Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

illustration

Redliches Bemühen

13.

Ich bitte also, sich folgende Situation vorzustellen. Scene: eine Garçonwohnung in der Rue Demours. Es ist vier Uhr nachmittags. Ein Herr und eine Dame sitzen Hand in Hand nebeneinander und simulieren eine Art wunschlose Zärtlichkeit. Der Herr sagt kein Wort und wartet etwas nervös den weiteren Verlauf der Dinge ab, die Dame zermartert sich in Erwartung eines Weinkrampfes vergeblich den armen kleinen Kopf, um das, was sie dem Herrn sagen möchte, in möglichst schonender Fassung vorzubringen. Etwa so: Nun ja, ich bin mit den besten Vorsätzen zu Ihnen gekommen, aber wirklich, ich bin nicht mehr in der richtigen Stimmung, die unvermeidlich ist, um – – und besonders um – – und weil es das erste Mal ist – –

Und er, was mag er wohl denken, während er so stumm ihre Hand in der seinen hält, ohne sie auch nur zu drücken. Übermäßig amüsant findet er das Abenteuer gerade nicht. Ich muß mich in seinen Augen auch wirklich reichlich blödsinnig benommen haben. Der Divan, »tief wie das Grab« war gewiß nicht gewöhnt, so lange warten zu müssen. Ich glaubte sogar, in Mr. Duzart's Augen und seinem ganzen Wesen ein gewisses Erlahmen seines physischen Interesses zu lesen. Für solche Sachen haben wir Frauen ein feines Gefühl. Wenn den Mann wirklich ein heftiges Begehren entflammt, so ist er einfach ein wildes Tier; benimmt er sich dagegen ritterlich und galant, so kann man mit ziemlicher Sicherheit den Schluß ziehen: er hat keine Lust.

Und schließlich war ihm das auch nicht übel zu nehmen. Es ist nur zu begreiflich, daß dem Mann der Appetit nach Liebe vergeht, wenn seine Geliebte ihn mit einer Thränenkrisis empfängt, die übrigens auch nicht gerade zur Verschönerung ihres Gesichts beiträgt. Möglich auch, daß beim Anblick solcher Thränen ein tieferes zärtliches Gefühl im Mann erwacht, und er zu frivolem Getändel nicht mehr aufgelegt ist.

Ich fühlte allmählich die Verpflichtung, irgend etwas zu sagen oder meinem Besuch ein Ende zu machen. Plötzlich kam mir eine Inspiration, wie ich mich von meinem »Komplicen« auf gütlichem Wege befreien könnte, ohne ihn in seinem Selbstgefühl allzusehr zu kränken.

Ich sah Monsieur Duzart fest an und sagte:

»Mein lieber Freund, wollen Sie offenes Spiel mit mir spielen und mir ganz aufrichtig antworten, wenn ich Sie etwas frage?«

»Gewiß will ich,« antwortete er. – Ich glaube, er hatte nachgerade genug von der ganzen sentimentalen Komödie.

»Ich bitte Sie also, mir ohne Rückhalt und ohne – ohne alle Nebenabsichten (dieses Wort begleitete ich mit einem Lächeln und einem fast unmerklichen Händedruck) zu antworten: Tragen Sie wirklich heftiges Verlangen danach, mich zu besitzen? Oder ist es eine bloße Laune, die Sie aus Eitelkeit befriedigen möchten? Sie verstehen schon, was ich meine.«

»Aber« –

»Widersprechen Sie nicht, ich bitte Sie, nur keinen sentimentalen Gesellschaftston. Würden Sie, um Ihren Wunsch erfüllt zu sehen, so thöricht sein, Ihr ganzes Lebensglück auf's Spiel zu setzen? Bitte, lieber Freund, volle Offenheit. Ich versichere Sie, daß Ihre Antwort nichts an meinen Entschließungen ändern wird.«

Er zauderte ein wenig und schien nach einem treffenden Ausdruck für seine innersten Empfindungen zu suchen. Schließlich sagte er:

»Das kommt auf den Moment an: Ich versichere Sie zum Beispiel, daß, wie Sie vorhin eintraten – – – und auch jetzt noch, wenn Sie sich nur ein klein wenig Mühe geben wollten« –

Diese offenherzige Wendung entzückte mich und beruhigte meine Nerven. Ich mußte lachen.

»Es ist lieb von Ihnen, daß Sie mir die Wahrheit sagen,« erwiderte ich. »Es läßt mich hoffen, daß wir als gute Freunde voneinander scheiden werden, anstatt uns mit bösen Worten zu kränken. Ziehen wir also das Fazit, mein lieber Freund. Ihr Wunsch, mich zu besitzen, ist also stark genug, um Ihnen in gewissen Momenten den Kopf zu verdrehen (wenn ich mir ein klein wenig Mühe gäbe, wie Sie so hübsch sagten); aber wenn – nun wenn ich mir also wirklich diese Mühe geben würde, dann würde auch Ihr Verlangen bedeutend an Intensität verlieren. Nicht wahr? Das ist auch Ihre Ansicht.«

Mr. Duzart machte gute Miene zum bösen Spiel und lächelte:

»Nun, mein Gott, in meinem Alter versteht sich das von selbst – man ist nicht mehr so leidenschaftlich – aber wenn es noch einmal über einen kommt« ...

Er machte eine Handbewegung, die bedeuten sollte, daß er, Duzart, sich immer noch imstande fühle, die größten Exzentrizitäten zu begehen, wenn die große Leidenschaft noch einmal wieder in ihm erwachen sollte.

»Ich danke Ihnen,« gab ich zur Antwort. »Wir wollen also, um meine Eitelkeit nicht zu verletzen, annehmen, daß ich Ihnen mit der Zeit eine wirkliche Leidenschaft hätte einflößen können. Da Sie aber selbst zugeben, daß sie erst allmählich, erst nach – – also erst nach dem »Fall« in Ihnen erwachen würde, so müssen Sie auch einsehen, daß eine Frau sehr viel riskiert, wenn Sie sich Ihnen hingiebt. Vielleicht gefällt sie Ihnen nur im ersten Moment und ist nicht imstande auf die Dauer leidenschaftlichere Gefühle in Ihnen wach zu rufen. Reden wir also noch einmal ganz offen miteinander. Haben Sie den Mut mir zu sagen, daß ich das auserwählte Weib sei, für das Sie auch auf die Länge jene berühmte Leidenschaft empfinden vermöchten? Sagen Sie nicht ja, mein Freund, ich weiß, daß Sie es doch nicht wirklich meinen. Sie haben mich doch schon lange vor unserem heutigen Renkontre gekannt und haben noch niemals daran gedacht, mich für sich zu erobern.«

»Ich versichere Ihnen, daß ich Sie immer reizend gefunden habe, – einfach bezaubernd,« fügte er noch hinzu, um die banale Redensart etwas zu verschönern.

»Mein Gott – mich, wie alle anderen jungen hübschen und geschmackvoll gekleideten Frauen. Aber, Sie haben mir doch nicht gerade nachgestellt, nicht wahr? Sie haben mich nicht einmal unter diesen gewählt, mein Teurer (sagen Sie nicht nein – es ist eine Schmeichelei für Sie, und ich gestehe es in aller Bescheidenheit –), im Gegenteil, ich habe Ihnen die Cour gemacht, oder wenn Sie lieber so wollen: ich habe Sie dazu veranlaßt, mir die Cour zu machen.«

Duzart leugnete nicht weiter. Es that ihm wahrscheinlich wohl, sich von mir sagen zu lassen: ich habe Ihnen die Cour gemacht, und das half ihm über seine Niederlage hinweg. »Aber eins nimmt mich dabei noch wunder,« murmelte er nach einer kleinen Pause. »Warum wünschten Sie, daß ich Ihnen den Hof machen sollte, warum zeigten Sie mir dieses Entgegenkommen – dessen Bedeutung ich übrigens durchaus nicht unterschätze – und warum in aller Welt sind Sie denn hierher zu mir, in meine Wohnung gekommen?« – –

»Und warum befinde ich mich noch nicht in Ihrem Bett. Nicht wahr, das ist es, was Ihnen noch auf der Zunge schwebt?«– unterbrach ich ihn. »Nun, sehen Sie, mein Freund, ich bin eben ein Kind meiner Zeit und ein Produkt dieser Stadt, eine arme kleine Frau, die sehr nervös, sehr unberechenbar und infolgedessen unfähig ist zu beurteilen, ob sie morgen noch ebenso denken wird, wie heute. Was wollen Sie? Ich habe vor etwa einem Monat den Entschluß gefaßt, mir einen Amant zu nehmen, einmal weil ich es stumpfsinnig fand, die Untreue meines Mannes mit meiner Treue zu belohnen und dann auch, weil ich mich langweilte. Ich habe Sie zu meinem Partner ausersehen, nicht etwa, weil ich Sie schon lange geliebt hätte. Sie sehen, Ihre Offenheit hat mir Mut gegeben – sondern weil Sie mir besser gefielen, wie die anderen und schließlich, weil ich annahm, daß es nicht so besonders gefährlich sei, diesen Versuch mit Ihnen zu machen.«

»Parfaitement« – murmelte Duzart – »also der reine Convenienz-Ehebruch!«

– »Noch mehr wie das, mein Freund, hören Sie nur weiter. Glauben Sie mir, ich habe wirklich mit einem gewissen Vergnügen daran gedacht, ... zu sündigen. – Sie haben allerhand unpassende Gedanken in mir wach gerufen ...«

Bei diesen Worten leuchteten seine Augen auf.

»– Unpassende – – Gedanken?« fragte er.

Mit niedergeschlagenen Augen antwortete ich:

»Ja, sogar sehr unpassende!«

Dieses Geständnis war sehr dumm von mir. Mr. Duzard stand sofort auf, schloß mich in seine Arme und flüsterte:

»O liebste, teuerste Freundin, – Liebste – das ist ja aber entzückend! Aber dann – nun – warum wollen Sie denn nicht? Sie ahnen ja gar nicht, was ich Ihnen alles bieten kann. Ich will Sie ja so lieb haben – so wahnsinnig lieb.«

Hand aufs Herz, ich kann beschwören, daß ich mir in diesem Augenblick alle Mühe gab, mich mit fortreißen zu lassen. Ich versuchte mir selbst Lust zu machen, ich schloß die Augen, um mich durch seine Küsse und Liebesworte berauschen zu lassen und sagte mir dabei immer wieder: Geh doch, sei nicht so dumm, laß ihn nur machen – so langweilig, wie wenn man verheiratet ist, wird es doch jedenfalls nicht sein.


 << zurück weiter >>