirn über die Nasenwurzel aufgeklebt war und zugleich von zwei dünnen Goldfäden, die sich im dunklen Haar verloren, dort festgehalten wurde.

Das war der Tilluk, das von einem geistlichen Brahminen aufgelegte Abzeichen der ersten Kaste.

Einen Augenblick stand der indische Prinz still, und sein ruhiges, mattes Auge schien die Reihe der Anwesenden zu überblicken; diese kurze Zeit aber hatte vollkommen genügt, ihn zu orientieren, und er schritt sogleich weiter und gerade auf den Grafen zu. Etwa vier Schritt noch von ihm entfernt, zog er den Hut und machte ihm eine tiefe ceremonielle Verbeugung.

»Monseigneur,« sagte er in geläufigem Französisch, durch diesen Titel zeigend, daß ihm die Verwandtschaft seines Gegners mit dem vertriebenen französischen Königshause bekannt war, – »ich bitte Sie um die Erlaubnis mich Ihnen vorstellen zu dürfen, und bedaure sehr, daß dies erst an dieser Stelle geschieht, da ich leider bis jetzt verhindert war, dem berühmten Ritter und Verteidiger der Legitimation meinen Besuch zu machen, was jedenfalls morgen geschehen wäre.«

Der Graf war so erstaunt und überrascht durch diese ungezwungene Höflichkeit. Er war vielleicht zum erstenmal in seinem bewegten und abenteuerlichen Leben zweifelhaft über die Antwort, die er erteilen und ob er den feindlichen Ton seiner Botschaft fortsetzen sollte. Ein Blick auf seine Umgebung gab ihm ein Auskunftsmittel ein.

»Mein Herr,« sagte er mit einer kurzen und hochmütigen Erwiderung des Grußes auf Englisch. »Ihre Höflichkeit ehrt mich, ich möchte Sie jedoch bitten, wenn Ihnen die englische Sprache geläufig ist, sich dieser bedienen zu wollen, da die meisten dieser Herren in unserer Nähe sie als Muttersprache anerkennen.«

»Dieser Wunsch,« erwiderte der Indier auf der Stelle mit gleicher Geläufigkeit im besten Englisch, »giebt mir Gelegenheit, hier öffentlich mein Bedauern auszusprechen, daß von irgend einem niedrigen Menschen mein Name und meine Aufforderung gemißbraucht worden ist, um Sie, Herr Graf, zu beleidigen, und das wichtige und kühne Unternehmen zu verdächtigen, dessen Gelingen der Name eines so berühmten Soldaten, wie Sie, ohne weiteres über jeden Zweifel erhebt, und dem ich meine besten Wünsche widme.«

Dieses offene Desaveu des unglücklichen Zeitungsschreibers erhöhte wo möglich noch das Erstaunen der ganzen Gesellschaft, worauf ihr würdigster Teil mit einem mißbilligenden Grunzen seine Furcht zu erkennen gab, daß aus den gehofften Freuden des seltenen Kampfes nichts werden könnte.

Diese Befürchtung wurde jedoch durch den Fortgang der Unterhaltung beseitigt.

»Es wäre unwürdig,« sagte weit höflicher der Graf, »von meiner Seite das geringste Mißtrauen in Ihre Versicherung setzen zu wollen, mein Prinz. Ich kenne aus Europa zu wohl das aufdringliche Natterngezücht der Journalisten, um nicht zu wissen, daß sie sich unberufen in alles mischen. Die Lektion, die ich dem Herrn dort drüben erteilt habe, wird aber, denke ich, hinreichen, sie etwas vorsichtiger zu machen. Da ich mich jedoch verpflichtet habe, ihm auf meine Weise Genugthuung oder Gelegenheit zu geben, seine sogenannte Ehre wieder herzustellen, so muß ich diese Verpflichtung lösen und an Sie, mein Prinz, die Bitte richten, mir das Mittel dazu zu gewähren.«

Der Srinath Bahadur antwortete nicht; – seine matten Augen waren auf eine Stelle zur Seite des Redners starr gerichtet und eine seltsame Veränderung begann sich in ihnen zu zeigen. Die rehbraune Iris schien zu wachsen und nahm eine fast schwarze Farbe an. Aus den gewöhnlich so ausdruckslosen Augen schienen Blitze zu strahlen, und das ganze Antlitz des Indiers nahm einen Ausdruck von Lebendigkeit und Erregtheit an, den es früher nicht gehabt.

Die Stelle, auf die sich sein Auge richtete, war die, auf welcher Margarethe O'Sullivan stand; sie war es, die diese Veränderung hervorgebracht.

»Ich habe Sie gefragt, mein Herr,« wiederholte der Graf scharf und ungeduldig, »ob Sie die Güte haben wollen, das Tier, das sie als Aushängeschild benutzen, uns für das morgende Schauspiel zu leihen, oder vielmehr herzugeben. Es versteht sich von selbst, daß ich bereit bin, den Preis desselben Ihnen zu erstatten.«

Der Maharadschah schreckte wie aus einem Traume auf, ohne daß jedoch sein Blick die Dame verließ. – »Für was, Mylord?«

»Für Ihren Tiger, Prinz!«

»Für Striped Bob? Er ist mir nicht feil.«

»Aber ich muß ihn haben, Sir,« sagte heftig der Graf. »Sie werden begreifen, da Sie zur Aristokratie Ihres Landes gehören, daß der Graf Raousset Boulbon sein Wort halten muß, und wenn es hundert Ihrer Tiger kostete!«

Die Augen des Indiers wandten sich endlich wieder auf den Franzosen und fielen sogleich wieder in die frühere Ausdruckslosigkeit zurück. »Sie wollen also mit Striped Bob kämpfen, Mylord, wie man mir gesagt hat?« fragte er.

»Seit einer halben Stunde habe ich die Ehre, Ihnen dies zu wiederholen.«

»Mylord – verzeihen Sie, – ich weiß, daß Sie vor drei Jahren in Lyon elf Duelle an einem Tage ausgefochten haben, und wage weder an Ihrem Mut noch an Ihrer Gewandtheit als Krieger und Jäger zu zweifeln, aber – haben Sie je einer Tigerjagd beigewohnt?«

»Ich habe Löwen mit Gérard in Algerien geschossen.«

»Aber ein Tiger ist ein weit grimmigerer und gefährlicherer Gegner.«

»Das ist eine Ansicht, die ich und der Tiger auszumachen haben werden,« sagte unwillig der Graf. »Kommen wir damit zu Ende. Wollen Sie mir Ihr Tier überlassen oder nicht?«

»Mit Vergnügen, Herr Graf, – daran konnte überhaupt kein Zweifel sein.«

»So danke ich Ihnen aufrichtig und stehe zu jedem Gegendienst bereit.« Er reichte dem Indier die Hand. »So bleibt uns demnach nur noch übrig, die Waffen zu bestimmen; denn es ist meine Absicht, daß gegen beide Tiere nur dieselben Waffen benutzt werden dürfen. Wir wollen das kleine Schauspiel auf morgen Abend sechs Uhr festsetzen.«

»Ich werde den Käfig schon vorher in den Cirkus schaffen lassen,« sagte der Indier.

»Gut. Zur gleichen Zeit wird der amerikanische Stier zur Stelle sein. Diese Herren werden vielleicht die Güte haben, sich mit der Bestimmung der Waffen und der Art des Kampfes zu beschäftigen und mich dann das Nötige wissen zu lassen. Übrigens glaube ich, daß der Cirkus selbst noch einiger vorbereitender Einrichtungen bedürfen wird, die alle Zeit in Anspruch nehmen werden.«

»Möge Eure Herrlichkeit die Gnade haben, dies Ihrem demütigen Diener zu überlassen,« sagte die näselnde Stimme Slongs, der plötzlich wieder zum Vorschein kam. »Ich habe eben von Don José Peralta, dem Eigentümer des Cirkus, diesen für die nächsten vierundzwanzig Stunden gemietet und bar bezahlt.«

Der Graf lachte hell auf, während unter den anwesenden Yankees sich ein höchst beifälliges neidisches Gemurmel über die schlaue und rasche Spekulation erhob. »Bravo, wackerer Slong! Das heißt, das im Spiel gewonnene Geld auf Zinsen legen. Wieviel nehmen Sie für den Platz, Sie spekulativer Diener der Heiligen?«

»Nur zwei Dollars die Person, Mylord!« sagte der bescheidene Methodist.

»Nun, dann weiß ich wahrhaftig nicht, weswegen Sie sich nach zwei solchen Glücksschlägen noch den Gefahren der Sonora-Expedition aussetzen sollten. Nur rate ich Ihnen, bis morgen auf Ihrer Hut zu sein!«

»Ich habe soeben das Glück gehabt, John Merdith, den Kentuckier, zu meinem Associé zu gewinnen,« berichtete der vorsichtige Spekulant, indem er mit einer Bewegung der Hand den Croupier präsentierte, den er vor kaum einer Stunde so schmählich betrogen und den er jetzt klüglich zu seinem Beistande gemacht hatte.

Der kentuckische Pferdedieb grinste bestätigend, indem er mit einem bedeutsamen Blick auf die Versammlung, die Pistole in der Tasche seiner Klappenweste lüftete, und diese Bewegung schien den nötigen Wink für jeden zu bilden, der etwa »spekulieren« möchte, sich an Ehrwürden Slong beim Verlassen des Spielsaales zu machen.

»Somit wären die Präliminarien beseitigt,« sagte höflich der Chef der Sonora-Kompagnie. »Und da ich nichts weiter hier zu schaffen habe, so erlauben Sie mir, mein Prinz, mich Ihnen zu empfehlen.«

»Sie sind so gütig, mein Herr,« sprach der Indier, »daß ich, obschon ein armer und unbekannter Wilder, es dennoch wagen möchte, die Bitte an Sie zu richten, nach Ihrem Belieben in meiner Wohnung eine Tasse indischen Thee oder ein anderes passendes Nachtgetränk nehmen zu wollen, indes diese Herren hier das Weitere des morgenden Festes beraten. Herr Mac Scott ist meinerseits zu jeder Anordnung bevollmächtigt.«

»Und ich bestimme die Herren Delavigne und O'Sullivan zu meinen Adjutanten und meiner Vertretung. Ich nehme Ihre Einladung an, meine indische Hoheit, und bin bereit, Sie zu begleiten. Das Resultat Ihrer Beratung, Edward, werden Sie uns alsbald nach der Behausung des Maharadschah bringen.«

Der Graf nahm den Arm des Indiers. »Adieu, meine Herren, und vergessen Sie nicht, erstens uns morgen Ihre Gegenwart zu schenken, und zweitens, daß die Aktien der Sonora-Expedition auf dem Kurs von 187½ bleiben müssen.«

Die Indier am Eingang hoben den Thürvorhang und die beiden Gegner verließen in bester Eintracht die Spielboutique.

Die Abteilung oder vielmehr das Gemach im Zelte des Maharadschah, in das dieser seinen Gast führte, war mit allem Luxus und aller Weichlichkeit indischer Pracht ausgestattet, ganz entgegengesetzt der einfach eleganten Erscheinung seines Herrn. Schwere persische Teppiche bedeckten Wände und Fußboden, und kostbare und seltene Waffen hingen an den Wänden.

Auf die Einladung Srinath Bahadurs hatte der Graf, auf einem niederen Divan aus Kissen von gelber Seide von Canton Platz genommen und sog aus dem mit Rubinen und Smaragden besetzten Bernstein-Mundstück des langen, schlangenartig gewundenen Rohrs einer kostbaren Hukah den mit Rosenwasser präparierten hellen Tabak von Schiras. Ihm gegenüber saß in gleicher Beschäftigung der Indier, und zwei Diener brachten auf goldenen Platten in kleinen Schalen von durchsichtigem japanischen Porzellan, die in Untersätzen von kunstvollem Silberfiligran standen, den kostbaren, duftigen Trank aus den ersten Knospen des Theebaumes, die nur für die besonders bevorrechteten Kinder des himmlischen Reiches gesammelt und bereitet werden und selten oder nie in den Handel nach Europa kommen.

Beide Männer plauderten lange über dies und das, und der Graf hatte vielfach Gelegenheit, die Bildung und das ruhige und scharfsichtige Urteil seines Wirtes, wie auch seine genaue Kenntnis der europäischen Verhältnisse zu bewundern.

»Ich gestehe Ihnen,« sagte er zuletzt lachend, »daß ich mir nach dem gelben und aufgeblasenen Wesen einiger Londoner Nabobs und nach den Erzählungen britischer Offiziere, die in Indien sich Avancement, Reichtum und eine kranke Leber geholt, eine ganz andere Vorstellung von einem indischen Rajah gemacht habe.«

Der Maharadschah lächelte leicht. »Warum sollte mein Volk, das älteste der Welt, von dem alle Kultur über die Erde ausgegangen ist, nicht befähigt sein, sich den europäischen Firniß unserer Herren und Gebieter anzueignen? Glauben Sie mir, Monseigneur, es ist jeder Bildung fähig, und sein Land von Brahmah gesegnet vor allen Teilen der Erde.«

»Ich habe viel von Indien gehört,« sagte der Franzose, »und hätte es gern besucht, wenn es nicht eben unter der Botmäßigkeit der Engländer stände, die ich nicht besonders liebe, und wenn das Schicksal mich nicht in anderen Zonen gefesselt hätte. Aufrichtig – ich bedaure, daß ich verhindert bin, an Ihrem Tigervertilgungskrieg in Singapore mich zu beteiligen.«

»Und was verhindert Sie daran, Monseigneur?«

»Nun, die Sonora-Expedition, auf die ich alle meine Hoffnungen gesetzt habe. Europa ist keine Heimat mehr für mich, ich muß mir hier eine neue schaffen, würdig meines Namens, und dies kann nur ein Fürstentum oder ein Königreich sein.«

»Wann wollen Sie Ihre Expedition antreten?«

»Das hängt von den Umständen ab, Prinz, zunächst davon, ob mich morgen Ihr Striped Bob auffressen wird oder ich ihn. Sodann sind meine Vorbereitungen noch nicht ganz in Ordnung; wir bedürfen einer Menge von Waffen und Ausrüstungen, die so rasch nicht zu beschaffen waren, obschon der größte Teil dieser Gegenstände bereits in unserem Lagerhause beisammen ist, und ich hoffe, binnen acht Tagen auch den Rest erworben zu haben. Die Leute, derer ich bedarf, sind dagegen bereit.«

Das Auge des Maharadschah begann sich wieder zu beleben, es leuchtete diesmal listig und berechnend. »Monseigneur,« sagte er, »ich hatte gehört, daß in dieser Stadt die Tapferen und Abenteuerlustigen nie fehlen und aus allen Enden der Welt zusammenströmen. Wie lange würden Sie brauchen, um eine neue Ausrüstung zustande zu bringen?«

»Ein halbes Jahr – mindestens drei Monate.«

»Nun wohl, ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Verkaufen Sie mir Ihre Expedition auf ein halbes oder ein Vierteljahr?«

»Mein Herr – – –«

Der Indier legte freundlich die Hand auf den Arm seines Gastes. »Verständigen wir uns, Monseigneur. Ich könnte die Erfüllung meiner Wünsche Striped Bob, meinem Tiger, anheimstellen, aber ich liebe die Tapferen und die Leute ihrer Nation. Mein Wunsch ist, mir von ihrer kleinen Armee von kühnen Männern zwanzig der Tapfersten auslesen und sie an mich fesseln zu dürfen, während sie jetzt Ihnen mit Leib und Seele verpflichtet sind. Dies ist nur möglich, wenn Sie im allgemeinen die Expedition verschieben und damit die eingegangenen Verpflichtungen lösen. Binnen wenigen Monaten werden Sie eben so viele und eben so kühne neue Teilnehmer gefunden haben. Das Aktien-Kapital Ihrer Unternehmung beträgt fünfzigtausend Dollars – ich biete Ihnen hunderttausend für drei Monate!«

»Ihr Vorschlag, Prinz,« sagte der Graf, zweifelhaft, ob er aufgebracht darüber sein oder ihn prüfen sollte, »würde eine Beleidigung sein, wenn Sie Ihren Grund nicht so aufrichtig angeführt hätten.«

»Es ist keine Beleidigung, sondern eine Bitte von meiner Seite.«

»Überlassen Sie die Erfüllung Ihrem Bob,« sagte der Graf nach einigem Nachdenken. »So vorteilhaft Ihr Vorschlag ist – so würde ich doch nicht darauf eingehen können, ohne meine Ehre in den Augen meiner Gefährten bloßzustellen und ihr Vertrauen zu täuschen. Nur mein Tod oder der Verlust unserer ganzen, bereits vorhandenen Ausrüstung könnte vor den Leuten und den Yankee-Aktionären der Kompagnie die Verzögerung oder Aufgabe der Unternehmung rechtfertigen.«

Einer der indischen Diener hob in diesem Augenblick den Vorhang und führte Mac Scott und Delavigne herein. Sie kamen, um anzuzeigen, man habe sich dahin geeinigt, daß jeder der beiden Kämpfer beliebig zu Pferde oder zu Fuß den Kampf ausfechten und mit einer Büchse und irgend einer kurzen blanken Waffe gerüstet sein solle, und daß jeder von einem Sekundanten begleitet werden dürfe, dessen Ausrüstung beliebig sein möge, und der nur im Fall der höchsten Lebensgefahr oder des Versagens des Gewehres zu Hilfe kommen dürfe.

»Wen werden Sie zu Ihrem Sekundanten wählen, Monseigneur?« fragte der Indier.

Eduard O'Sullivan trat sogleich näher. »Mylord, ich fordere diese Ehre für mich, weil ich der Jüngste Ihrer Gesellschaft bin, und deshalb beweisen muß, daß ich Ihrer Freundschaft nicht unwürdig sei.«

»Gut,« sagte der Graf, »ich bin es zufrieden, aber sorgen Sie dafür, daß die schöne Miß Margareth, Ihre Schwester, mich nicht anklagt, wenn ein Unglück geschieht; ich habe Sie nicht gewählt. – Was für eine Art Büchsen, Herr Mac Scott, pflegen Sie bei Ihren Tigerjagden zu benutzen?«

»Mit einer festen Hand und einem sichern Auge, Mylord, ist jede Büchse gut. Doch steht Ihnen die meine sehr gern zu Diensten.«

»Ich danke, Herr,« lehnte Graf Boulbon ab, »ich besitze selbst ein treffliches Gewehr.«

»Nehmen Sie sich in acht, Monseigneur, bei unsern Tigern muß der erste Schuß tötlich sein.«

Der Graf lächelte spöttisch. »Sind diese Pistolen geladen, Hoheit?« Er zeigte auf ein Paar schöne englische Scheibenpistolen, die an der Wand des Gemaches hingen.

»Ja, Monseigneur.«

»Bitte, öffnen Sie den Vorhang ein wenig,« sagte der Graf zu einem der Diener, es ganz vergessend, daß dieser ihn nicht verstand, indem er nach der Wand ging und eine der Pistolen herunternahm.

Der Maharadschah wiederholte lächelnd dem Manne einige Worte auf indisch, und dieser öffnete den Vorhang. Man sah dadurch in der Entfernung von etwa 25 Schritt den Eingang des Zeltes, vor dem noch ein Haufe von Müßiggängern und Vagabonden der untersten Klassen umherlungerte.

»Hat einer von Euch Schurken ein Spiel Karten?«

»Zu dienen, Excellenz!« Zehn fuhren aus der Tasche ihrer schmutzigen Mangas oder Beinkleider.

»Halte jeder eine Karte zwischen den Fingerspitzen in die Höhe, der Lust hat, einen Dollar ohne Arbeit zu gewinnen. Der, dessen Karte ich wähle, bekommt das Dreifache.«

Acht von den Kerls zögerten nicht, und hoben eine Karte in die Höhe, obschon sie das Pistol in der Hand des Grafen sahen. Sie setzten ja das Leben oft für weniger aufs Spiel!

Der Graf, der an den Eingang des Gemaches getreten und eine Zehndollar-Note auf den Boden geworfen hatte, kehrte zurück. »Coeur Aß!« sagte er halblaut und kehrte sich um. In demselben Augenblicke fast fiel auch schon der Schuß und die bezeichnete Karte flog aus den Fingern des Lepero, der sie gehalten.

Die Portière fiel wieder herunter unter dem Hurra des Gesindels, das sich auf die Zehndollar-Note stürzte.

»Sie schießen vortrefflich, Mylord,« sprach der Schotte kaltblütig; »indes habe ich schon näher an den Mittelpunkt treffen sehen, und möchte Sie daran erinnern, daß ein Tigerschädel ein anderes Ding ist, als ein Kartenblatt.«

Der Graf errötete leicht. »Ich wollte Ihnen auch bloß beweisen, daß meine Hand fest, und mein Auge sicher ist. Was mich noch in Zweifel setzt, ist die Wahl der blanken Waffe.«

»Wenn Sie, Monseigneur, mit den unseren vertraut wären,« sagte der Indier, »so würde ich Sie bitten, diese Tschambea von mir anzunehmen. Sie ist gleich gut zum Stich wie zum Hieb, und ein wohlgeführter Schlag mit diesem echten Kashmir-Stahl würde einen Schädel von Marmor spalten.« Er reichte ihm die furchtbare Waffe, die, halb Beil, halb Hackemesser, etwa zwei Fuß lang und von konvexer Form war, den Schwerpunkt von großem Gewicht an der Spitze tragend und so scharf wie ein Rasiermesser.

Der Graf wog sie mit Interesse in der Hand. »Ich glaube, daß sie vorzügliche Dienste leistet und würde mich ihrer gern bedienen, aber ich fürchte, daß ihr Gebrauch mir zu ungewohnt ist. Ich will daher lieber einen trefflichen Handjar wählen, den ich bei der Eroberung von Constantine einem arabischen Sheik abnahm. Und nun, meine Herren, glaub' ich, ist es Zeit, daß wir uns trennen. Leben Sie wohl, mein Prinz, und nehmen Sie meinen Dank, bis der morgende Tag entscheidet, ob Sie die Aktien der Sonora-Kompagnie für einen billigeren Preis haben können, als sie dafür zahlen wollten.«

Er verbeugte sich und verließ, von dem indischen Fürsten bis zum Eingang begleitet, das Zelt, ohne im Vorübergehen seinem furchtbaren Gegner für den nächsten Tag auch nur einen Blick zu schenken.


Die Nachricht von dem seltsamen Zweikampf hatte sich wie ein Lauffeuer nicht allein durch San Francisco, sondern auch auf allen Haciendas und Missionen der Umgegend und auf den Schiffen der Reede verbreitet, und ehe noch die Mittagsstunde geschlagen, waren alle Kaffeehäuser und Schenken der Stadt und die öffentlichen Plätze gefüllt mit Personen, die herbeigekommen, um das Schauspiel mit anzusehen.

Unter der ganzen zahlreichen Menge gab es nur zwei Menschen, die höchst mißvergnügt über die Sache und ihren Anteil waren: Don Peralta, der Eigentümer des Cirkus, der so thörichter Weise die Einnahme des Tages an Master Slong, den Methodisten, für tausend Dollars verkauft und dabei Wunder was für ein gutes Geschäft gemacht zu haben geglaubt hatte, und Master Hillmann, den unglücklichen Haupt-Akteur bei dem Kampfe selbst.

Es fehlte dem Deutschen, wie bereits erwähnt, keinesweges an persönlichem Mut, und er würde ohne ein Zucken der Furcht der todbringenden Pistolenmündung des Grafen entgegengetreten sein, aber die Rolle, die man ihm hier wider seinen Willen aufgezwungen, machte ihn befangen, ja ängstlich, und es gehörte der ganze Sturm von Beredsamkeit, den seine Freunde über ihn ergossen, und der nicht unbedeutende Strom von spirituösen Erregungsmitteln, der in ihn hineingegossen wurde, dazu, um seine Zustimmung und seine Kraft aufrecht zu erhalten. Da er in seinem Vaterlande als Kavallerist gedient hatte, und ein nicht ungeübter Reiter war, hatte er den Angriff zu Pferde vorgezogen und nach langen Debatten, auf den Rat der verständigsten seiner Freunde, einen Mexikaner, Namens Antonio Perez, zum Sekundanten gewählt, der einer der berühmtesten Toreros in den Stierkämpfen des Cirkus von San Francisco war.

Während der ganzen Nacht und bei Fackelschein und bis Mittag war von einem zahlreichen Personal, auf Kosten des Methodisten, gearbeitet worden, der wohl wußte, daß er hierbei nicht sparen dürfe, den Cirkus für die Eventualitäten des zweiten Kampfes in Stand zu setzen, die untere Barrière mit Bohlen und Brettern gegen einen Ausbruch des Tigers zu verrammeln und die Sitze des Publikums zu erhöhen und zu dekorieren. Auf der einen Seite erhoben sich die Fahnen der Sonora-Kompagnie mit dem prächtigen Wappenbanner der stolzen Abkömmlinge der Lusignan und zahlreiche bunte Fähnchen, Teppiche, Schärpen und Bänder bedeckten die verschiedenen Abteilungen der Plätze und wehten, von der Seebrise gehoben, durch die Luft.

Nicht weniger phantastisch war die gegenüberliegende Seite der Arena von der Tiger-Vertilgungs-Kompagnie ausstaffiert. Die Matrosen der Brigg » Sarah Elise« hatten den Platz ihres Schiffspatrons mit allen aufzutreibenden Flaggen an einem darüber errichteten Mast geschmückt, die prächtigsten indischen Teppiche bedeckten die Bänke und Galerieen, und gerade unter der Loge des Maharadschah befand sich der Käfig mit der Hauptperson des Tages, dem gewaltigen Tiger Striped Bob.

Obschon der Beginn des Stiergefechts erst auf 6 Uhr abends verkündet war, strömten doch mehrere Stunden vorher die Zuschauer in die Arena, um sich, trotz der glühenden Mittagshitze, die besten Plätze zu sichern, und Master Slong hatte alle Hände voll zu thun, mit seinen Gehilfen die Ordnung des Eintritts aufrecht zu erhalten und die Dollars einzukassieren. Auf den Anhöhen, welche auf drei Seiten, gleich einem Amphitheater den Cirkus von San Francisco umgeben, lagerte eine zahllose Volksmenge, Auswanderer, Indianer und andere Personen, denen die Goldwäscherei, das Spiel und die Spekulation nicht die Mittel gewährt, den erhöhten Eintrittspreis zu zahlen.

Der Graf hatte noch am Abend den Stier gekauft, den er ausersehen, die Gefahren der Prärie zu repräsentieren. Das Tier war vor wenigen Tagen mit mehreren anderen von seinem Eigentümer aus Spekulation von den Weiden einer entfernten Mission nach San Francisco gebracht worden, um in den Stiergefechten seine Rolle zu spielen. Der Besitzer des Cirkus jedoch, welcher die Kampfstiere zu liefern hat, zeigte wenig Lust zu dem Handel, da es weit mehr in seinem Vorteil lag, ältere und ruhigere Tiere zu requirieren, bei denen feuriges Temperament und Ungestüm ihn nicht der Gefahr aussetzte, sie sogleich zu verlieren. Der junge Bulle befand sich mit zwei anderen, zum Vorspiel des Kampfes bestimmten Tieren in den Ställen unter der Loge des Grafen.

Zahllose Wetten von jedem Betrage waren bereits unter der Menge über den Ausgang des Kampfes geschlossen worden und ihre Zahl steigerte sich mit jedem Augenblick. Das Geschrei, Geheul, Pfeifen und Gelächter wuchs von Minute zu Minute, denn die Zeit zur Eröffnung des Stiergefechts war bereits nahe, und noch keiner der Haupthelden des Tages erschienen.

Plötzlich, ein Viertel vor sechs Uhr, donnerten von zwei in der Bai ankernden französischen Schiffen drei Salutschüsse, und man sah die Tricolore zur Mastspitze emporsteigen. Die Franzosen begrüßten ihren tapfern Landsmann, der soeben die Stadt verließ.

Der Graf ritt mit seinen beiden erwählten Adjutanten, dem Kapitän Delavigne und Master O'Sullivan, voran, und ihnen folgten, sämtlich mit einer Kokarde in den Farben des Grafen, Weiß und Blau, geschmückt, die Teilnehmer der Sonora-Expedition, teils zu Pferde, teils zu Fuß; unter den französischen Kavalieren der Vorderreihe die schöne Irländerin. Der Graf trug ein Jagdhemd von Hirschleder, mit Seide ausgenäht, und um den Leib mit einer chinesischen Seidenschärpe zusammengehalten, in welcher ein arabischer Yatagan mit silberbeschlagenem Ebenholzgriff in sammetner Scheide steckte. Über dem Rücken hing ihm eine kurze Büchse und auf dem Kopf trug er einen grauen Filzhut mit gleicher Straußfeder geschmückt. Die prächtige, militärische Gestalt des Grafen, sein stolzes entschlossenes Gesicht verfehlten ihren Eindruck auf die Menge nicht, und er glich einem der alten Turnierritter, die in die Schranken reiten, als er mit leichtem Schenkeldruck den Schimmel, der ihn trug, sich heben und durch den Eingang in den Cirkus setzen ließ, wo er unter den donnernden Hurras der Menge vom Pferde stieg und Margarethe O'Sullivan nach den Sitzen geleitete, die Slong für ihn und sein Gefolge reserviert hatte.

Sie hatten kaum ihre Plätze eingenommen, als der rollende Donner einer Salve von acht Kanonaden von der »Sarah Elise« verkündete, daß auch der Zug des Maharadschah von dem Thor San Dolores her unterwegs sei, und aller Augen wandten sich nach der Straße und dem Eingang des Cirkus.

In den Sonnenstrahlen blitzte es von Stahl und Gold, als der Zug näher und näher kam, und das Drängen und der bewundernde Ruf der Volksmenge, auf welche äußeres Gepränge nie seinen Eindruck verfehlt, verkündete ein besonders anziehendes Schauspiel.

Bald vermochten die Harrenden im Cirkus den Grund des Staunens und Geschreies zu erkennen.

Diesmal war es nicht der modernisierte Wilde, der anglisierte Gentleman, der ihre Blicke und ihre Erwartung täuschte. – Der, welcher nahte, hatte keine Spur, keinen Zug des europäischen Firnisses an sich, mit dem er gestern kokettierte – es war der Mahrattenfürst in all dem Glanz, in der phantastischen Pracht seiner Heimat.

Zwölf Matrosen der »Sarah Elise«, mit ihrem Kapitän, eröffneten den Zug in der reichen Tracht der indischen Seeleute, Männer aus allen Teilen der Erde, aber alle gestählt durch hundert schwere Gefahren. Ihnen folgten vier indische Diener des Maharadscha in weißen, wallenden Gewändern, kostbare Seidenschärpen um die Hüften und in den Händen goldene Becken oder Triangel, deren Zusammenschlagen einen durchdringenden Lärm verursachte. Dann kam, begleitet von seinen beiden Speer- und Pfeifenträgern, zwei riesigen Mohren in roten goldverbrämten Tunikas, der Maharadschah selbst.

Der künftige Peischwa von Bithoor trug die volle Kampfrüstung des Mahrattenfürsten. Eine Stahlkappe von altertümlicher Form, an die spitzen Helme der ersten Kreuzzüge erinnernd, und umwunden von einem weißen mit Gold gestickten Mousselinband, bedeckte sein Haupt, und während von der Spitze des Helms die prächtigen Schwanzfedern des Paradiesvogels wogten, hingen auf beiden Seiten die schärpenartigen und mit schweren Goldfransen geschmückten Enden des Kopfbundes an den Schläfen nieder bis auf die Schulter. Ein mattgraues, aus feinsten Stahlringen geflochtenes Panzerhemd, so biegsam und weich wie Sammt, schloß den oberen Teil seines Körpers ein und fiel bis auf die Schenkel, die in weite, orientalische Beinkleider von gelber Seide gehüllt waren. Eine indische Weste von rotem Seidenzeug, fast verschwindend unter der Menge ihrer Gold- und Edelstein-Stickereien, wurde wiederum von einem langen, mantelartigen Überwurf von weißem Kashmir bedeckt. Der Maharadschah trug unter dem Überwurf einen kostbaren indischen Shawl, von dem ein stark gekrümmter edelsteingeschmückter Säbel herabhing. Im Gürtel selbst steckte die Dschambea, die er am Abend vorher dem Grafen anempfohlen.

Der Maharadschah, der auf der Brust über dem Kettenpanzer den in Brillanten strahlenden persischen Sonnenorden trug, ritt ein schwarzes, arabisches Pferd mit weißer Mähne und weißem Schweif.

Hinter ihm kamen zu Fuß Master Gibson und Mac Scott, die beiden Tigerjäger, mit den wenigen Männern, und ihnen folgte, von seinen deutschen und englischen Anhängern umgeben, mit seinem Sekundanten zu Pferde der erste Kämpfer in dem großen Drama des Tages, Master Hillmann, der Redakteur des California Chronicle.

Seine Freunde hatten ihn zur Feier des Tages in einen mexikanischen Anzug gesteckt, dessen weite, bis hoch an die Schenkel herauf geschlitzte Calzoneras, mit den großen Pfundsporen an den Schuhen, nebst der engen Jacke, ihm eben so ungewohnt als unbequem und nachteilig für die freie Bewegung waren. Da er aber darauf bestanden hatte, den Stier gleich den Torreadores zu Pferde anzugreifen, hatte er sich in diese Ausstaffierung fügen müssen. Ebenso war dem nur mit der europäischen Reitschule vertrauten Kavalleristen, der hohe, mexikanische Sattel unbequem. Trotz dieser Übelstände hielt er sich, die Büchse auf den Schenkel gestützt, in fester Haltung auf dem an die Stiergefechte gewöhnten Pferde und zeigte jetzt, wo der Kampf unausweichbar war, einen gewissen fieberhaften Mut. Antonio Perez, der Torreador, saß sehr unbekümmert neben ihm quer im Sattel, rauchte seine Papier-Cigarre und berechnete den Wert der Edelsteine, die der Maharadschah an sich trug.

Unter dem Klang der Becken und Triangel und dem Geschrei der Menge erreichte der Zug den Cirkus und trat durch den Eingang in die Arena. Als der Maharadschah an der Tribüne vorüberritt, auf welcher der französische Graf mit seinem Gefolge saß, verneigte er sich höflich, indem er seine Rechte an Stirn und Brust legte, dann schwang er sich, vor seinem Sitz angekommen, gewandt aus dem Sattel und stieg die Stufen hinauf. Nachdem die Neuangekommenen ihre Plätze eingenommen hatten, und die Pferde fortgeführt worden waren, wurden die Schranken des Cirkus geschlossen, und das am Eingang postierte Orchester begann einige spanische Tänze und Polkas zu spielen.

Aber das Publikum zeigte sich wenig geneigt, auf diese Kunstleistungen zu hören, und bald erscholl der donnernde Ruf: » Toros! Toros!« (»die Stiere! die Stiere!«)

Es waren im Cirkus und auf den Anhöhen umher mehr als fünfzehntausend Menschen versammelt, und Master Slong überschlug seine Einnahme auf baare zehntausend Dollars. Es war keine Aussicht, daß noch mehr Zuschauer eintreffen würden, denn die ganze Stadt war versammelt, und überdies wäre es unmöglich gewesen, noch einen Menschen in die vollgestopften Galerieen hineinzupressen. Er nahte daher mit einer tiefen Verbeugung der Tribüne, auf der der Alcalde neben dem Grafen saß, und bat um die Erlaubnis, das Spiel zu beginnen, worauf der Beamte mit seinem Taschentuch das Zeichen gab und nach spanischer Sitte den Schlüssel zum Toril, dem vergitterten Hof der Stiere, hinabwarf.

Sofort schmetterten zwei Hörner vom Eingang her, und die Barriere wurde geöffnet; um den Zug der Toreros oder Stierfechter in die Arena einzulassen.

Diese war von einer starken Barriere von 8 bis 9 Fuß Höhe umgeben, hinter der, von einer Brustwehr geschützt, die Sitzreihen amphitheatralisch übereinander emporstiegen. Der innere Raum der Arena war von einer zweiten, fünf Fuß hohen Mauer umgeben. Der so gebildete breite Gang war bestimmt zur Aufnahme flüchtender Fußkämpfer, die dem wütenden Stier durch enge Öffnungen in der Mauer entrinnen oder durch einen Sprung über sie hinweg Rettung suchen wollten.

Diese Öffnungen waren für heute durch Balken verschlossen, und die Brustwehr vor der ersten Zuschauer-Galerie überdies um zwei Fuß erhöht worden, um jedem Ausbrechen des Tigers vorzubeugen.

Die Bandilleros eröffneten den Zug, die Kämpfer zu Fuß, die die Aufgabe haben, ihre kleinen, einen Fuß langen, mit einem stählernen Widerhaken an der Spitze und mit rauschenden Streifen Papiers oder Schwärmern versehenen Pfeile in das Fleisch des Stieres zu bohren und seine Wut dadurch aufzustacheln, damit er halb rasend vor Schmerz und Zorn, desto leichter die Beute des Matadors werde.

Die Rolle des Bandilleros wird gewöhnlich nicht von regelrechten Toreros oder Stierkämpfern übernommen, sondern von den Liebhabern und Freiwilligen aller Stände, die sich auf die Schnelligkeit ihrer Beine verlassen und ein Vergnügen oder eine Befriedigung ihrer Eitelkeit suchen. Die Bandilleros des Cirkus von San Francisco bestanden daher auch aus einer bunten Gesellschaft von wagehalsigen Yankees, Californiern, zwei Choctaw-Indianern und einem freien Neger, die sämtlich so gut und seltsam das spanische Kostüm nachgeahmt hatten, als es ihre Lage oder ihre Mittel gestatteten. Die eigentümlichste Figur bildete ein englischer Matrose, der, halb betrunken, es sich durchaus nicht hatte nehmen lassen wollen, in Gesellschaft seiner zufälligen Freunde oder Zechbrüder mit dem Stiere anzubinden. Ein Hurra seiner zahlreich versammelten Kameraden von allen Nationalitäten empfing Jack, der, nicht wenig geschmeichelt, sich die Haare herunterstrich, und nach allen Gegenden der Windrose seinen Kratzfuß machte, wobei er es nur der Unterstützung seiner Nachbarn zu danken hatte, daß er nicht hinfiel.

Jetzt kamen die vier eigentlichen Kämpfer, die bezahlten Picadores, zu Pferde, in Scharlachjacken mit Silber besetzt, die weiten, ledernen Beinkleider mit braunem Zuckerpapier ausgestopft, das dem Horn des Stiers bei einer unglücklichen Überraschung oder falschen Wendung Widerstand leistet, in der Faust die lange, mit einem Fähnchen oder mit Federn versehenen Pike. Die Pferde, die sie ritten, waren jämmerliche Tiere, zu nichts mehr gut, als unter den Hörnern der Stiere zu fallen. Denn das Vergnügen des Stiergefechts wird danach geschätzt, wie viele Pferde dabei verwundet oder getötet werden, und da der Eigentümer des Cirkus sie zu liefern hat, ist es natürlich, daß er sie so billig wie möglich zu kaufen sucht. Um so wunderbarer ist das Feuer und der Mut, den diese alten und schwachen Tiere oft noch im Cirkus beweisen.

Hinter den Picadores kam der Matador mit seinen beiden Gehilfen, das verhängnisvolle rote Tuch in der Linken, das kurze scharfgeschliffene Schwert, mit dem er den Todesstoß versetzt, in der rechten Hand. Der Matador war Antonio Perez, der Sekundant des deutschen Zeitungsschreibers selbst, aber diesmal bloß des Gedränges halber im Zuge, da Master Slong vorher angekündigt, daß des nachfolgenden besonderen Kampfes halber es bei den vom Cirkus gelieferten Stieren nur auf ein Scheingefecht der Banderilleros und Picadores abgesehen sein werde. Den Schluß des Zuges bildeten die vier mit Blumen und Bändern geschmückten Maultiere, an einen Querbalken gespannt und bestimmt, die Leichen der Stiere oder Pferde vom Kampfplatze zu schleifen.

Dieser Zug bewegte sich um die Arena; als er dem Sitze des Maharadschah nahte, warfen auf ein Zeichen von ihm die indischen Diener Gold- und Silbermünzen hinab, was eine kleine Katzbalgerei der ehrlichen Banderilleros und einen kurzen Aufenthalt veranlaßte, worauf der Umzug weiter ging. Die Augen des Publikums und der Teilnehmer waren jetzt voll Erwartung auf das Verhalten des Grafen gerichtet, doch dieser nahm keine Notiz von dem habsüchtigen Gesindel, bis Antonio Perez, der Matador, sich dicht unter seiner Loge befand; dann warf er diesem mit leichtem Schwung seine wohlgefüllte Börse zu, die derselbe geschickt auffing und mit tiefer Verbeugung unter den Evvivas der Menge in die Tasche steckte.

Der Augenblick zum Beginn des Spiels war jetzt gekommen, und der Sheriff mit seinen Gehilfen räumte die Bahn. Nur die Picadores und die Banderilleros blieben darin zurück und stellten sich zur linken Seite des Torils auf, die Fußgänger zwischen die Reiter verteilt.

Auf das Zeichen des Alkalden flog das erste Gitter auf, und der Feind sollte in die Bahn stürzen.

Aber der Stier schien sich in seinem Behältnis ganz wohl zu befinden, er kam nicht.

Ein tausendstimmiges Pfeifen, Geheul und Zischen brach sofort los, und die Luft erdröhnte von allerlei Spott und Hohnrufen, gleich als müsse das Tier sie verstehen. » Vaccha! Vaccha!« Eine Kuh. klang es lärmend und höhnend von allen Seiten. »Die Piken! – Laßt die Hunde los! Heraus mit dem Feigling! Die Peitsche! Die Peitsche!«

Unter dem Lärmen der Versammlung hatten die Diener des Cirkus bereits die nötigen Mittel angewendet, und der alte Bulle, der zuerst seine Fechterkünste zeigen sollte, galoppierte jetzt wirklich heraus in den freien Raum, mit Zischen und Pfeifen empfangen.

Der zähe Bursche war kein Neuling mehr in den Spielen und war bereits verschiedene Male vor dem Publikum von San Francisco aufgetreten. Der Lärm schien ihn noch furchtsamer zu machen, und obschon die Picadores jetzt zuerst den Angriff begannen, und eine Menge Banderilleros auf ihn geschleudert wurden, begnügte er sich doch, in der Arena umher zu galoppieren und endlich an einer Wand derselben mürrisch still zu stehen. Auf das sich von Minute zu Minute steigernde Toben des Publikums mußte der Alkalde endlich den Befehl geben, das Tier fortzuschaffen, was unter einem wahren Höllenlärm geschah.

Jetzt wurde das zweite Thor geöffnet, und der Stier, der heraussprang, zeigte sich sofort als ein anderer Gegner – er betrat den Cirkus zum erstenmal.

Als das Tier in der Arena stand, schaute es sich einige Augenblicke um, übersah mit wildem Blick den Schauplatz und stürzte sich auf den ersten Reiter. Der Picador empfing es mit der Spitze seiner Pike, den Regeln des Kampfes gemäß, auf die fleischigen Teile des Halses gerichtet und wandte, nachdem er ihm seinen Stoß beigebracht, das Pferd geschickt, verfolgt von dem Tier. Sogleich waren die Banderilleros wie ein Schwarm um dasselbe her und bohrten ihm ihre Widerhaken in Schenkel und Nacken. Der Stier von allen Seiten angegriffen, wandte sich und stürmte auf den nächsten Picador los.

Der Mann hatte entweder nicht kaltes Blut genug, oder sein Gaul war der feinern Fühlung unzugänglich; der Stoß der Pike streifte nur leicht den Bug des Stieres, und sein Horn bohrte sich so gewaltig in die Brust des armen Pferdes, daß dieses augenblicklich tot niederfiel. Die Heftigkeit des Anpralls hatte den Reiter auf der anderen Seite herabgeworfen, der, um sich zu retten, nichts thun konnte, als bewegungslos liegen zu bleiben, während unter den Zuschauern ängstliches Schweigen herrschte, und der erboste Stier seine Wut an dem toten Pferde ausließ.

Die peinigende Scene dauerte jedoch nur wenige Augenblicke, denn der Stier sah sich alsbald von vorn durch die drei übrigen Picadores und im Rücken und von den Seiten unter lautem Geschrei durch die Banderilleros angegriffen, deren einem es gelang, dem Tier einen Pfeil dicht hinter den Hörnern in den Nacken zu bohren, an dessen Widerhaken ein Stück brennender Schwamm befestigt war, der sich bei dem Eindringen der Spitze in das Fleisch zurückschob und den Zünder eines großen am Schaft befindlichen Schwärmers berührte. Die zischenden Funken und das Knallen der Pulverlagen, verbunden mit dem Schmerz der vielen Wunden, machten das Tier halb rasend, so daß es sich bald rechts bald links wandte und die Banderilleros in wildem Grimm an die inneren Schranken jagte, über die sie so gewandt hinwegsetzten, daß die Hörner des Stieres mit ihnen zugleich die Mauer zu berühren schienen.

Jetzt ereignete sich ein Vorfall, der das allgemeine Interesse erregte und nach einigen Augenblicken der Angst ein herzliches Gelächter verursachte.

Jack, der betrunkene englische Matrose, der sich in die Gesellschaft der leichtfüßigen Banderilleros gedrängt hatte, stand nämlich jetzt, von diesen verlassen, allein in der Mitte des Cirkus, mit jener gänzlichen Nichtachtung der Gefahr oder jener dummdreisten Neugier, die so häufig dem niedern Engländer eigen ist, es verschmähend, dem Beispiel seiner Gefährten zu folgen. Vielmehr fing er an, in allerlei Kauderwelsch auf ihre Hasenherzigkeit und ihr Davonlaufen zu schimpfen. » Goddam, – Seid Ihr Kerle von Carambas, daß Ihr vor einem Ochsen davonlauft und Eure Windseite zeigt? Holt an und gebt's ihm, Jungens! Seelöwen Ihr – Gott verdamm' meine Augen, daß ich mit Euch feigen Spanioler Landratzen einen tüchtigen Grog getrunken habe! – Na, komm' an, alter Bursche, ehrlich Gefecht und ein kleines Handgemenge!« Die letzten Worte des gutmütigen Burschen galten dem Stier, der jetzt gerade auf ihn zurannte.

Ein allgemeiner Schrei der Besorgnis erschallte, und von verschiedenen Seiten rief man dem Gefährdeten zu, noch jetzt zu entfliehen, während eine Anzahl Jacks vor Verwunderung über die Courage ihres Genossen in die Hände klatschten und ihn durch ihr Geschrei: »Gieb's ihm ordentlich, Mann! – Drauf, Bursche, für die Ehre von Alt-England!« zu ermutigen suchten.

»Um Gottes willen, Mylord – der Unglückliche ist verloren, er hat nicht einmal Waffen!« sagte Margarethe O'Sullivan, die bleich neben dem Grafen saß.

»Beunruhigen Sie sich nicht um den Burschen, Miß!« entgegnete der Franzose. – »Tölpel, wie dieser, kommen gewöhnlich am besten fort!«

So war es in der That. Der Stier hielt etwa zwei Schritte vor dem Matrosen an und senkte den Kopf zum Angriff, als Jack im trunkenen Mute ihm zuvorkam, auf ihn lossprang und das Tier bei beiden Hörnern ergriff. Dies Stück tollkühnen Mutes war seine Rettung. Einen Augenblick wirbelten Tier- und Menschengestalt durcheinander, daß man sie nicht zu unterscheiden vermochte, dann flog Jack einige Fuß hoch durch die Luft über den Nacken des Stiers fort und auf den Sand, und das Tier galoppierte erschreckt davon, der Matrose aber saß unbeschädigt da, drohte mit der Faust hinter dem Büffel her und begann gewaltig zu schimpfen.

Ein brüllendes Gelächter mischte sich in das Hurra der Seeleute, die Banderilleros sprangen zurück über die Barrieren und die Reiter begannen aufs neue den Angriff gegen den Büffel, während einer der Fußkämpfer halb mit Gewalt den Matrosen, der nach einem verlornen Schuh suchte, nach dem äußern schützenden Rundgang zog.

Nachdem der Stier noch ein zweites Pferd getötet und einen der Picadores ziemlich gefährlich verwundet hatte, wurde der Kampf für beendigt erklärt, und das erbitterte Tier mittels des Lassos wieder eingefangen und in seinen Behälter zurückgebracht.

Jetzt erhob sich plötzlich der Maharadschah, verließ seinen Sitz, mit einem Wink sein Gefolge zurückhaltend, und schritt langsam und würdevoll über den offenen Gang um die Galerieen nach der Loge seines Rivalen, der sich erhob, ihn zu begrüßen.

»Möge der Schatten des königlichen Kriegers von Frangistan lange dauern,« sagte der Indier, der mit dem Gewand seines Volkes auch ganz seine Sitten und seine bilderreiche Sprache angenommen hatte. »Srinath Bahadur kommt, an der Seite eines Freundes Platz zu nehmen, damit keine Zunge böses zwischen ihnen rede und keine Seele denke, daß Feindschaft zwischen ihnen sei wegen der thörichten Worte eines Paria.«

»Seien Sie willkommen, Prinz,« sagte laut und seiner ganzen Umgebung verständlich der Graf, »und wie Gott auch über mich bestimmen möge, so wünsche ich doch, daß jedermann erfahre, daß ich Sie als Mann von Ehre schätze und Ihnen dankbar bin.« Mit einer Handbewegung lud er den Maharadschah ein, neben ihm Platz zu nehmen.

Auf der anderen Seite des Grafen saß Margarethe O'Sullivan.

Der Indier neigte sich zum Ohr des Grafen: »Haben Sie überlegt, Monseigneur? Ich beschwöre Sie, Ihr Leben nicht der Gefahr auszusetzen. In diesem Portefeuille befinden sich hunderttausend Dollars in englischen Banknoten, und wenn Sie einwilligen, ist das Mittel bereits gefunden, die Sonora-Expedition aufzuschieben.«

»Die Ehre eines französischen Edelmannes, Prinz, ist verpfändet, sie muß gelöst werden, ehe wir weiter sprechen.«

Der Maharadschah lehnte zurück, sein Auge hatte wieder ganz den trägen, kalten Ausdruck, und nicht die geringste Bewegung verriet seine Teilnahme an der nachfolgenden Scene.

Während des kurzen Gesprächs hatte Hillmann mit seinem Sekundanten und seinen Freunden die Arena betreten. Sein Gesicht war etwas bleich, zeigte aber Entschlossenheit, und die Art, wie er sein Pferd die Runde machen ließ, bewies, daß er fest und sicher im Sattel sei. Er untersuchte nochmals das Schloß seiner Büchse, lüftete die Machete an seinem Gürtel und reichte dann seinen Freunden zum Abschied die Hand, indem ihm Antonio Perez nochmals die Stellen bezeichnete, auf welche er zielen solle. Dann gaben die Hörner das Zeichen, die Arena zu räumen, und alle Fremden, mit Ausnahme Antonios, der seine Stellung im Außengange nahm, entfernten sich.

Auf das zweite Zeichen des Alkalden öffnete sich das dritte Gitter, und der Stier, den der Graf zum blutigen Kampf gewählt, stürzte heraus.

Es war ein starker, junger Bulle von dunkelbrauner, fast schwarzer Farbe und furchtbarem Aussehen. Eine lange, dichte Mähne bedeckte Hals und Schultern, zwei kurze Hörner saßen an einer Stirn von gewaltiger Breite und zwei wie Feuerräder rollende, tückische Augen blitzten aus dem buschigen Haarwuchs hervor.

Der Bulle blieb stehen und sah wie verwundert umher, gleich seinem Vorgänger, als plötzlich ihm zur Seite das Brüllen des Tigers ertönte, und der Stier erschreckt und wild zur Seite sprang. Er warf den Schwanz in die Höhe, und von dem jetzt von allen Seiten her tönenden Geschrei der Zuschauer wild gemacht, galoppierte er die Arena entlang.

Hillmann hielt an deren Ende und setzte sein Pferd in Galopp, als der Stier näher kam, der erst jetzt den Gegner bemerkte und sofort die Verfolgung aufnahm. Das Spiel dauerte einige Minuten und Hillmann, durch den Zuruf seiner Partei ermutigt und angespornt, suchte dabei dem Stier in den Rücken und zur Seite zu kommen, um ihm einen Schuß ins Herz beizubringen, da er auf die Stirn nicht zu halten wagte. Wirklich gelang es ihm auch, durch eine geschickte Bewegung an die Flanke des Tiers zu kommen, das unbehilflich und von dem Lärm erschreckt, so rasch sich nicht zu wenden vermochte; er galoppierte eine Strecke weit, fast Seite an Seite, mit ihm fort. Dadurch verfehlte er jedoch den günstigen Augenblick, und als er seine Büchse in der tödlichen Nähe auf seinen wilden Feind richtete und abdrückte, fuhr der Schuß in die Mähne und brachte dem Tier zwar eine schmerzende, doch keineswegs tödliche Wunde bei.

Es war ein Glück, daß Hillmann sofort, nachdem er losgedrückt, anhielt und sein Pferd wandte, denn der Büffel schoß nur noch wenige Schritte vorwärts und kehrte sich dann, von dem Schmerz und dem strömenden Blut wild gemacht, um, seinen Feind zu suchen. Im nächsten Augenblick war er ihm auf den Fersen und jagte ihn dreimal um den ganzen Cirkus. Die Teilnahme an dem Ausgang des Kampfes war jetzt allgemein, und mit Angst sah alles auf den Reiter, der durch den schlechten Erfolg des Schusses die Geistesgegenwart verloren zu haben schien. Sein Gesicht war bleich, sein langes Haar flog im Luftzug und halb atemlos keuchte er zweimal im Vorbeisprengen seinem Sekundanten zu: »die Büchse! die Büchse!«

Doch der Mexikaner, mit großer Teilnahme die wütende Jagd verfolgend, war entweder in Zweifel darüber, ob er nach den festgesetzten Regeln des Kampfes seinem Mandanten das eigene Gewehr reichen dürfe, oder achtete des Zurufs nicht, und erst beim drittenmal, als der flehende Blick des Geängsteten ihn traf und sein heiserer Ton nach dem Gewehr rief, entschloß er sich, ihm im Vorübersprengen seine Waffe hinzureichen, aber es war zu spät, denn obschon der Deutsche noch Zeit und Gelegenheit hatte, das Gewehr zu ergreifen und den Hahn zu spannen, vermochte er doch nicht mehr, sein Pferd und seine Person in Sicherheit zu bringen; der wütende Büffel stürzte bereits mit gesenkten Nüstern auf ihn ein. An die Wand gedrängt, hob sein Spornstich das edle Pferd zum Sprunge, während er selbst, über den Hals vorgebeugt, das Gewehr auf den anstürmenden Gegner anschlug und abdrückte. Der Schuß krachte, im nächsten Augenblick aber stürzten Pferd und Reiter zusammen, denn ein Hornstoß des wütenden Tieres hatten die Weichen des armen Pferdes aufgerissen, daß die Eingeweide herausquollen. Während das Roß auf dem um Hilfe rufenden Reiter lag, der vergeblich sich bemühte, emporzukommen, weil sein rechtes Bein gebrochen war und das Pferd, im Todeskampf um sich schlagend, mit der ganzen Last auf ihm ruhte, stieß der wütende Stier blind auf seine Feinde los. Die Scene, so rasch sie vorüberging, war furchtbar und entsetzlich, und das laute Geschrei der Zuschauer, die rings auf den Sitzen sich erhoben hatten, rief Antonio Perez zum Beistand. Diesem schien in der That endlich der Augenblick gekommen zu sein, handelnd aufzutreten. Er warf das Cigarillo, das er bisher ruhig geraucht, aus dem Munde, sprang über die Mauer und eilte, den roten Mantel schwingend, auf den Stier zu.

Der Bulle, der seine Rache gesättigt hatte und der den neuen Gegner sogleich bemerkte, wandte sich gegen diesen, senkte die von Blut triefenden Hörner und stürzte auf ihn los. Der Matador blieb unbeweglich stehen, jede Muskel an ihm schien aus Erz gegossen zu sein. Er hatte gegen die gewöhnliche Sitte des Kampfes den roten Mantel auf die Erde geworfen und war allein noch mit einem scharfen, schmalen, aber starken Dolchmesser bewaffnet. Eine atemlose Stille war rings im Cirkus dem vorherigen Lärmen und Hilfsgeschrei gefolgt, und man konnte in den wenigen Momenten, die zwischen dem Angriff und der Entscheidung folgten, deutlich den Galopp des anstürmenden Tieres und das Stöhnen des Verwundeten hören.

Jetzt war der Stier an dem Matador, blind vor Wut und Schmerz durch die beiden Schußwunden, aus denen dickes, schwarzes Blut auf den Sand der Arena floß. Einen Moment noch, dann schienen die Hörner den kühnen Mann gefaßt zu haben. Aber mit unglaublicher Kaltblütigkeit hatte dieser im letzten Augenblick den rechten Fuß dem Stier mitten zwischen die Hörner gesetzt, und als die Blicke der Menge seine Gestalt wieder erfassen konnten, saß er rittlings auf dem Nacken des Tiers, das, erschreckt durch die ungewohnte Last, weiter stürzte. Ein donnernder Beifall, in den sich das Gebrüll des Tigers mischte, erschütterte die Luft, im nächsten Augenblick erschien derselbe noch zu steigen; denn der Mexikaner hatte den Dolch zwischen die Zähne genommen, mit beiden Händen die zottige Mähne des Stiers gefaßt und mit einem gewöhnlichen Kunststück der Equilibristen sich in die Luft geworfen und die Beine gewechselt, so daß er jetzt in voller Sicherheit vorwärts auf dem Rücken des Bullen dicht hinter seiner langen Mähne saß, wie die Gauchos auf den wilden Pferden der Savannen; zweimal unter dem jauchzenden Zuruf und Tücherschwenken der Zuschauer, die über dem Schauspiel das bereits vorhergegangene Unglück vergessen hatten, durchlief der Stier mit seinem Reiter den Cirkus. Als er sich das zweite Mal der Stelle näherte, wo der Verwundete mit dem getöteten Pferde lag, suchte die Hand des Mexikaners den Punkt im Genick, wo das Haupt an den Nackenwirbeln aufsitzt, und gerade im selben Moment, wo der Bulle an seinen blutigen Opfern vorbeisprang, stieß er ihm zwischen den Fingern den schmalen Stahl bis ans Heft ins Genick.

Wie von einem Blitz getroffen, stürzte das mächtige Tier auf der Stelle tot zusammen. Der Mexikaner war auf diesen Sturz vorbereitet gewesen, kam auf die Füße zu stehen und sprang gewandt zur Seite, triumphierend die Hand schwingend. Ein wahnsinniges Beifallstoben belohnte das gefährliche und eben so viel Mut wie Gewandtheit erfordernde Kunststück.

Jetzt eilten die Freunde Hillmanns und zahlreiche Neugierige in die Arena, um nach dem Gefallenen zu sehen, und auch sein Sekundant widmete ihm jetzt die ersten Zeichen von Teilnahme. Der Deutsche lag bewußtlos unter dem Pferde, sein rechtes Bein hatte einen so furchtbaren Bruch erlitten, daß die Splitter der Knochen durch das Fleisch gedrungen waren; außerdem war seine rechte Brust und Schulter entsetzlich von einem Hornstoß zerfleischt. Ein Arzt erklärte jedoch, daß Lebensrettung bei sorgfältiger Pflege noch möglich sei, obgleich der Unglückliche wahrscheinlich ein Krüppel bleiben würde. Unter seiner Aufsicht wurde der Kranke nach einem vorläufigen Verband auf eine Bahre gelegt und wenigstens aus der Arena gebracht, denn es hätte sich niemand gefunden, der selbst für schweren Lohn jetzt den Cirkus ganz verlassen und die Hauptscene des Schauspiels geopfert hätte, um ein Werk der Barmherzigkeit zu erfüllen.

Das Geläut der Glöckchen verkündete alsbald die Maultiere mit ihrem Arriero, die eintraten, um die Leichen des Stiers und des Pferdes aus dem Cirkus zu schleifen.

Aller Augen richteten sich jetzt nach dem Platz des Grafen, auf dessen Befehl Kapitän Delavigne zu dem Verwundeten geeilt und, so viel es anging, bemüht gewesen war, mit Rat und That zu helfen. – Der Platz, den der Graf bisher eingenommen, war leer.

Zugleich verkündeten die Hornsignale am Eingang und der Ruf des Sherifs und seiner Gehilfen, daß die Arena zu räumen sei.

In dem Gang zwischen der äußeren und inneren Barriere galoppierte bereits Eduard O'Sullivan auf einem schönen Halbblutpferde umher. Er trug einen Hirschfänger an der Seite und eine schöne Jagdflinte in der Hand, courbettierte mit seinem Pferde unter dem Sitz seiner Schwester, die zitternd neben dem Maharadschah saß, ohne doch zu wagen, ihn mit einem Wort zur Vorsicht zu mahnen.

Jetzt trieben Mac Scott und Gibson mit den Dienern des Sherifs halb mit Gewalt die Zögernden aus der Arena, und die Thore derselben wurden geschlossen.

Man erblickte in der Mitte des Cirkus die hohe Gestalt des Grafen zu Fuß, auf seine Büchse gestützt.

Während Gibson an der Thür des Käfigs die Krampen lockerte, trat Mac Scott zu dem Grafen, um seine letzten Befehle in Empfang zu nehmen.

Tiefe Stille lag über den Tausenden von Menschen, die hier versammelt waren, nur zuweilen unterbrochen von dem heiseren Brüllen des Tigers und dem Schnauben des Pferdes O'Sullivans, das die Nähe des furchtbaren Raubtiers witterte.

Das Auge des Grafen blickte ruhig und fest, seine Haltung leicht und unbefangen.

»Sind Sie mit Ihren Vorbereitungen zu Ende, Herr Mac Scott?«

»Ja, Mylord – sobald Sie es wünschen …«

»Bitte, so geben Sie Ihrem Gefährten das Zeichen und bringen Sie sich in Sicherheit. Wir dürfen die Neugier dieser Herren nicht länger auf die Folter spannen.«

Mac Scott verbeugte sich und schritt über den Platz. Der Graf stand wieder allein und untersuchte oberflächlich das Schloß seiner Büchse. Der Schotte war jetzt bis zum Käfig gekommen, erfaßte einen eisernen Haken und stieg mit seinem Gefährten vorsichtig auf die Decke des ziemlich hohen Behältnisses.

Beide faßten das Eisen und legten es an die Gitterthür des Käfigs; dann wandten sie ihre Augen nach ihrem Gebieter, seinen Wink erwartend.

Es herrschte eine atemlose Stille im Cirkus.

Der Maharadschah grüßte mit einer leichten Verneigung hinüber nach dem Grafen – dann gab er mit der Hand ein Zeichen.

Das eiserne Gitter, das den Käfig verschloß, rasselte unter den kräftigen Händen Mac Scotts und seines Gefährten in die Höhe.

Mit einem gewaltigen Sprung schoß der Königstiger in die Arena.



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