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Buchschmuck

Am Morgen, als der Thau noch schwer
Im Grase hing, da ging darüber her
Das Mädchen, fröhlich wie der junge Tag,
Erfrischt vom Schlaf, dem sie im Schooße lag;
Und mit ihr ging die Sonne durch den Wald
Umspielend ihre liebliche Gestalt.
Zerrissen war der Rock und arm an Farben,
Doch als die goldnen Strahlen ihn umwarben,
Erschien sie hochgeschmückt, denn Dürftigkeit
Wird hoher Schönheit Schmuck und Ehrenkleid.
Unwissend ging sie hin in ihrer Schöne
Nicht ahnend welch ein Glanz sie kröne. –

Und als der heiße Tag zum Mittag sich gewandt,
Lag hinter ihr der Wald und vor ihr freies Land
Mit einem Erlenbusch und einem klaren Bach,
Darüber einer Mühle gastlich Dach.
Sie wandte sich dorthin – sie stand dort an der Thür,
Bis eine Frau hinaustrat, – trat zu ihr
Und frug: Wen sucht ihr denn? kommt doch nur mit hinein.
Denn freundlich machte sie so hoher Schönheit Schein.

Bald saß sie an dem Tisch, dem weißgedeckten,
Die Kinder kamen vor, die scheu versteckten,
Und alle grüßten froh den holden Gast.
Doch nach dem Essen, nach der Rast
Da spricht die Frau »nun müßt ihr weiter gehn«.
Allein das Mägdlein blieb ganz züchtig stehn
Und bat »Ach nehmt mich an als Magd!
Ich bin geschickt, wie meine Mutter sagt,
Will fleißig sein, will aufstehn eh es tagt.
Nur schickt mich nicht so weit,
Mich armes Kind, gewiß es thut euch leid!«
Und mit ihr baten zwei der schönsten Sterne
Die durch die halbgesenkten Wimpern schienen,
Von Thränen naß und doch nicht gar zu ferne
Dem Sonnenschein; ihr mußte alles dienen
Und alles sich mit ihr verbinden.
Denn reizend spiegelt jegliches Empfinden
Sich in den holdbewegten Mienen. –

So blieb sie da ... Der Müller runzelte die Stirne.
»Was soll die hergelaufne Dirne?«
Allein hier war die Frau der Mann,
Und auf sein Schelten kam nichts an.
Als er Simplizitas gesehn,
Da mußt er doch der Müllerin gestehn
Sie säh' im Ernst gar lieblich aus
Und schmücke jeden Platz und jedes Haus. –

Jetzt ging das Leben ruhig wie die Mühle;
Simplizitas lag nicht auf weichstem Pfühle,
Doch liebt sie ihrer Herrschaft Kinderpärchen,
Ein Mädchen und ein Bübchen, licht von Härchen.
Sie wäscht die Kleine, zieht sie an. –
Die Kinder waren ihr von Herzen zugethan.
Denn selbst ein Kind, ward sie ihr Mitgespiele,
Und Kinder sind oft einsam bei den Großen,
Vom Kinderparadiese ausgestoßen
Und ungern aufgenommen von der Welt,
Wo keines ihrer Schätze Werth behält.

An jener Wiese Blüthenhag
Da saßen sie wohl Tag für Tag.
In Blumen wuchsen Freuden rings umher,
Und pflückten sie die Wiese heute leer,
So wuchsen morgen desto mehr.
Hier war ein Schutz vor jedem rauhen Winde,
Hier sprach nur Freundlichkeit gelinde
In Liebesworten zu dem Kinde ...
Wem würde nicht das Auge helle
Auf solcher friedlich frohen Stelle,
Wer liebte nicht sich auszusonnen
Dem Streit und dem Verdruß entronnen,
Wo heiter, gleich dem stäten Sommertag,
Ein ewig blauer Himmel lag.

Nie war's im Hause so ... dort schien das Leben
Ein wirres mühvolles Bestreben
Dem Tage Last auf Last zu geben.
Wohl ist die Arbeit unser Segen,
Doch während wir die Hände regen,
So soll die Seele wie ein Friedensengel
Darüber schweben mit dem Lilienstengel. –

Für ihre Kinder hat die Mutter niemals Zeit.
Sie hört es kaum, wenn eines nach ihr schreit,
Mit Knechten, Mägden stets in Noth und Streit.
Sie glaubt sich ihnen nah und ist wer weiß wie weit.

Dem Mann ist manches Mal zuviel der Schelterei,
Da schlüg er lieber drein, doch steht es ihm nicht frei;
Sie hat zur Eh' den Reichthum mitgebracht,
Der Frau gehört das Geld und also auch die Macht.
Oft wurmt es ihn so schweigend zuzusehn,
Doch da er nichts im Hause konnte hindern,
Ließ er zuletzt die Sache gehn
Und lebte froh bei seinen frohen Kindern;
Er sucht sie auf in jeder freien Stunde
Und mit Simplizitas steht er im Bunde.

Ein Feiertag war heut ... ein Sonntagsmorgen
So recht zum ausruhn von der Woche Sorgen –
Jedoch die Hausfrau kannte keine Ruh
Und doppelt lärmend ging es bei ihr zu.
Die Wirthschaft war ihr Heil und ihre Ehre –
Sie schalt und zankte, meinte sie ernähre
Unnütze Dirnen, Tagediebe,
Doch wer in ihrem Dienste bliebe,
Dem wolle sie es schon vergällen,
Die Faule an den Pranger stellen!
Der einen Magd riß die Geduld
Sie blieb mit nichts in ihrer Schuld,
Wie Funken flog das böse Wort,
Entflammend hier und zündend dort.

Doch plötzlich wird es still – ganz still ...
Was hat die Hanne wohl der Frau gesagt,
Das scheu das Blut aus ihren Wangen jagt,
Und keine Antwort kommen will?

Sie ging umher und ordnete das Essen,
Besorgte selbst was ihr die Magd vergessen,
Und ihre zornig wilde Weise
Schien wie erstarrt zu Eise.
Als alles fertig war und wohl bereit,
Da schlich sie aus der Thür zum Wiesengrün. –
Der Kinder Lachen drang von Zeit zu Zeit
Wie rufend zu der Mutter hin
Und durch die Lüfte schickt der Schlehdornhag
Den süßen Duft, der auf den Blüthen lag. –
Stumm schlich sie all den frohen Zeichen nach,
Verbarg sich in dem Grün und lauschte.
Der Tag war schwül – kein Blättchen rauschte
Und nur ihr Herz schlug angstvoll laut.
Sehn muß sie ob die Hanne recht geschaut!

Sie sah den Vater bei den Kindern stehn
Und neben ihm, gar lieblich anzusehn,
Simplizitas ... – der Schönheit Glanz
Umgab, umleuchtete sie ganz
Als wär's ihr Reich, als wär's ihr Recht zu glänzen,
Die Pflicht der Welt, ihr Wonne zu kredenzen.
Zu ihren Füßen lag der wilde Klaus
Heut sah er sanft, wie Gottes Engel aus,
Die kräft'ge Hand so leicht zur Faust geballt
Voll Blumen jetzt aus Feld und Wald.

Der Vater hielt die Kleine hoch empor
Und hielt sie spielend dann der Jungfrau vor,
Erfreut, wenn schon im Vorgenusse
Von solchem holden Liebeskusse
Das Kind sein Mäulchen aufgesperrt ganz weit,
Und jauchzt und zappelt voller Seligkeit.

Es war ein harmlos heitres Spiel;
Doch ach der Mutter sagt es schon zu viel,
Erzählt von tausend frohen Stunden,
Wie sie noch keine je gefunden,
Die hier in Freuden hingeflossen,
Wie sie noch keine je genossen.

Stumm steht sie da – wie ausgeschlossen.
Das sah sie wohl, die Magd war falsch berichtet,
Doch wahr das Glück, wenn auch die Schuld erdichtet. –
Ihr war das Glück, ihr war's entwendet;
Ihr Reichthum wurde dort verschwendet –
Ein Schatten war ihr Leben, trügerisch und hohl.
Wie sehr sie sich auch ihrethalben plagte,
Sie hatte keinen Theil an ihrer Kinder Wohl,
Und das, wonach sie rastlos jagte,
So unablässig mühevoll,
Wonach ihr Herz in Sehnsucht schwoll,
Das fiel der Schönen in den Schooß,
Wie eine Frucht vom Baume los. –

Da drang in ihre Seele, schwül
Ein giftiges Gefühl.
Ihr war, als ob man ihre einz'ge Waffe,
Die eigne Liebe ihr entraffe;
Und Liebe nur kann um die Liebe streiten,
Die Liebe aber stirbt in solchen Zeiten.

Der Tag ging hin ... es kam die zwölfte Stunde
Die Mittagsglocken klangen in der Runde;
Sie rief den Kindern rauh zu kommen.
Als sie die Kleine aufgenommen,
Hat sie dem Kinde weh gethan,
Und hülfesuchend und erschreckt
Hält's nach Simplizitas die Aermchen ausgereckt ...
Doch desto fester drückt's die Mutter an,
Da senkt's das Köpfchen trauervoll und blaß,
Denn solche Liebe dünkt ihm Haß;
Es trägt es, wie es kann, den Zorn gewohnt,
Blieb selten doch ein Tag von bösem Wort verschont.
Der Vater meint: »Ist auch die Mutter hart
Gut ist sie dennoch; edler Art,
Denn gleich dem Schatz liegt tief in ihr versenkt,
Wenngleich sie selten holdes Wort verschenkt,
Ein glühendes Gefühl für ihre Lieben.« –

Doch heute scheint nur Asche ihr geblieben. –
Weh! allen Herzen die so goldne Gaben
Verbergen und vergraben;
Nur in der Unsern treuen Händen
Wird keiner uns den Schatz entwenden,
Dort mehrt es sich an allen Enden;
Sie werden dann die Helfer senden,
Die mit den reichen Herzensspenden
Uns stützen in der Zeit der Noth,
Die Liebe wahrend vor dem Tod.

Buchschmuck

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