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Drittes Kapitel.
Auf dem Offiziersball

»Nun, wenn er sich mit seiner Frau veruneinigt hat, was dann?« sagte meine Großmutter und musterte mich über ihre Brille hinweg. »Das hat mancher weise Mann schon früher gethan, und mancher Narr hat leiden müssen, weil er es nicht gethan hat. Denke an Ahab und an Simson.«

»Jawohl. Aber ich dachte doch, es wäre besser, daß ich dich vorher davon in Kenntnis setzte, weil du gewöhnlich so sehr streng bist gegen die Unglücklichen, die ihre ehelichen Pflichten nicht ganz erfüllen.«

»Keine Regel ohne Ausnahme. Auf Klatscherei, wie du weißt, gebe ich überhaupt nie etwas.«

Klatscherei nannte sie es! Und ich hatte es von dem eigenen Sohne des Mannes. So sehr war meine Großmutter zu Gunsten unseres neuen Nachbars eingenommen.

Leider aber war dies bei den übrigen Nachbarn nicht der Fall. Alle sahen Herrn Gervis mit mißtrauischen Augen an und schienen nicht sehr geneigt zu sein, seine Bekanntschaft zu pflegen. Keiner wagte es, der erste zu sein, der sich in einen Umgang einließ mit einem Manne, über dessen Vergangenheit so wenig Bestimmtes zu erfahren war.

So stand denn Herr Gervis noch völlig vereinzelt da in dem kleinen Küstenstädtchen, als ein Offiziersball stattfand, auf dem zu erscheinen er für gut befand – natürlich zum großen Erstaunen der versammelten Gesellschaft. Ich stand gerade, als Herr Gervis mit seinem Sohne eintrat, neben dem Admiral Bagshawe und hörte, wie der alte Seelöwe die ersten Bewegungen des neuen Ankömmlings mit folgenden Bemerkungen begleitete: »Kaltblütig, das muß ich sagen, verteufelt kaltblütig! Möchte bloß wissen, wer den hierher geladen hat. Ah, der junge Croft, wie es scheint, da ist er und schüttelt ihm die Hand. Nun, davon kann man noch nicht viel halten; der junge Croft kennt so ziemlich jedermann. O, aber er stellt ihn seiner Mutter vor, wie ich sehe. Je nun, wenn Lady Croft sich mit ihm einläßt –. Ho, ho, das war eine etwas steife Verbeugung. Der Kerl ist ein regelrechter Abenteurer, denke ich mir. Sieht auch schon ganz so aus. Gott behüte und bewahre mich! Da geht ja auch Lord Lynchester zu ihm und redet mit ihm! Bin doch neugierig, worüber die so lachen. Scheint mir beinahe, als wäre der Kerl eine ganz amüsante alte Haut, wie? Auf mein Wort, ich habe große Lust, aber nein, lassen wir das! Daraus wird doch nichts Gescheites. Für solche große Herren von der Garnison hat die Sache nicht viel zu bedeuten; aber wenn man Familienvater ist und hier am Orte lebt, nein, nein, warten wir damit noch ein bißchen!«

Während der Admiral so mit sich zu Rate ging, zog sich Gervis, der seine ersten Begrüßungen hinter sich hatte, langsam nach der Thüre zurück, in deren Nähe er einen unbesetzten Lehnstuhl entdeckt hatte; in denselben setzte er sich, kreuzte die Beine bequem übereinander und widmete sich einem eingehenden Studium der Anwesenden und Ankommenden, ein Kompliment, welches, wie er leicht sehen konnte, ihm mit Zinsen zurückgegeben wurde.

Wie er da so saß, auffällig, geschieden von allen, konnte jeder Zoll an ihm, von seinem bleichen, unveränderlichen Gesicht an bis zu seinen schwarzseidenen Strümpfen und seinen zierlichen glanzledernen Schuhen hinab vom entferntesten Teil des langen Saales aus gesehen werden. Wären nun auch nicht schon alle Augen nach dieser Richtung hin gewandt gewesen, so würde dies doch ein paar Minuten später unfehlbar geschehen sein, als nämlich die imposanten Gestalten des Lord und der Lady Courtney sichtbar wurden.

Lord Courtney nämlich, der Lordlieutenant von Lynshire, ist ein Edelmann, auf den wir alle unendlich stolz sind. In Sachen der Form ist er uns allen hier zu Lande eine unbedingte Autorität. Wenn er gleich nicht überhöflich ist und man sich hinter seinem Rücken oft über seine hochfahrenden Manieren lustig macht, so gilt doch in Beachborough ein Kopfnicken von ihm mehr als eine halbe Stunde Unterhaltung mit Lord Lynchester.

Als daher dieses majestätische Wesen, statt nach seiner Gewohnheit stramm vor sich zu sehen und so in den Ballsaal hineinzusteuern, vor dem Herrn im Armstuhl halt machte, ihm die Hand entgegenstreckte und mit herzlicher Stimme laut sagte: »Wie geht es Ihnen, mein Lieber? Wie befinden Sie sich? Freut mich, Sie zu sehen. Wußte gar nicht, daß Sie sich jetzt hier aufhalten –« als, wollte ich sagen, die Respektabilität des geheimnisvollen Fremden einen so unerwarteten Bürgen fand, konnte Beachborough anders, als sich, bildlich geredet, ihm zu Füßen werfen?

Alle Nebel und Wolken der Verdächtigungen, die um unseren armen Freund gehangen hatten, zerstreuten sich beim ersten Aufleuchten von Lord Courtneys aristokratischem Antlitz, und im Umsehen war Gervis' Charakter über jeden Angriff erhoben und sichergestellt. Admiral Bagshawe für seine Person freute sich, sagen zu können, daß er nie eine einzige Silbe von dem Blödsinn geglaubt hatte, der ihm zugeflüstert worden war. Er verlor keine Zeit, den neuen Nachbar in seiner derben, seemännischen Weise zu begrüßen und ihm das Vergnügen auszudrücken, mit dem er ihn im Klubhause willkommen heißen würde. Die gutherzige, unbesonnene Lady Croft, die das Gefühl hatte, sie habe den fremd aussehenden Mann doch wohl etwas zu kurz abgefertigt, kam vom entgegengesetzten Ende des Saales zu ihm hinüber und suchte ihr Versehen nach Kräften gut zu machen.

»Lord Courtney sagt mir, er habe in Paris viel Verkehr mit Ihnen gehabt. Ich wußte zuerst gar nicht, wer Sie waren. Freddy stellt mir alle möglichen Menschen vor – man kann da nie wissen – ich bitte um Verzeihung! Ist Frau Gervis – ich meine die Prinzessin, hm – hm – ich bin so sehr schwerfällig im Namenbehalten – Uranow, danke Ihnen – ist sie heute abend auch hier? Nein? Erst heute nachmittag angekommen? O, dann mußte sie freilich noch zu angegriffen sein. Uebrigens verstehe ich auch wohl, daß sich niemand in solche Unruhe stürzt, wenn er nicht gerade muß. Ich hoffe, bald das Vergnügen zu haben, ihr meinen Besuch abzustatten. Wie heiß es hier ist; finden Sie das nicht auch? Würde es Ihnen ein Opfer sein, wenn Sie mich in das anstoßende Zimmer führten, wo wir uns an einer Tasse Thee erquicken können?«

Gervis war schwerlich ein Mann, den ein gewöhnlicher Sterblicher zu seinem Vertrauten gewählt hätte; Lady Croft aber hatte, noch ehe ihre Tasse Thee geleert war, ihm alles anvertraut, was ihr an Familiensorgen auf dem Herzen lag, das anstößige, emancipierte Betragen ihrer Tochter Flora, das den Leuten in der ganzen Grafschaft Stoff zum Klatschen bot, und das Verhältnis ihres Sohnes Freddy zu Fräulein Lambert.

»Er wird sie heiraten, Herr Gervis, ich bin überzeugt davon, und ich werde vor Verdruß sterben. Ich stehe dem völlig hilflos gegenüber. Freddy ist sein eigener Herr und wird mich bei der Wahl seiner Frau nicht mehr zu Rate ziehen, als wenn er ein Pferd oder eine Flinte kaufen wollte. Eine Mutter ist wirklich ein beklagenswertes Wesen!«

»Ich kann nur denken, daß es schrecklich sein muß,« sagte Herr Gervis mit großer Seelenruhe. »Wenn ich es wagen dürfte, Ihnen einen guten Rat anzubieten, so würde ich Ihnen anempfehlen, sich darüber hinwegzusetzen.«

»Herr Gervis, würden Sie Ihrem Sohne gestatten, Fräulein Lambert zu heiraten?«

»O, absolut nicht. Aber Claud hat kein Geld, außer dem, was ich ihm gebe. Er ist in meiner Macht. Wenn dem nicht so wäre, so würde ich gar keine Anstrengungen machen, ihn von einer Ehe mit Fräulein Lambert abzuhalten; meinethalben könnte er dann Frau Lambert heiraten, wenn er sie wollte. So wie jetzt die Sachen stehen, wird er höchst wahrscheinlich bis zu meinem Tode Junggeselle bleiben müssen; denn es wäre mir in hohem Grade unbequem, ohne ihn fertig werden zu sollen. Hier kommt er, sehr angelegentlich beschäftigt mit einer äußerst hübschen jungen Dame. Ohne Zweifel eine andere Sirene vom Stamm der Lamberts.«

»O nein, das ist Fräulein Flemyng, ein sehr liebenswürdiges Mädchen, verglichen mit der Mehrzahl der jetzigen jungen Damen. Es gab eine Zeit, wo ich meinte, Freddy sei in sie verliebt; ich wäre auch nur zu dankbar gewesen, wenn es sich als wahr erwiesen hätte, obgleich sie kein Geld hat,« sagte Lady Croft.

»Was denken Sie?« fragte unterdessen das hübsche Fräulein Nina Flemyng ihren Kavalier, den jungen Claud Gervis. »Sie sehen manchmal ordentlich entsetzt aus.«

»O, ich bin nicht entsetzt, aber ziemlich überrascht, das gebe ich zu. Es ist in England alles so ganz anders, als ich erwartete. Ich dachte gar nicht, daß wir Engländer auf einem Ballfeste so – so ausgelassen sein könnten.«

»Nun wissen Sie, wenn mein Vater Ihnen seinen Besuch abstattet, so thun Sie mir den Gefallen und äußern Sie das nicht ihm gegenüber. Er ist Ihnen darin ähnlich – er nimmt auch so leicht Anstoß.«

»O, ich nehme nicht so leicht Anstoß!«

»Nein? Ich dächte, man sah Ihnen so etwas an. Es würde mir sicher selbst so gehen, wenn ich mein ganzes Leben hindurch in der Fremde gelebt hätte und heute abend meine erste Bekanntschaft mit dem englischen Leben machte. Aber Sie dürfen sich nicht vorstellen, daß Lynshire sich immer so benimmt. Wir verstehen uns so fein zu benehmen, wie die besterzogenen Londoner. Aber wir überlassen uns gern, wenn wir so zu sagen unter uns sind, unseren ländlichen Sitten. Und da sind wir denn freilich mehr als Halbwilde.«

Fräulein Flemyngs Aussehen war nun eigentlich gar nicht wild. Claud, der für Kleinigkeiten ein scharfes Auge hatte, bemerkte, daß ihr Anzug ganz sicher nicht aus einer Provinzialwerkstatt hervorgegangen war, und daß ihre reichen braunen Haare nach der neuesten Mode geordnet waren. Sie hielt und bewegte sich auf jene undefinierbare Weise, die nur eine Frau von Welt erwerben kann. Ihr Benehmen war vollkommen leicht und natürlich, aber durchaus nicht laut wie das ihrer Freundin, Flora Croft, noch auch bediente sie sich der burschikosen Ausdrücke, mit denen jene junge Dame ihre Konversation spickte. Ninas Hauptvorzug war, außer einer sehr schönen, gleichzeitig schlanken und vollen Figur, der Besitz von prächtigen Haaren, einem interessanten, feingeschnittenen Gesicht, roten Lippen und großen, klaren, dunkelgrauen Augen, die sich im Laufe des Abends mehr als einmal unschuldig in Clauds Augen versenkt und ihren Einfluß auf ihn nicht verfehlt hatten. Er freute sich, zu hören, daß Fräulein Flemyng nur eine kurze Strecke von Beachborough entfernt lebte, denn er war entschlossen, mehr von ihr zu sehen.

»Ich tanze nun nicht mehr,« sagte die junge Dame, nachdem sie und ihr Kavalier noch einmal die Runde um den Saal gemacht hatten. »Es ist zu heiß, staubig und unangenehm. Denken Sie nicht, daß vor dem Fenster mit den Farnkräutern ein Balkon ist? Wenn das der Fall ist, so könnten wir uns ja dorthin setzen.«

»Ich weiß, daß da ein Balkon ist, denn ich war am Anfang des Abends schon da. Es befindet sich auch ein außerordentlich bequemes Sofa daselbst, von wo aus wir die See beobachten können. Das ist doch unter allen Umständen ein angenehmeres Schauspiel als diese erhitzten Blauröcke hier.«

Und jetzt begab sich etwas, woraus man lernen kann, wie gedankenlos es ist, plötzlich in ein dunkles Gemach einzubrechen. Claud öffnete das große französische Fenster, ließ Miß Flemyng hindurchschreiten, folgte ihr sogleich und sagte dabei: »Hier ist das Sofa.«

Das Sofa war da, aber da waren auch zwei Personen, die es mit Beschlag belegt hatten. Nun aber war eine von diesen Personen gerade dabei, die andere zu – küssen. Und das Schicksal wollte es, daß genau in diesem Augenblick der Mond hinter den Wolken hervortrat und einen schönen Strom silbernen Lichtes über die Gesichter von Freddy Croft und Fräulein Lambert ergoß. Die Lage war etwas peinlich, und Claud machte sie dadurch nicht angenehmer, daß er sich hastig umdrehte und nach dem Meere hinausblickte, indem er sich – übrigens völlig erfolglos – den Anschein zu geben versuchte, als habe er gar nichts gesehen.

Fräulein Flemyng war weniger außer Fassung gebracht. Ruhig sah sie sich das unglückliche Paar einen Augenblick an, bückte sich dann, um die Schleppe ihres langen Kleides aufzunehmen, und schritt gemessen in den Ballsaal zurück.

Sie lachte ein wenig, als Claud wieder zu ihr zurückkehrte. »Wie unglaublich komisch!« sagte sie. »Nie werde ich des armen Freddys Gesicht vergessen. Ich hoffe, Sie sind verschwiegen und können ein Geheimnis bewahren, Herr Gervis.«

»Natürlich kann ich das. Aber doch wünschte ich, es wäre nicht geschehen. Es sah wirklich beinahe aus, als hätten wir es mit Absicht gethan.«

»O, er wird sich nicht so viel daraus machen,« sagte Fräulein Flemyng gelassen und schnippte mit den Fingern. »Freddy küßt immer irgend jemanden und läßt sich dabei ertappen. Und ich denke mir, Fräulein Lambert wird sich auch nicht viel daraus machen. Sie sieht aus, als wäre sie gegen dergleichen gründlich abgehärtet.«

»Sie kann ja aber mit ihm verlobt sein,« bemerkte Claud, der sich verpflichtet fühlte, den armen Burschen in Schutz zu nehmen, der durch seine Ungeschicklichkeit so bloßgestellt worden war.

»O, das hoffe ich doch nicht. Der arme, gute Freddy! Es sollte mir sehr leid thun, wenn er in solch eine Falle geraten wäre. Wir beide kennen uns seit unserer Kindheit, und er erzählt mir gewöhnlich alle seine Liebesgeschichten; aber ich bin verreist gewesen und habe dieses Ungeheuer von einem Mädchen vor heute abend nicht gesehen. Sie denken doch nicht, daß wirklich Gefahr vorhanden ist?«

Ohne zu wissen, warum, fühlte sich Claud durch Fräulein Flemyngs unverkennbare Besorgnis über diesen Punkt unangenehm berührt. »Ich kann Ihnen nichts darüber sagen,« antwortete er. »Er scheint sie sehr zu bewundern, und sie sind immer beisammen.«

»Nun, ich wünschte, sie wären jetzt nicht beisammen, oder wären wenigstens irgendwo anders, als an dem einzigen kühlen Plätzchen des ganzen Hauses,« lachte das schöne Mädchen. »Wir werden uns auf die Treppe flüchten müssen.«

Auf die Treppe flüchteten sie sich dann auch wirklich und in dem unbefangenen freien Verkehr, wie er sich mit Fräulein Flemyng so gut unterhalten ließ, vergaß Claud bald Freddy Croft und sein Mißgeschick. Als aber der letzte Tanz vorüber war und Claud in der Garderobe seinen Ueberrock anzog, da fand sein Freund sich mit einem unnatürlich langen Gesicht bei ihm ein und sagte mit feierlicher Stimme: »Höre, Gervis, laß mich doch ein Stück Weges mit dir gehen. Ich muß einmal mit dir sprechen.«

»Komm mit,« sagte Claud. »Willst du eine Cigarre haben?«

»O nein,« sagte Freddy und schüttelte mit Leichenbittermiene den Kopf, »ich habe keine Lust zu rauchen.«

Er schwieg, bis sie sich außerhalb der Stadt befanden, und fing dann an: »Weißt du, Gervis, ich habe mich auf ewig mit Schande bedeckt.«

»Ah, ich kann mir denken, was du meinst. Ich überraschte dich dabei, nicht wahr?«

»Ja. Wenigstens sahst du, wie ich das Mädchen küßte. Aber, du lieber Himmel, das war noch gar nichts.«

»Das war noch gar nichts?«

»Ja, es war ja wichtig genug. Allein das hätte einem jeden passieren können. Aber, beim Zeus! weißt du, was das Mädchen that, sobald ihr hinausgegangen waret?«

»Sie brach in Thränen aus!« riet Claud.

»Das weniger! aber sie fing an zu lachen und sagte, da wir so überrascht worden, könnten wir nichts Besseres thun, als sogleich unsere Verlobung zu verkündigen! Ich dachte erst, sie triebe nur ihren Scherz mit mir; aber davon war gar nicht die Rede! Sie war so ernst, wie ich es jetzt bin.«

»Das kann ich unbedingt glauben.«

»Ja, ja, aber mein guter Junge, siehst du nicht, in welcher schauderhaften Klemme ich mich da befinde? An so etwas habe ich auch nicht im entferntesten gedacht. Wie konnte ich voraussetzen, daß sie daran dachte? Ich habe überhaupt nicht vor, jemanden zu heiraten, Fräulein Lambert aber gerade am letzten von allen Menschen! Sie ist ein sehr hübsches Mädchen und eine vorzügliche Tänzerin, aber, um den ganzen Rest meines Lebens mit ihr zu verleben – o! Ich habe einfach meine Rolle ausgespielt und werde gehen und mich ins Wasser stürzen.«

»Ich denke nicht, daß ich mich an deiner Stelle dazu entschließen würde,« sagte Claud nachdenklich.

»Was würdest du denn an meiner Stelle thun?«

»Ich würde mich aus dem Staube machen. Hast du dich denn zu etwas Bestimmtem erklärt?«

»O nein. Ich versuchte tatsächlich, die ganze Geschichte wegzulachen. Aber darauf wollte sie um keinen Preis eingehen. Und das Schlimmste daran ist: ich fürchte, sie hat es ihrer Mutter erzählt. Die alte Person warf mir einen ganz gefährlichen Blick zu, als ich ihr in ihren Wagen half, und sagte, sie erwarte mich für morgen nachmittag.«

»Und was sagtest du dazu?«

»Ich? O, ich sagte einfach: Gute Nacht!«

»Das war unbestimmt genug, sicherlich,« lachte Claud. »Nun, ich habe eine Idee. Mir scheint's, als könnte ich dich aus der Patsche ziehen. Du mußt mir nur versprechen, die Lamberts nicht wiederzusehen, bis du etwas von mir gehört hast. Höchst wahrscheinlich werde ich noch vor dem Nachmittag bei dir sein.«

»Liebster Junge, ich will die Schwelle meines Schlafzimmers nicht überschreiten!« antwortete der erschrockene Baron ernsthaft. »Ich will im Bette bleiben, wenn du es verlangst. Ach! wenn ich nur diesmal durchkomme, so spreche ich mit keiner Frau unter sechzig Jahren mehr!«

»Es ist aber auch möglich, mit jungen Frauen zu sprechen, ohne sie zu küssen,« bemerkte Claud weise.

»Ja, möglich ist es vielleicht, aber leicht ist es sicher nicht,« seufzte der andere. »Das Sicherste ist, man läßt sich gar nicht mit ihnen ein. Und das werde ich thun.«



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