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Versuchung

3.

Wenn eine Frau weiß, daß sie betrogen wird, kommt ihr zu allererst natürlich der Gedanke, nun auch ihrerseits untreu zu sein, wir haben eben das Gefühl, daß wir uns so am besten rächen können, wenn wir in unserer Liebe verwundet und in unserem Selbstgefühl verletzt worden sind. Aber eigentlich hat es gar keinen Zweck; es kommt höchstens noch eine Unannehmlichkeit zu der früheren, nämlich ein Verhältnis mit einem Mann, den man nicht liebt.

Trotzdem habe auch ich an diese Lösung gedacht, denn ich bin fest entschlossen, diesen Schimpf nicht hinzunehmen, ohne mich dagegen zu wehren, ohne mich zu rächen. Ich hätte Gott weiß was darum gegeben, wenn in diesem Augenblick eine jener schweren Versuchungen an mich herangetreten wäre, von denen keine Frau verschont bleibt. Nur kommen sie niemals im geeigneten Moment, wenigstens nicht bei anständigen Frauen. Und doch empfinden diese ebensogut wie alle anderen das Bedürfnis nach reeller Liebe, und ihre Sinne verlangen nicht minder lebhaft danach.

Bei mir war das so: Vor der Heirat könnte ich nicht behaupten, daß ich jemals in Versuchung geraten wäre, vielleicht hier und da eine kleine Erregung, wenn ein Mann zudringlich wurde (man macht sich nämlich gar keinen Begriff, was ein junges Mädchen auf einem modernen Ball alles auszustehen hat), aber das machte mich höchstens nervös oder etwas schlaff. Wenn man verheiratet ist, ändert sich die Sache. Unsere Gatten machen sich in der ersten Zeit den Spaß, uns eine Menge perverser Gedanken in den Kopf zu setzen, sie amüsieren sich damit, die kleine sinnliche Bestie, die in jeder jungen Frau schläft, zu wecken und aufzureizen. Das geht so etwa zwei Jahre lang fort und so kommt es, daß wir während dieser Zeit immer nur an dergleichen Sachen denken, wie Gymnasiasten, die von ihren Kameraden in alles eingeweiht werden, was man ihnen zu Hause ferngehalten hat. Und dann kommt eine Zeit, wo die Männer genug von uns haben und andere Vergnügungen, womöglich andere Frauen aufsuchen – wir aber bleiben allein mit unseren Erinnerungen und all' der wachgewordenen bösen Lust. Man macht uns selbstverständlich die Cour, verspricht uns alle Freuden, deren unser Mann uns beraubt hätte und versichert uns, daß es noch manche andere gäbe, in die er uns wohlweislich nicht eingeweiht hätte, damit wir nicht zu viel bekämen. Für eine tugendhafte Frau ist das nicht weiter gefährlich, wenn der Mann, der ihr solche Dinge sagt, ihr nicht gefällt oder wenn sie glaubt, daß er sie nicht liebt. Gefährlich wird die Sache erst dann, wenn wir uns sagen: »Der arme Kerl. Ich mag ihm nicht weh thun, er ist so nett.«

Wirklich in Gefahr gewesen bin ich erst einmal seit meiner Hochzeit – eigentlich anderthalbmal, wenn ich ganz ehrlich sein will. Das halbe Mal war vor drei Jahren in Etretat. Außer den gewöhnlichen, langweiligen Badebekanntschaften lernte ich dort den berühmten Romancier Canalis kennen. Alle Frauen machten ihm den Hof, trotzdem er seine guten 40 Jahre auf dem Rücken hat und nichts weniger wie ein Apollo ist. Er wurde mir vorgestellt und weiß Gott, auch ich war liebenswürdig gegen ihn. Wir denken eben immer, daß ein Schriftsteller sich ganz besonders zum Liebhaber eignen und uns besser verstehen müsse, wie ein anderer, weil er beständig seine Studien macht und nach Stoffen für seine Liebesgeschichten sucht. Es ist so albern, sich auf die unverstandene Frau herauszuspielen. Aber es ist so, wir Frauen werden nie verstanden, wahrscheinlich, weil niemand es der Mühe wert findet. Und es kam mir so vor, als ob Canalis mir geistig näher stände wie alle anderen, die ich kannte. Er verstand sich so wunderbar darauf, durch rein sentimentale Gespräche begehrliche Gedanken in einem wachzurufen. Das hat immer einen großen Reiz für eine Frau. Als Mann sagte er mir nicht besonders zu. Er sah ziemlich alt und schon etwas verbraucht aus, seine Persönlichkeit hatte etwas von jener raffinierten Eleganz, die ihren Eindruck auf das flatterhafte Frauengemüt nie verfehlt. Kurz, als er von Etretat abreiste, war ich ganz entschlossen, später in Paris seine Geliebte zu werden – selbstverständlich für's ganze Leben. Hatte er mir doch am letzten Abend in Etretat(es war spät abends – durch das Dunkel, das uns umgab, schimmerte nur der metallische Glanz der Meereswellen zu uns herüber und wir lustwandelten auf der Terrasse des Kasinos) – hatte er mir damals nicht selbst gesagt: »Was ich denke und fühle, wird nur noch Ihnen gehören. – Es war vorherbestimmt, daß wir uns kennen lernen sollten.«

Dann kehrte er nach Paris zurück – und ich habe seitdem nur noch durch die Blätter von ihm gehört. Und ich habe nicht übermäßig darunter gelitten und mich selbst ausgelacht, daß ich geglaubt hatte, einen Mann an mich zu fesseln, dessen Beruf stets neue Erlebnisse mit sich bringen muß. Und das Gefühl des Lächerlichen, das in dieser Enttäuschung lag, hat mich vor einem großen Schmerz bewahrt. Das Endresultat war, daß ich mir sagte: es war eben nur eine halbe Versuchung.

Das andere Mal, wo es wirklich eine ernstliche war, ist noch gar nicht so lange her. Kaum drei Monate. Ich verliebte mich in einen Mann – fast schäme ich mich, es einzugestehen – nur darum, weil er schön war. Ich sehnte mich darnach, daß er mich in seine Arme nähme, daß er mich küßte, und auch ich hätte ihn auf den Mund und auf seine schönen Augen küssen mögen. Er war sehr jung, fast ein Jahr jünger wie ich, also zweiundzwanzig. Aber ein Ideal von männlicher Schönheit war er, die verkörperte Kraft, Geschmeidigkeit und Eleganz. Als ich ihn kennen lernte, war er mit einer verheirateten Frau liiert, einer Dame aus der Gesellschaft, die dafür bekannt ist, jüngere Leute in die Geheimnisse der Liebe einzuweihen und so alt und so widerwärtig, wie konnte er nur an so einem Abenteuer Freude finden! Ich kokettierte wahnsinnig mit ihm, bis ich ihm glücklich diese ältliche Circe verleidet hatte.

»So,« sagte er eines Tages zu mir, »es steht fest, ich breche mit ihr, – aber nur, wenn Sie mein sein wollen.«

»Einverstanden,« antwortete ich lächelnd, »aber zuerst der Bruch, mein Freund.«

»O nein,« meinte der junge Verführer, der trotz seiner Jugend recht durchtrieben war. »wenn ich erst mit ihr breche, finden Sie vielleicht einen hübschen kleinen Vorwand, unsern Vertrag umzustoßen, und dann habe ich mich einfach zwischen zwei Stühle gesetzt.

»Wie Sie wollen. Schreiben sie in meinem Beisein an ihre ehrwürdige Freundin. Dann wollen wir weiter davon reden.«

Er bat sich Bedenkzeit aus. Er suchte mich durch tausend kleine Listen umzustimmen, aber ich ließ mich nicht fangen. Und bei diesem Getändel ist mir das bischen Lust nach und nach vergangen, und ich glaube, der Gedanke an einen definitiven Bruch hat ihn seiner alternden Freundin nur wieder näher gebracht.

So sind wir ganz diskret voneinander geglitten, und jetzt weicht einer dem anderen aus ...

Mein Mann hat ein Glück ...!

Ach, hätte ich doch ein Kind! Das ist für den Gatten immer die sicherste Garantie – aber Henri scheint das ganz vergessen zu haben.

Und seht bin ich so allein – ach, so allein – und außerdem recht nervös.


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