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Geplänkel

4.

Mein Mann scheint eine Ahnung zu haben, daß ich hinter seine Schliche gekommen bin. Er ist seiner Sache nicht ganz sicher und hofft immer noch, daß ich nichts bestimmtes weiß. Immerhin ist er aus seiner Ruhe aufgestört. Und da er im Grunde etwas ängstlicher Natur ist, kann ich es recht gründlich genießen, ihn zu quälen und mich durch kleine Nadelstiche, die ich ihm versetze, zu rächen. Die Gelegenheit zur großen Rache warte ich noch ab, er wird ihr nicht entgehen.

Einstweilen begnüge ich mich damit, ihm dann und wann einen kleinen Schrecken einzujagen, wenn er sich gerade einmal ausruhen möchte, zum Beispiel nach Tisch, wenn er Siesta macht, eine Zigarette raucht und den Figaro liest. Ich brauche nur irgend eine wohlüberlegte Andeutung fallen zu lassen, sei es über die teure Mme. Lehugueur, oder über den Ort, wo sie sich treffen (Rue de la Terrasse 21 – der anonyme Brief hat mich ganz genau instruiert) – sofort errötet er, ja er wird bleich, seine Hände fangen an zu zittern, die Zigarette geht aus, und die Zeitung fliegt auf den Boden.

Die andere Rachemethode besteht darin, scheinbar in aller Harmlosigkeit seine Rendezvouspläne zu durchkreuzen, ich stelle ihn vor die Alternative, entweder seine Schöne zu verfehlen oder offen zu bekennen, was ihm nämlich höchst peinlich ist, daß er allein ausgehen möchte. Ich brauche ihn übrigens nur anzusehen, um zu erraten, ob er ein Rendezvous hat, – so eine gewisse Geistesabwesenheit in seinem Wesen, außergewöhnlich sorgfältige Toilette, dann und wann ein befriedigter Blick in den Spiegel – nach fünf Minuten weiß ich schon genug. Und dann diese komischen Vorsichtsmaßregeln, über die er gewiß lange nachgedacht hat – wenn er sich für den Nachmittag oder für den Abend seine Freiheit sichern will. Mein Gott, warum schweigt er nicht einfach still und thut, was er Lust hat, ganz wie in früheren Zeiten. »Liebste, heute haben wir um vier Uhr Sitzung bei der Süd-West-Bahn. Werde nur nicht ungeduldig, wenn ich später zum Essen komme, wenn du nicht auf mich warten willst –«

»O, mein Freund, du weißt, daß ich das immer thue. Du bist der Herr des Hauses.«

»Glaube mir, es ist mir schrecklich, wenn ich zurückgehalten werde. Aber jetzt sollen die Dividenden zur Auszahlung kommen und dann dehnen die Sitzungen sich endlos aus.«

»Komm nur, wenn es dir paßt, Lieber.«

Ich sage das alles in sanftem, unterwürfigen Ton, sehe ihm aber dabei fest in die Augen, was ihn so nervös macht, daß seine Lippen zucken. Dann geht jedes seiner Morgenbeschäftigung nach. Beim Frühstück kommen wir erst wieder zusammen. Henri ist liebenswürdig und zuvorkommend.

»Nimm doch noch von den Krebsen, Schatz – komm, hier ist ein wunderschöner. – Laß mich dir geben« u. s. w.

Ich nehme seine Bemühungen sehr huldvoll entgegen, lasse aber dabei beständig etwas Ironie durchblicken, so daß der teure Gatte gar nicht mehr weiß, woran er ist und sich förmlich zum Essen zwingen muß.

Dann ich auf einmal ganz plötzlich:

»Nicht wahr, ihr haltet eure Sitzungen noch immer in der Rue de Londres?«

Meine Frage fällt meinem Mann in den Teller wie ein Maikäfer vom Baum. Er zögert mit der Antwort, versucht erst einen Schluck Wein zu trinken, ist aber nicht imstande dazu und stottert schließlich:

»Na ja – ja natürlich – gewiß, lieber Schatz – Rue de Londres Nr. 1 und um fünf Uhr – in dem Empiresaal. Du weißt – weil er ganz in Empire möbliert ist – sehr schöne Empiremöbel, heller Mahagoni mit herrlichen Kupferbeschlägen – wunderbare Kupferbeschläge – nur der mittlere Saal ist nicht Empire, der ist ganz einfach gehalten: ein großer Tisch mit einem grünen Tuch und lauter Tintenfässern, wie ein gewöhnlicher Sitzungssaal. Eigentlich sind wir dort brillant eingerichtet.«

»Tant, mieux, mein lieber.«

Dann verstumme ich wieder und kehre meine Aufmerksamkeit der Mahlzeit Zu. Aber jetzt ist er ganz in seiner Behaglichkeit gestört, und ich weiß ganz genau, was er denkt, »Warum fragt sie darnach? Vermutet sie irgend etwas? Oder will sie mir eine Falle stellen.«

Er schwankt eine Zeitlang Zwischen dem Wunsch, etwas aus mir herauszubekommen und der Empfindung, daß es wohl besser sei, das Thema fallen zu lassen und von anderen Dingen zu sprechen. Aber Furcht und Neugier tragen den Sieg davon.

»Warum fragst du danach, Teuerste?«

Ich thue, als ob ich ganz vergessen hätte wovon überhaupt die Rede sei.

»Was meinst du, wovon sprichst du?«

»Von unserer Sitzung, – von dem Sitzungslokal der Süd-West-Bahn.«

Ich warte, bis er sich völlig verwickelt hat.

»Ach, deine Sitzung, was habe ich denn gefragt, ich weiß es wirklich nicht mehr.«

»Du fragtest, wo die Sitzungen abgehalten würden.«

»Nun, und?«

Er merkt, daß ich ihn zum besten habe und er wird ungeduldig. In lebhafterem Ton fährt er fort: »Nun, es wundert mich, daß du dich heute auf einmal so lebhaft für diese Sitzung interessierst, ferner, daß du so eingehend nach den Einzelheiten fragst – überhaupt – –«

Darauf ich mit großer Ruhe: »Aber ich meinte nur so, mein Freund – nur um irgend etwas zu sagen. Ich dachte, du hättest es gern, wenn ich mich für deine Geschäfte interessierte. Wenn es dir so unangenehm ist, will ich es gewiß nicht wieder thun.«

Mein Mann möchte seine verschiedenen faux-pas wieder gut machen; er nimmt meine Hand und: »Du hast ganz recht, Liebste. Verzeih mir. Ich will dir offen sagen, ich glaubte, daß irgend ein Verdacht hinter deiner Frage steckte.«

Ich: »Was für ein Verdacht denn, um Gotteswillen.«

Er: »Nun, du hättest ja denken können, daß – daß ich dir etwas verheimlichte. Und du weißt, daß nichts mich tiefer kränken könnte. – – (Jetzt bin ich selbst nahe daran, die Geduld zu verlieren.) Du weißt, ich vertraue dir unbedingt und verlange auch meinerseits – –« Ich: »was?! Mein Liebster, willst du jetzt so anfangen? Nein, da hört sich alles auf! Das habe ich nicht um dich verdient und ich weiß wahrhaftig nicht, was dir einfällt.«

Mein Gatte, ganz geknickt: »Liebste – nein, ganz gewiß nicht – ich habe dir unrecht gethan. Gieb mir die Hand.«

Ich reiche ihm frostig meine Hand und wir beenden unsere Mahlzeit in tiefem Stillschweigen. Gleich darauf drückt Henri sich. Lieber bis fünf Uhr auf der Straße herumbummeln oder in dem bekannten »Home« Rue de la Terasse die Stunde abwarten, wie sich noch einmal der Gefahr einer derartigen Unterhaltung mit seiner Frau aussetzen.

Einmal ist es mir gelungen, ihn von seinem Rendezvous abzuhalten, ohne mich selbst dabei zu ärgern und ohne daß er eine Gelegenheit gefunden hätte, seinen Unmut zu äußern. Wie habe ich es genossen, ihn in seinem Lehnstuhl zappeln zu sehen wie ein Fisch an der Angel! Und erst meine Freude, wenn ich daran denke, wie meine Nebenbuhlerin, jene stattliche ältere Dame, in dem vereinsamten Entresol gesessen und vor Wut mit den Füßen auf den Boden herumgetrampelt hat. Und dann die Scene, die sie ihm beim nächsten Wiedersehen gemacht ... Ah!

So hat man auch als betrogene Gattin doch manchmal einen frohen Moment. Aber diese Momente kommen leider nicht oft genug, um einem das Leben zu verschönen, sie bieten nicht einmal genügenden Ersatz für all' die schlimmen Stunden der Eifersucht und des gekränkten Selbstgefühls. Mein Mann und seine Geliebte haben schließlich doch das bessere Teil erwählt.

Ich habe jetzt genug von diesen kleinen Scharmützeln. Bald werde ich an das große Werk der Rache gehn. Ich denke viel darüber nach, wie ich es anfangen soll.


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