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Katharina Weytens.

Wachet, denn ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr kommen wird.

Math, 24, 42.

Sei fromm und wandle vor dem Herrn,
Wär' auch dein Ende noch so fern!

 

Wer nur ein Maler wäre, aber ein recht ordentlicher, und es gleich zu jedermanns Lust und Behagen hinmalen könnte mit ein paar Strichen, das prächtige, stolze Gent, wie es vor Zeiten war, etwa in der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in der meine kleine Geschichte spielt. Müßte ein gar stattliches Bild geben, diese flandrische Venezia mit ihren Canälen und Brücken, mit ihren zahlreichen Kirchthürmen, mit der zerfallenen Veste Gravensteen, von den ersten flandrischen Grafen erbaut, mit dem wunderlichen Prinzenhof, dem Gemeindewartthurm und all' den Klöstern und Beguinenhäusern. – Aber welche Beleuchtung paßte wohl für das lebensgetreue Conterfei des alten Gent? – Der helle Sonnenschein, wo das bunte, reiche Leben auf den breiten Plätzen und vor den Thoren wogte, wo bärtige Kauf- und Handelsherren in reicher Tracht mit ihren edlen Frauen und holdseligen Töchterlein lustwandelten, oder die erste dämmerige Morgenfrühe, wo die geschäftige Schaar der Lein- und Woll-Arbeiter zu ihrem Tagewerke eilte, wo die langen Straßen von diesem fleißigen Völkchen im Volke wimmelten (man zählte damals fast 40,000 solcher Arbeiter), oder endlich das Mondlicht, wo alles Schaffen und Sorgen ruhte und nur die Schaarwächter daherzogen mit hallendem Tritt, oder die Gestalt eines frommen Mönches plötzlich auftauchte aus dem Schatten eines düstern Hauses, oder eine barmherzige Schwester vorüberglitt, heimkehrend von einem Sterbelager, an dem sie einsam getröstet und gebetet? – Das Mondlicht, das alte Gent im Mondlicht! Ich meine, das müsse magisch wirken! Mondesstrahlen allein dürfen auf solche vergangene Herrlichkeit fallen, wenn sie voll und ganz wieder erstehen soll vor unsern Augen. Mondlicht erhellt und verschleiert zugleich, es verklärt die stillen Wasserflächen und belebt sie geheimnißvoll, die bei Tage trüb und schlammig erscheinen, schiebt die Straßen noch enger zusammen, dehnt aber die großen Plätze gespenstisch aus, daß sie endlos erscheinen, zerrt die Thürme in die Höhe, daß ihre Spitzen sich in silbernen Duft verlieren, glitzert nur hie und da im Vorüberhuschen in einer runden Fensterscheibe und flimmert an den Wetterfahnen auf den Dächern, daß man meinen sollte, es säße da oben etwas Lebendiges mit funkelnden Augen.

An solch einem Mondabend im Juni war es auch wirklich, als ein schlanker Jüngling mit unsicherem Schritt über einen der Hauptmarktplätze des alten Gent schlich. Er war noch ein junges Blut, das ließ sich auf den ersten Blick erkennen; ein schmales Bündel hing ihm über den Rücken, aber es sah aus, als müsse er sich schier todt tragen daran. Mit recht angstvollen Augen sah er vor sich hin; der Platz schien ihm so riesengroß, das Mondlicht äffte den Ermüdeten grausam und je weiter er vorwärts schritt, desto weiter wichen die Häuser drüben zurück. Die silbernen Strahlen hingen sich an seine langen, braunen Haare, als wollten sie die Locken auseinanderzerren, spielten neugierig auf seiner reinen Stirn und auf den runden, bleichen Wangen, krochen in alle Risse und schadhaften Stellen des abgetragenen, braunen Wamses, fuhren eilig an den Säumen des schlichten Mantels dahin und aus der bestaubten Fläche des schwarzsammetnen Baretts. Der todmüde Wandrer achtete ihrer aber nicht; er wankte immer mehr und mehr, und es gelang ihm endlich an der Seite des Platzes ein Haus zu erreichen, zu dessen Thür ein paar Steinstufen führten mit einem eisernen Geländer daran. Das faßte er noch an wie im Traume; dann sank er daran nieder und blieb still liegen wie im Schlaf oder in tiefer Ohnmacht. Es ging auch niemand vorüber, der sich seiner hätte erbarmen können, und so lag denn der Jüngling verlassen auf den kalten Steinen, bis auch der Mond fortging, als ob er ihn nun genug angeschaut hätte, und sich in einen Wolkenmantel wickelte.

Wohl eine Stunde und darüber mochte vergangen sein, da tönten von dem Ende des Platzes her Schritte und Stimmen, auch fiel der Schein einer Fackel tanzend über die Steine und kam näher und näher. Zwei Männer waren es, die heimkehrten von einem späten Schmause, und der Diener leuchtete ihnen voran. Der eine von ihnen war ein wohlangesehener, reicher Bürger von Gent, Jacob Weytens genannt, der andere sein zeitweiliger Gast, ein Handelsherr aus Antwerpen. Vor dem Hause mit den steinernen Stufen hielten alle still; der Fackelschein streifte den schlanken Körper, der am Boden lag. Der Diener bekreuzte sich, Jacob Weytens aber verwunderte sich gar sehr, daß der Kranke oder gar Todte sich just die Treppe seines Hauses zum Sterbepfühl gewählt hatte. Mitleidig beugte er sich über den Jüngling.

»Was beginnen wir mit ihm?« fragte er zagend und richtete das niedergesunkene Haupt des Todbleichen auf.

Da öffneten sich die Lippen des Fremden und er murmelte wie im Traume: »zur Johanneskirche will ich – bringt mich zum Agnusbild!« Dann sank er wie leblos zurück.

»Laßt ihn doch liegen, den Laffen,« sagte rauh der Handelsherr aus Antwerpen, »wer mag sich um all das herumstreichende Gesindel kümmern, das auf den Treppen herumliegt? Der da ist süßen Weines voll!«

»Nein, er ist krank!« antwortete der Genter Bürger und gab dem Diener Jan einen Wink. Der schlug dann alsbald mit dem schweren Klopfer gewaltig an die Hausthür, die man nicht lange darauf behutsam öffnete.

»Clas, helft hier!« gebot Jacob Weytens.

Clas stürzte heraus, und nun trugen die beiden Diener den Ohnmächtigen ins Haus. Der Hausherr und sein hochmüthiger Gast, der ein gar spöttisches Gesicht zog, trabten hinterdrein, dann fiel die schwere Thür zu, und alles war wieder so still wie zuvor; vom St. Johannesthurm herab schlug die erste Stunde des neuen Tages.

*

Am nächsten Morgen stand es freilich ganz anders mit dem Jüngling, den man so starr und bleich auf den Steinstufen gefunden hatte. Frisch und munter, mit strahlenden Augen, saß er da neben seinem barmherzigen Retter und drückte ihm einmal über das andre die Hände in überströmender Dankbarkeit. Er hatte auch wohl Ursache dazu, denn der gutherzige Jacob Weytens hatte sichs sauer werden lassen mit ihm, ihn eigenhändig gerieben und geklopft, so hart er konnte, ihm alten Wein in den Mund geträufelt, bis er zum Bewußtsein erwacht war und über Hunger klagte. Da kochte dann die alte Barbara geschwind eine Kraftsuppe, die der Kranke mit sichtlichem Behagen verzehrte und wonach er in einen so festen, gesunden Schlaf verfiel, daß er erst erwachte, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Jacob Weytens saß schon an seinem Bette, als er die großen, braunen Augen aufschlug und auch gleich aufsprang wie ein erschrecktes Kind.

»Bleibt liegen!« bat der Hausherr erschrocken, »und sagt mir nur, was Euch fehlt.«

»O nichts, gar nichts,« antwortete der junge Gesell heiter, »ich war nur müde und hungrig vom langen Wege von Brügge bis Gent. Ich komme hierher, um Euer Agnusbild zu schauen in der Johanneskirche, und hab' ich's genug geschaut, dann wandre ich wieder heim.«

Und nun erzählte er dem braven Bürger ganz treuherzig, daß er ein armer, elternloser Bursche sei, Hugo van der Goes mit Namen und ein Schüler des vielgeehrten Malers Rogier van Brügge, der seine hohe Kunst bei den Geschwistern van Eyk selbst erlernt hatte. Dieser Meister Rogier habe ihm aber so viel Wunderbares erzählt von dem über die Maßen herrlichen Agnusbilde in der Johanneskirche, dem Meisterwerke der van Eyk's, daß in seiner Seele eine unauslöschliche Sehnsucht erwachsen sei, dies Wunder der Malerkunst mit eignen Augen zu schauen. Tag und Nacht habe ihm dies Sehnen keine Ruhe gelassen, er sei muthlos geworden und verzagt in seinem eignen Lernen, träg und trübsinnig, nichts sei ihm mehr gelungen, nichts habe ihn mehr erfreut. Es sei ihm gewesen, als ob ihm eine Stimme unablässig zugerufen: »ziehe nach Gent, dort wird Dir der rechte Stern aufgehn!« Und die Stimme sei immer lauter und lauter geworden, und so habe er ihr denn gehorchen müssen; ohne Abschied sei er fortgegangen, ohne Rast gewandert von Brügge nach Gent, wo ihn endlich die Kräfte verlassen. Nun wolle er aber auch sein volles Herz hintragen zu dem Bilde, wie der Pilger sein Gebet hinträgt zum heiligen Grabe; nun wolle er schauen und selig sein, und dann getröstet heimkehren.

So schloß er und der wackre Bürger hörte ihm freundlich zu. Das offne, kindliche Wesen des Jünglings gefiel ihm, auch hegte er im tiefsten Herzen eine gar gewaltige Verehrung für die hohe Kunst der Malerei und hatte sichs eigentlich schon oftmals gewünscht, einem echten und rechten Maler zu begegnen, damit ihm doch Gelegenheit würde ein wenig zuzusehen, ob die Hexerei denn gar so groß sei, solche Bilder zu machen. Von der wirklichen Schönheit solcher Kunstschöpfungen verstand er freilich nicht allzuviel, und waren ihm stets die Bilder am liebsten, an denen die grüne und rothe Farbe nicht gespart war, auch der schimmernde Goldgrund gefiel ihm über die Maßen. – Nun war ja auf einmal sein Verlangen erfüllt, und ein Maler war ihm geradezu in die Hände gelaufen!

Als nun Hugo van der Goes nach einem kräftigen Morgenimbiß nach der Johanneskirche gegangen war, da überlegte Jacob Weytens allen Ernstes, ob er diesem Jüngling nicht für eine Weile eine Freistatt anbieten solle in seinem Hause. Ging es doch bei ihm so still und einsam zu, seit die alte Barbara regierte, seit sein liebes Weib ihm gestorben und sein einziges Töchterlein Katharina, das Abbild seiner todten Maria, zur Base nach Amsterdam gebracht worden war. Katharina sollte erst im nächsten Spätherbst heimkehren, bis dahin konnte der Maler ja dableiben, das Agnusbild zur Genüge anschauen und allerlei bunte Bildchen malen, vielleicht auch gar aus Dankbarkeit die lange Wand der großen Stube im untern Geschoß und die Decke des mächtigen Flurs ein wenig verzieren mit seinem Pinsel. Das war ein lockender Gedanke für den Bürger von Gent, ein Wandbild zu erringen, wie die vornehmen Patrizier, die sich die Innen- und Außenseiten ihrer Häuser also schmücken ließen und ungeheure Summen dafür zahlten.

Jacob Weytens schmunzelte. Ja, ein Wandbild mußte er haben: das konnte der junge Maler ihm wohl malen für solche gastfreie Aufnahme. Zeit konnte er sich nehmen, so viel er wollte, und wenn er auch noch malte, wenn Katharina wieder käme. Was schadete das? Sie mochten immerhin unter einem Dache mit einander wohnen, keines hatte wohl Zeit sich um das andre sonderlich zu kümmern. Katharina nun gewiß nicht; einem Mägdlein, das im nächsten Frühjahr Hochzeit halten will, vergehen die Possen und das müßige Umherstehen von selbst. Sein Töchterlein hatte gar viel zu schaffen und zu bedenken, war sie doch Braut von dem ältesten Sohne des reichen Handelsherrn in Antwerpen, und im nächsten Winter wollte der junge, künftige Eheherr nach Gent kommen und Quartier nehmen im Hause des Schwiegervaters. Die Verlobten mußten sich doch sehen und kennen lernen, die nur als Kinder zusammen gekommen waren. Ja, ja – der junge Maler konnte ruhig da bleiben; niemand hatte Zeit für ihn!

Am Schlusse all' dieser väterlichen Gedanken erhielt Jan wirklich den Befehl, oben das braune, nach Norden gelegene Stübchen auszuräumen und zu einer Malerwerkstatt herzurichten.

Während dessen lag der junge Hugo van der Goes auf seinen Knien vor dein Agnusbilde der Geschwister van Eyk. – Ach, so himmlisch schön, so strahlend, so überwältigend war ihm das Meisterwerk, das ihm gleichwohl sein Lehrer mit so glühenden Farben geschildert hatte, doch in seinen kühnsten Träumen nicht erschienen! Seine ganze junge Künstlerseele sank anbetend nieder vor dieser Herrlichkeit. Ein Farbenglanz überströmte dies prachtvolle, aus zwölf Tafeln bestehende Altarblatt, deren jede etwa 3 Ellen hoch und halb so breit war, den die Augen Hugo's van der Goes kaum ertrugen. Erst nach und nach gewöhnte er sich an das wunderbare Licht und verlor sich im Schauen. Da war ja das Hauptblatt, von welchem Meister Rogier van Brügge immer nur mit gefalteten Händen geredet; da sah er das göttliche Lamm, das der Welt Sünde trägt, und über ihm thronend Gott Vater mit den himmlischen Heerschaaren, ihm zur Rechten die gebenedeite Jungfrau, zur Linken Johannes den Täufer. Das Lamm bildete den leuchtenden Mittelpunkt des Ganzen, denn zu ihm drängten sich auf den andern Tafeln von allen Seiten Heilige, Könige mit blitzenden Kronen, Ritter mit schimmernden Panzern, Weltleute in glänzenden Kleidern, Priester mit verklärten Mienen, Krieger zu Roß, Pilger mit langen Stäben und dunkeln Gewändern, Einsiedler in seltsamen, härenen Kutten. Und jede einzelne dieser Gestalten schien zu leben und sich zu regen und zur Vollendung des Ganzen zu gehören. Die frommen Beter schienen herbei zu strömen von nah und fern; sie zogen durch köstliche Landschaften, liebliche Blumen sproßten auf unter ihren Tritten.

Und Hugo van der Goes schaute und schaute, als ob er das Wunderbild hineinziehen wollte in sein Herz, und die Thränen heller Freude liefen ihm dabei über die Wangen. Nachher stand er auf und trat bald hierhin, bald dorthin, näher oder ferner, die Augen mit der Hand beschattend, und dabei war ihm so selig zu Muthe wie noch nie in seinem Leben, und immer zog's ihn wieder auf seine Knie nieder, so daß er die Essensstunde versäumte und vergaß in der Johanneskapelle; es war schon spät am Nachmittage, als er seinen Weg in das Haus Jacob Weytens' zurück fand.

Der erwartete ihn schon ganz unruhig und wackelte ihm scheltend entgegen, und wollte nicht glauben, daß er vor dem Bilde allein diese lange Zeit verträumt habe. Dann zog er ihn in seine eigne Stube und ließ ihn laben mit Wein und Speisen. Und Hugo van der Goes weigerte sich auch gar nicht, sondern ließ sich's wohl schmecken. Als aber dem Magen sein Recht geschehen, da schlug wieder die köstliche Flamme der Begeisterung hell aus seinen prächtigen Augen und mit glühenden Wangen redete er von dem über alle Maßen herrlichen Agnusbilde.

»Habt Ihr's denn nun genugsam angeschaut?« fragte ihn neugierig der Hausherr.

»O wie mögt Ihr nur solches glauben?« antwortete der Jüngling traurig. »Möchte ich's doch alle Tage meines Lebens anschauen, weiß ich doch nicht, wie ich leben soll so fern von dem herrlichsten Werke der Malerkunst!«

»Nun, so bleibt getrost noch eine Weile bei dem alten Jacob Weytens; bis zum Winter könnt ihr das Bild noch oft genug anschauen! Ich habe Euch schon eine kleine Malerwerkstatt herrichten lassen in meinem Hause, dafern Ihr's zufrieden seid.« –

Ob er's zufrieden war! Wie ein beschenkter Knabe jubelte er auf und hing sich an den Hals des Alten. Und lange redeten sie mit einander hin und her, und am Ende war's ausgemacht, daß der Hugo van der Goes bis zum Winter dableiben solle und fein fleißig malen, auch täglich einmal nach der Johanneskapelle wallfahren; dafür gelobte er seinem gütigen Hauswirth die Decke seines Flurs mit Rosen zu verzieren und lachende Engelsköpfchen dazwischen zu malen; auch ein Wandbild sollte Jacob Weytens haben, an dem keine Farbe gespart wäre. An demselben Tage reiste auch der Antwerpener Handelsherr ab, vor dem sich der Genter Bürger immer ein wenig gefürchtet, und der junge Maler zog froh wie ein König ins braune Stübchen ein.

*

Nun ging ein recht trauliches Leben an zwischen den beiden, dem Alten und dem Jungen. Hugo van der Goes hatte eine Staffelei errichtet, auch allerlei Stücken Malertuchs hervorgesucht aus seinem Bündel – ein Geschenk seines Lehrers, der sich zumeist des Malertuchs bediente statt der bisher allein gebräuchlichen Holztafeln – und nun begann das Malen. Der alte Weytens wurde nicht müde zuzuschauen, bildete sich aber doch gar bald nicht mehr ein, daß man das Ding so rasch lernen könne. Er bekam zuweilen ordentlichen Respect vor dem jungen Manne, der da vor ihm saß und mit wunderbarer Geduld die Farben mischte, dann ein Strichlein fein auftrug, dann wieder an einer Stelle leise mit dem Pinsel auftippte, wieder absetzte, hier noch ein Pünktchen machte, dort eins wegzulöschen schien, dazwischen plötzlich einen kecken Zug that, dann wohl auch hin und wieder im Stübchen auf- und ablief. Den Kopf mußte er schütteln, der ehrliche Jacob Weytens, wenn er sah, wie manchmal nach einem einzigen farbigen oder weißen Pünktchen ein Gesicht ein ganz andres Leben bekam, wenn ein todtes Auge wie mit einem Zauberschlage zu einem lebendigen, funkelnden ward und ihn ordentlich anlachte. Und wie täuschend verstand der junge Maler den Atlas und die Seide zu malen; man hätte den Stoff mit Händen greifen mögen, so weich und köstlich fielen die Falten nieder.

Aber er saß nicht immer stumm bei seinem jungen Freunde; er liebte es zu reden, und erzählte ihm nach und nach allerlei aus seinem stillen, arbeitsvollen Leben, und von seiner herzlieben gestorbenen Hausfrau, und von dem einzigen Kinde, der Katharina, das ihre Züge trug und auch ihr Herz geerbt hatte, wie er sagte, und jetzt die Braut sei eines reichen Mannes. Hugo van der Goes hörte gar still zu, und malte dabei ein kleines, kaum anderthalb Fuß hohes Bildchen, die heilige Jungfrau vorstellend mit dem göttlichen Kindlein, mitten im Grünen unter Blumen, die gar wunderfein und strahlend wirklich zu blühen schienen. Als das Bild ziemlich vollendet war, erschrak Jacob Weytens fast; die holdselige Jungfrau schaute ihn ja mit den Augen seiner Maria an, und er sagte ganz verwirrt von dem überwältigenden Eindruck: »Was habt Ihr da gemacht? Ihr maltet mir ja mein Weib und mein Kind in das Marienantlitz hinein? So hat mich mein Weib angelächelt; und wiederum ist mir's, als müsse es Katharina sein, die da aus dem Bilde hervorschaut.«

Da lächelte Hugo van der Goes und meinte: »Nun, Ihr habt mir ja die holdseligen Frauenbilder so oft beschrieben, und da mußte ich sie wohl nachmalen. Es freut mich, daß mir's so geglückt ist. Ihr sollt auch später die Madonna haben zum Andenken an mich.«

Da konnte Jacob Weytens seine Freude und Bewundrung über das Schaffen seines jungen »Findlings«, wie er ihn immer nannte, nicht länger bei sich behalten; fortan ging er nach und nach zu all' seinen Freunden und redete ihnen so lange von dem fremden Maler und seinen Werken vor, daß einer nach dem andern die Treppe hinaufstieg in das braune Stübchen. Bereut hat dies aber keiner. Sie guckten dem hübschen Schüler Rogiers van Brügge verwundert und vergnügt zugleich über die Schultern und verfolgten die Striche seines Pinsels, und da meinte denn bald der eine, daß ihm ein getreues Conterfei fehle von seiner Ehefrau, der andere bestellte ein Capellenbildchen bei dem jungen Manne, der dritte seinen Schutzheiligen, der vierte wollte seinen Sohn gemalt haben, und so war auf einmal Arbeit vollauf da. Und wie sich die Arbeit von Woche zu Woche mehrte, so mehrten sich auch die goldenen Münzen in seiner Truhe. Gar bald ging Hugo van der Goes zierlich gekleidet einher, und niemand hätte es ihm ansehen können, wie einstmals der Mondschein Verstecken gespielt in allerlei Rissen und Löchern seines Wamses.

Die versprochene Rosendecke in dem Flur war noch gar nicht angefangen und von dem Wandbilde war auch keine Rede, obzwar der Hausherr nicht unterlassen konnte, dann und wann leise zu mahnen. Die Zeit rückte ja auch immer näher, wo Katharina heimkehren sollte in Begleitung eines alten, treuen Freundes ihres Vaters, und nachher kam gewiß auch bald der Sohn des Antwerpner Handelsherrn. Nun, und dann? – Jacob Weytens kratzte sich hinter den Ohren, wenn er daran dachte; es war ihm, als müsse dann alle Freude und das schöne stille Leben ein Ende haben, als würde der Maler dann fortziehen in alle Welt.

Endlich fing Hugo van der Goes an die Flurdecke zu malen. Gerüste wurden aufgeschlagen; da kletterte er denn hinauf und herunter, nahm allerlei Maße, zeichnete nach der Art seines in der Kunst der Decken- und Wände-Malerei so hoch berühmten Lehrers viele schwarze Striche, aus denen niemand klug werden konnte, und schickte sich an die Farben aufzutragen. So stand er denn an einem Nachmittage im October in seinem Arbeitskittel da oben. Eben war er wieder aus der Johanneskapelle gekommen und hatte wie tagtäglich vor dem Agnusbilde geträumt, und da gings denn immer mit dem Malen noch eins so gut. Eine prächtige, halbaufgebrochene Rose blühte unter seinem Pinsel auf, aber so schön und jung, daß man hätte mit Lebensgefahr hinaufklettern mögen, um sie abzupflücken und ans Herz zu stecken. Da klopfte es plötzlich recht stark und ungestüm an die Hausthür, und wieder und wieder, ehe der alte steife Jan und Clas, der immer so langsam ging, die Farbentöpfchen und verschiedene Geräthschaften bei Seite geschoben hatten, die da umherstanden. Der Hausherr erschien oben auf dem halben Treppenabsatz und der junge Maler neigte sich weit über das Gerüst, um hinabzusehen. Da öffnete sich endlich die Thür, ein Strom von Sonnenlicht drang herein und in jenem warmen Licht zeigten sich zwei Gestalten, ein alter freundlich blickender Mann im dunkeln pelzverbrämten Ueberkleide, und ein junges Mägdlein in einem kurzen Ueberwurf, dessen schützende Kappe ihr in den Nacken zurückfiel, als sie vortrat. – Sie hob verwundert den Kopf, um an dem Gerüst in die Höhe zu sehen. Da begegneten sich plötzlich vier junge strahlende Augen: die dunkeln eines Mannes und die blauen einer holdseligen Jungfrau, und hielten einander fest. Doch war es nur ein Moment, denn die Stimme des Hausherrn rief mit tiefer Bewegung: »Katharina, mein Kind, bist Du schon da? O Dank Euch, mein Freund van Swieten!« Da eilte sie in seine ausgebreiteten Arme; aber ob das Wiedersehn ihres Vaters ihre sammetne Wange so purpurn gefärbt, wer konnte das sagen?

Wenige Augenblicke nachher verstummten all die verschiedenen Ausrufungen des Staunens und des Jubels; Katharina verschwand mit dem Vater und mit dem alten Begleiter; an den Maler da oben dachte wohl niemand. Er saß wenigstens wie verlassen und verabsäumt auf seinem Gerüste und schien in allerlei wunderliche Träume versenkt. Dann raffte er sich plötzlich auf, malte einen dicken, braunen Stiel an seine schöne Rose und Dornen daran, vor denen billig jedermann erschrecken mußte, so lang und spitzig waren sie; dann warf er den Pinsel weg, kletterte hinab, schlich in sein Stübchen, zog sein Wams an, warf das Mäntelchen über die Schultern, drückte das Sammetbarett auf die vollen Locken und ging wie trotzig zum Hause hinaus, durch die Straßen Gents, vor das Thor. Dort lief er herum, so lange ihn seine Füße tragen mochten, und kehrte erst heim, als alles schlief.

Am andern Tage beim Mittagsmahle durften aber die Augen des jungen Malers das bräutliche Mägdlein abconterfeien, und sein Herz diente ihm dabei als Malertuch. Es mag ein schönes Bild geworden sein; lange genug blickte er sie an! Das rosige Gesicht schaute so süß und kindlich unter der zierlichen, blendend weißen Flügelhaube hervor, die sich an den runden Wangen abbog; das goldene Haar war zurückgekämmt und halb unter der Haube versteckt, und Hugo van der Goes meinte im stillen, sie müsse ihr Lebelang so das Haar tragen, damit nur immer diese wunderschöne, züchtige Stirn frei bliebe und die köstlichen Schläfen mit den wunderfeinen blauen Adern. – Unter der zierlich viereckig ausgeschnittenen Jacke stieg das gefältelte, weiße Busentuch verhüllend bis unter das runde Kinn herauf, die langen Aermel schlossen fest um den vollen Arm und waren an den beiden Aufschlägen geknöpft mit großen Knöpfen. Jede Schulter war oberhalb des Aermels mit einer blauen Schleife geschmückt. Der oberste dunkle Rock war bauschig aufgenommen, die weiße Schürze ging über ihn her, der untere Rock von hellerer Farbe fiel bis fast auf die feinen Knöchel, dann kam ein fester, kleiner Fuß, und die Schuhe hatten ebenfalls blaue Schleifen. Sie redete nicht viel, die siebzehnjährige schlanke Katharina, aber wenn sie ein Wörtchen sagte, so gemahnte ihre Stimme an fernes Glockenläuten, so lieb und tröstend klang ihre Rede; und ihr züchtiges Lächeln gar nahm alt und jung gefangen, daran war kein Zweifel. Gegen den jungen Maler war sie schüchtern wie ein junges Reh, aber doch so holdselig freundlich, daß ihm das Herz ordentlich aufging. Zuweilen trafen sich auch die Augen der beiden wieder, während Jacob Weytens und der Amsterdamer von allerlei ernsthaften Dingen, von Krieg und Handel redeten, und da schlugen immer gleich die hellen Flammen auf und brannten an den Wangen.

Als Hugo van der Goes endlich wieder in seiner Malerwerkstatt saß, geschah es ihm, daß er kein einzig armes Strichlein zu Wege bringen konnte; er saß und stützte den Kopf in die Hand und dachte. An wen wohl? An die schöne Katharina? – O nein, an den Sohn des Antwerpner Handelsherrn, der das wundersüße Frauenbild in kurzer Frist heimführen sollte als sein Weib. Und über diesem einen Gedanken vergaß er zum ersten Male die tagtägliche Wallfahrt zum geliebten Agnusbilde. Ich glaube, er schämte sich aber doch ein wenig der Versäumniß, als der Mond so hohnlachend zu ihm ins Stübchen schaute.

Allmählich kam aber das stille Leben im Hause Jacob Weytens wieder in das alte Gleise. Der Handelsherr von Amsterdam reiste heim, der Hausherr ging an seine gewöhnlichen Geschäfte, Katharina schaltete und waltete sinnig und fleißig im Hause umher, und Hugo van der Goes malte seine Portraits und führte gewissenhaft alle die vielen Bestellungen aus, die man ihm aufgetragen. Mit Dunkelwerden ging er hinab und half der schönen Katharina bei allerlei häuslichen Verrichtungen, oder saß wenigstens dabei und schaute zu, wenn ihre fleißigen Hände sich regten und in dem feinen Linnen wühlten, das immer wie Schneeberge um sie herum lag. Dabei liebte sie es, ihn nach dem Meister Rogier van Brügge zu fragen, und nach seiner Knabenzeit, und nach hundert und tausend andern Dingen, und er hätte sich den Athem aus der Brust geredet, nur um sie immer so anschaun zu dürfen, wie sie aufhorchend vor ihm saß, oder lächelte, oder nickte, oder verwundert in die Hände schlug. Er versuchte auch bald ihr allerlei kunstvolle Dinge aus Holz zu schnitzen, und ein zierliches Crucifix von seiner Arbeit hing nach kurzer Frist an ihrem Fensterlein, wo ihre Blumen blühten, und sie betete täglich davor.

Sie merkten es nicht, daß der Winter immer näher kam, ja zuweilen schon ans Fenster klopfte; aber Jacob Weytens merkte es, und es war ihm, als könne er jetzt den jungen Maler wirklich nicht länger brauchen. Mit dem Wandbilde gabs doch einmal nichts, und das konnte er auch allenfalls noch nachmalen, wenn Katharina in Antwerpen als Hausfrau eingezogen war. Jetzt mußte der Hugo van der Goes fort; Jacob Weytens wußte zwar eigentlich nicht recht warum, aber er fühlte eine seltsame Angst vor dem erwarteten Besuche des künftigen Eidams, und daran mußte nur der Maler Schuld haben, denn sonst hatte er sich doch nie vor dem Freier seines Töchterleins gefürchtet. Ganz leichten Herzens trat er denn eines Abends im November zu den beiden jungen Leuten und sagte: »Nun ists bestimmt, eine Botschaft ist da von Antwerpen!«

Hugo van der Goes und Katharina fuhren hoch auf und schauten fragend und erwartungsvoll den Vater an. Der sagte ruhig: »Dein Freier, mein Kind, wird in kaum vierzehn Tagen hier sein und sein Vater begleitet ihn. Wir wollen nun alles sein säuberlich dazu herrichten.«

»Und ich muß fort!« fiel hier der junge Maler ein und stand todtenbleich auf. »Ja fort ohne Verweilen, was soll ich hier noch? Hätte ich doch längst weiter wandern sollen! Sorgt Euch also nicht, ich gehe am nächsten Abend; ich will nur mein Bündel schnüren und mir ein Pferd kaufen; dann ziehe ich in die Welt hinaus!«

Jacob Weytens sah mitleidig in das Gesicht seines jugendlichen Freundes, und mit einem Mal war es ihm, als könne er ihn durchaus nicht mehr missen, als müsse er ihn festhalten mit allen Kräften. War er doch so lieb und gut, und so gar geschickt und fleißig! Und da fragte er in seiner Bangigkeit: »Aber das Wandbild habe ich ja noch nicht?«

»Das male ich Euch später, verlaßt Euch darauf, Jacob Weytens; werde ich doch nie vergessen, was ich Euch schulde. Aber erlaubt mir, daß ich Eurer Tochter eine kleine Hochzeitsgabe bringe, oder gestattet, daß sie selbige sich auswähle in meiner Werkstatt. Möge sie sich das Beste auswählen, was sie in dem braunen Stübchen findet.«

»Das mag sie,« rief Jacob Weytens strahlenden Auges, denn er dachte an die vielen hübschen Bilder, die dort standen und die er am liebsten alle behalten hätte. »Morgen früh gegen die Mittagsstunde mag sie bei Euch einsprechen; ihren jungen Augen sei die Wahl überlassen und ich werde mich mit ihr freuen über jedes Stück, welches sie mir aus der braunen Stube herabbringt. Seid Ihr beide es zufrieden?«

Hugo van der Goes antwortete nicht, auch Katharina nickte nur; sie hatte den Kopf so tief gesenkt, daß man fast nur die Stirn sah und das schöne, dicke, zurückgestrichene Haar und kaum die feine Linie der Nase; aber die Maleraugen, die nun einmal immer mehr sehen, als die Augen andrer Menschenkinder, bemerkten doch zwei schwere Thränen, die auf die kleinen Mädchenhände tropften.

*

Am nächsten Morgen sah es in dem braunen Stübchen gar hell und sauber aus. Die Wintersonne schien zwar nicht herein, wohl aber sah man aus dem Fenster ein Stück blauen Himmel und das gab Licht genug. Rings an den Wänden standen neben einander allerlei bemalte Holztafeln, auch sorgsam aufgespanntes Malertuch mit allerlei Gestalten ausgefüllt, hier sah man Blumen, dort eine Heilige, hier einen wilden Kriegsknecht, da einen betenden Engel, auf der Staffelei stand aber in aller Farbenpracht und Schönheit das längst vollendete Marienbild, welches wirklich eigentlich nur ein Bildniß der schönen Katharina Weytens geworden war. Auf dem Tische lag ein voller Mantelsack, ein andrer offener noch ungefüllt in der Ecke. Es war klar, Hugo van der Goes rüstete sich zur Reise. Er saß auf einem Schemel, selbst wie ein Bild anzusehen, in seinem schlichten Anzuge, den Kopf in die Hand gelegt, in trübem Sinnen vor sich hinstarrend. Da klopfte es schüchtern an die Thür, die holdselige Jungfrau Katharina trat sittsam sich verneigend ein. Er sprang auf, er sah sie an, heißer Schmerz zuckte um seinen Mund, aber er schloß fest die Lippen, faßte das Mägdlein an der Hand, und führte sie bis an die Staffelei. »Da seht alles, was ich geschaffen,« sagte er, »und wählt das Beste – alles – alles sollt Ihr haben!«

Eine lange, lange Weile stand sie stumm vor der Staffelei, dann wendete sie sich zu dem jungen Maler, dessen Augen nicht von ihrer Gestalt ließen. Aber wie verändert war doch das Angesicht des Mägdleins! Ernstes Sinnen stand auf der holden Stirn, als sie eintrat, jetzt lächelte sie so wunderbar schalkhaft, jetzt stand eine so unendliche, überströmende Freude in ihren Augen. Hugo van der Goes starrte sie an wie im Traume.

»Darf ich wirklich das Beste mitnehmen, was ich in dieser Eurer Malerwerkstatt finde?« fragte sie leise und sah ihn tief, tief an.

Er nickte.

Da ergriff sie seine Hand in heißem Erröthen und flüsterte: »Nun so kommt, behaltet Eure Bilder; – Euch will ich – ich habe mir das Beste auserwählt – kommt zum Vater!«

*

Daß es der klugen, sanft überredenden Bitte der bildschönen Katharina Weytens gelungen, nicht nur den Zorn des Vaters, denn der verflog nur allzurasch, sondern sogar die Wuth des Handelsherrn von Antwerpen und seines Sohnes zu dämpfen und zu bezwingen, zeigte nicht lange darauf ein prächtiges Wandbild in dem Hause Jacob Weytens, das die Bewunderung aller Bewohner Gents und späterhin der ganzen Niederlande erregte, viele Jahrzehnte lang. Hugo van der Goes, der glückliche Eheherr der holden Katharina, hatte es gemalt und damit seinen Ruhm befestigt, ja er erlebte sogar die Freude, daß sein eigner Lehrer, der alte Meister Rogier, nach Gent kam, um das vielbesprochene Werk seines ehemaligen Schülers anzuschauen. Das Bild stellte die kluge Abigail vor, wie sie dem zürnenden König David entgegen tritt und durch die Gewalt ihrer Rede und Erscheinung den Drohenden besänftigt. Der prächtig geschmückte König auf dem stolzen Pferde trug die strengen Züge des Antwerpner Handelsherrn, der sich dadurch nicht wenig geschmeichelt fühlte. In seinem Gefolge gewahrte man unter dem Helm eines stattlichen Kriegers das guthmüthige Antlitz Jacob Weytens', in dem blödsinnig ausschauenden Jüngling, der hinter dem königlichen Rosse wie erschreckt hervorlugt, erkannte man sonder Mühe den ehemaligen Bräutigam Katharina's. Abigail selbst war Katharina, wie sie leibte und lebte, stolz, züchtig und holdselig zugleich.

Das Wandbild war und blieb der Stolz des wackern Bürgers von Gent bis an sein Lebensende, seine Herzensfreude aber war das Glück seiner Tochter. Hugo van der Goes beschenkte nun zunächst die Kirchen seiner geliebten zweiten Heimat mit schönen Bildern, und die prachtvolle große Kreuzigung, die Blüthe seiner Schöpfungen, die er für den Altar der Jacobskirche malte, fällt in die erste Zeit seines Eheglücks. Sonderlich viel hat er im Laufe seines hellen, frohen Lebens nicht geschaffen, vielleicht ließ ihm seine Liebesseligkeit nicht die rechte Zeit; aber was er geschaffen, trug den leuchtenden Stempel des Genius. Die Rosenlaube mit den Engelsköpfchen im Hausflur malte er auch nicht fertig, wölbte sich doch über seinem und seines Weibes Herzen eine viel schönere, unvergängliche, dornenlose Rosenlaube reinsten Glücks, und Engelsköpfchen waren auch da. Und das waren Köpfchen und Gestalten, deren Farben nimmer abbleichen und verlöschen könnten, Engel von Fleisch und Bein, herzige Buben und Mägdlein, die den Vater- und Mutteraugen schöner erschienen, als selbst die weltberühmten Engelsköpfchen auf dem herrlichen Agnusbilde der Geschwister van Eyk.


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