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Meine Haltung zu Krieg und Militär

Aus einem Brief an Major Paul Kritzler vom 15. August 1916

Meine Haltung zu Krieg und Militär ist natürlich nur zu verstehen, wenn ich alle Einzelheiten mitteile. Das kann ich nur deshalb nicht, weil das ein Buch werden würde. Wenig sage ich aber nicht gerne, weil ich nicht will, daß es aussieht, als glaubte ich, mich rechtfertigen zu müssen. Soviel darf ich Dir, weil Du wirklich eine verständige Art hast, Dinge, die Du zur Zeit nicht billigen kannst, zu behandeln, aber sagen:

Ich bin aus verschiedenen Gründen, die kein Freund des Vaterlandes billigen kann, bei der Marine zu Untätigkeit verurteilt worden und bin, als ich mich nach Betätigung drängte (ich mochte nicht dauernd Gehalt beziehen und in dieser Zeit andere Dinge treiben), ganz übel behandelt und schließlich einfach verleumdet worden. Es sind haarsträubende Zustände, über die nach meiner Meinung aber nie zu reden sein wird, weil alles ganz anders kommt und es deshalb ganz gleichgültig ist, was jene irrenden und unerfreulichen Menschen mit mir angestellt haben.

Wenn ich der Meinung bin, daß es anders kommt, so ist das kein Pessimismus, sondern eine gewisse Einsicht in die Dinge von anderem Standpunkt, als ihn die Menge hat (die Menge der Zeitungsleser oder wie man sie nennen will). Man könnte mir vielleicht zugute halten, daß ich im ganzen mich doch schon als einen Sucher erwiesen habe, der das Notwendige und Kommende sieht, während es die Menge (auch die der Gebildeten) nicht sieht, ja, der den Mut hat, das Erkannte auszusprechen, auch wenn es noch als »verrückt« angesehen wird.

(So u.a. die Abstinenz und den Vegetarismus, welch letzterem wir es zu verdanken haben, daß Deine Kinder jetzt blühend und gesund sind. Ich erwarte aber nicht, daß anerkannt werde, mit welchen Opfern ich die geistigen Vorbedingungen zu dem jetzigen Zustand, der allen Menschen zugute kommt, habe schaffen helfen. Meine Eltern verkünden jetzt in aller Öffentlichkeit ihren Vegetarismus und haben doch aus dieser, für den, der es miterlebt hat, ungeheuren Meinungsänderung nicht gelernt, eine gewisse Achtung zu haben vor der Vorkämpferfähigkeit und dem Wahrheitssuchen ihres Sohnes. Sie werden später sich hoffentlich wieder meine neuen Gedanken über Krieg und Politik zu eigen machen, wenn ich der Zeit, die dann gekommen ist, denke ich, wieder um eine Nasenlänge voraus bin.)

Du sprichst abfällig vom Pessimismus.

Das Wort »Pessimismus« wird in diesen Tagen in einem merkwürdigen Sinne gebraucht. Es werden uferlose Pläne gemacht, deren Erreichung – mit dem Gut und Blut anderer erstrebt wird. Wer das nicht gerade sehr schön und mutig findet und zur Mäßigung auffordert, wird Pessimist genannt.

Du nennst das Wort »fauler Friede«.

Der Friede, der kommt, wird nie »faul« genannt werden, ebensowenig wie zugegeben wird, daß die jetzige Lage und das bisher Erreichte nach den Begriffen, die von der Menge zu Anfang des Krieges ausgeschrieen wurden, ein Riesenmißerfolg genannt werden müßte. Nein, im Geschichtsunterricht unserer Enkel sind wir die Sieger, auch wenn unsere Menschen, unser Glück und unser Gut vernichtet sein werden. Wie weit wir dieser Art Sieg schon nahe sind, darf ich einem Krieger, der für seinen Beruf die Zuversicht braucht, nicht erzählen. Vor einer Enttäuschung ist das deutsche Volk völlig sicher, denn: Dies Volk glaubt alles! (Vielleicht sind andere Völker nicht besser; ich sehe nur, was ich sehen kann.)

 

Unsere, in der Weltgeschichte beispiellose militärische und organisatorische Leistung wird immer mit dem Erfolg verwechselt werden, und das ist das Schicksal und wird leider vielleicht der Untergang dieses Volkes, das geistig und kulturell zu Höherem berufen war. Obwohl ich das kommen sehe, werde ich doch als Kämpfer auf meinem Platz ausharren und also an meiner Stelle demselben Fehler erliegen, den ich vorhin Dir mit aller Hochachtung für Deine Stellung nachgewiesen habe.

Bei scheinbaren Gegensätzen löst sich das Wenige, was uns unterscheidet, in Einklang auf.

Daß der Krieg einem Mann in Deiner Stellung auch viel Gutes bringt, ist gewiß; nur ist dieses Glück einzelner oder eines begrenzten Standes nach mancher Menschen Ansicht zu teuer erkauft und kostet an anderer Stelle zu große Opfer.

Das ist der Gedanke, weshalb einige dann doch von Frieden sprechen, auch auf die Gefahr, in Schutzhaft genommen zu werden, und weshalb man den Krieg als Selbstzweck, wie es jetzt vielfach, bewußt oder unbewußt, angesehen wird, nicht gelten lassen sollte. Es ist den Offizieren zu gönnen, daß sie, nach Jahren eintönigen Garnisondienstes, Abwechslung haben und fremde Länder sehen. Die unablässig zu beachtende Pflicht jedes Soldaten aber sollte sein, dem Volke, der Heimat den Frieden wiederzugeben. Das wird jetzt aber ganz vergessen. Wir gönnen den Offizieren und Heerführern Unterhaltung und Genuß auch in dieser Zeit, wenn doch eben »durchgehalten« werden muß. Kurzsichtig ist nur, wer glaubt, nur ein Krieg hätte diese Abwechslung bringen können. Es sieht leider fast so aus, als seien gewisse Kreise mit dem Kriegszustand recht zufrieden, sie wissen eben nicht, welche Opfer an Gut und Blut dieser Zustand dem Volke kostet, wissen auch nicht, welch unsagbar schwere Zeiten infolge des Krieges kommen werden. Wer aber jetzt, um zum Nachdenken anzuregen, etwa sagen würde, es sei billiger, sämtliche Offiziere Europas im Frieden nach Mesopotamien zu schicken und Hindenburg könne den Bären, den er, wie er geäußert hat (nach dem Wisent und Wolf), noch zu erlegen hofft, auch nach dem Frieden (Siege) schießen, der bekäme es mit allen Reventlows dieses Landes zu tun. Und die Zahl dieser »Durchhälter« ist nicht gering.


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