Betty Paoli
Neueste Gedichte
Betty Paoli

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Indische Sprüche.

I.

            Dichter, sprich! wie magst du klagen,
Daß die Welt dich nicht versteht?
Daß mit dumpfem Unbehagen
Sie dir aus dem Wege geht?

Lass' beim Spiel wie beim Geschäfte
Folgen sie der eig'nen Spur!
Des Magnets verborg'ne Kräfte
Wirken auf das Eisen nur.

Ob auch noch so silberhelle
D'rauf der Strahl des Mondes ruht:
Nicht des Flußes zahme Welle,
Nur das Meer hat Ebb' und Fluth!

Das Alltägliche, Gemeine,
Einem Jeden ist es nah',
Während, ach! das Hohe, Reine
Stets für Wenige nur da.

 
II.

        Es geht in Purpur stralend
Die Sonne morgens auf;
Das Meer mit Purpur malend
Beschließt sie ihren Lauf.

So bleibe im Schicksalsdrange
In Wonne und in Schmerz,
Im Auf- und Untergange
Sich gleich ein großes Herz.

 
III.

        Tändelnd seh' ich sie mit Schlangen spielen,
Die nach ihnen mit dem Giftzahn zielen;
Sehe sie dem flücht'gen Sinn der Frauen
Ehre, Glück und Leben anvertrauen;
Sehe sie in eitler Habgier Streben
Einem Fürsten sich zu eigen geben,
Bis sich ihnen endlich offenbaren
Solchen Handelns tödtliche Gefahren,
Bis der Gegner einem sie erlegen, –
Ach was sind die Männer doch verwegen!

 
IV.

              Der Krähe Schnabel magst du netzen
Mit flüss'gem Gold von Malabar,
Die schwarzen Füße ihr besetzen
Mit Gluthrubinen wunderbar,
Verschwenderisch mit Perlenschätzen
Bestreu'n ihr rupp'ges Flügelpaar:
Wie reichen Glanz und Schmuck und Schimmer
Ihr künstelnd deine Hand verlieh,
Sie bleibt doch eine Krähe immer,
Und ein Flamingo wird sie nie!

 
V.

        Wagt sich mit flehendem Begehr
Dein Feind auf deines Hauses Flur,
Dann sieh in ihm den Feind nicht mehr,
Nein! einen werthen Gastfreund nur.

Geschützt sei vor Gefahr und Gram
Er in dem dir gehör'gen Raum!
Selbst dem, der ihn zu fällen kam,
Leiht seinen Schatten mild der Baum.

 
VI.

        Leicht wird als deines Liedes Preis
Der Beifall dir der schlichten Geister;
Noch sich'rer zollt ihn dir der Kreis
Der großen, kunsterfahr'nen Meister.
Von Jenen, die in Dämmernissen
Sich wähnen im Besitz des Lichts,
Die Etwas, doch nichts Rechtes wissen,
Von ihnen nur erwarte nichts!
Mit diesem klügelnden Geschlecht,
Das, weil ihm trüb ein Sternlein blinket,
Sich aller Weisheit Urquell dünket,
Kommt Brama selber nicht zurecht.

 
VII.

            O sieh den Teich im gold'nen Glanz
Der Morgensonne liegen,
Und auf der Lotusblumen Kranz
Sich die Flamingos wiegen!

Scheint nicht der Ort ein Spiegelbild
Von sel'gen Himmelsfluren?
In staunendem Entzücken schwillt
Das Herz der Kreaturen.

Da kommt der Storch, der kluge Mann,
Schier wie auf Stelzen gehend,
Und in der Schönheit Ocean
Nach Würmern emsig spähend.

Er sieht die Lotusblumen nicht,
Noch der Flamingos Prangen,
Den Stral nicht, der im Teich sich bricht, –
Gewürm ist sein Verlangen. –

Dem Storche gleicht der auf ein Haar,
Der in den Tabernakeln
Der Poesie nur immerdar
Nach Fehlern späht und Makeln!

Der im Gedichte, dessen Macht
Unzählige empfinden,
Nur immerfort darauf bedacht,
Auch Mängel aufzufinden.

 
VIII.

        Gewohnheit stumpft uns für das Schönste ab,
Für höchsten Reiz macht sie das Aug' erblinden,
Läßt matt und schaal uns jede Würze finden, –
Sie ist der Liebe, ist der Freundschaft Grab.

Wo Yamounah und Ganges sich so hell
Vereinigen nach lang getrennten Pfaden,
Verschmähen die Bewohner sie und baden,
Statt in dem heil'gen, in gemeinem Quell.

 
IX.

        Würd'ge siehst der Arbeit Joch du tragen,
Stete Mühen sind ihr Loos,
Während in des Müßiggangs Behagen
Sorglos schwelgt der nied're Troß.

Doch, daß ihnen dieß Geschick gefallen,
Zeugt für ihren Werth und ihren Ruhm!
Eingefangen werden Nachtigallen,
Krähen fliegen frei herum.

 
X.

        Den fremden Vorzug weiß allein
Der Edle nach Gebühr zu schätzen;
Wer selber niedrig und gemein,
Wird nimmermehr sich d'ran ergetzen.

Die Biene sieht am klaren Teich
Sich schaukeln blüh'nde Wasserrosen,
Und sie verläßt ihr grün Bereich,
Mit ihnen liebevoll zu kosen.

Es sieht der Frosch im Sonnenschein
So gut wie sie die Rosen schimmern,
Doch fällt's ihm nicht im Traume ein,
Sich weiter um sie zu bekümmern.

 
XI.

            Zu preisen dünkt mich jener Baum,
In dessen Schatten ruh'n Gazellen,
In dessen ausgehöhltem Raum'
Die Bienen bauen ihre Zellen,
In dessen Zweigen, drollig kühn,
Die Affen durcheinander springen,
Dieweil in seines Laubes Grün
Die Vögel munt're Lieder singen.

Gesegnet sei er, der die Last
Den andern Bäumen abgenommen!
Gesegnet er, der jedem Gast
Entbiethet freundliches Willkommen!
Der Thierwelt trauter Zufluchtsort
Und ein Gezelt für müde Waller,
Grün' er noch lange, lange fort,
Der milde Schutz- und Schirmherr Aller!

 
XII.

                Die Gazelle hat das Netz zerrissen,
Fortgeschleudert die gelegten Schlingen.
Ans des Waldes grünen Dämmernissen
Flieht sie eilig wie mit Sturmesschwingen.
Auf der Flucht verfolgen Jagdgesellen
Athemlos die zierlich leichte Beute,
Die sie nah und näher stets umstellen
Beim Gebell der ungeduld'gen Meute.
Sie erreicht den Strom, im weiten Bogen
Zwischen Felsenufern eingebettet,
Springt kopfüber in die kalten Wogen,
Schwimmet an den Strand und ist gerettet.
Und sie jauchzt, daß sie dem Feindesschwarme,
Den Verfolgern glücklich doch entronnen!
Da, in ihrem Jubel, fällt die Arme
Unversehns in einen tiefen Bronnen. –
Hoffe nicht, das Schicksal abzuwenden,
Das bestimmt dir ward vom Anbeginne!
Wollend oder nicht mußt du's vollenden, –
Lern' es tragen denn mit festem Sinne!

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