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Elftes Kapitel

 

1

Wenn es jemand gab, der Grund hatte, wütend auf de Valera zu sein, so war das Eddie Doyle, einer von Barneys Freunden. Mit der Stellung, die ihm in einer Fabrik von Rundfunkartikeln in Aussicht gestellt worden war, wurde es nichts, genau sowenig wie mit einer zweiten in einer Fliegenfängerfabrik, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Fabriken überhaupt nicht aufgemacht wurden. Das Geld schien sich fern von Irland in Ländern, wo die Leidenschaft für Feuerwerk nicht so lebhaft war, wohler zu fühlen. Dazu kam, daß die politische Entwicklung dem Rugby-Klub ein Ende gemacht hatte, der seine eigenste Gründung war. Die jungen Leute hatten sich in zwei Lager gespalten. Wohl waren dabei die Meergrünen in der Minderzahl, sie glichen das aber durch größere Roheit aus. Sie neigten sehr zu Raufereien und brachten Leute mit, die früher nie Zutritt zum Klub bekommen hätten, und die nur in der Hoffnung auf Spektakel Patrioten geworden waren. Dazu kam noch, daß sein bester Freund auf eine schändliche Weise ermordet worden war. Endlich aber wurde Doyle selbst niedergeknallt, und damit hatte sein Mißvergnügen ein Ende. Es ging vielen so, daß sie auf diese einfache Art ihre Sorgen los wurden.

«Wie billig ist es doch, mit solchen Phrasen um sich zu werfen wie der, daß grade die ständige Aussicht auf den Tod das Leben anziehend mache!» sagte Pater Aloysius zu Jimmy Malone, der dasaß und Badehandtücher strickte, um sie dann zu verschenken. Seine Hände waren so mager und klein, daß er nur mit Mühe die schweren Stricknadeln halten konnte, die er für diese Arbeit brauchte.

«Aphorismen sind gefährlich!» entgegnete Jimmy lächelnd. «Als der Teufel sie erfand, hieß das Schokolade in der Hölle verteilen. Und doch! Nimm mich selbst! Warum bin ich froh?»

«Das ist was andres!» sagte Pater Aloysius und konnte nichts hinzufügen, so daß es unklar blieb, warum das etwas andres war. Denn dies Gespräch wurde an dem Tage geführt, als die große Meuterei in der Kaserne ausbrach und Bombay und Barney erschienen und davon berichteten. Der republikanische Teil der Mannschaft hatte den übrigen befohlen, ihr Zeug zu packen und sich aus der Kaserne zu scheren. Zweihundert marschierten denn auch ab und verbrachten die Nacht in Hotels und Klubs. Auch auf den Exerzierplatz waren die Meuterer hinausgezogen und hatten eine große Abteilung, die dort ohne Waffen exerzierte, übermannt und zur Auslieferung der Schlüssel für die Waffenkammern gezwungen. Der alte Stadtkommandant war auf dem Weg zu seinem Gasthof durch die Hand geschossen worden, weil er sich geweigert hatte, Befehle der Meergrünen entgegenzunehmen.

«Wegen der Verschiedenheit zwischen den beiden Standpunkten würden wir keinen Hund erschießen!» sagte Barney. Im ganzen Lande teilte das Volk diese Ansicht. Aber niemand fragte es nach seiner Meinung, und Waffen besaß es so gut wie keine.

«Was hab ich die ganze Zeit gesagt!» rief Bombay. «Die Besatzungsarmee ist weg, die Schwarzbraunen sind weg, die Polizei ist weg, das Dubliner Schloß ist weg. Alle Regierungsgewalt ruht jetzt in den Händen des irischen Volkes. Irland kann sich sein Staatsleben so einrichten, wie es ihm paßt. Na, und was wählt man? Blut! Noch mehr Blut!»

Am nächsten Abend drang Roddie mit einem Haufen Kameraden während eines Konzertes in das protestantische Gemeindehaus ein und befahl den Anwesenden, über eine schmale Gasse in die kleine Freimaurerloge hinüberzugehen, alle Möbel herauszuschleppen, das Billard in Stücke zu schlagen und das Gebäude in Brand zu stecken. So was hielt man für einen Spaß.

«Zum Weinen ist das!» sagte Jimmy, wenn jemand zu ihm hinaufkam und nach ihm sah; und er weinte wirklich.

 

2

Aber für weichere Gemüter gab es bald bessere und gewichtigere Gründe zum Weinen. Wenn das Wort, etwas breite sich aus wie ein Präriebrand, jemals Berechtigung hatte, dann in diesem Fall. Einer der besten Männer Irlands hat gesagt, Armenien hätte nie etwas erlebt, was sich an Roheit damit hätte messen können, was hier geschah. Manch andrer bat in vollem Ernst, man solle die Schwarzbraunen zurückrufen. Selbst vor der Beschießung von Krankenhäusern schrak man nicht zurück; und so ging es das Jahr über weiter. Anfang Juni geschah es, daß in Belfast eine Bande ein Haus stürmte, eine katholische Frau überfiel, sie auf das roheste mit Füßen trat, ihr die Kleider vom Leibe riß, sie zu Boden warf, sie mit Petroleum begoß und es ansteckte. Aus Rache dafür wurden im westlichen Irland die Protestanten verfolgt und gezwungen, Haus und Hof zu verlassen, nur weil sie Protestanten waren.

Wie der kleine Jimmy Malone gesagt hatte: es war wirklich zum Weinen.


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