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Buchschmuck

Auf hohem Berge stand sein altes Schloß,
Ein stolzes Haus, Sever ein stolzer Sproß,
Und froh des Anspruchs sich bewußt,
Den er dem Leben stellen konnte
In Uebermuth und Jugendlust; –
Ein Aar, der sich auf Wolken sonnte.

Zwei Brüder lebten dort, zwei edle Bäume,
Die nahestehend, füllend hohe Räume,
Mit ihren festverschlungnen Zweigen
Sich ineinander neigen. –
Doch die das Herz so nah gerückt,
Nicht von derselben Mutter waren sie geboren,
Denn ach! der Jüngste hatte sie verloren,
Noch eh sie liebevoll entzückt
Den Kleinen an die Brust gedrückt;
Und still und freudlos wuchs er auf. –
Der Vater lebte, doch so traurig,
Dem kleinen Herzen wird ganz schaurig
Nimmt er das Kind zu sich herauf.
Dann starb auch er. –
Und tiefer ward die Dunkelheit umher. –

Da kam, es zählt der Kleine kaum vier Jahr,
Licht in sein Leben, liebewarm und klar –
Armin kam heim von seinen weiten Reisen. –
O welche Wunder wußte der zu weisen!
Wie freundlich auf den Knien ihn zu wiegen,
Die böse Laune liebreich zu besiegen –
Und wie er sorgt, und wie er hold erzählt,
Hat er das Kind sich ganz gewonnen;
Es neu belebt, es neu beseelt. –
Es weicht nicht mehr von seiner Seiten,
Und glücklich fängt sich's an zu sonnen
An jener Zeit der Seeligkeiten,
Wo wir, der Wirklichkeit entzogen,
Zu Brücken nehmen Regenbogen, –
Und Mährchen nur als Wahrheit kennen. –
Wenn wir das später Kinderglauben nennen
Und lächelnd seiner Einfalt denken,
Der Glaube hat uns nicht gelogen,
Er hat uns um die Welt betrogen,
Um seinen Himmel uns zu schenken.

Das Schloß, der Wald, die vollen Weiden
Wird einst Sever sein eigen nennen;
Denn reiche Güter hat ihm durch ihr Scheiden
Die arme Mutter lassen können. –
Armin verwaltet klug die Schätze des Verwaisten,
Und sinnet spät und früh, ihm Dienst auf Dienst zu leisten,
Für ihn nur hofft er, wünscht er noch im Leben;
Sever es geben, hieß es doppelt geben –
Es braucht ein Mensch in seinem eigenen Geschick
Nicht zu erleben volles Glück;
Doch einmal muß er es erblicken,
In einem muß es ihm das Herz erquicken,
Daß sich des Lebens ganze Fülle
Vor ihm enthülle.

Die Leute nannten sie den Jungen und den Alten,
Sie zählen nicht nach Jahren, nur nach Falten,
Und wie Armin in väterlichem Mühen
Sever zum Jüngling sieht erblühen,
Erscheint er sich und andern ernst und alt;
Ein Schatten neben dieser Lichtgestalt,
Die Dornen sein, wo jener Rosen bricht.
Doch das Gefühl, das Beide eng verbindet,
Ragt weit hinüber über Recht und Pflicht,
Bis jeder Glück allein im Glück des Andern findet.

Der Sommer kam nach jenem Herbstesmond,
In dem Simplizitas, des jungen Edlen wegen,
Vom wilden Schwarme ward verschont.
Der Stolze that, als sei ihm nichts gelegen
An ihr, an der verschloßnen Thüre;
Doch war's, als ob sein Weg ihn allzeit führe
Zu jener engen kleinen Pforte.
Im Geiste hört er ihre Worte –
Er schilt mit ihr – er nennt sie undankbar,
Doch lächelnd folgt ihm, wo er war,
Ihr wunderbares Augenpaar. –

Oft kann er lange Stunden stehn,
In Hoffnung sie zu sehn. –
Und oftmals sah er sie, doch jedes Mal
War's seiner Seele wie ein Strahl,
Der ein geheimes Feuer nährte,
Das ihn verzehrte;
Er nennt es lieben nicht, er nennt es hassen,
Und kann es selber nicht recht fassen,
Doch von Simplizitas kann er nicht lassen.

In Gluth war heut der Tag getränkt,
Die Blumen lechzen halb versengt
Nach einem Tröpfchen, das sie sprengt.
Simplizitas saß heiter wie die Luft
Im Klostergärtchen, voll von Blumenduft;
Ihr Schooß gefüllt mit würz'gem Kraut,
Das, von den Nonnen angebaut,
Gesammelt wurde für die Kranken. –
Sie bindet Sträußchen, murmelnd in Gedanken
Die heil'gen Sprüche, die ihr gestern
Gelehrt die Schwestern.
Und neben ihr der schwarze Staar,
Der ihren Namen gar so gut behalten,
Er blieb bei ihr, denn seine Reden galten
Nur ihr allein, das war doch klar.
Die Nonnen liebten sie; – wer liebte nicht
Ein frommes Kinderangesicht,
Und holder Unschuld heilig Wesen;
Den Grund der Seele glaubtet ihr zu lesen,
Und doch sah keiner wie in ihren Tiefen
Noch Gottes Engel schliefen.

Vergnügt und munter schaute sie umher,
Doch plötzlich senkte sie den Blick, den frohen,
Am liebsten wär sie schnell entflohen –
Vor ihren Augen stand Sever. –

Verdüstert stand er da, umschwärmt von Schmetterlingen,
Umblüht von Blumen, die ihn eng umringen.
Sein dunkles Haar, im Licht der Sonne helle,
Gezeichnet mit dem Glanz der Locken krause Welle;
Und seiner Blicke Liebesfeuer,
Aufleuchtend unter schatt'gen Brauen,
Bald jählings wie ein Blitz, ein scheuer,
Bald lieblich wie im März die Auen. –

Doch rasch und herbe fing er an:
»Simplizitas, was hab ich dir gethan?
Warum verbirgst du dich vor mir?
Wie viele Tage sucht ich hier
Vergebens einen Blick von dir.
Ja hassen lernt ich dich und war verwandelt,
Du bist die Erste, die mich rauh behandelt.«
Da blickt sie lächelnd auf und spricht:

»Nun haß mich nur! das schadet nicht!
Denn nur die Liebe macht ja sterben.
Du wirst mit Hassen keine Seel verderben.
Komm setz dich her! ist keiner auf der Welt,
Dem Gottes Erde fröhlich wohlgefällt?
Wie lieblich lebt's und webt's hier ringsumher,
Und trägt an Honig eine Blume schwer,
Gleich kommt ein Bienchen, trinkt sie leer.
So tauschet Eines mit dem Andern Wonne,
Und alle überstrahlt die reiche Sonne.
Laß ab von mir Sever!
Dein finstrer Geist gewinnt mich nimmermehr.«

Verdrossen sprach er, halb von ihr gewandt:
»Du hast ihn erst in Finsterniß gebannt,
Froh war ich, eh ich dich gekannt.
Du bist mir wie ein Schmerz, der nimmer mich verläßt,
Mit ungeahntem Weh mein Herz zusammenpreßt.«

Sie schüttelte ihr schönes Haupt –
»Wie hätt ich dir die Lust geraubt?
Bin ich doch selbst so reich an Scherz
Und reich an Fröhlichkeit mein Herz.«
Doch düster wandte ihr der Jüngling ein:
»Du sprichst und lachst im Sonnenschein,
Als lebtest du für dich allein.«

»So leb ich auch!« begann sie heiter,
Doch nicht ein Wörtchen sagt sie weiter,
Denn wild erfaßt er ihre Hand
Wie jener damals, wie ein eisern Band.
Der Tag am Bach, im letzten Sonnenlicht
Wird ihrer Seele wieder helle,
Ihr dünkt es sei dieselbe Stelle.
»Nein!« flüstert sie, »du haßt mich nicht.«

»Ich liebe dich!« so fing er an –
Sie aber läßt die Worte nicht heran,
Und scheint verstört und wehrt ihn ab;
»Sag nicht du liebst! das klingt wie Tod und Grab,
Schon jetzt hat sich dein Blick getrübt, verhüllt,
Du siehst die Wonne nicht, die rings die Erde füllt –
Wie Knosp' an Knospe aus der Tiefe quillt,
Sich labend an der Sonne Schein;
Laß mich allein!
Kannst du nicht mit mir fröhlich sein!«

Da blitzte Zorn auf seinen edlen Brauen.
»Die Freude, die du meinst, sie macht mir Grauen,
Es ist kein Herz darinnen
Zu lieben und gewinnen.«

So ging er fort ... sie sah ihm nach zerstreut
Und band die grünen Kräuter fest zusammen;
Sie duften lieblich vor der Sonne Flammen,
Verdorrend durch die heiße Zeit.
Die trunknen Bienen taumeln durch den Raum,
Berührend jeder Blume Saum,
Und alles Leben Kuß um Kuß
Gilt eigensüchtig dem Genuß.

Buchschmuck

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