Betty Paoli
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Betty Paoli

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Kleopatra.

I.

                  Heiß brennt die Sonne im Zenith herunter,
Der Palmen Wipfel stehen regungslos,
Die Pyramiden schimmern bunt und bunter
Im Gluthmeer, das sich über sie ergoß.
Doch ein Asyl giebt's vor des Tages Schwüle,
Wie noch kein Auge je ein hold'res sah;
Dort ruht, in ihrer Gärten Schattenkühle,
Egyptens Königin, Kleopatra.

Dem Bade ist sie eben erst entstiegen,
Noch blitzt in ihrem Haar der Wellen Thau,
Nur leichte, duftige Gewänder schmiegen
Sich sehnend um der Glieder edlen Bau.
Wie flammt ihr Aug'! wie blüht die dunkle Wange!
Wie scheint ihr ganzes Sein in Reiz getaucht!
Sie ist's! des alten, gelben Nilstroms Schlange,
Die Götterwonne und Verderben haucht!

Entfernt hat ihr Befehl die Dienerinnen,
Sie ist allein, und weiß es selber kaum.
Versunken in ein träumerisches Sinnen
Gleicht sie der Sphynx am dunklen Wüstensaum.
Die Schatten, die sich um ihr Antlitz breiten,
Sie sprechen nicht von Sehnsucht nach Genuß,
Von Trauer nicht um todte Seligkeiten,
Nein! nur von kaltem, finstern Ueberdruß.

Der Freuden Kranz wand sie um ihre Schläfe
Bis abgewelkt der letzte Blüthentrieb!
Den Kelch der Lust, sie leerte ihn zur Hefe,
Bis ihr kein Wunsch und kein Verlangen blieb.
Wie Tantalus am nie erreichten Quelle,
Sieht sie die süße Labung sich verwehrt!
Doch hoffnungsloser noch ist ihre Hölle,
Denn Durst nach Durst ist es was sie verzehrt.

Nicht frommt es ihr, daß vor ihr ausgeschüttet
Der Ueberfluß sein unerschöpflich Horn!
Ihr Herz, in seinem tiefsten Grund zerrüttet,
Spürt nicht der Rosen Duft noch ihren Dorn.
Im finstern, gegen sich gekehrten Grimme
Die Hand gepreßt an dieß erstorb'ne Herz,
Stöhnt sie mit leiser, halberstickter Stimme:
»Nur ein Entzücken noch, und einen Schmerz!

Und wie sich ihrem Mund dieß Wort entrungen,
Sieht sie im Dickicht zweier Augen Blitz.
Wer ist der Frevler, der hier eingedrungen?
Erzürnt springt sie empor von ihrem Sitz.
Ihr Angesicht umwölket finst're Strenge,
Von ihren Lippen hallt ein lauter Schrei
Und eilig stürzen durch die grünen Gänge
Die Frauen und die Wachen schon herbei.

»Heran! um den Verweg'nen aufzusuchen,
Dem das Gebüsch dort eine Zuflucht bot!«
Dem Wink der Fürstin folgen die Eunuchen,
Doch ihre Mühe thut hier nicht mehr Noth,
Denn, eh noch ihre Blicke ihn erspähen,
Tritt rasch und kühn der Schuldige hervor.
»Hieher! zu mir! du sollst mir Rede stehen!«
Des Jünglings Auge leuchtet hell empor.

»Welch Werk des Unheils wolltest du hier schaffen?
»Hast du zum Mord die Schritte hergelenkt?«
»»Du siehst ja, Fürstin! Daß ich ohne Waffen.««
»So hast du toll dein Leben weggeschenkt?
»Kennst du die Strafe nicht, bei der verboten
»Hier einzudringen ohne mein Geheiß?
»Du wagtest besser dich ins Reich der Todten!«
Der Jüngling lächelt ruhig ernst: »»Ich weiß.««

»Ich seh', du bist so schweigsam wie vermessen!
»Doch, was die Lippe nicht gestehen mag,
»Die Martern werden es von dir erpressen.
Sie bringen Tiefverborg'nes an den Tag!«
»»Das hoffe nicht! Mich wird die Qnal nicht beugen.
»»Allein willst klar du in mein Inn'res seh'n,
»»So gönne mir, o Fürstin! ohne Zeugen,
»»Minutenlang genüber dir zu steh'n.««

»Mir willst du dein Geheimniß anvertrauen?«
Fragt, seltsam lächelnd, ihn Kleopatra,
Die Schlange, schön und schrecklich anzuschauen.
Von seinen Lippen tönt ein festes »»Ja!««
»Es sei darum! Allein mich zu bethören,
»Das wähne nimmer! Um ist deine Zeit!
»Bringt ihn nach dem Palast! ich will ihn hören.
»Der Henker mache sich indeß bereit!«

 
II.

                Die Sonne eilt nach Westen hin,
Schon wird das Licht des Tages trüber;
Im Saale steh'n sich gegenüber
Der Jüngling und die Königin.
Ein Dolch, wenn er zum Ziele sich
Das Herz des Gegners auserkoren,
Will Auge sich in Auge bohren, –
Gebietend mahnt die Fürstin: »Sprich!«

»»Wer hatte je mir prophezeit,
»»Daß du mit deinem eigenen Munde
»»Verlangen werdest nach der Kunde,
»»Von meiner Seele Lust und Leid?!
»»Gesegnet sei die Stunde mir,
»»Ob sie auch meine Sterbestunde,
»»In der ich meines Herzens Wunde,
»»Enthüllen darf vor dir! vor dir!

»»Es stockte meiner Pulse Schlag,
»»Als du, der selbst die Götter dienen,
»»Zum erstenmale mir erschienen.
»»Ich liebe dich seit jenem Tag!
»»Die Welt hätt' ich wie nicht'gen Tand
»»Für deinen Anblick hingegeben!
»»Ich hatte nichts als nur mein Leben,
»»Und warf es in den Opferbrand.

»»Du weißt nunmehr, warum mein Schritt
»»Den Weg sich zu der Stätte bahnte,
»»Wo ich der Sel'gen Wonnen ahnte,
»»Die Qualen der Verdammten litt.
»»O süßer Raub, der mir nicht feil
»»Für abertausende von Tagen!
»»Jetzt mag die letzte Stunde schlagen,
»»Und fallen mag des Henkers Beil!««

Der Jüngling schweigt; doch was er sprach,
Aus todter Kohle schlug es Funken!
Die Fürstin steht in sich versunken,
Als sänn' sie einem Räthsel nach.
Jetzt kehrt das schöne Angesicht
Sie langsam zu dem Todgeweihten:
»Dein Loos sollst du dir selbst bereiten, –
»Nach deinem Blute dürst' ich nicht!

»Nein! wählen magst du unbeschränkt!
»Gelobst du mir mit heil'gen Eiden
»Mein Antlitz fürderhin zu meiden,
»So sei das Leben dir geschenkt.
»Doch wenn so heiß dein Lieben loht,
»Daß es nur mit dir selbst kann enden,
»Empfange dann aus meinen Händen
»Der Wonnen Fülle und – den Tod!«

»»Was höhnst du mein gequältes Herz?
»»Nicht lange mehr hat es zu pochen!
»»O Königin! was du gesprochen,
»»Es war ein frevelhafter Scherz!««
»Ich scherzte nicht. Was ich dir bot,
»Ich biet' es dir zum zweitenmale,
»Noch schwankt in deiner Hand die Schale –
»Wähl' zwischen Leben oder Tod!«

»»O dann! was ist des Lebens Schein
»»Mir länger? was des Todes Granen?
»»Mein Leben ist nur dich zu schauen,
»»Mein Tod ist nur dir fern zu sein!
»»In deinem Kusse zu vergeh'n,
»»Der mich so oft im Traum durchglühte, – –
»»Gepriesen sei der Ew'gen Güte,
»»Die solch ein Loos mir zugesteh'n!««

Durchlodert von der Sehnsucht Brand,
Hält er die Reizgestalt umfangen.
Wie flammen plötzlich ihre Wangen!
Wie zuckt und zittert ihre Hand!
Sie stammelt, zwischen Lust und Pein
Getheilt: »Es ist dir nicht verborgen,
Daß du« – »»Gewiß! Ich gehe morgen,
»»Ein Gott, zu allen Göttern ein!««

 
III.

          Goldene Sterne im Aether, dem reinen,
Seid ihr von doppeltem Glanz nicht verschönt?
Ob der Gesang in den blühenden Hainen
Heute nicht doppelt so schmelzend ertönt?
Himmel und Erde, sie wechseln und tauschen
Heimliche Grüße voll holder Gewähr!
Hin durch die Nacht mit melodischem Rauschen
Woget der Lust unergründliches Meer!

Schwellend Gefluthe von Düften und Tönen!
Trunk'nen Genusses eleusisches Fest!
Klage voll Jubellaut! wonnevoll Stöhnen,
Von der Entzückungen Taumel erpreßt!
Seufzer, die glühend in Seufzer verschwammen,
Blicke, von seligen Thränen verklärt,
Lodert empor in vereinigten Flammen,
Bis ihr im eigenen Brand euch verzehrt!

Thoren, die fragen und klügeln und sorgen,
Was die verschleierte Zukunft wohl webt!
Tage dir nimmer und nimmer ein Morgen,
Wenn dich das Heut zu den Göttern erhebt!
Mag doch die Zukunft die Blumen entblättern,
Sogst ihren Duft du, den köstlichen, ein!
Mag sie den Becher im Grimme zerschmettern,
War nur sein perlender Inhalt erst dein!

 
IV.

          Hell tritt der Morgen aus des Ostens Thor,
Schon ist der Dämm'rung Nebelflor zerrissen.
Kleopatra erwacht, – sie fährt empor
Von ihres Lagers weichen Purpurkissen.
Aus ihren heißen Wangen flieht das Blut,
Denn wie verzaubert muß ihr Auge hangen
An Hiram, der, von holdem Traum umfangen,
An ihrer Seite sanft und lächelnd ruht.

Des eig'nen Wollens sich nicht mehr bewußt,
Sich selbst entrückt, starrt sie auf ihn hernieder.
Es wendet sich das Herz in ihrer Brust,
Ein kalter Schauer fliegt durch ihre Glieder.
Wenn auch Kleopatra, sie ist ein Weib!
Es zagt ihr Herz, ihr Sinn beginnt zu wanken.
Soll sie zerbrechen dieses Lebens Schranken?
Dem Staub vereinen diesen Götterleib? –

Sie sinnt, erwägt, – ein menschliches Geschick
Wie die verhüllte Parze überdenkend, –
Und düster, immer düst'rer wird ihr Blick,
Zurück sich in vergang'ne Tage senkend.
»Was folgt der Wonnen allzu flüchtigem Gruß
»So sicher wie dem Körper folgt sein Schatten?
»Es ist der Übersättigung Ermatten,
»Der öde, finst're, dumpfe Ueberdruß!

»Und solchem Loos ging'st du entgegen? Nein!
»Den Tropfen Gift, in diesem Ring enthalten,
»Ich flöß' ihn dir in deinem Schlummer ein!
»Dein Herz soll lieber brechen als erkalten.
»Ich tödte dich! doch wenn du todt, dann laß
»Mit Thränen mich benetzen deine Leiche!
»Stirb als Gesegneter! dein Schicksal gleiche
»Dem Schicksal nicht Kleopatra's!« –


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