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Was ich als Abstinent in den afrikanischen Kolonien erlebte

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Es gibt nach meinem Wissen nichts in der Welt, was einen Menschen in Anschauung und Denken so stark erfrischt und kräftigt wie das Anschauen von Urzuständen in der Wildnis. Die rohen Hütten der Menschen mit den einfachsten Bedürfnissen zu sehen, ihre Lebensweise, ihre Art, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Gesetze kennen zu lernen, das Gerät zu sehen, mit dem sie zu leben verstehen: das unterrichtet und reizt zur Betrachtung, und das Betrachten wird so zur Gewohnheit, daß man, zurückkehrend in die Kultur, von der Gewohnheit nicht läßt, die Menschen mit kritischem Auge zu sehen.

Von der Bequemlichkeit des Reisens dort draußen macht man sich hier keinen Begriff. Man kann sich für das Geld, welches man der Alkoholindustrie vorenthält, so viel Bedienung, so viele Träger leisten, daß man irgendwo auf dem Marsche halten kann, ein Zeltdach gegen den Regen aufspannen, den Frühstückskorb öffnen und sich zu Tisch setzen. Ist es nicht merkwürdig, daß alle die, welche im Trinktrottel befangen sind, gar keine Schwierigkeiten dabei sehen, eine ganze Weinkarte von Getränken mit durch Afrika zu schleppen und auf ein so einfaches Mittel, mehr trockene Kleider mitzunehmen, gar nicht kommen, ja es von vornherein für unausführbar erklären. Kleider und Thermosflaschen haben obendrein noch den Vorteil, daß man sie immer wieder benutzen kann, während die Weinvorräte, die sehr teuer sind, auf Nimmerwiedersehen ausgetrunken werden. Wie leicht war das, was meine Frau und ich an Getränken für fünf Monate mitnahmen: mehrere Pfund Tee! Dagegen lesen Sie, was man der Zentral-Afrika-Expedition Neunzehnhundertsieben aufhalste, die in dieselben wasserreichen Gegenden reiste, in denen wir umherzogen. Hundertachtzig Lasten Getränke! Das macht, wenn man die Last mit je sechzehn Flaschen rechnet, zweitausendachthundertachtzig Flaschen! Ich will ja nicht annehmen, daß alles nur Alkohol gewesen ist. Immerhin beinahe zweihundert Träger waren also monatelang unterwegs – (Zuruf: Auf einer Forschungsexpedition?) Ja, auf einer Forschungsexpedition! – mußten ernährt und beaufsichtigt werden, um ein, wie wir wissen, ganz überflüssiges, die Kräfte der Europäer schwer schädigendes Gift mitzuschleppen. In Gegenden, in denen die Verpflegung oft nicht sicher ist und wo man bestrebt ist, jeden entbehrlichen Esser zurückzulassen.

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Tausende von Negern sehen und kennen nur den einen Weißen. Seine Tatkraft, seine Fähigkeit zu schaffen, drückt einer ganzen Gegend den Stempel auf, hält ganze Volksmassen im Zaum, und seine Schwächen, seine Laster wirken vielmal schädlicher als hier in Europa.

Wie schmählich der Eindruck betrunkener Europäer an solcher Stelle ist, das haben wir selbst einmal erfahren, als wir an den allerfernsten Punkt deutschen Einflusses, nach Kissenji am Fuße der Kirungavulkane, an der Grenze des Kongostaates, kamen. Dort hatte der Führer des benachbarten belgischen Offizierpostens ein paar Tage vorher den Unteroffizier, der vorübergehend den deutschen Posten führte, besucht. Die beiden hatten zusammen getrunken, waren bald betrunken und prügelten sich schließlich vor den versammelten Schwarzen auf der Straße des Dorfes. Das waren weit und breit die einzigen Europäer, die einzigen Vertreter der Nationen, die sich einbilden, Kultur verbreiten und dabei Alkohol trinken zu dürfen.

Auch ein Arzt hatte an meiner Abstinenz Anstoß genommen, und so trieb ihn christliche Liebe bei einer sehr passenden Gelegenheit, nämlich am Weihnachtsabend, in »angeheitertem« Zustande an mich heranzukommen, mir auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: »Sie sollten das lassen!« Ich fragte erstaunt: »Was soll ich lassen?« »Diese Abstinenz,« sagte er. »Lieber Mann,« antwortete ich, »und Sie sollten das auch lassen.« »Was?« fragte er. »Dieses Trinken,« antwortete ich. Das waren unsere Weihnachtswünsche.

Es ist bekannt, daß mehrere afrikanische Forschungsreisende große Expeditionen machten, auf denen sie keinen Alkohol mitnahmen. Ganz abgesehen von den Reisen eines Emin Pascha, Livingstone und vieler unternehmender Missionare wie Mackay, denen die Natur ihre Aufgabe und ihre jahrelange Trennung von Europa von selbst vorschrieb, nur die Nahrungs- und Genußmittel zu gebrauchen, die im Lande, also bei den Negern, gebräuchlich sind. Emin Pascha hat oft gesagt, daß der, der sich von allen Exzessen, vor allem vom Alkoholgenuß fernhielte, unter dem Tropenklima nicht zu leiden habe, und Mackay, der am Viktoriasee Ungeheures geleistet hat und der »Pionier-Missionar von Uganda« genannt wird, sagt: Die größte Geißel Afrikas sei der Alkohol.

Auch Graf Götzen hat auf seiner großen Afrika-Durchquerung von Osten nach Westen im Jahre 1894, die er mit zwei Begleitern machte, keinen Alkohol mitgenommen. Die sehr bedeutende und vom Grafen Götzen in seinem Buch »Durch Afrika von Ost nach West« sehr anziehend geschilderte Reise ist nicht so bekannt geworden wie andere Forschertaten, und nur in der Abstinenz-Literatur wird die Tatsache oft erwähnt, daß Götzen keinen Alkohol mithatte. Als ich mit meiner Frau eine längere Reise in das Gebiet zwischen dem Viktoria- und Kiwu-See antrat, rieten uns die Europäer dringend, für alle Fälle doch Alkohol mitzunehmen. Es freut mich, daß wir auch den Schein vermieden haben. Unser Weg, den wir in der Regenzeit, also in der beschwerlichsten Zeit des Jahres, machen mußten, ging über unzählige steile Berge. Er schien uns aber durchaus nicht sehr strapaziös, doch konnten wir auf Bergtouren, bei der Besteigung des Kirungavulkans und auf der Jagd erproben, wie leistungsfähig wir waren. Ich erwähne hier nur eine Sportleistung: daß ich sieben Tage lang alle Wege gegangen bin, die eine Elefantenherde ging, daß ich morgens die Spur aufnahm, die ich am Abend verlassen mußte, inzwischen aber den weiten Weg zum Lager und zurück gemacht hatte, meine Tagebücher geführt, photographische Platten gewechselt und die vielen anderen Arbeiten erledigt hatte, die man als Sammler auf Reisen zu tun hat. Ich war mehrmals ohne Unterbrechung sechzehn Stunden lang auf den Beinen, bei der größten Sonnenhitze und in weglosem Dornbusch und habe nie mehr als eine wohltuende Ermüdung gefühlt.

Nun ist es für Sie schwer, diese Leistung zu beurteilen, reisen doch sehr viele Europäer in aller Welt mit den verschiedensten Interessen. Wodurch unsere Reise ganz besondere Anforderungen an uns stellte, das war der Umstand, daß meine Frau und ich die einzigen Europäer unserer Expedition waren und uns neben den vielseitigen Sammelarbeiten, der Jagd, dem Photographieren, Skizzieren, phonographischen und ethnographischen Aufnahmen auch noch die Sorge um unser eigenes Wohl und um das Wohl der sechzig Neger, die uns begleiteten, zufiel. Diese Leute wollten gesund einquartiert, ausreichend verpflegt werden, sie verlangten hin und wieder Vorschüsse, ich mußte also ihre Lohnlisten führen und mußte sie, wenn sie krank waren, behandeln. Unter solchen Umständen kann man wohl von sportlichen Leistungen reden, wenn man besonders anstrengende Jagden und Bergtouren unternimmt.

Endlich läßt sich nicht leugnen, daß ein Stückchen Pionierarbeit damit getan wird, wenn jemand die große Verantwortung übernimmt, mit seiner Frau in entlegenen, weit vom Verkehr entfernten Gebieten monatelang zu reisen, obwohl recht viele »Kenner Afrikas« dringend davor warnen.

Wie urteilen nun andere über den Alkoholismus der Europäer?

In der Denkschrift »Alkohol und Eingeborenenpolitik« vom Jahre 1908 steht auf Seite 32 der merkwürdige Satz: »Zu Verwaltungsmaßnahmen betreffs des (!) Alkoholkonsums der Weißen liegt für die deutschen Schutzgebiete kein Anlaß vor.«

Das ist eine geradezu fabelhafte Behauptung, deren Harmlosigkeit jeder einsieht, der unbefangen und als Kenner der Alkoholfrage eine deutsche Kolonie, wie Deutsch-Ostafrika, ansieht. Fast alles, was man dort von persönlichen Angelegenheiten der Weißen hört und sieht, hängt mit Alkoholismus zusammen.

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Fragen Sie in den Hospitälern, sehen Sie sich das Kneipen- und Biergartenleben in Daressalam und Tanga an, stellen Sie fest, daß jeder Neger an der Küste den Anblick betrunkener Europäer kennt, daß der gut beobachtende Neger in manchen Gegenden, in denen viele Europäer leben, sagt: »Analewa kama mzungu!« »Er betrinkt sich wie ein Europäer!« Und dann billigen Sie bitte den Satz, daß Maßnahmen gegen den Alkoholkonsum der Weißen gerade in deutschen Schutzgebieten nicht nötig seien! Tatsächlich erleben Sie dort die Bestätigung, daß jeder Tropfen Alkohol schadet, daß der Stärkste nicht verschont bleibt. Die 1905 als Männer von herrlicher Trinkfestigkeit gefeiert wurden, nach denen fragte ich schon 1909 vergeblich. »Na ja, der trank auch zu viel (!); er mußte wegen Irrsinn nach Hause. – Der? Leberleiden. – Der? Herz kaputt. – Der? Tot; Herz konnte bei Malaria nicht mehr mit; na, er war auch eigentlich ein Säufer.«

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Hunderte von Weißen starben am Alkohol dort draußen, die Entstehung von Aufständen, die viel Geld und viele Menschenleben kosteten, ist nur denkbar gewesen mit dem Alkohol, und eigentlich müßte die Alkoholindustrie sie bezahlen; an vielen kontrollierbaren und noch mehr unkontrollierbaren Stellen schädigt der Alkohol unser Ansehen den Negern und den fremden Nationen gegenüber; der Alkohol ist schuld, daß es sehr schwer fällt, zuverlässige Europäer als Angestellte dort draußen zu finden und daß an vielen Stellen Inder und Araber den Deutschen vorgezogen werden; er hindert die Besiedelung des Landes und bringt uns in der Welt das unverdiente Zeugnis ein, die germanischen Völker seien im ganzen ungeeignet, Kolonialpolitik zu betreiben. Und doch soll der Alkohol ein ungefährlicher Feind sein!

Wenn in der Denkschrift steht: »Bei dem Weißen wird man im allgemeinen soviel Persönlichkeit und Charakter voraussetzen dürfen, daß er durch Selbstzucht seinen Alkoholgenuß in gehörigen Schranken hält,« so kann sich dies »im allgemeinen« nur auf wenige beziehen. Ein großer Teil der Europäer aller Berufsarten schädigt durch Alkoholismus fortgesetzt das Ansehen der weißen Rasse, schädigt die eigene Gesundheit, die unersetzliche Arbeitskraft der verantwortlichen Europäer und hemmt die heilsame Aufklärung über den größten Feind der weißen Rasse in den Tropen.

In dieses Kapitel gehört auch eine Betrachtung über das bedeutendste patriotische Fest, das die Deutschen in allen Weltteilen alljährlich feiern und das durch die Trinkgebräuche zu dem niedrigsten und schamlosesten Alkoholfest herabgedrückt wird: ich meine Kaisers Geburtstag.

Als ich Seekadett war, hörte ich einmal, wie ein Vorgesetzter, ein sehr einsichtiger Offizier, zu seinen Untergebenen sagte: »Ich rate Ihnen gewöhnlich, im Alkoholgenuß mäßig zu sein; an Kaisers Geburtstag jedoch ist es Sitte und Pflicht, daß jeder Soldat sich einen Rausch antrinke.« Es ist eigentlich ein Thema für sich. An Kaisers Geburtstag ist ein großer Teil aller wehrhaften Deutschen sinnlos betrunken. Das ist die Art und Weise, wie der deutsche Soldat seine Gesinnungen dem höchsten Kriegsherrn gegenüber am besten zum Ausdruck zu bringen meint. Die Offiziere wissen und billigen das. Wenn sie nur daran denken wollten, wenn sie wissen würden, wieviel Unglück, Not, Leid und Ehrverlust ein solcher Trinkfesttag dem Vaterland bringen, sie würden Feste anders als unter Alkohol begehen lassen und sie würden mit dem Geburtstage des Kaisers anfangen.

Die Wirkungen der Kaiser-Geburtstagsfeiern in den Kolonien scheinen auch denkwürdig zu sein. Dort draußen verschiebt sich die gegenseitige Stellung der verschiedenen Stände untereinander, und so ist es leicht erklärlich, daß das Beispiel des höchsten anwesenden Europäers schnell von allen anderen Europäern angenommen wird. Es gibt in der Kolonie Orte, die als Alkoholnester geradezu berüchtigt sind. Während wir hier in Deutschland so weit sind, daß einsichtige Kreise anfangen, die Trinksitten anderen zu überlassen, wird dort und im Auslande überhaupt wohl die Trinksitte als ein hohes nationales Gut der Deutschen verehrt.

Man sagt doch immer, der Alkohol mache es möglich, daß Menschen beim festlichen Mahle zusammen sitzen könnten, die sonst nicht zusammen paßten. Ich kann aus meiner Erfahrung immer wieder den Beweis erbringen, daß der Alkohol die Menschen wohl auf kurze Zeit zusammenbringt zu dem gemeinsamen Zweck, Bier oder ein Glas Wein zu trinken, daß er sie dann aber oft für das ganze Leben entzweit. So bestand an einem Orte Feindschaft zwischen fast allen Europäern, Beamten und Ansiedlern, und diese Feindschaft ging zurück auf die Kaiser-Geburtstagsfeier. Der Bezirksamtmann hatte die Ansiedler eingeladen, die betranken sich, einer wurde an der festlichen Tafel über den Tisch gezogen und verprügelt, und es war nun festgestellt worden, daß man es mit Leuten zu tun hatte, mit denen man als anständiger Mensch nicht verkehren konnte.

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Und nun kommen Sie einmal aus der Wildnis zurück und sehen ohne Vorurteil, was diese deutschen Kulturmenschen tun, wenn sie um einen Bottich gelagert sind, der ein berauschendes Gift enthält! Sie nötigen jeden, der in ihrer Gesellschaft ist, mitzutrinken. Sie exerzieren mit den Trinkgefäßen und üben sich in den seltsamsten Gebräuchen. Kein Negervolk kann tiefere Sitten haben, als es diese Gifttrinksitte der Deutschen ist. Gifttrinksitte? Irrt sich der Forscher? Ein Versuch beweist, daß ihm die Wildnis das Auge schärfte: Hebe deine Teetasse, dein wassergefülltes Sektglas, und diese »Freien« fallen wie Rüpel über dich her: du mußt mindestens x Prozent Alkohol hineintun (und wenn du's mit dem nach faulem Stroh duftenden Whisky tust; es genügt!), sonst darfst du nicht mittun. Es ist, als wollten sie nicht deinen klaren Sinn, dein feines Herz: es ist, als wollten sie dich nur berauscht.

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Aus der Denkschrift über den Alkoholismus in afrikanischen Kolonien nimmt man den Eindruck mit, daß viel gegen den Alkohol getan würde, daß genug geschehe. Eigentlich wird jedoch von allen Europäern, die die Alkoholfrage nicht kennen, bei der Betrachtung des Alkoholismus der Neger bewußt oder unbewußt nur die Frage beantwortet: Wieviel Schnaps und Bier können wir noch verkaufen, ohne daß es ein öffentlicher Skandal wird?

Darin liegt der große Fehler, den die Europäer auch in den Kolonien bei der Betrachtung der Alkoholfrage machen: Sie beachten auch dort nur die Exzesse, die infolge besonders starken Alkoholgenusses eintreten und öffentliches, akutes Ärgernis oder Schaden verursachen. Und wenn man ein Urteil über den Alkoholismus der Neger liest, findet man Äußerungen wie: »Ich traf im ganzen Jahre auf meiner Station nicht so viel Betrunkene, wie man an einem Abend in St. Pauli sieht.« Natürlich ist auch die Trunkenheit größer, als man bei flüchtigem Hinsehen erkennen kann; denn erstens sieht der Europäer die Eingeborenen, oder besser sämtliche Eingeborenen nicht ständig, und dann hält sich wohl auch ein großer Teil der Betrunkenen in den Hütten und im Walde verborgen. Bei Betrachtung der Alkoholschäden kommt es ja aber gar nicht auf die Trunkenheit an. Wenn man von einem Negervolk hört, daß es weichlich und kränklich ist, daß die Kindersterblichkeit sehr groß ist, und wenn man gleichzeitig hört, daß dieses Volk fortwährend Bier als Nahrungsmittel (also mäßig) trinkt, dann braucht man bei dem jetzigen Stande der Alkoholforschung wohl kaum noch zu zweifeln, daß es Alkoholschäden bei den Negern ebenso gibt wie bei uns. Die Weißen machen daher in Kurzsichtigkeit einen großen Fehler, wenn sie den sogenannten »mäßigen Pombegenuß« erlauben und Pombe als Nahrungsmittel anerkennen. Es ist eine Tatsache, die Pombe trinkenden Völker am Viktoriasee leiden offenkundig unter dem Trinken, und auf die Häufigkeit der Fälle von Trunkenheit bei den Negern kann man schließen, wenn man den Alkoholismus der Askari, der schwarzen Soldaten, ansieht. Diese Askari sind unter steter Kontrolle der Europäer. Es sind kräftige Neger, sie sind hoch besoldet und haben Grund genug, ein gutes Betragen zu zeigen, da ihnen bei guter Führung Beförderung und noch reichlichere Bezahlung winken. Trotzdem führen die vorgesetzten Europäer einen fortwährenden aussichtslosen Kampf mit der Trunkenheit dieser Leute. Viele werden deshalb entlassen, und wie bedauerlich ist es, wenn diese Trunkenheit der einzige Fehler des Negers ist, auf dessen Ausbildung soviel Geld und soviel Arbeitskraft verwendet wurde! Der Führer eines deutschen Militärpostens klagte mir über die Trunkenheit seiner Soldaten und vermied es, die Truppe am Sonntag zu alarmieren, an dem Tag, an dem er aus Erfahrung wußte, daß die meisten Leute betrunken waren!

Als drastisches Beispiel für die Art, mit der die Europäer trotz der vielen schlechten Erfahrungen die Alkoholfrage behandeln, erzähle ich folgendes: Wir saßen bei einem Unteroffizier, der einen Militärposten verwaltete, da kam ein junger Neger, ein Sultan, mit seinem Gefolge herein. Der Unteroffizier goß ihm ein Glas Whisky mit Wasser ein und reichte es ihm. Der Neger trank sehr vorsichtig, und als ich den Unteroffizier erstaunt fragte, warum er dem Neger Whisky gebe, sagte er: »Die verlangen das; das heißt, dieser ist noch nicht recht daran gewöhnt!«

Die verlangen das! Meine Damen und Herren! Ich kann es nicht glauben. Es ist hier durchaus der Europäer selbst, der dem Neger das Verlangen beibringt. Das Glas Whisky, das Glas Cognac, der Schnaps wird dem Negersultan als Zeichen einer besonderen Ehrung gegeben. Die Reisenden nehmen eine Anzahl Flaschen billigen Ich sage absichtlich nicht »minderwertigen« Cognac; denn wenn es wirklich der »hochwertige Alkohol«, den man als »minderwertigen Fusel« bezeichnet, wäre, den wir zu fürchten hätten, dann wäre Cognac schädlicher als gewöhnlicher Schnaps, denn er enthält mehr Fusel. Cognacs unter dem Namen »Jumben-Cognac« mit und geben davon den Häuptlingen zu trinken, was bald zur Folge hat, daß diese sich daran gewöhnen und trunksüchtig werden.

Auch an Kaisers Geburtstag werden Negersultane eingeladen und mit Alkohol bewirtet, und es wird dem Neger so immer wieder gezeigt, daß der Alkohol etwas besonders Schönes und Wertvolles sei.

Ich habe nun nie Alkohol an Neger gegeben und kann aus meiner Erfahrung sagen, daß der Neger leicht dazu zu bringen ist, den Alkohol nicht zu wollen. Als Beweis dafür erwähne ich, daß der Islam, der die Abstinenz von seinen Anhängern fordert, in Ostafrika sehr schnell Verbreitung findet. Außerdem aber machte ich auch einen Versuch mit meinen Trägern, die von Hause aus gewohnt waren, mit der Pombeflasche auf der Straße zu gehen. Ich verbot meinen Trägern, Pombe zu trinken, solange sie in meinem Dienste wären. Wer Pombe in der Flasche hatte, bekam wegen Ungehorsams Strafe. Wo meine Frau und ich Pombe fanden, auch in den Dörfern, gossen wir ihn aus. Wir übten eine sehr scharfe Kontrolle, trotzdem gingen die Träger zwei Monate länger mit mir, als sie verpflichtet worden waren. Das geschah bei einer Privatexpedition, die keine Askari und keine Machtmittel hatte! Wieviel leichter hätte es ein Beamter, wenn er auf Enthaltung vom Alkohol dringen würde. Und wie fördernd wäre es, wenn nicht einer, sondern viele Europäer hintereinander den Negern den Hinweis auf die Schädlichkeit des Alkohols gäben! Es ist wirklich kaum zu verstehen, daß auch der Alkoholismus der Neger von uns so schonend angefaßt wird.


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