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»Mäßiger Luxus«

Unter den Blüten, die das Opferjahr 1913 hervorgebracht hat, sind auch häßliche, die, wenn der »Vortrupp« es verhindern kann, nicht Frucht zeugen sollen. Der häßlichsten eine steht in dem Aufsatz einer Schriftstellerin in einer Tageszeitung. Die ruft die Frauen auf, nicht hinter den Männern zurückzustehen, wenn es gelte, Opfer für die Rüstung zu bringen, und empfiehlt, die Frauen sollten sich überlegen, an welchen Stellen sie ihren Luxus ein wenig einschränken könnten. »Laßt uns groß denken und klein leben«, schreibt sie. Kaum aber hat sie diese Tat empfohlen, da erschrickt sie vor ihrer Kühnheit und fügt hinzu: »Klein leben! Dies nur für diese Zeit der Spannung; denn wer bemittelt ist, soll aus volkswirtschaftlichen Gründen auch entsprechend leben.«

Da haben wir gleich das Beispiel, was heute »groß denken« heißt. Da werden wir auch gleich inne, was heute unter der Flagge »Volkswirtschaft« segelt.

Welch eine tiefe Sittlichkeit spricht doch aus dem Satze: »Der Bemittelte soll ›entsprechend‹ leben«. Grade, was jeder Vaterlandsfreund tief beklagen muß, daß alle die Neureichen »entsprechend« leben, das fordert dieser Aufruf. Er fordert, daß die vielen Ehrenwerten, denen Gelegenheit geboten wurde, Geld zu häufen – daß die ihre Zeit im Café versitzen, im protzigen Auto zum Rennen fahren, hinter Spiegelscheiben Diners schlemmen, Reiherfedern tragen und sich allen Behang anbinden, den eine erfinderische Industrie befiehlt. Das sind dann »volkswirtschaftliche Rücksichten«: wenn etwas Überflüssiges ersonnen wird und wenn es Abnehmer findet.

Das Wort »entsprechend leben« kennzeichnet unsre Zeit. Der beschämende Maßstab, woran sie die Lebenswerte mißt, ist ausschließlich das Einkommen. Für jedes Einkommen gibt es einen »entsprechenden« Aufwand. Der größte Aufwand, der Luxus, gilt als das Ersehnte; wer ihn aber nicht treiben kann, der treibt dann doch wenigstens so etwas wie »mäßigen Luxus«.

Es gehört ja überhaupt schon die ganze Blindheit einer gewissen Sorte moderner Nationalökonomen dazu, um im Luxus überhaupt etwas für die »Volkswirtschaft« Erstrebenswertes zu sehen. Die ganze Blindheit, mit der der Kultus der toten Sache ihre Priester zu schlagen pflegt, die nun nicht mehr sehen können, wie unsinnig es ist, wenn große Teile der Kräfte der Menschen zur Herstellung von Unnützem und vielfach sehr Schädlichem verschwendet werden. Aber der »mäßige Luxus«, dieses Talmi-Ding, ist geradezu die Schande unsrer Zeit. Denn das mit ihm untrennbar verbundene Bestreben, nicht nur das Einkommen, was man hat, sondern auch das, was man vortäuschen muß, an dem Aufwand, den man treibt, erkennen zu lassen, macht die Menschen zu willenlosen Sklaven ihres Geldes. Wer heute eine Gehaltsaufbesserung bekommt, sagt: »Jetzt kann ich mir etwas Luxus leisten«, und gibt dadurch zu erkennen, daß er den »mäßigen Luxus« entbehrte. Und von nun an wird er immer noch etwas entbehren bis die neue Gehaltsaufbesserung kommt – und die nächste und so fort. Er wird seiner Gewohnheit treu bleiben und sich vom Gelde abhängig fühlen, er wird Lakai bleiben.

Der »mäßige Luxus« verdirbt das Volk, er schafft Unruhe, Unzufriedenheit, Kulturlosigkeit. Ein Volk, das »mäßig Luxus treibt«, ist würdelos. Es trägt die Zeichen des Emporkömmlings zur Schau. Es hat noch keine Kultur.

Es ist das Wesen des »mäßigen Luxus«, daß er dem Menschen, den er beherrscht, nicht erlaubt, die Gesetze zu erkennen, nach denen sich die Bedürfnisse des Menschen richten. Der Römer Lucius Annaeus Seneca bekämpfte den Luxus und sagte: »Vermindere dein Gepäck. Das Notwendige ist leicht erreichbar; das Wohlleben allein macht Sorge.«

Er galt als ein Weiser. Der Weise gibt sich mit dem Notwendigen und Guten an irdischem Besitz zufrieden und schielt nicht nach dem unerreichten Besseren. Dadurch hat sein Leben etwas Beständiges, und er hat Zeit, den Tag, den er lebt, zu genießen.

Beherrscht Weisheit ein ganzes Volk, dann hat es Kultur. Dem deutschen Volke tut not zu erkennen, was dem Menschen an irdischem Besitz notwendig ist, und alles, was darüber hinausgeht zu mißachten, weil es dem Leben die Ruhe und wahre Schönheit raubt. Den »mäßigen Luxus« darf es nicht wollen und muß lernen, die erbärmliche Lage der Menschen zu erkennen, die ihre Freude am Heute zerstören, weil sie für morgen größere Geldmittel erhoffen.

An Stelle des »mäßigen Luxus«, der ein Scheinleben erzeugt, muß die natürliche Lebensweise treten. Sie ist mit bescheidenen Mitteln erreichbar. Wenn sie heute das Lebensideal des deutschen Volkes wäre, dann wären wir schon ein starkes Volk freier Menschen. Jetzt sind wir eine Masse unzufriedener Streber. Wie viele wären reich, wenn sie bei dem Notwendigen stehen blieben, wie viele würden als Reiche angesehen werden, wenn sie nicht durch ihren kleinen Perlenschmuck allen Menschen zeigten, daß sie sich keinen größeren leisten können. Das »mäßige Schlemmen«, das kleine Fürstenmenü, das Palastpröbchen (Salon genannt) mit dem Beginn einer Kunst- und Altertumssammlung, der Riesenfederhut im Straßenbahnwagen, was alles auf Schritt und Tritt Zeugnis ablegt von der Armseligkeit – das ist der »mäßige Luxus«. Und dafür die Hast der Renner im Alltagsgrau.

Fragst du einen solchen »grauen Krieger«, weshalb er keine Zeit hat: Damit seine Kinder ein »besseres« Leben führen können. Damit sie eine noch mehr gefüllte Wohnung haben, noch etwas mehr Schlemmerei, noch elegantere Kleidung, noch mehr Ansprüche auf den Neid und – den Haß der Armen. Und auf die Verachtung der Weisen. Dahin steht der Sinn dieser Leute, die auf dem Schlachtfelde des »mäßigen Luxus« sterben mit der Lüge auf den Lippen, sie hätten ihre Pflicht getan, weil sie die Sicherheitsventile ihrer Körper festbanden, jeden Alarm überhörten und sich zu Tode arbeiteten, um ihren Kindern das Recht zu geben, »Ansprüche zu machen«.

Der »graue Krieger« kennt keinen größeren Ruhm, als wenn er weniger »kriegerisch« gesinnte Menschen aufreizen darf mit dem Ausspruch: »Meine Kinder können Ansprüche stellen.« Ansprüche nämlich, »entsprechend« zu leben. Anspruch auf »mäßigen Luxus«. (...)

Wer auf deutschem Boden »entsprechend« leben will, dem zeige man den nächsten Weg zur Grenze, und sei er der beste Steuerzahler. Aus vaterländischen Gründen, trotz aller »Volkswirtschaft«.


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