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Sechzehntes Kapitel.
Die Tage, die nicht mehr sind

Was ich dem Leser jetzt erzählen will – die Entscheidung des Liebesromans, der sich zwischen Claud und Nina in den letzten Wochen entwickelt – erzähle ich am besten mit den Worten, wie ich es in einer späteren Periode seines Lebens von Claud selbst gehört habe. Geben wir also unserem jugendlichen Liebhaber das Wort:

»Es war am 23. September – einem milden, nebligen, melancholischen Nachmittag – und ich wanderte durch das Gehölz der Kirche zu, in der Nina, wie ich wußte, des Pfarrers Töchtern half, die Ausschmückung zum Erntefest anzubringen. Ich weiß nicht, ob es der Anblick der fallenden Blätter und das Gefühl des Abschieds vom Sommer, oder ob es die Erinnerung an einige unbestimmte Winke war, die der Vater bei Tische hatte fallen lassen, daß er mich mit der Jacht nach Marseille schicken wolle, wo er dann mit mir zusammentreffen würde, – genug, es war plötzlich über mich gekommen wie eine Offenbarung, daß mein ganzes jetziges Leben und Treiben ein Ende haben müsse, und daß dieses Ende mir nahe bevorstehe. Ich bin überzeugt, daß Sie mir nicht glauben werden; aber ich versichere Sie, daß ich mich bis zu diesem Augenblick noch nicht einmal gefragt hatte, was dieses Ende sein solle, wenn ich mir auch wohl bewußt war, daß die Liebe zur Ehe führen müsse, wie das Leben zum Tode – womit ich keinerlei Analogie ausdrücken möchte. An meine Hochzeit hatte ich aber deshalb so wenig gedacht wie an mein Begräbnis. Aber an jenem Nachmittag im Wäldchen, da ging mir's auf – ich könnte Ihnen noch genau den Fleck zeigen, wo ich unter einer Buche stand und schwur, daß Nina Flemyng Nina Gervis werden solle und müsse.

»Es war fünf Uhr und es dunkelte bereits bei dem trüben Wetter, als ich bei der Kirche anlangte. Ich öffnete leise die Thür und blickte hinein. Da stand Nina auf der Kanzeltreppe, in der Hand eine Hopfenguirlande, zu ihren Füßen eine Gruppe draller Mädchen und neben ihr der Pfarrer in seinem Priesterrock. Sie hatten die Säulen mit Hopfen umwunden, Weizen und Gerste überall hingesteckt, die Fensternischen mit Rüben und anderen Früchten der mildthätigen Erde garniert und überblickten jetzt mit wohlgefälligen Mienen das Werk ihrer Hände. Sehen Sie nicht das alles förmlich vor Augen? Die kleine, düstere Kirche, die im Zwielicht ordentlich schön und feierlich aussah, Jacky und Tommy, die drolligen Jungen, im Hintergrunde, offenbar einen übermütigen Streich ausheckend, die robusten, derben, untersetzten Gestalten der Töchter aus der Gemeinde, der Priester in seiner langen Soutane und jene unvergleichliche Figur, die sich von ihnen allen unterschied wie – wie – auf mein Wort, ich kann keinen passenden Vergleich finden, zu jener Zeit aber erschien sie mir wie eine himmlische Erscheinung mitten unter einem Haufen staubgeborener Menschenkinder. Ich sehe, Sie können sich über diesen Vergleich kaum vor Lachen retten. Lachen Sie immerhin, es schadet nicht. Ob Engel oder Sünder, eine Frau von vollkommenerer Gestalt gab es nie – wer, der nur Augen im Kopfe trug, konnte an ihr gleichgültig vorübergehen?

»Nach einer Weile entdeckten mich die beiden Knaben und näherten sich mir, um mir zuzuflüstern, sie hätten in der Kanzel ein Bündel Zwiebeln und unter den Sitz des Rektors ein paar harte Rüben versteckt. Dann wandten sich die übrigen und kamen in einer kleinen Prozession durch das Schiff der Kirche auf mich zu. Sehr bald hatten wir allen gute Nacht gesagt und bald wanderten Nina und ich allein durch das Wäldchen nach Hause. Daß wir keinem lebenden Wesen auf unserem Wege begegnen würden, war uns so ziemlich sicher. Sie sehen also, über Mangel an Gelegenheit konnten wir uns nicht beklagen.

»Sie hatte wieder einmal ihre schweigsame, abwesende Stimmung, und keiner von uns sprach lange Zeit hindurch auch nur ein einziges Wort. Dann sagte ich, ich hätte noch nie gewußt, daß sie eine eifrige Kirchgängerin sei (ich hatte nämlich soeben mit angehört, wie der Geistliche ihr Vorwürfe machte, daß sie anfange, den täglichen Gottesdienst zu vernachlässigen) und ich fragte sie, ob sie sehr an Formen und Ceremonien hange.

»›Von Zeit zu Zeit, ja,‹ antwortete Nina. ›Wenn ich der Welt überdrüssig bin, begeistere ich mich für die Kirche, wenn es auch nicht viel länger anhält, als acht bis vierzehn Tage. Einmal bekam ich den Einfall, sehr fromm werden zu wollen. Ich machte auch einen herzhaften Anlauf. Zwei Monate hindurch gelang es mir außerordentlich. Die ganze Fastenzeit über hungerte ich, ich stand zu unerhörten Stunden auf, um beim täglichen Morgengottesdienst zugegen zu sein, bei dem die ganze Gemeinde meist nur aus der Pfarrersfamilie und mir bestand, und ich studierte eine Anzahl niedlicher illustrierter Büchlein, die der Herr Pfarrer mir gab, kurz, ich benahm mich auf eine Weise, daß die Geistlichkeit des Ortes sehr mit mir zufrieden war. Als es aber an das Kapitel der guten Werke ging, brach ich zusammen. Ich konnte dunstige Hütten und schmutzige Menschen nicht ausstehen, mir waren ihre Leiden und Klagen verhaßt, ich ließ das Ganze fallen und suchte meine vorigen Wege wieder auf. Zufällig war gerade die Saison in London auf ihrer Höhe, ich erhielt von irgend jemandem eine Einladung und entfloh. Seitdem habe ich meine religiösen Uebungen darauf beschränkt, die Kirche auszuschmücken und des Sonntags im Chor mitzusingen.‹

»›Dennoch besuchen Sie zuweilen die Armen,‹ warf ich dazwischen; denn es gefiel mir nicht, daß mein Ideal irgend ein Gebrechen haben solle, und thatsächlich hatte sie erst vor wenigen Tagen sich geweigert, mit mir auszureiten, weil sie einer alten Frau im Dorfe etwas Portwein bringen müsse.

»›Das war nur so ein Gethue,‹ versetzte sie kühl, als ich sie an diesen Fall erinnerte. ›Ich wollte einen Eindruck auf Sie machen. Wenn Sie nicht dagewesen wären, hätte ich ihr den Wein durch einen Dienstboten zugeschickt wie gewöhnlich.‹

»Ich sagte ihr rund heraus, daß ich zwei gute Gründe hätte, ihre Versicherung nicht zu glauben – erstens, weil ich sehr wohl wisse, daß sie nie jemandem etwas weismache (was auch vollkommen wahr ist, wie Sie nicht vergessen dürfen!), und zweitens, weil ich mir nicht schmeicheln könne, daß ihr an meiner guten Meinung so viel gelegen sei. ›Uebrigens,‹ fügte ich hinzu, ›ist mein Urteil über Sie längst fertig und kann durch keine Entstellung Ihrerseits geändert werden‹

»Sie lachte darüber und sagte: ›Sie sind nun einmal ein Poet, Ihre Einbildungskraft macht aus einer Gans einen Schwan und aus einem Mädchen einen Engel. Und warum auch nicht? Ich wünschte, ich könnte fühlen wie Sie.‹

»Damit fing sie an, ein paar Verse aus meinem dummen kleinen Buch zu recitieren. Es war ein dummes Opus, nicht wahr, Knowles?

(Zu der Zeit, wo diese Unterhaltung stattfand, war Claud bereits in einer Stellung, die ihn eine Kritik seiner Erstlingswerke mit Gleichmut ertragen ließ. Ich zögerte also nicht mit dem Geständnis, daß nach meiner Ansicht »Hier und dort« den Ruhm seines Autors nicht sehr erhöht habe.)

»Ja, ja, ich weiß das. Nun nehmen Sie aber an, Sie wären ein sehr junger Schriftsteller und im höchsten Grade verliebt und hörten die anbetungswürdigste Stimme in der Welt in halblautem Flüsterton Ihre Verse recitieren, meinen Sie nicht, daß Sie da Schönheiten in denselben entdecken würden, von deren Existenz Sie nie eine Ahnung hatten? Ich gestehe, daß in diesem Augenblick meine eigenen schwachen Worte mir musikalischer klangen als alles, was Alfred de Musset je geschrieben hat. Trotz aller Veränderungen, die sich seitdem ereignet haben, liebe ich noch jetzt das alte Lied und summe es mir fast jedesmal vor, wenn ich in einer sentimentalen Stimmung bin. Ich denke dann nicht an die Bedeutung der Worte, sondern an den herbstlichen Wald und das dahinschwindende graue Licht und an Nina, wie sie in ihrem eng anschließenden Kleide von weichem, grauem Kaschmir und der langen pelzbesetzten Jacke so graziös neben mir herging. Ich fühlte mich lächerlich geschmeichelt und entzückt über diesen Beweis, daß sie mein Buch gründlich studiert hatte. Ich konnte meine Gefühle nicht ausdrücken und stammelte nur unzusammenhängende Rhapsodien, denen sie ein wenig aufmerksames Ohr zu leihen schien.

Claud fuhr fort: »Als wir eine offene Waldstelle erreichten, unterbrach Nina mich ohne Umstände; es war ihr eine plötzliche Idee gekommen.«

»›Lassen Sie uns hier ein Feuer anzünden,‹ rief sie lebhaft, mit dem schmeichelnden Tone eines bittenden Kindes. ›Wenn ich etwas liebe, so ist es ein Feuer im Freien. Mir sind ordentlich die Hände starr.‹

»Ich zögerte einen Augenblick; denn ich verstand damals sehr wenig vom Landleben und war nicht sicher, ob wir nicht wegen Holzstehlens verhaftet werden oder die ganze Waldung niederbrennen könnten. Aber, o Himmel! Ich hätte auf ihren Befehl versucht, die Themse anzuzünden. So sammelte ich trockene Reiser und sie zog aus der Tasche ein paar wertlose Briefe hervor, mit deren Hilfe wir bald ein lustiges Feuer anzündeten. Sie setzte sich auf den Boden, zog ihre perlgrauen achtknöpfigen Handschuhe aus und hielt die Hände über die Flammen. Solche Hände! Ich weiß nicht, ob Sie sie jemals beachtet haben, wenn aber, so müssen Sie wissen, daß gerade sie Ninas größte Schönheit sind. Als ich sie damals sah, wie das rote Licht zwischen den feinen, schmalen Fingern hindurchschimmerte und aus den Diamanten ihrer Ringe Blitze hervorlockte, da sagte ich mir selbst, daß diese Hände ihresgleichen in der Welt nicht fänden, und das meine ich bis auf diesen Tag.

»So saß ich denn lange Zeit, beobachtete diese wundervollen Hände in sprachloser Bewunderung und horchte auf das Knistern der brennenden Reiser. Kein Wort wurde zwischen uns gewechselt. Wir waren über die Grenze harmloser Unterhaltung bereits hinweg. Hätte ich die Lippen geöffnet, so wäre eine leidenschaftliche Liebeserklärung gefolgt. Zu einer solchen hatte ich aber keinen Mut, ich konnte das Gefühl nicht loswerden, daß es eine bodenlose Dreistigkeit von mir sei, das Herz dieses schönen, stolzen Mädchens zu begehren, und daß es ihrer ganzen Denk- und Redeweise entspräche, wenn sie meine Herzensergüsse mit einem spöttischen Gelächter aufnähme.

»Indessen rückte ich ihr nach und nach immer näher, wie sie da so in Gedanken verloren saß und in die Flammen starrte. Plötzlich erhob sie den Kopf und sah sich nach mir um. Und dann – ah, mein lieber Knowles, ich will Ihnen nicht ausmalen, was dann geschah. Mit Ihrer Erfahrung und Ihrer dichterischen Einbildungskraft wird es Ihnen nicht schwer fallen, eine Pause von etwa zehn Minuten auszufüllen. Ich kann bis auf diesen Tag nicht viel darüber sprechen. Gütiger Himmel! wie glücklich ich war! Ich möchte wissen, wie oft sie mir wiederholen mußte: ›Ich liebe dich! ich liebe dich!‹ Es schien zu herrlich, zu wundervoll, um wahr zu sein. Wäre es mir damals möglich gewesen, die Zeit zu einem Stillstand zu bringen, so wäre die Welt bis heute noch keinen Tag älter geworden. Es war vollkommene Glückseligkeit. Ich ersehnte und wünschte nichts mehr. So etwas passiert einem nur einmal im Leben, nicht wahr? Oder sind Sie etwa auch Ninas Ansicht, daß die Liebe eine Art Wechselfieber ist, das in regelmäßigen Zwischenräumen wiederkehrt, seine Zeit dauert und den Patienten weder kränker noch besser macht, als er vorher war?

»Ich weiß nicht, was für schwärmerischen Blödsinn ich in den ersten Augenblicken dieser vollkommenen Glückseligkeit hervorgesprudelt haben mag. Jedenfalls äußerte ich aber den thörichten Wunsch, daß die ganze Zukunft in ein langes glückliches Jetzt verwandelt werden möchte; ich erinnere mich nämlich wohl, wie Nina durch ein Lachen, das in einen Seufzer überging, mich zur Vernunft zurückbrachte.

»›So geht es dir also rote mir,‹ sagte sie. ›Du fürchtest dich vor der Zukunft?‹

»›Fürchten? Nein, ich fürchte mich nicht, wovor sollte ich mich fürchten? Was ich sagen wollte, war nur, daß keine Zukunft schöner werden könne als dieses Jetzt.‹

»›Nein, es kann nichts Schöneres geben, wir sind jetzt beide glücklich. Alles ist süß und köstlich. Es wird aber nicht so bleiben, und das ist der große Jammer!‹

»Ganz dasselbe hatte Nina schon hundertmal teils gesagt, teils angedeutet, und ich hatte mich daran gewöhnt, sie auszulachen und einen Cyniker, einen Pessimisten zu nennen; es kränkte mich jedoch, daß sie auch jetzt diesen Ton anstimmen konnte, und ich fragte sie ziemlich entrüstet, ob sie an mir zweifle. Sie antwortete nicht; so fragte ich sie: ›Vielleicht bist du deiner selbst nicht sicher?‹

»›Vielleicht nicht,‹ erwiderte sie mit trauriger Ruhe.

»Das war furchtbar. Ich zog meinen Arm zurück, den ich zärtlich um ihren schlanken Körper geschlungen, ließ ihre Hand fallen und stammelte, daß, wenn dem so sei – der Schluß des Satzes blieb mir in der Kehle stecken.

»Sie aber nahm meine Hand wieder auf und fing an, den Ring an meinem kleinen Finger immer rund herum zu drehen, während sie mit ihrer liebkosenden Stimme sagte: ›Sei mir nicht böse! Laß uns nicht schon jetzt zanken. Es ist nicht meine Schuld, daß ich, und wenn es mir das Leben kostete, nichts anderes als die Wahrheit sehen und sagen kann. Ich wünschte, ich hätte das nicht nötig. Es wäre viel angenehmer, wenn ich mir etwas vorreden könnte, wie es andere Leute machen. Ich weiß, daß du mich liebst, Claud, und wenn du in mein Herz sehen könntest, würdest du finden, daß ich dich auch liebe – mehr als sonst alles in der Welt. Was könnte ich dir aber mehr sagen? Wenn du denkst, daß es in dieser gegenseitigen Liebe nun so fortgehen soll, so irrst du dich. Das kann nicht sein. Es war noch nie so und wird niemals so sein. Was war es, das mir deine Liebe gewann? Du würdest mir die Wahrheit nicht sagen und weißt sie vielleicht selber nicht. Ich weiß es aber dennoch. Es war, daß ich ein hübsches Gesicht habe, an dem du dich in einem, höchstens zwei Jahren satt gesehen hast und das überdies seine Schönheit bald verlieren wird. Es war, daß deine Einbildungskraft von irgend etwas in meinem Reden oder Wesen, oder ich weiß nicht wovon, gefesselt wurde. Aber du wirst dich an alles dies gewöhnen, und es wird seinen Reiz verlieren. Die Liebe ist nicht ewig. Es gibt eine Art ruhiger Zuneigung, die dauerhaft sein mag, wenn alles gut geht; aber das ist nicht dasselbe. Und wenn man die Familien seiner Freunde ansieht und wahrnimmt, wie viele Mißverständnisse und Sorgen da emporsprießen, so möchte man selbst daran zweifeln. Und die Liebe, die wir beide jetzt füreinander empfinden, sie muß vergehen, teuerster Claud, sie muß und sie wird vergehen, daran ist nichts zu ändern. Wir werden sie verlieren und werden nicht daran sterben. Die Leute reden sich ein, daß die Liebe ewig dauert, wenigstens in ihrem eigenen Fall. Gerade so reden sich neun Zehntel unter den Menschen ein, es gebe einen Gott und ein zukünftiges Leben – nicht, weil sie davon überzeugt sind, sondern, weil es einen zu elend macht, wenn man daran zweifelt. Darum verfalle ich auch von Zeit zu Zeit auf die Religion, wie ich dir vorhin sagte. Denn immerhin bin ich doch von demselben Thon gemacht, wie alle die anderen, und bin außerdem nur ein Mädchen. Zuweilen kann ich mir auch etwas vorspiegeln; wenn aber mein Kopf klar und meine Augen weit offen sind, so sehe ich wie Salomo, daß alles eitel ist, und daß alles seine Zeit hat und dann vergeht.‹

»Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange sie in diesem Zuge fortfuhr. Nie habe ich sie seitdem über irgend etwas mit solchem Ernste reden hören. Ich habe Ihnen noch nicht die Hälfte ihrer Rede wiederholt und bin nicht entfernt imstande, Ihnen die grausame Ueberzeugung wiederzugeben, die sich in ihren Worten aussprach. Es wäre mir aber nicht möglich gewesen, mich dem Entschluß solcher düsterer Vorgefühle lange hinzugeben. Als ich es nicht länger aushalten konnte, ergoß ich mich in einer begeisterten Tirade, mit der ich Sie verschonen will. Ich schwur, daß, wie auch immer die Liebe anderer Menschen geartet sein möge, die meine nur mit meinem Leben aufhören solle, und daß ich ihr, allem zum Trotz, eine ebensolche Liebe einflößen wolle. Dann zog sie mich an sich, streichelte mir das Haar und nannte mich einen thörichten Knaben. So vertrugen wir uns wieder. O du mein Himmel! Ich glaube, nun habe ich bald genug geschwatzt! Wie höllisch warm dieses Zimmer ist! Meine Flasche ist aus, meine Geschichte ist erzählt, meine Cigarre ist verlöscht, und es ist hohe Zeit für Sie, alter Knowles, zu Bett zu gehen. Geben Sie mir noch irgend etwas zu trinken mit Eis und lassen Sie uns gehen!«

Es geschah nämlich einmal, als Claud in meinem Klub mit mir dinierte, daß er mir die mitgeteilten Bekenntnisse machte, und zwar im Rauchzimmer, wo ich sehr wohl bemerkte, wie viele der Mitglieder sich nach ihm umsahen und neugierig waren, wer der schöne Ausländer sein mochte, der mit so verschwenderischen Gesten seinem graubärtigen Freunde Vortrag hielt. Möglich, daß schon manch einer ihn kannte, denn Clauds Name ist ein in London jetzt häufig gehörter.

Aber nicht an den Ereignissen des jetzigen, sondern des vergangenen Lebens unseres Claud wird der geneigte Leser ein Interesse nehmen und deshalb wollen wir den Faden unserer Geschichte jetzt wieder aufnehmen.



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