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XVI. Das Intermezzo im Theater

Nachdem der Graf Algarotti und der General von Rothenburg die Barbarina verlassen, waren sie ganz beruhigt und getröstet in das Schloß zurückgekehrt.

Die Barbarina bereut und ist bereit den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun, sagte General Rothenburg. Ich sehe schon, wie alles kommen wird, und werde meinem Koch Befehl erteilen zu einem Souper für diesen Abend.

Warten Sie damit immerhin noch ein wenig, sagte Algarotti kopfschüttelnd. Sie würden vielleicht Ihren Koch unnötig bemühen, und die Speisen möchten kalt werden, bevor der König käme.

Sie glauben also?

Ich glaube, daß um eines bloßen vorübergehenden Gewitters willen der König sich nicht so in Einsamkeit und Schweigen verschließen würde, und daß es sich hier nicht um eine Laune, sondern um eine Lebensfrage handelt.

Der König hatte seine Tür immer noch nicht geöffnet. Vergeblich hatte Fredersdorf heute morgen mehrmals um Einlaß gebeten und gefleht. Der König hatte seine Tür noch nicht geöffnet.

Traurig und unruhvoll standen die Freunde, unschlüssig, was sie beginnen, wie sie endlich dieses starre, erschreckende Schweigen durchbrechen sollten.

Plötzlich ward die nach dem Vorsaal führende Tür hastig geöffnet, und auf der Schwelle erschien ein Mann, dessen elegantes, zierliches und stattliches Äußere den Hofmann und Kavalier verriet, während sein heiteres, wohlgenährtes, gerötetes Antlitz, seine frischen, blitzenden, lebhaften Augen, sein gemütliches, joviales Lächeln ihn als einen Lebemann und Schüler des Epikur bezeichneten. Dieser Mann, zu dem jeder, welcher ihn ansah, Vertrauen fassen mußte, dessen Antlitz, trotz der kleinen Runzeln und Falten, welche fünfzig bewegte und tatvolle Jahre darauf verzeichnet hatten, doch noch immer von einer kindlichen Harmlosigkeit und Gutmütigkeit zeugte, dieser Mann war der Marquis d'Argens, der treue, stets unveränderliche, niemals wankende, niemals irrende Freund des Königs, ihm nicht bloß ergeben mit seinem Herzen, sondern auch mit seiner Seele, seinem ganzen Dasein, und so voll Anbetung und Bewunderung für seinen königlichen Herrn, so voll Ehrfurcht und Respekt, daß er zum Beispiel die Briefe, welche er vom König empfing, niemals anders als stehend und bei verschlossenen Türen las.

Mit einem heitern und glücklichen Lächeln trat der Marquis, eben von einer längeren Reise nach Paris heimkehrend, in den Vorsaal des Königs, ganz Sehnsucht und Freude, seinen geliebten Herrn wiederzusehen. Hastig und ohne irgend etwas anderes zu sehen und zu beachten, als da drüben diese Tür, welche in das Studierzimmer des Königs führte, durchschritt der Marquis den Saal. Rothenburg und Algarotti näherten sich ihm indessen, und ihm mit freudiger Begrüßung ihre Hände darreichend, erzählten sie ihm von dieser seltsamen und ungewohnten Abgeschlossenheit des Königs.

Das Antlitz des Marquis nahm sofort einen düstern, traurigen Ausdruck an, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Wir müssen ihn dieser Einsamkeit entreißen, sagte er entschlossen. Ich werde vor dieser Tür knien und so lange bitten und jammern, bis das edle Herz des Königs sich erweicht, bis er aus Mitleid und Großmut mein Flehen erhört und die Tür öffnet. Gehen Sie, Freund Fredersdorf, und melden Sie mich Seiner Majestät.

Fredersdorf näherte sich der Tür, hinter ihm, Hand in Hand, standen die Freunde.

Sire, rief Fredersdorf, an die Tür klopfend, Sire, der Marquis d'Argens ist da und bittet um die Gnade, vorgelassen zu werden.

Keine Antwort erfolgte.

Oh, Sire, rief der Marquis, seien Sie barmherzig! Haben Sie Nachsicht mit meiner Sehnsucht, Sie zu sehen. Bedenken Euere Majestät, daß ich Tag und Nacht gereist bin, um einige Stunden früher das Glück haben zu können, Sie wiederzusehen und mein armes Herz an dem Sonnenschein Ihrer Blicke zu erwärmen. Üben Sie Gnade, Sire, lassen Sie mich ein!

In atemlosem Schweigen tauschten die Herren auf den Erfolg dieser Beschwörungsformel des Marquis.

Wirklich, die Klinke dieser Tür bewegte sich! Mein hörte da drinnen einen Riegel zurückschieben, – die Tür öffnete sich.

Der König erschien auf der Schwelle.

Er sah bleich aus, aber von dieser klaren, durchsichtigen Blässe, welche gar nichts gemein hat mit der gelben Blässe physischer, krankhafter Ermattung, ein wunderbarer milder Glanz strahlte von seinem Angesicht, ein weiches, rührendes Lächeln umspielte seine schmalen Lippen, und seine großen unergründlichen Augen leuchteten wie zwei Sterne. Eine wunderbare, majestätische Ruhe war über sein ganzes Wesen ausgebreitet, und ohne irgendeine Spur von Aufregung näherte er sich den Freunden.

Willkommen, Marquis, sagte er, d'Argens zärtlich zunickend, willkommen und Glück auf zu Ihrer Rückkehr. Sie werden uns ohne Zweifel viel zu erzählen haben von Ihren tollen und übermütigen Landsleuten, und ich sehe schon, wie Rothenburg und Algarotti vor Begierde brennen, von Ihren verliebten Abenteuern und Ihren Rendezvous mit den neugebackenen, noch ganz frischen und warmen Duchesses und Princesses zu erfahren.

Ah, Sire, er kam in der Tat mit einer sehr stolzen Siegermiene, sagte Rothenburg, bereitwillig auf die Absicht des Königs, eine scherzhafte Unterhaltung anzuknüpfen, eingehend, man begriff sogleich, welche großen Triumphe der Marquis am Hofe Ludwigs des Fünfzehnten erlebt hat.

Wenn der Marquis sein Herz in Paris zurückgelassen hat, rief Algarotti lächelnd, so wäre das wahrhaftig ein Glück für ihn. Denn Euere Majestät wissen wohl, er leidet immer sehr am Herzen, und jedes Mädchen, welches er nicht gerade stehlen sah, ist für ihn ein reiner Unschuldsengel.

Sie wissen doch, Sire, sagte Rothenburg, daß ihm kurz vor seiner Abreise seine Haushälterin sein Silberzeug stahl, und daß der Marquis ihr den Silberwert zu zahlen versprach, wenn sie den Täter entdeckte und die Sachen wieder zur Stelle lieferte. Sie brachte ihm also das Silberzeug zurück, und der Marquis zahlte ihr nicht bloß das versprochene Geld, sondern noch eine bedeutende Belohnung dafür, daß sie so klug gewesen, den Dieb zu entdecken. Als er mir triumphierend diese Geschichte erzählte und ich die Bemerkung wagte, die Haushälterin sei selber die Diebin gewesen, war er so empört und außer sich, als habe ich ihn selber des Diebstahls bezichtigt. »Haben Sie mehr Ehrfurcht vor dem weiblichen Geschlecht,« sagte er zu mir, »eine Frau beschuldigen und anklagen ist immer ein Verbrechen gegen Gott und die Natur. Die Frauen sind tugendhaft und edel, wenn sie nicht verleitet werden, und ich wüßte nicht, wer meine gute, treue Haushälterin sollte verleitet haben. Sie ist also unschuldig.«

Die Herren brachen in ein fröhliches Lachen aus, während d'Argens beschämt und traurig den Blick zu Boden senkte. Aber der König trat noch naher zu ihm hin, und beide Hände auf die Schultern des Marquis legend, sah er ihm mit inniger Liebe in das volle, gute Angesicht.

Er hat das Herz eines Kindes, den Geist eines Weisen und die Phantasie eines Dichters von Gottes Gnaden, sagte der König. Wenn alle Männer ihm glichen, wäre die Erde kein Jammertal, sondern ein Paradies. Darum, Marquis, ist es ein wahres Glück für mich, daß Sie wieder hier sind, denn Sie sollen bei mir die Stelle des heiligen Vaters einnehmen und mir ein Stückchen Erde segnen und weihen, und mit Ihren keuschen Lippen zu den Hausgöttern flehen, daß sie freundlich den Herd des Hauses beschützen und uns allen ein wenig Heiterkeit und Glück in den Wermutsbecher unsers Lebens gießen. Mein Weinberg bei Potsdam ist vollendet und dahin will ich Sie heute führen, Sie ganz allein, Marquis. Ihr andern, ihr tollen, übermütigen, argwöhnischen Menschenkinder, sollt mir nicht gleich da in meinem Stückchen Paradiese die Luft verpesten mit eurem vom Apfelbiß noch ganz beklemmten Atem und euren verlockenden Schlangenworten. D'Argens allein ist des Paradieses wert, denn er ist noch ein Mensch vor dem Sündenfalle und hat noch niemals von dem ominösen Apfel gekostet. Wir fahren also nach meinem Weinberg, Marquis, und wenn Sie Ihren Segen über denselben gesprochen, dann sollen Sie mir von der chronique scandaleuse des französischen Hofes erzählen, vorher aber muß ich noch arbeiten. Fredersdorf, sind die Kabinettssekretäre da?

Sie sind seit einer Stunde im Bureau.

Wer ist sonst im Vorzimmer?

Der Herr Baron von Sweerts, welcher das Repertoire der Woche bringt.

Ah, der Sweerts, sagte der König gedankenvoll. Er soll kommen!

Fredersdorf eilte hinaus, den Theaterdirektor zu holen, während der König die harmlose und lächelnde Unterhaltung mit seinen Freunden wieder aufnahm. Als der Baron Sweerts eintrat, ging der König ihm einen Schritt entgegen und streckte die Hand aus nach dem Papier, welches der Baron ihm darreichte.

Der König überflog es mit anscheinend gleichgültigem Angesicht, nur preßte er die Lippen ein wenig aufeinander und über seine Stirn flog ein leiser Schatten hin.

Wer tanzt denn heute abend die Soli in dem Ré pastore? fragte der König endlich.

Signora Barbarina, Ew. Majestät.

Ah, die Signora Barbarina, sagte der König nachlässig. Ich glaubte gehört zu haben, daß sie krank sei.

Seine Blicke wandten sich mit einem durchdringenden, fragenden Ausdruck auf seine drei Freunde hin. Vielleicht erriet er, was sie getan, und fand es natürlich, daß sie in der Unruhe ihres Herzens zur Barbarina gegangen waren, vielleicht wollte er darüber Gewißheit haben.

Sire, sagte Rothenburg, Signora Barbarina ist wieder ganz hergestellt. Graf Algarotti und ich machten ihr heute morgen unsern Besuch, und sie beauftragte uns, wenn Euere Majestät die Gnade haben sollten, nach ihr zu fragen, derselben zu berichten, daß sie vollkommen wieder gesund und heiter sei.

Der König sagte kein Wort. In seiner rechten Hand noch immer das Papier haltend, auf welchem das Repertoire verzeichnet war, faltete er die Hände auf dem Rücken zusammen und ging sinnend einige Male auf und ab. Dann blieb er vor d'Argens stehen und sagte freundlich: Sie sind ein so großer Enthusiast für die Bühne, daß es grausam wäre, Sie heute nach meinem Weinberg zu entführen. Wir wollen also heute ins Theater gehen und die Barbarina tanzen sehen. Morgen fahren wir nach Potsdam und weihen mein neues Haus ein. Adieu, Messieurs, ich muß arbeiten. Sie sind heute mittag meine Gäste und heute abend begleiten Sie mich ins Theater.

Er nickte ihnen freundlich zu und ging wieder in sein Studierzimmer zurück. Sie will mir trotzen, sagte er leise zu sich selber. Sie will mir beweisen, daß sie alles überwunden hat. Nun, ich werde ihr zeigen, daß auch ich genesen bin!

Die Stunde des Theaters war endlich gekommen. Eine glänzende, geschmückte, von Ordenssternen und Brillanten funkelnde Gesellschaft füllte die Logen des ersten Ranges und das Parkett, während im Parterre und im zweiten Rang die Beamten und Hofbedienten, die geladenen Kaufleute und Bürger mit ihren Frauen und Töchtern die Plätze füllten, und in freudiger Ungeduld dem Beginn des reizenden Schäferspiels il Ré pastore entgegenharrten. Ganz andere Interessen waren es indessen, welche heute die Gesellschaft des ersten Ranges, die eingeweihte und bevorzugte Hofgesellschaft beschäftigten. Wie ein Lauffeuer hatte sich unter ihnen das Gerücht verbreitet, die Signora Barbarina sei in Ungnade gefallen und der Gunst des Königs für immer verlustig gegangen. Man erzählte sich von der Verzweiflung der Tänzerin, und es gab schon einige, welche behaupteten, Barbarina habe heute einen Versuch gemacht, sich das Leben zu nehmen, während andere versicherten, sie habe geschworen, nie wieder in Berlin die Bühne zu betreten, und werde daher auch heute abend ganz sicher eine plötzliche Erkrankung vorschützen, um nicht zu tanzen.

Jedermann war daher begierig auf den Beginn der Vorstellung und Blickte erwartungsvoll nach dem Vorhang der Bühne und nach der Seitentür da drüben am Parkett, durch welche der König mit seinem Gefolge einzutreten pflegte, um seinen dicht hinter dem Orchester aufgestellten Lehnsessel einzunehmen.

Jetzt endlich öffnete sich die Tür. Die Trompeten und Posaunen ließen ihre Fanfaren erschallen. Der König trat in den Saal und ging ruhigen, gelassenen Schrittes zu seinem Sessel hin.

Die Klingel ertönte, der Vorhang rollte sich empor, das Ballett begann. Zuerst ein Ensembletanz von Schäfern und Schäferinnen, dann ein lustiges Intermezzo von Faunen und Satyrn, welche dann in malerischen Gruppen mit den Schäfern und Schäferinnen sich zu beiden Seiten der Bühne aufstellten, harrend auf die Schäferkönigin, welche jetzt erscheinen mußte.

Eine atemlose Pause trat ein. Aller Augen waren starr und unverwandt auf die Bühne gerichtet, nur der König schaute gleichgültig auf die Tabatière nieder, die er in seinen Fingern drehte, und deren große Brillanten dann blitzartig auffunkelten und flammten.

Jetzt ein allgemeines Ach der Bewunderung. Da flattert sie heran, rosig strahlend von Liebreiz, duftig und zart, wie eine Libelle, verlockend und reizend in ihren durchsichtigen silberfunkelnden Gewändern, mit diesem zauberhaften Lächeln, das die Perlenreihe ihrer Zähne zeigt und in ihre rosigen Wangen reizende Grübchen bohrt, mit diesen großen, geheimnisvollen, schwarzen Augen, welche zugleich so hold zu schmeicheln und so kühn zu drohen verstehen. Unhörbar schwebt sie heran bis zu dem Rande der Bühne. Nun Biegt sie mit einer unnachahmlichen Grazie den Oberkörper zurück, und auf den äußersten Spitzen ihrer Zehen schwebend, hebt sie die Arme, welche eine Rosengirlande halten, hoch über ihrem Haupte empor, und schaut, ruhend in dieser schwebenden Stellung, mit einem süßen Lächeln zu den Blumen auf.

Wundervoll! sagte plötzlich eine laute volle Stimme. Es war die des jungen Regierungsrates von Cocceji, welcher da drüben in der Proszeniumsloge dicht neben der Bühne saß, und mit glühenden, strahlenden Augen zu der Barbarina hinüberstarrte.

Barbarina wandte ihr Antlitz zu ihm hin und lächelte.

Der König runzelte leicht die Stirn und drehte die Tabatière ein wenig schneller zwischen seinen Fingern.

Wundervoll! wiederholte Herr von Cocceji, und dann warf er einen drohenden, herausfordernden Blick auf diesen bleichen, zarten, jungen Mann, der neben ihm saß, und der es gewagt hatte, mit seiner schüchternen, leisen Stimme in das »Wundervoll« des jungen Athleten mit einzustimmen.

Ich bitte Sie, sich dieser lauten Beifallsäußerungen zu enthalten oder, wenn Sie das nicht können, wenigstens dazu Ihre eigenen Worte und nicht die meinen zu wählen, sagte der junge über sechs Fuß hohe Riese Cocceji zu seinem schmächtigen blassen Nachbar. Dieser blickte mit einer Art Entsetzen auf die breite, muskelkräftige Athletengestalt Coccejis hin und wagte von nun an kaum zu atmen, sondern starrte nur mit weitaufgerissenen großen Augen hin auf die Barbarina, welche jetzt in reizenden Attitüden, mit den künstlichsten Pas, auf der Bühne hin und her flatterte.

Das Publikum, welches ganz seine früheren Voraussetzungen und Vermutungen vergaß, blickte nicht mehr auf den König, sondern nur noch auf die tanzende Barbarina und auf den Herrn von Cocceji, der da dicht neben der Bühne saß, und dessen Augen immer drohender auf seinen in Anschauen und Bewunderung verlorenen Nachbar sich hefteten.

Plötzlich, als Barbarina eben eine ihrer schönsten und vollendetsten Tanztouren ausgeführt hatte und, lächelnd vor den Lampen kniend, die Bravi der Zuschauer empfing, flog etwas aus der Proszeniumsloge des Herrn von Cocceji auf die Bühne und fiel gerade zu den Füßen Barbarinas nieder.

Dieses Etwas war indessen kein Kranz, kein Blumenbukett, kein Geschmeide; dieses Etwas war ein Mensch, ein armer, verblüffter, entsetzter Mensch, der gar nicht begriff, wie er dazu gekommen, diese Luftreise zu machen, und weshalb ihn sein Nachbar, der Herr von Cocceji, mit seiner nervigten Riesenhand gepackt und auf die Bühne geschleudert hatte.

Betäubt, entsetzt lag der arme zerschlagene junge Mann einen Moment regungslos zu den Füßen der Tänzerin, dann raffte er sich empor, und sich tief verneigend vor dem König, der schweigend aber mit drohenden Augen zu ihm herüberschaute, sagte er laut: Sire, ich bitte demütigst um Verzeihung. Es ist nicht meine Schuld! Der Herr von Cocceji verbot mir auf eine heftige und gebieterische Weise, die Signora Barbarina nicht anzusehen, und da ich mich natürlich an dieses Verbot nicht kehrte, hat er plötzlich, ehe ich es hindern konnte, mich gepackt und auf die Bühne geschleudert Müchler, Friedrich der Große. S. 161..

Das Publikum, welches allmählich von seinem Erstaunen und seinem Schrecken sich erholt hatte, begann leise zu lachen und zu flüstern und schaute mit ironischen Blicken auf den armen jungen Mann hin, der da bleich und demutsvoll neben der Barbarina stand, während Herr von Cocceji sein kühnes, energisches Antlitz dem Publikum zugewandt hatte und mit seinen herausfordernden Blicken jedermann zu drohen schien.

Das Orchester war verstummt, Signora Barbarina tanzte nicht mehr, sondern schaute mit einem zauberhaften Lächeln zu Cocceji hinüber, eine Pause trat ein.

Weiter! sagte plötzlich die laute, gebieterische Stimme des Königs, und er winkte mit der Hand hinüber nach dem jungen Manne, der sich demütig hinter die Kulissen zurückzog.

Weiter! rief der König noch einmal. Die Musik begann wieder, Signora Barbarina hob wieder die Rosengirlande in ihren Händen empor und schwebte und flatterte, wie ein holdes Elfenkind, über die Bühne. Aber das Publikum achtete wenig auf ihre Kunst, es war ganz und gar mit dieser seltsamen Aventure beschäftigt und, statt auf ihre Füße zu sehen, beobachtete es nur noch ihr Mienenspiel und das des jungen Herrn von Cocceji.

Barbarina hatte also ihre Absicht erreicht. Man sagte nicht mehr, Barbarina sei in Ungnade gefallen, man erzählte sich nur davon, daß der Herr von Cocceji die Barbarina leidenschaftlich liebe und eifersüchtig sei wie ein Türke.


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