Ernest Renan
Die Apostel
Ernest Renan

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Neuntes Kapitel.

Erste Mission – Der Diakon Philippus

Die Verfolgung des Jahres 37 hatte, wie dies immer vorkommt, eine Ausdehnung der Lehre, die man unterdrücken wollte, zur Folge. Bisher hatte sich die christliche Predigt kaum über Jerusalem hinaus erstreckt; keine Mission wurde unternommen; eingeschlossen in ihren exaltierten aber beengten Kommunismus strahlte die Mutterkirche nicht hinaus und hatte auch keine Nebengemeinden gebildet. Die Zerstreuung der kleinen Vereinigung warf den Samen des Guten nach allen vier Weltrichtungen aus. Die Mitglieder der Gemeinde zu Jerusalem, gewaltsam aus ihren Quartieren gejagt, verbreiteten sich über alle Teile Judäas und Samariens (Apostelg. VIII, 1, 4, XI, 19) und predigten überall das Reich Gottes. Besonders die durch Vernichtung der Gemeinschaft ihrer Funktionen ledigen Diakonen wurden ausgezeichnete Evangelisten. Sie bildeten das junge und thätige Element der Sekte, im Gegensatz zu dem etwas schwerfälligen Element, das die Apostel und die »Hebräer« bildeten. Schon ein einziger Umstand, der der Sprache nämlich, würde genügt haben, um letztere hinsichtlich des Predigens unterzuordnen. Sie sprachen, wenigstens als gewöhnliche Sprache, einen Dialekt, den die Juden selbst in einer Entfernung von etlichen Meilen von Jerusalem nicht gebrauchten. Die Hellenen sind es, denen die ganze Ehre der großen Eroberung zukommt, deren Schilderung jetzt unser Hauptgegenstand sein wird.

Der Schauplatz der ersten dieser Missionen, die bald das ganze Becken des Mittelmeers umfassen sollten, war das Nachbargebiet von Jerusalem in einem Umkreise von zwei oder drei Tagesreisen. Der Diakon Philippus war der Held dieser ersten heiligen Aussendung.Apostelg. VIII, 5 ac. Daß es nicht die Apostel waren, ergiebt sich aus den Stellen Apostelg. VIII, 1, 5, 12, 14, 40, XXI, 8 miteinander verglichen. Wohl ist es wahr, daß der Vers Apostelg. XXI, 9 verglichen mit dem, was Papias (in Euseb. H. E. III, 39), Polykrates (ebend. V, 24), Clemens von Alexandrien (Strom. III, 6) sagen, den Apostel Philippus, von dem diese drei Kirchenschriftsteller sprechen, mit dem Philippus, der eine wichtige Rolle in der Apostelgeschichte spielt, identifizieren würde. Aber es ist viel natürlicher anzunehmen, daß der erwähnte Vers auf einer Verwechslung beruhe und untergeschoben wurde, um den Traditionen der Kirchengemeinden von Asien zu widersprechen, namentlich der von Hierapolis, wohin sich Philippus, der prophetische Töchter hatte, zurückgezogen. Die besonderen Angaben, die der Verfasser des vierten Evangeliums (das wahrscheinlich in Kleinasien geschrieben wurde) über den Apostel Philippus zu machen weiß, erklären sich in dieser Weise. Er verkündete in Samarien das Evangelium mit großem Erfolg. Die Samaritaner waren schismatisch; indes war die junge Sekte, nach dem Vorbild des Meisters, in Fragen der Orthodoxie weniger empfindlich als die strengen Juden. Jesus, sagte man, habe sich bei verschiedenen Anlässen den Samaritanern gegenüber ziemlich günstig gezeigt. (S. »Leben Jesu« Kap. XIV. Es ist jedoch möglich, daß sich auch hier die gewöhnliche Tendenz des Verfassers der Apostelgeschichte vorfindet. S. Einleitung S. 15 und S. 157).

Philippus scheint einer jener apostolischen Männer gewesen zu sein, die am meisten von der Theurgie voreingenommen waren (Apostelg. VIII, 5–40). Die Erzählungen, welche sich auf ihn beziehen, versetzen uns in eine fremde phantastische Welt. Die Bekehrungen, welche er bei den Samaritanern, und besonders in ihrer Hauptstadt Sebaste vollbracht hatte, erklärt man sich durch Wunder. Dieses Land selbst war völlig erfüllt von abergläubischen Ansichten über die Magie. Im Jahre 36, d. h. zwei oder drei Jahre vor der Ankunft der christlichen Prediger, hatte ein Fanatiker eine ziemlich ernste Bewegung unter den Samaritanern hervorgerufen, indem er die Notwendigkeit zur Rückkehr zum ursprünglichen Mosaismus predigte, dessen heilige Geräte er aufgefunden haben wollte (Jos. Ant . XVIII, 4, 1, 2 ). Ein gewisser Simon aus dem Dorfe Gitta oder Gitton (heute Jit, auf dem Wege von Naplus nach Jaffa, anderthalb Stunden von Naplus und von Sebaste. S. Robinson Bibl. researches II, 308, Anm.; III, 134, 2. Aufl. und seine Karte), der später zu einem bedeutenden Ansehen kam, begann nun sich durch seine Gaukelspiele bekannt zu machen.Die auf diese Person sich beziehenden Mitteilungen der christlichen Schriftsteller sind so fabelhaft, daß sich Zweifel ob der Wirklichkeit ihrer Existenz erheben konnten. Diese Zweifel scheinen umso berechtigter, als in der pseudo-clementinischen Litteratur »Simon der Magier« oft ein Pseudonym des heiligen Paulus ist. Wir können jedoch nicht zugeben, daß die Legende von Simon auf dieser einzigen Grundlage beruht. Wie hätte der dem Paulus so günstige Verfasser der Apostelgeschichte eine Angabe aufgenommen, deren feindseliger Sinn ihm nicht entgehen konnte. Die chronische Folge der Simonischen Schule, die Schriften, die uns von ihr überliefert wurden, die genauen topographischen und chronologischen Züge, angegeben vom heiligen Justin, der ein Landsmann unseres Thaumaturgen war: dies alles erklärt sich nicht durch die Hypothese, wonach die Person Simons maginär sei (s. hauptsächlich Justin. Apol. II, 15 und Dial. cum Tryph. 120). Es schmerzt, zu sehen, wie das Evangelium in solchen Chimären eine Vorbereitung und Stütze findet. Eine ziemlich große Menge ließ sich im Namen Jesu taufen. Philippus hatte die Macht zu taufen, aber nicht auch den heiligen Geist mitzuteilen. Dieses Privilegium war den Aposteln vorbehalten. Als man nun in Jerusalem von der Bildung einer Gruppe Gläubiger in Sebaste Kunde erhalten hatte, beschloß man, Petrus und Johannes abzusenden, um ihre Weihe zu vervollständigen. Die beiden Apostel kamen, legten ihre Hände auf die Neubekehrten und beteten über ihren Häuptern; letzteren wurden sofort die Wunderkräfte zuteil, welche mit den Mitteilungen des Heiligen Geistes verbunden sind. Die Wunder, die Prophezeiungen, alle Erscheinungen des Illuminatentums bildeten sich, und die Kirche von Sebaste gab in dieser Beziehung der von Jerusalem nichts nach (Apostelg. VIII, 5 etc.).

Wenn der Überlieferung geglaubt werden darf, so befand sich von nun an Simon von Gitton in Verbindung mit den Christen. Wie mitgeteilt wird, von den Predigten und Wundern des Philippus bekehrt, ließ er sich taufen und schloß sich diesem Evangelisten an. Als später die Apostel Petrus und Johannes anlangten und Simon sah, welche übernatürliche Kräfte das Auflegen der Hände verschaffen kann, bot er ihnen, wie erzählt wird, Geld an, damit sie ihm die Fähigkeit, den heiligen Geist mitzuteilen, gewährten. Petrus soll ihm hierauf die bewundernswerte Antwort gegeben haben: »Daß du verdammt werdest mit deinem Gelde, daß du meinest, Gottes Gabe werde durch Geld erlangt. Du wirst weder Teil noch Erbe haben an diesem Wort, denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott« (Apostelg. VIII, 9 etc.).

Mögen nun diese Worte ausgesprochen worden sein oder nicht, immerhin scheinen sie genau die Stellung Simons zu der entstehenden Sekte zu kennzeichnen. Wir werden thatsächlich sehen, daß Simon von Gitton allem Anscheine nach der Führer einer religiösen Bewegung war, die parallel mit der Jesu lief und die man als eine Art samaritanische Nachahmung des Werkes Jesu betrachten kann. Hatte Simon, als Philippus in Sebaste anlangte, schon zu dogmatisieren und Wunder zu thun begonnen? Trat er von nun an in Verbindung mit der christlichen Kirche? Beruht die Anekdote, die ihn zum Vater jeder »Simonie« macht, auf Wahrheit? Muß angenommen werden, daß die Welt einst zwei Thaumaturgen sich gegenüberstehen sah, wovon der eine ein Charlatan war, der andere der »Eckstein«, der dem Glauben der Menschheit als Basis diente? Konnte ein Zauberer den Geschicken des Christentums das Gegengewicht halten? Das ist es, was wir wegen Mangel an Urkunden nicht wissen; denn die Darstellung der Apostelgeschichte ist hier eine schwache Autorität, und schon im ersten Jahrhunderte wurde Simon für die christliche Kirche ein Gegenstand der Legende. In der Geschichte ist nur der Hauptgedanke rein. Es wäre ungerecht, sich bei dem Anstößigen aufzuhalten, daß diese traurige Seite der Anfänge des Christentums zeigt. Für die große Menge beweist das Wunder die Lehre; uns jedoch läßt die Lehre das Wunder vergessen. Wenn ein Glaube die Menschheit getröstet und verbessert hat, so ist es ihm zu verzeihen, wenn er sich der Beweise bediente, die mit der Schwäche der Menge, an die er sich wendete, übereinstimmen. Aber wenn ein Irrtum mit einem Irrtum bewiesen wird: welche Entschuldigung läßt sich da anführen? Es ist keine Verdammung, die wir gegen Simon von Gitton aussprechen wollen. Wir werden uns später über seine Lehre und sein Wirken, die sich erst unter der Regierung des Claudius enthüllten, aussprechen (Justin, Apol. I, 26, 56). Es war nur hier zu bemerken nötig, daß seinetwegen ein wichtiges Prinzip in die christliche Theurgie eingeführt worden zu sein scheint. Anzunehmen genötigt, daß auch Betrüger Wunder verrichten, schrieb die christliche Theologie diese Mirakel den Dämonen zu. Um den Wundern einen Beweiswert zu erhalten, war man genötigt, Regeln zur Unterscheidung echter von falschen Wundern festzustellen. Man stieg dabei bis zu einer sehr kindischen Gedankenreihe hinab (pseudo-clem. Homilien XVII, 15, 17; Quadratus in Euseb. H. E. IV, 3).

Nachdem Petrus und Johannes die Kirchengemeinde von Sebaste bestätigt hatten, kehrten sie nach Jerusalem zurück, wobei sie wegüber in den Dörfern Samariens das Evangelium verkündeten (Apostelg. VIII, 25). Der Diakon Philippus setzte seine evangelischen Wanderungen fort, indem er sich gegen Süden dem alten Land der Philister zuwandte (Apostelg. VIII, 26-40). In dieses Land waren seit der Herrschaft der Makkabäer die Juden stark eingedrungen (1. Makk. X, 86, 89, XI, 60 etc.; Jos. Ant. XIII, 13, 3 , XV, 7, 3 , XVIII, 9, 5 ; B. J. I, 4, 2 ), wenn auch keineswegs so sehr, daß das Judentum dort vorherrschend gewesen wäre. Während dieser Wanderung vollführte Philippus eine Bekehrung, die einiges Aufsehen erregte und von der man eines besonderen Umstandes wegen viel sprach. Als er sich nämlich eines Tages auf dem Weg von Jerusalem nach Gaza befand, der sehr öde ist, begegnete er einem vornehmen Reisenden, augenscheinlich einem Fremden, denn er fuhr in einem Wagen, ein Beförderungsmittel, das den Bewohnern Syriens und Palästinas fast jederzeit unbekannt war. Er kam von Jerusalem und ernst dasitzend las er, einem damals sehr üblichen Gebrauch gemäß, mit lauter Stimme in der Bibel (Talm. von Bab. Erubim 53b, 54a, Sota. 46b ). Philippus, der in allen Dingen einer Eingebung von oben gemäß zu handeln wähnte, fühlte sich zu dem Wagen wie hingezogen. Er schritt an dessen Seite dahin und begann allmählich mit dem vornehmen Insassen ein Gespräch, wobei er sich erbot, die Bibelstellen, die der andere nicht verstehen sollte, ihm zu erklären. Es war dies für den Evangelisten eine gute Gelegenheit, die christlichen Lehren an den Bildern des Alten Testaments zu entwickeln. Er bewies, daß in den prophetischen Büchern alles sich auf Jesus bezog, daß Jesus das Wort des großen Rätsels sei, daß er es sei, von dem der Seher die schönen Worte gesprochen habe: »Da er gestraft und gemartert wurde, that er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und den Mund nicht aufthut (Jes. LIII, 7). Der Reisende glaubte es, und bei dem ersten Wasser, zu dem sie kamen, sprach er: »Hier ist Wasser; könnte ich nicht getauft werden?« Man ließ den Wagen halten, Philippus und der Reisende stiegen ins Wasser und letzterer wurde getauft.

Nun war aber der Reisende eine mächtige Persönlichkeit. Er war ein Eunuch der Candace von Äthiopien, ihr Finanzminister und Schatzmeister, der, um zu beten, nach Jerusalem gezogen war und nun nach NapataHeute Merawi, bei Gebel-Barkal. (Lepsius, Denkmäler I, 1 und 2) Strabo XVII, 1, 54 . auf dem Wege durch Ägypten zurückkehrte. Candace oder Candaoce war damals der Titel der Königinnen von Äthiopien (Strabo XVII, 1, 54 ; Plin. VI, 35, 8 ; Dio Cassius LIV, 5; Euseb. H. E. II, 1). Der Judaismus war von hier aus nach Nubien und Abessynien gedrungen;Die Nachkommen dieser Juden existieren noch unter dem Namen Falasyan . Die Missionäre, die sie bekehrten, kamen aus Egypten. Ihre Bibelübersetzung war nach der griechischen gemacht. Die Falasyan sind nicht Israeliten von reinem Blute. viele Eingeborene bekehrten sich oder zählten wenigstens zu denjenigen Proselyten, die, ohne beschnitten zu sein, den einzigen Gott anbeteten (Joh. XII, 20; Apostelg. X, 2). Der Eunuch gehörte vielleicht zu dieser Klasse, ein schlichter, frommer Heide, gleich dem Hauptmann Cornelius, der bald in dieser Geschichte erscheinen soll. Jedenfalls ist es unmöglich anzunehmen, daß er vollständig mit dem Judentum vertraut war. (S. 5. Mos. XXIII, 1. Es ist wahr, daß εὐνοῦχος durch eine Katachrese für einen Kämmerer oder orientalischen Hofbeamten gelten kann. Aber δυ νάστης würde genügen, um diesen Begriff wiederzugeben; εὐνοῦχος muß also hier in seinem eigentlichen Sinne genommen werden.) Nachdem dies geschehen war, hörte man nicht mehr von dem Eunuchen reden. Philippus jedoch erzählte den Vorfall, und später maß man dem eine Bedeutung zu. Als die Frage der Aufnahme von Heiden in der christlichen Kirche eine Hauptangelegenheit wurde, fand man hier einen wichtigen Präcedenzfall. Es wurde angenommen, Philippus habe in dieser ganzen Angelegenheit nach göttlicher Eingebung gehandelt (Apostelg. VIII, 26, 29). Diese auf Befehl des heiligen Geistes an einem Menschen, der kaum Jude war, vollzogene Taufe, der offenbar unbeschnitten war und an das Christentum erst seit einigen Stunden glaubte, hatte einen hohen dogmatischen Wert. Sie war ein Argument für diejenigen, welche glaubten, die Pforten der neuen Kirche müßten für alle offen stehen. (Zu folgern, daß diese ganze Geschichte vom Verfasser der Apostelgeschichte erfunden sei, scheint mir zu kühn. Der Verfasser der Apostelgeschichte verweilt mit einer Vorliebe bei Thatsachen, die seine Meinungen unterstützen; aber ich glaube nicht, daß er in seine Darstellung als Beispiele rein symbolische oder maginäre Umstände eingeführt habe. S. Einleitung S. 29 etc.)

Nach diesem Abenteuer begab sich Philippus nach Aschdod oder Asote. So naiv war der Zustand des Enthusiasmus dieser Missionäre, daß sie auf Schritt und Tritt Stimmen vom Himmel zu vernehmen wähnten, Weisungen des heiligen Geistes zu empfangen glaubten.Über einen ähnlichen Zustand der ersten Mormonen s. Jules Remy »Voyages au pays des Mormons« , Paris 1860, I. S. 195 etc. Jeder ihrer Schritte dünkte sie durch eine höhere Macht geregelt, und wenn sie aus einer Stadt nach der andern gingen, meinten sie, damit einer übernatürlichen Eingebung zu gehorchen. Manchmal bildeten sie sich ein, Luftreisen vorzunehmen. In dieser Beziehung war Philippus einer der Exaltiertesten. Er glaubte, die Weisung eines Engels war es, gemäß der er aus Samarien zu der Stelle kam, wo er dem Eunuchen begegnete. Nach dessen Taufe war er überzeugt, daß der Geist ihn erhoben und in einem Zuge nach Asote getragen habe (Apostelg. VIII, 39, 40. Vgl. Luk. IV, 14).

Asote und der Weg von Gaza waren die Grenzen der ersten evangelischen Predigten gegen Süden. Jenseits befand sich die Wüste, und das Nomadenleben, welchem das Christentum immer nur wenig abzugewinnen vermochte. Von Asote wandte sich der Diakon Philippus nach Norden und verkündete das Evangelium an der ganzen Küste bis Cäsarea. Vielleicht sind von ihm die Kirchen von Joppe und Lydda, die wir bald in Blüte stehen sehen werden (Apostelg. IX, 32, 38), gegründet worden. In Cäsarea ließ er sich nieder und gründete eine wichtige Kirchengemeinde (Apostelg. VIII, 40, XI, 11). Hier werden wir ihn zwanzig Jahre später wiederfinden (Apostelg. XXI, 8). Cäsarea war eine neue Stadt und die bedeutendste von Judäa(Jos. B. J. III, 9, 1 ). Sie wurde auf der Stelle einer sidonischen Festung, »Turm des Abdastarte oder des Straton« genannt, durch Herodes den Großen erbaut, der ihr zu Ehren des Augustus den Namen gab, welchen ihre Ruinen heute noch führen. Cäsarea war entschieden der beste Hafen von ganz Palästina und strebte mit jedem Tage immer mehr, die Hauptstadt des Landes zu werden. Von dem Aufenthalt in Jerusalem gelangweilt, verlegten die Prokuratoren von Judäa ihre gewöhnliche Residenz hierher (Apostelg. XXIII, 23 etc. XXV, 1, 5; Tacit. Hist. II, 79). Sie war hauptsächlich von Heiden bewohnt, doch waren auch die Juden ziemlich zahlreich vorhanden; heftige Streitigkeiten fanden oft zwischen diesen beiden Bevölkerungsklassen statt. (Jos. Ant. XX, 8, 7 ; B. J. II, 13, 5 ; XIV, 5, XVIII, 1). Nur die griechische Sprache war hier im Gebrauch und selbst die Juden waren dahin gelangt, gewisse Teile ihrer Liturgie in griechischer Sprache zu recitieren (Talm. von Jerus. Sota 21 b ). Die strengen Rabbiner von Jerusalem betrachteten Cäsarea als einen profanen, gefährlichen Aufenthaltsort, wo man fast zum Heiden wird (Jos. Ant. XIX, 7, 3 , 4 , 8, 2 ). Aus all den erwähnten Gründen soll diese Stadt im Laufe unserer Geschichte als von großer Wichtigkeit sich erweisen. Sie war gewissermaßen der Hafen des Christentums, der Punkt, durch den die Kirche von Jerusalem mit dem ganzen Mittelländischen Meere in Verbindung trat.

Viele andere Missionen, deren Geschichte uns unbekannt ist, wurden gleichzeitig mit der des Philippus vollbracht (Apostelg. XI, 19). Die Raschheit eben, mit der diese erste Verkündung erfolgte, war die Ursache ihres Erfolges. Im Jahre 38, fünf Jahre nach dem Tode Jesu, und etwa ein Jahr nach dem Tode Stephanus', hatte ganz Palästina diesseits des Jordans die »gute Botschaft« aus dem Munde der von Jerusalem ausgegangenen Missionäre vernommen. Galiläa seinerseits hütete die heilige Saat und streute sie wahrscheinlich auch um sich aus, obwohl uns nichts von Missionären bekannt wurde, die von diesem Ländchen ausgezogen wären. Vielleicht erhielt die Stadt Damaskus, wo damals schon Christen vorhanden waren (Apostelg. IX, 2, 10, 19), den Glauben von galiläischen Predigern.


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