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Das erste Scharmützel

6.

Der Anfang ist gemacht. Ich habe begonnen, meinen Racheplan in die That umzusetzen und habe bereits einen Verbündeten. Es ist Mr. Duzart, den ich mir dafür ausersehen hatte.

Ich traf ihn also letzten Samstag bei meiner guten Freundin Dechesnin und saß beim Diner neben ihm. Als wir uns zu Tisch setzten, sagte ich mir: Ich muß diesen Mann in mich verliebt machen und zwar heute abend noch, ehe die Uhr elf schlägt. Als ich gegen Mitternacht wieder zu Hause anlangte, mußte ich mir wohl oder übel gestehen, daß Mr. Duzart noch ebensowenig in mich verliebt war, wie ich in ihn.

Ich glaube, wir anständigen Frauen machen uns oft zu große Illusionen über die »Macht unserer Reize«. Aber Mr. Duzart war, obgleich er noch so gut wie gar nicht verliebt ist, sofort bei der Hand, jedenfalls die Rolle des Verliebten zu übernehmen.

Die Ereignisse, die sich bei diesem Diner abspielten, verdienen immerhin hier verzeichnet zu werden.

Sowie ich bei Tisch saß, fing ich natürlich an, mit meinem Nachbar zu plaudern, das heißt nicht mit Mr. Duzart, sondern mit dem zu meiner anderen Seite, irgend einem x-beliebigen Dinernachbar, der mich von seinen letzten Polopartieen unterhielt, bei denen er augenscheinlich eine glänzende Rolle gespielt hatte. Unterdessen beobachtete ich verstohlen meinen Nachbar zur Linken, mit dem ich noch kein Wort gewechselt hatte. Er verzehrte schweigend seine Gänseleberpastete und wandte sich von Zeit zu Zeit halb zu mir. Ich sah, daß irgend eine Frage auf seinen Lippen schwebte. Er hatte entschieden Lust, eine amüsante Pariser Unterhaltung mit mir anzufangen. Aber sobald ich das merkte, wandte ich mich gleich wieder an den jungen Polo-Clubman. Ich sog seine Worte förmlich ein und ermunterte seine Beredsamkeit durch erstaunte Fragen. Endlich hatte ich es so weit gebracht, daß Mr. Duzart ganz nervös wurde. Augenscheinlich dachte er: »Was fällt dieser Gans ein, daß sie so thut, als ob ich Luft für sie wäre?«

In diesem Moment ließ ich den jungen »Polo« mitsamt seinem Klub sitzen und wandte mich an meinen auserwählten zukünftigen »Illegitimen« mit der Bitte, mir etwas Wasser einzuschenken. Dabei schleuderte ich ihm einen Blick zu, in dem eine ganze Welt von süßen Verheißungen lag. Er war so überrascht und, wie ich glaube, so beglückt, daß er für einen Moment die Fassung verlor und etwas Wasser verschüttete. Stotternd entschuldigte er sich. Das war gerade, was ich wollte: er war verwirrt und erregt und vermochte sich nicht gleich zurecht zu finden. Ich kann es nämlich nicht leiden, wenn ein Mann von vornherein den Sieger mimt, wenn er stolz den Schnurrbart streicht und die Hacken zusammenschlägt ...

Fünf Minuten später unterhielten wir uns über die Liebe, dieses armselige, abgedroschene Thema, dem keiner von uns durch irgend eine witzige Bemerkung neuen Reiz zu verleihen wußte. Mein Gott, wie oft hatte ich früher schon im Gespräch mit anderen Tischnachbarn oder mit einem Hausfreund, – der das Privilegium besaß, auch außerhalb der Besuchsstunde zu kommen – mich über das »Mysterium der Liebe« ausgesprochen, und festgestellt, daß es selbst im Leben der anständigsten Frau doch wohl Momente gäbe, wo sie ihre Anständigkeit verwünscht, aber aus Furcht vor dem Ehebruch schließlich doch immer wieder an der Tugend festhält, gewissermaßen gegen ihren eigenen Willen. Ja, ich glaube wirklich, wir sind imstande, den Männern derartige Sachen zu sagen. Eigentlich fordern wir sie damit ganz naiv heraus, uns gewisse Garantien zu geben, ehe wir uns auf irgend ein Abenteuer einlassen.

Und Mr. Duzart verfehlte nicht, das sehr geschickt zu thun. Er zog sich mit der Gewandtheit eines Mannes aus der Affaire, der schon öfters über diesen Fall nachgedacht hat. Er versicherte mir, daß es mehr wie einen Mann gäbe, der bei allem sonstigen Skeptizismus die Liebe als etwas Ernstes auffasse und nach tieferen Gefühlen verlange, ohne jedoch den Freuden, die sie darböte, abhold zu sein. Jeder Mann, der einer verheirateten Frau die Cour macht, fühlt sich gewissermaßen verpflichtet, ihr alle möglichen unbekannten Freuden in Aussicht zu stellen.

Natürlich wollte Duzart damit sagen, daß er selbst zu dieser seltenen Art von Männern gehöre, daß er alle Geheimnisse der Liebe und alle ihre Wonnen kenne und bereit sei, mir beides zu Füßen zu legen. Ich ließ durchscheinen, daß ich ihn verstanden, und als das Diner zu Ende war, erhoben wir uns beiderseitig ganz befriedigt.

Als die Herren sich für eine halbe Stunde ins Rauchzimmer zurückzogen, mußten wir uns selbstverständlich so lange trennen und ich hatte das Vergnügen, endlose Unterhaltungen mit Freundinnen und verschiedenen älteren Freunden über mich ergehen lassen zu müssen, währenddem beobachtete er mich von ferne, und jeder Blick von ihm war eine Liebeserklärung. Später wurde musiziert und es gelang uns, das unterbrochene tête-à-tête in einer entlegenen Ecke des kleinen Salons fortzusetzen. Er nahm dicht neben mir auf einem Ecksofa Platz und begann mit einem gewissen Zittern in der Stimme, das ganz zur Situation paßte: »Madame, Sie wissen, daß ich den Flirt nicht als Beruf betreibe. Aber es würde mich sehr, sehr glücklich machen, wenn ich Sie bald wiedersehen dürfte, nachdem wir uns heute abend näher getreten sind. Aber ich bin nicht mehr jung genug, um mich der Gefahr auszusetzen, eine Frau zu lieben, die mich vielleicht nicht ganz ernst nimmt, und ich fühle, daß ich auf dem besten Wege bin, mich in Sie zu verlieben. Sagen Sie mir also ganz aufrichtig, was ich thun soll?«

Er brachte diese rührende kleine Rede wirklich sehr gut heraus. Sie war mir übrigens nicht mehr ganz neu, und ich wußte sehr gut, was er eigentlich damit sagen wollte. – Es sollte soviel heißen als: Madame, das Leben bietet mir Freuden genug, als daß ich Lust hätte, meine kostbare Zeit unnütz zu verlieren. Ich möchte Sie sehr gerne besuchen, aber unter der Bedingung, daß meine Besuche bei Ihnen im Schlafzimmer bei mir endigen.

Und da ich in der That, was diesen Gipfelpunkt unserer Beziehungen betraf, völlig mit ihm übereinstimmte, gab ich zur Antwort, während ich unverwandt auf das Blumenmuster des Teppichs blickte: »Besuchen Sie mich nächsten Dienstag etwas vor drei zu einem Plauderstündchen.«

Er faßte meine Hand und drückte sie – (das Moment der Leidenschaft in der Liebespantomime); dann verließ er mich mit zögernden Schritten, wie jemand, den das Übermaß des Glückes fast überwältigt. Ich bin überzeugt, daß er dabei dachte: »Dieser kleine Racker, der so harmlos aussieht, hat es faustdick hinter den Ohren.«


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