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Robert Burns

Erst durch Robert Burns wurde die englische Poesie, die völlig in der starren Herrschaft Drydens und Popes lag, erlöst. Am 25. Januar 1759 erblickte er in einer Hütte, die zwischen dem Städtchen Ayr und dem Fluß Doon im südwestlichen Schottland lag, das Licht der Welt. Er war der Sohn eines armen Gärtners, und seiner harrte Armut und Arbeit. Wir sehen ihn auf dem Schoße seiner Mutter sitzen, wie sie ihm die alten Weisen des Volks vorsingt, die später wieder ihr stolzes Gefieder in seinen eigenen Dichtungen erheben. Der Junge erhitzt seine Phantasie an den Biographien Hannibals, des Helden Wallace; er liest Shakespeare, Locke, Bayle und Pope, den er bald überflügeln sollte. Neunzehn Jahre alt kommt er auf die Schule zu Kirk-Ostwald, um Geometrie zu studieren. Er war in den Jahren, in denen man lieber der Venus opfert als Apollo, und er opferte so freudig, daß er, wie der junge Goethe in Leipzig, einen Blutsturz bekommen hätte, würde er nicht die unverwüstliche Konstitution eines Bauern gehabt haben. Als der Vater ihm mit seiner Autorität entgegentrat, sagte sich der Jüngling vom Elternhause los. Dem russischen Lyriker Alexei Kolzow gleich, dessen dichterisches Talent ja auch entdeckt wurde, während er als Schafhirte in der Steppe lebte, fühlte es auch Burns in seiner Seele plötzlich singen und klingen, während er schwer arbeitend hinter dem Pfluge herging. Wie wenig konventionell die Lieder waren, die er dichtete, das zeigte sich darin, daß er sie in der Mundart des Volkes verfaßte. Ein Dichter, der so unmittelbar aus der Natur schöpfte, in der er lebte, der nicht im geringsten in die Literaturschablone seiner Zeit paßte, sondern der einfach drauflos sang, wie die Vögel im Walde, unbekümmert um Beifall oder Mißfallen, der mußte in allen literarisch interessierten Kreisen sehr rasch bekannt werden. Er war kein Literat. Der Erfolg blieb nicht aus.

Aber inzwischen trieb ihn das Leben hierhin und dorthin, jagte ihn von Unruh zu Unruh, von Leidenschaft zu Leidenschaft, von Sorge zu Sorge. Er mußte leben. Er wird Flachshändler in Irvine; aber sein Haus brennt ab, er geht seines Kredits verlustig und ist nun vollkommen abgebrannt. Der Vater stirbt ihm; Burns übernimmt nun die Pächterei, wird aber auch jetzt noch vom Unglück verfolgt. Auch die Geliebte kann nicht sein werden. Und nun denkt er – alter Irrtum aller Gehetzten! – daß Ortsveränderung irgend etwas an seinen Verhältnissen ändern werde. Er will nach Jamaika, um Aufseher der Pflanzungen zu werden, aber da wird er nach Edinburgh eingeladen, wo ihm seine Gedichte bereits einen Namen gemacht haben. Die vornehmsten Gesellschaften bewerben sich um ihn; die Edelsten des Landes, Philosophen, Künstler drängten sich an den Bauern heran, der die schottische Heimat in hinreißenden Liedern besang, die zu einer wundervollen Vereinigung von durchdringender Leidenschaft, hinschmelzender Zartheit, gedrungener Präzision der Sprache und natürlicher dichterischer Phantasie geworden waren. Die Gönner des Dichters verschafften ihm Geld und eine Anstellung im Steuerfach. Einige Zeit darauf kehrte Burns aufs Land zurück, heiratete seine Geliebte, die ihm inzwischen Zwillinge geschenkt hatte und pachtete einen Meierhof. Nicht zu seinem Glück. Er führt Klage über Einsamkeit und dummes Nachbargeschwätz. Und da er fast nur seine Phantasie pflügt, bringen ihm seine Getreideäcker wenig ein. Wenn er jetzt mißmutig wird, greift er nicht zum Pfluge, aber auch nicht zur Feder, sondern zum Becher, wie Lenaus »einsamer Trinker«. Jetzt wird er Steuerbeamter; aber die damit verbundenen Plackereien reiben ihn vollends auf. Er muß sich mit Schmugglern und Schurken herumzanken, Bierfässer visieren, Akzise berechnen und seinen Geist in den niederen Regionen gewitzter Betrüger und Schelme kummervoll vergeuden; ihm fehlt die leichte Beschwingtheit François Villons. Er gerät in Zwiespalt mit seinen Vorgesetzten. Da er ein Anhänger der Stuarts ist und ein Freund der französischen Revolution, verlassen ihn auch seine adeligen Freunde. Not, Elend, Verzweiflung und Krankheit suchen ihn heim und untergraben ihn. Seine Gesundheit ist zerrüttet, so daß der Tod ein willkommener Befreier wird. Kaum siebenunddreißig Jahre alt, stirbt er am 21. Juli 1796 in Dumfries, einem Seebade an der Küste von Solway. Und während er beerdigt wird, bringt seine Frau einen Sohn zur Welt – eine seltsame Fügung, die Richard Schaukal dichterisch dargestellt hat.

Der Einfluß der schottischen Volkslieder auf Burns ist überall sichtbar; trotzdem hat man seine Wesensart nicht erschöpfend umschrieben, wenn man ihn nur einen Naturdichter nennt. Er hat immer den Mut seiner selbst, ist frei von jeder Manier und huldigt keiner Mode. Er dichtet nur Selbsterlebtes und Selbstempfundenes, schwätzt nicht, wie Pope, von erlogenen arkadischen Freuden, sondern stellt eine lebendige Welt hin, die rauh ist und wirklich, in der aber auch noch die schmutzige Wirklichkeit von den Strahlen der Sonne umspielt wird. Er singt nicht von Reichtum, den er nie gekannt hat, aber von den Bitternissen der Armut, die er zeitlebens gekostet hat; er besingt keine Philinen und Melinden, sondern Bauern und Bauernmägde mit schlichten Herzen; Bauern, die in schlechten Strohhütten wohnen, aber echt sind in ihrem Denken und Handeln.

Am bekanntesten und wirklich volkstümlich wurde sein Gedicht »Mein Herz ist im Hochland«. Da war es zeitlebens, und darum ist es auch ein hübsches Symbol, daß gerade dies Lied bei uns lebendig geblieben ist.


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