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Buchschmuck

Der heitre Tag war einer von den Letzten.
Heut war's, als ob die Stürme sich ergetzten,
Recht wild und keck daherzufahren.
Die Blätter flogen auf in Schaaren,
Die bleichen, zitternden, gehetzten.

Simplizitas, im Wald erzogen,
Ist jeder Jahreszeit gewogen.
Das frische Haupt zurückgebogen,
In Kindeslust am Kampf sich freuend,
Durchstreift sie Flur und Hain, den Sturm nicht scheuend.
Ihr ganzer Sinn in lieblicher Erregung,
Ihr goldnes Haar in reizender Bewegung,
Das Auge klar, das lichtbeseelte,
Als hielte es den Sonnenstrahl gefangen,
Der an dem grauen Himmel fehlte.

Doch plötzlich sieht sie vor sich stehen.
Als sei ein Zauber hier geschehen,
Ein altes Weib – die Stürme fangen
Die Lumpen, die den Leib umhangen,
Wie sie das greise Haar erlangen,
Da krümmt es sich, als wären's Schlangen.
Und als sie's wild nach rückwärts wehen,
Kann ihr Simplizitas in's Antlitz sehen.
Hoch jauchzt sie auf – die Mutter ist's; sie küßt die Wangen,
Die Lippen und die dürren Hände.
Jetzt, meint sie, hätte alle Noth ein Ende,
Weil sie die Mutter wiederfände.
Und gleich der halbverklungnen Sage
Erscheinen ihrem Geist die Kindertage,
Die Zeit im Wald, die frohen Spiele,
Ein Leben ohne Last und Ziele,
Wo nichts sie trüben, nichts sie stören konnte
Und jeder Tag am eignen Licht sich sonnte.
Sie sprach: »Ich will dein Kind nun wieder werden!
Will mit dir gehn, wohin du gehst auf Erden;
Mit Andern weiß ich nicht zu leben
Und nichts als Noth hab ich gegeben.«

Die Alte aber lächelte zufrieden,
Sie prüft das kostbare Gewand,
Den goldnen Schmuck an ihres Kindes Hand
Und rief: »So ward mir endlich Glück beschieden,
Du Hexenkind in solchem Schein,
Du könntest eine Fürstin sein!
Was kümmert mich der Andern Noth,
Lebst du doch frisch und wangenroth.
Jetzt soll die Welt mir ihr Schätze zeigen
Und endlich wird mein Durst nach Golde schweigen,
Mir volle Becher! – ihnen bittre Neigen!«

Simplizitas umklammerte die Alte
Und flüsterte: »Wenn ich nur dich behalte!
Am Andern ist mir nichts gelegen,
Komm, geh mit mir, ich will dich pflegen,
Mit köstlichen Gewändern dich umhüllen
Und jeden Wunsch in Freuden dir erfüllen.«

Die Alte schüttelte das Haupt mit Lachen,
Sie blickte in die Augen ihr, die klaren,
Mit ihren, listig, welterfahren.
»Da lief ich grad dem Unglück in den Rachen!
Du Kind, du Einfalt – schön empfangen
Würd ich, käm ich mit dir gegangen.
Nein, nimmer darfst du Meinesgleichen
In deines Saales Lichtern zeigen;
Der Finsterniß gehöre ich zu eigen.
Und die mich zwangen, in der Nacht zu schleichen,
Die mag sie selbst erreichen.
Ich will dir nicht dein Spiel verderben,
An meinen Lumpen soll dein Glanz nicht sterben;
Als Hülfe will ich dich benützen,
Auf deinen goldnen Stab mich stützen.
Heut Nacht komm ich herangekrochen
Und warte deiner bei den todten Eichen;
Dort sollst du mir von deinem Golde reichen,
Von deinem Schmuck, von deinen edlen Steinen,
Die gar so lockend scheinen.
Sie werden sie dir wieder schenken,
Und daß du sie verloren denken. –
Gar wonnig ist's, die Schöne schmücken,
Sie zahlt mit ihren holden Blicken. –«

Simplizitas faßt nicht der Alten Sinn,
Der gierig hascht nach ihres Glücks Gewinn;
Versteht nicht, was die Mutter sagt,
Warum ihr Fuß sich nicht zum Schlosse wagt, –
Sie hält sie fest am ärmlichen Gewand,
Als wär's ein Schutz ... wie damals bei dem Brand.

Die aber löst die goldgeschmückte Hand,
Und nimmt den Ring und nimmt das Band
Und flieht wie fortgejagt von hinnen.

Noch lange saß Simplizitas in tiefem Sinnen
Und sah die Dämmerung den Wald gewinnen,
Da stand sie endlich auf und ging. –
Sie fand Armin, – er schien besorgt zu warten,
Denn dunkel war es schon und kühl im Garten.
Wie er so freundlich sie empfing,
Begann sie leis' zu reden und zu klagen;
Von ihrer Mutter fing sie an zu sagen,
Die sich zum Schloß nicht wolle wagen. –
Doch er, den stolzen Bruder kennend,
Erschrickt, als sie, die Hexe nennend,
Um Rath und Hülfe ihn beschwört –

»Verschweige alles!« bat er ganz verstört,
»Schlimm wär's, wenn heut Sever durch dich erfährt,
Daß du sie sahst, die Unheilvolle!
Was will sie hier bei dir, die Tolle?«

Da fing sie an geheimnißvoll und leise,
In ihrer unschuldsvollen Kinderweise,
Den Vorsatz dieser Nacht ihm zu vertrauen.
Er will sie warnen, – doch mit finstren Brauen,
Das Auge düster auf ihr Thun gerichtet,
Sieht er den Bruder kommen, wo der Gang sich lichtet.
Weshalb beschleicht Armin ein Schrecken,
Hat er doch nichts zu bergen, zu verstecken.
Er läßt die Hand, die festgefaßte fahren,
Als dürfe das der Bruder nicht gewahren,
Und macht sich traurig fort aus ihrer Nähe.
Zum ersten Mal that er ihr wehe;
Sie bleibt verwirrt, verlassen stehn.
Was war mit ihrem letzten Freund geschehn?

Das Schloß ist voll von übermüth'gen Gästen,
Nicht grad der Edelsten und Besten,
Doch brauchbar zu so muntren Festen.
Sie flieht hinauf, – dort jauchzt man ihr verwegen
Als Königin der Lust entgegen,
Und um den Tisch im Kerzenglanz
Vereinigt sich um sie ein halbberauschter Kranz.
Die Becher klingen, greller Schein
Läßt keine Dunkelheit hinein.
Ihr helles Lachen klingt hernieder,
Doch düster hören es die Brüder.

Buchschmuck

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