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Sie töten den Geist nicht!

 

 

Der Freunde harr' ich,
Tag und Nacht bereit,
Wo bleibt Ihr, Freunde? Kommt!
's ist Zeit! 's ist Zeit!

Nietzsche

 

 

Wenn es möglich wäre, einen Verein der Suchenden, Unbestechlichen, Wahrhaften und Anständigen zu schaffen, jetzt hätte er entstehen müssen. Aber er entsteht nicht und kann nie entstehen; denn sein Inhalt wäre der Geist, und der flieht alle Formen, in denen Menschen bisher Gemeinsames gewollt haben. Die Versuche, Ziele hinzustellen und Anhänger auf bestimmte Gesinnung festzulegen, muten uns heute an wie Zeichen des Todes und nicht des Lebens.

Wie könnten die ewig sich Wandelnden, die wirklich Verwandten einen Verein bilden! Die aber leiden in ihrer Einsamkeit in solch schrecklicher Zeit. Nur eins kann sie trösten: Das Bewußtsein, daß gleiche seelische Not und gleicher Wille zum Letzten in anderen lebt, und daß irgendeine Entscheidungsstunde ein Wetterleuchten bringen muß. Unsichtbar steigert sich Spannung überall und muß sich einmal entladen, mitten hinein in diesen grauen Himmel des Alltags mit all dem Trüben und Verstaubten. Solche Hoffnung macht uns beinahe das Unerträgliche erträglich: Das Leben in einer Gegenwart von Lüge, Schmutz, Roheit in Indolenz. Wenn der Mangel an allem, was uns Leben bedeutet, uns täglich aus unzähligen Geistern angrinst, hört beinahe jede Hoffnung auf für dieses Leben, das nur gelebt wird wie eine Wartezeit auf eine bessere Zukunft.

Wo ist in unserem Volke Geist? Es ist alles geschehen, ihn zu töten und sogar das Bewußtsein zu unterdrücken, daß Geist Leben ist. Die Masse lebt engherzig in Furcht vor dem Leben, das verschüttet ist. Bevor das Leben selbst wieder erkannt wird, müssen alle Götzen und ihre Tempel zertrümmert werden. Umwertung aller Werte! Was überhaupt als Ideal hingestellt wurde, ist tot und nur dazu berufen, am Leben vorbeizutäuschen.

Weshalb denn nur das Unerträgliche leben, das Tote? Weshalb Widerliches? Der Neid der geistig Armen auf alles Lebendige, Revolutionäre ist groß, und die Masse der Schlechtweggekommenen ist eine ungeheure Macht der Finsternis. Was schadet es! Was können Tote den Lebenden! Die Träger des Geistes sind unverwundbar, und sie allein fürchten den Tod nicht.

Es ist kein geistiges Leben bei uns, weil sich im Volk der unergründlich tiefen Denker etwas als Geist ausgegeben hat, was nicht Geist ist. Alle Geistigen müssen in diesem Lande unglücklich werden. Was irgend an Totem, an Reaktion oder Mitteln zur Unterdrückung der Freiheit des Lebens aufzutreiben ist, ob aus dem Alten Testament oder von den Sioux stammend, hier findet es eine Stätte. Das deutsche Volk will nicht revolutionär sein, will nicht leben, will am Leben vorbei leben. Aber das hält kein Volk aus, und das Gesetz, daß alles in Bewegung sein muß, bricht aus dem Scheintoten noch als schreckliche Krankheit hervor. Das Volk sehnt sich danach, diese Welt zu zertrümmern, es findet eine Zeit groß, in der zerstört, niedergebrannt, zertreten wird.

Ihr Revolutionäre Deutschlands, Ihr Geistigen, Ihr Wenigen, Ihr Nicht-Professoren und Nicht-Priester, laßt uns voneinander wissen; einen wollen wir uns nicht, denn unsere Einsamkeit ist das große Band, das uns verbindet.

Aus unserem Schmerz, aus der Scham, mit der wir das ungeistige Wesen des Ewig-Gestrigen sehen, werde das große Lachen geboren, das unser Volk erlösen soll. Es glimmt das Feuer. Es flackert. Es ist da. Seid Ihr's Freunde? Ihr lebt. Es lebt in Euch, Ihr Feuerköpfe, Ihr glühenden Herzen. Denn – sie töten den Geist nicht, Ihr Brüder!


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