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Mobilisierung

5.

Es steht fest, ich muß zu einem starken Mittel greifen, um mich zu rächen und zwar sobald wie möglich. Das stärkste Mittel ist, den Betrüger mit gleicher Münze heimzuzahlen. Das Spiel ist alt, wie jede Komödie; aber das Leiden muß lokal behandelt werden, denn ich sehe keinen anderen Ausweg. Jetzt gilt es also einen Schlachtplan entwerfen, der möglichst gute Chancen bietet, sich an der Niederlage des anderen schadlos zu halten. Denn da ich nun einmal entschlossen bin, mich mit kalter Überlegung einem Manne hinzugeben, so sehe ich nicht ein, warum ich mir nicht wenigstens Jemand zum Liebhaber aussuchen soll, der mir gefällt und mich nicht langweilt. Es wäre doch zu dumm, wenn ich blos, um mich mit Genuß zu rächen, in Abenteuer hineinrennen wollte, die so viele andere Frauen nur um des Vergnügens willen suchen. Ich will mir einen annehmbaren Komplicen suchen und bin entschlossen, einen von den Männern dazu zu machen, die ich öfters sehe, kurz gesagt, die zu meinem engeren Gesellschaftskreis gehören. So setze ich mich wenigstens nicht der Gefahr aus, auf irgend einen Abenteurer hineinzufallen, der mich in unsaubere Skandalgeschichten verwickelt. Geld und Liebe sind, jenachdem, feindliche Mächte oder gute Verbündete. Mir persönlich will es scheinen, als ob alles, was Liebe heißt, unrettbar besudelt wird, sowie das Geld dabei in Frage kommt.

Mein Auserwählter muß einigermaßen jugendlich sein, aber doch nicht allzu grün. Wenn er mir sympathisch ist, mag er die Sache meinetwegen ernst nehmen, nur um Gotteswillen nicht tragisch. Mein Herz muß frei bleiben, und ich will der Sache ein Ende machen können, sobald es mir paßt, ohne Unannehmlichkeiten und ohne großes Drama.

Außerdem muß mein Partner viel Erfahrung besitzen und mehr Lebemann wie Romantiker sein und dabei selbstverständlich durch und durch Gentleman. Am liebsten wäre mir ein wohlkonservierter Mann zwischen fünfunddreißig und vierzig. Ich will keinen professionellen lady-killer. Im Gegensatz zu vielen meiner Bekannten kann ich nichts Schmeichelhaftes darin finden, einem Mann anzugehören, der erklärter Liebhaber von so und soviel Frauen ist. Trotzdem möchte ich nicht, daß er von anderen Frauen verschmäht würde. Das würde mich auch wieder kränken, wenn auch in anderer Weise. Er muß ein oder zwei eklatante Verhältnisse in der guten Gesellschaft gehabt haben und momentan frei sein. Ich habe nämlich keine Lust, mit anderen zu teilen. Nicht weil ich sentimental oder eifersüchtig wäre, aber es widerspricht meinen ästhetischen Prinzipien, die ich neulich schon hier entwickelt habe, als ich von meinen Gefühlen gegenüber der Untreue meines Mannes sprach.

Ob er schön sein muß? Gott im Himmel, er braucht nicht gerade ein Antinous zu sein, aber doch wenigstens sympathisch, das versteht sich von selbst – oder, warum soll man das Ding nicht gleich beim rechten Namen nennen? (ich bin ja ganz allein im Zimmer), er muß einen gewissen Reiz auf mich ausüben. Seitdem ich daran denke, meinem Mann gleiches mit gleichem zu vergelten, wirbeln mir wieder alle möglichen, längst entschlummerten Gefühle durch den Kopf. Man kann sich ganz gut an beständige Enthaltsamkeit gewöhnen, wenn man gar nicht dran denkt, daß es auch anders sein könnte. Ich war während der letzten drei Jahre meiner Ehe in dieser Lage, denn in dieser Zeit ließ mein Mann mich mehr und mehr links liegen. Ich hatte schon beinahe vergessen, daß ich ein Weib sei, oder es kam mir wenigstens nie zum Bewußtsein, daß die Frauen geschaffen sein könnten, die Männer zu erfreuen.

Die arme, liebesdurstige kleine Frau, die man in mir eingeschläfert hat! Aber jetzt ist sie wieder erwacht, seit 14 Tagen, und will sich nicht so ohne weiteres wieder beruhigen lassen. Unaufhörlich kommen die Erinnerungen an das erste Jahr meiner Ehe. Ach, es war doch schön! Es ist doch eigentlich das Schönste, was es giebt. Und so bequem, die Gelegenheit immer gleich bei der Hand zu haben, – und, wenn auch nur für einen Augenblick, alles andere zu vergessen. Die Garantie zu haben, daß jeder Tag wenigstens fünf glückliche Minuten mit sich bringt, das ist in diesem Jammerthal schon sehr viel wert, selbst wenn man diese Augenblicke des Rausches gar nicht mit rechnet,– man empfindet als junge, verliebte Frau auch in der Zwischenzeit ein so unsagbares Wohlgefühl, eine tiefe, glückatmende Ruhe. Der Volksmund hat das richtige Wort dafür, wenn die Frau aus dem Volk von ihrem Mann sagt, daß er ihr ihr »contentement« giebt.

Ich will durch meine Rache nicht nur meinem Selbstgefühl Genugthuung verschaffen; ich will auch mein »contentement« haben. Ich habe lange genug gefastet.

Während ich so dabei bin, die Eigenschaften, die mein zukünftiger Liebhaber notwendig haben muß, zusammenzustellen, wird es mir plötzlich klar, daß ich dabei unter dem Einfluß einer bestimmten Erinnerung stehe, daß ich im Grunde meines Herzens einen Gedanken hege, der immer festere Gestalt annimmt. Ich kenne einen Mann, dessen Persönlichkeit meinen Wünschen entspräche, halb unbewußt habe ich an ihn gedacht, während ich das Phantasiebild meines illegitimen Zukünftigen entwarf. Der betreffende heißt ganz einfach Monsieur Duzart. Er ist unverheiratet, war früher einmal Abgeordneter, hat sich dann ins Privatleben zurückgezogen und ist der Typus des Pariser Lebemannes, der überall anzutreffen ist und sich im übrigen mit Nichtsthun beschäftigt. Aber er betreibt das mit Geist und Grazie und hebt sich dadurch vorteilhaft von den anderen ab. Sein Äußeres paßt gut zu seinem Alter – er ist achtunddreißig, Wuchs und Haltung haben etwas Militärisches. Dabei ist er sehr elegant, hat schöne Haare und eine hübsche Gesichtsfarbe. – Wie er im Verkehr mit Frauen ist? Er hat gerade das in seinem Wesen, was wir an einem Mann gern sehen – eine Art zärtlicher Brutalität – wenn ich mich so ausdrücken darf. Und seine Abenteuer? Da ist die Geschichte mit der Prinzessin Baratoff. Das war vor zehn Jahren; übrigens ist sie inzwischen gestorben. Diese Liaison ist bekannt; die anderen sind mehr oder weniger Legenden. Die schöne Mme. Lamballier soll auch etwas mit ihm gehabt haben, und ebenso wird behauptet, daß die kleine de Salian seinetwegen ins Kloster gegangen sei.

Ob er jetzt eine oder mehrere Maitressen hat, ist mir gleichgültig. Mein Selbstgefühl sagt mir, daß ich trotzdem den Sieg davontragen werde. Ich bin hübsch genug, um einen Mann »zu fangen«, wie die Freundin meines Gatten sich geschmackvoll ausdrückt – wenn ich nur will.

Ich setze mich also gleich hin und schreibe meiner alten Freundin Mme. Dechesnin, sie möchte mich nächste Woche zum Diner einladen. Mr. Duzart gehört nämlich zu den Stammgästen ihres Hauses, er speist jeden Mittwoch und Samstag dort. Ich werde also mit ihm zusammenkommen, und mein Feldzug kann seinen Anfang nehmen.

Das Billet an Mme. Dechesnin ist unterzeichnet und gesiegelt – es ist die Mobilmachungsordre.


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