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V. Die Kabinettsorder des Königs

Joseph Fredersdorf hatte sehr recht gehabt, zu sagen, daß die Professoren mit stolzer Zuversicht der Entscheidung des Generaldirektoriums entgegenharrten. Es fiel ihnen gar nicht ein, zu bezweifeln, daß diese zu ihren Gunsten ausfallen werde. Hatte doch das Generaldirektorium zur Beseitigung der Komödianten nur die eine Bedingung gestellt, daß dieselben zu einem Skandal die Veranlassung gegeben, und der Senat der Universität hatte jetzt einen, von allen Professoren unterzeichneten Bericht über den großen Theaterskandal, zu dem Eckhof die Veranlassung gewesen, an das Generaldirektorium eingesandt.

Die gelehrten und gestrengen Herren zweifelten daher nicht im mindesten an dem endlichen Triumph ihres Wollens, und mit der vollkommensten Gemütsruhe empfing der würdige Rektor Magnifikus, Herr Professor Franke, die neue, mit dem Amtssiegel des Generaldirektoriums versehene Depesche, welche die endliche Entscheidung dieser gewichtigen und für die Würde der Wissenschaft so bedeutsamen Angelegenheit bringen sollte. Der Pedell mußte sogleich eine außerordentliche Senatssitzung ansagen, und in ihrer feierlichen schwarzen Amtstracht, geschmückt mit den zierlich gekräuselten, würdevollen Allongenperücken, begaben sich die Herren Senatoren in den Sitzungssaal der Universität.

Ich brenne vor Ungeduld, den Bescheid des Generaldirektoriums zu erfahren, flüsterte Herr Professor Heinrich seinem Freunde Biermann ins Ohr.

Ich gar nicht, sagte dieser gelassen, denn mir scheint, ich hätte sie schon gelesen. Es ist eine volle Genugtuung für uns, der ein sofortiger Ausweis der Komödianten aus unserer ehrsamen Stadt Halle, und das von Rechts wegen beigefügt ist.

Sie zweifeln also gar nicht daran? Sie fürchten nicht, daß der König in seinem Haß gegen die theologische Fakultät wie in seiner Vorliebe für die Gaukler, oder die sogenannten Künstler, eine für uns ungünstige Entscheidung fällen könnte?

Lieber Freund, eine solche Furcht hieße der hohen Würde unseres Standes ins Angesicht schlagen. Der König kann nun, da es zum Äußersten gekommen, nicht gegen uns, nicht zugunsten der Komödianten entscheiden. Er kann nicht, sage ich Ihnen. Und sehen Sie nur, da kommt unser würdiger Freund, der Rektor Magnifikus. Sehen Sie nur, wie heiter und stolz sein Antlitz leuchtet, glauben Sie nun noch, daß dieses Schreiben, welches er da in der Hand hält, eine ungünstige Entscheidung bringen wird?

Nein wahrlich, ich glaube es nicht, sagte Professor Heinrich, indem er mit seinem Freunde dem Professor Franke entgegeneilte und mit lebhafter Befriedigung dessen dargereichte Hand in der seinen drückte.

Mit feierlichem Ernst nahmen sodann die Herren Senatoren auf den hochlehnigen braunen Lederstühlen zu beiden Seiten dieses mit grünem Tuch überzogenen Tisches ihre Plätze ein und blickten mit ernsten Mienen zu dem Herrn Rektor hin, der am oberen Ende des Tisches auf seinem Lehnsessel thronte.

Eine Pause trat ein, dann sagte Professor Franke mit feierlich singendem Ton: Würdige und gelehrte Freunde und Amtsgenossen. Die Stunde der Entscheidung ist gekommen, und diese Stunde wird nun endlich allen diesen Zweifeln und Sorgen ein Ende machen, welche seit Monaten unser Herz bedrückten. Wir haben einen harten und bittern Kampf gekämpft, aber wir haben es getan zur Ehre der Wissenschaft und zum Wohle der Jugend, welche unserm Schutze anvertraut ist. Wer für solche erhabenen Zwecke arbeitet, dem muß natürlich der Sieg werden und für den muß das Gesetz entscheiden. Aber hüten wir uns dennoch vor dem Übermut und Stolz, seien wir demütig in unserm Triumph und christlich milde in unserm ehrlich errungenen Sieg, verletzen wir das Gefühl der irregeleiteten Studenten nicht, indem wir ihnen eine hochfahrende Miene zeigen, und demütigen wir die armen jammervollem Histrionen nicht noch mehr, indem wir über ihre schmachvolle Ausweisung triumphieren und ihr Unglück belachen.

Die Entscheidung ist also für uns ausgefallen? fragte Professor Heinrich, nicht mehr imstande seine neugierige Ungeduld zu zügeln. Magnifikus haben also das Reskript des Generaldirektoriums schon gelesen und kennen daher seinen Inhalt?

Ich habe es nicht gelesen, und ich kenne seinen Inhalt nicht, erwiderte Professor Franke mit erhabener Ruhe. Aber ich vertraue auf unsere edle Sache und den Gerechtigkeitssinn des Königs. Diese Komödianten sind die Veranlassung zu einem unerhörten öffentlichen Ärgernis gewesen, es ist also nur gerecht, daß sie dafür gestraft werden. Da nun die Gerechtigkeit auf unserer Seite ist, so sehe ich nicht ein, weshalb ich zweifeln sollte? – Ich habe also dieses Reskript nicht gelesen, weil ich glaubte, es der Würde dieser Versammlung schuldig zu sein, dasselbe erst in Ihrer Gegenwart zu erbrechen, und ich ersuche Sie, würdiger Kollege und Professor Biermann, als Sekretär des Senats der Universität, uns dieses Schreiben des Generaldirektoriums vorzutragen.

Er reichte das große versiegelte Schreiben dem Professor Biermann dar, und dieser empfing es mit einer tiefen, feierlichen Verbeugung.

Eine tiefe Stille, ein atemloses Schweigen trat jetzt ein, und inmitten dieser Stille und dieses Schweigens hörte man ganz deutlich, wie der Professor Biermann das Siegel erbrach und das Papier auseinanderfaltete.

Aller Blicke richteten sich auf ihn hin und trotz ihrer Würde und Erhabenheit fühlten die Herren Professoren doch, daß ihre Herzen rascher und höher klopften, sie wußten selbst nicht, ob vor Furcht oder vor Freude.

Plötzlich stieß Herr Professor Biermann einen Schrei aus. Dieser Schrei fand einen Widerhall in aller Brust und die Professoren erblaßten, wie der Professor Biermann selbst, indem er seine starren Blicke auf das entfaltete Papier heftete, erblaßt war.

Lesen Sie, gebot der Herr Rektor Magnifikus mit marmorner Ruhe.

Nein, ich kann das nicht lesen! murmelte Biermann, indem er ganz kraftlos auf seinen Stuhl zurücksank.

So werde ich es lesen, rief Professor Heinrich, dessen Neugierde gar keine Rücksicht mehr kannte. Ja, ich werde es lesen, wiederholte er, indem er das Papier hastig den zitternden Händen seines Nachbars entwand.

Lesen Sie, sagte Professor Franke ganz tonlos.

Herr Professor Heinrich also las und in tiefem Schweigen hörten die Herren Professoren ihm zu.

Das Reskript, welches das Generaldirektorium an die würdige Universität in Halle übersandte, und welches im Namen des Königs abgefaßt war, lautete so:

»Wir haben sehr ungnädig empfunden, daß ihr in eurem, wegen der dortigen Komödianten letzt abgestatteten Bericht, die Ursachen der unter den dortigen Studenten einreißenden Unordnungen auf diese Leute schiebet und daher auf ihre Wegschaffung Antrag tut. Es mögen ganz andere Umstände vorhanden sein, warum die Studenten auf die bisherigen Exzesse geraten und wenn sie nur zu rechter Zeit besonders mit guten Exempeln angewiesen würden, ihr Devoir zu tun, so würde auch vieles wegbleiben, was zu euerem Querulieren Anlaß gegeben. Indessen deklarieren Wir euch hiermit ein für allemal, daß die Komödianten nicht von dort weggeschafft werden sollen, vielmehr wollen Wir, daß ihr, oder mindestens diejenigen, welche euren letzten Bericht urgieret, und darauf bestanden, daß er abgesandt werden mußte, der allerersten Repräsentation einer Komödie beiwohnen, und daß solches geschehen, von den Komödianten ein Attest mit der nächsten Post ohne einiges Einwenden, und bei Vermeidung höchst ungnädiger Verfügung an Uns immediate alleruntertänigst einschicken sollet Büsching, Charakter Friedrichs des Großen II 58.

Eine schauerliche Stille folgte dieser Vorlesung. Atemlos, ganz betäubt von dem fürchterlichen Schlag, lehnten die Herren Professoren auf ihren Stühlen die matten bleichen Häupter zurück, und ganz unfähig zu denken, oder ihre Gedanken in Worte zu fassen, starrten sie mit entsetzten Blicken hinüber nach dem Rektor Magnifikus, der aufrecht und stolz auf seinem Lehnsessel saß, und dessen Züge so starr und ernst waren, wie ein Bild von Stein.

Herr Professor Heinrich indessen hielt noch immer das Papier in der Hand und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf dasselbe hin. Franke begriff daher, daß das Reskript noch nicht zu Ende sei, daß Professor Heinrich nur zögerte, weiterzulesen. Er raffte daher allen seinen Mut, alle seine Standhaftigkeit zusammen, und mit lauter und voller Stimme, welche er indessen doch nicht verhindern konnte, ein wenig zu zittern, fragte er: Ist das alles? Haben Sie zu Ende gelesen?

Nein, es ist nicht alles, sagte Professor Heinrich schüchtern, es ist da noch eine Randbemerkung und ein dem Reskript hinzugefügter Schluß, und beide sind von des Königs eigener Handschrift.

Lesen Sie zuerst die Randbemerkung!

Euere Magnifizenz verlangen es wirklich? Ich erlaube mir zu bemerken, daß der König sich da einiger sehr harter Ausdrücke bedient hat, und daß meine Lippen kaum imstande sein werden, dieselben auszusprechen.

Der König ist unser Herr und Gebieter, sagte Franke feierlich, wir müssen in Demut anhören, was er uns zu sagen hat.

Ich soll also lesen? Sie befehlen es mir?

Ich befehle es Ihnen! Lesen Sie!

Herr Professor Heinrich erhob sich wieder von seinem Stuhl, aber das Papier knisterte und bebte in seiner Hand und seine Stimme vibrierte heftig, als er jetzt, oft unterbrochen von seinen Seufzern, folgende eigenhändige Randbemerkung des Königs las:

»Das geistliche Muckerpack ist an allem schuld. Die Komödianten sollen spielen, und Herr Franke, oder wie der Schurke sonst heißt, soll dabei sein, und den Studenten wegen seiner närrischen Vorstellung eine öffentliche Reparation geben, und Mir soll das Attest sogleich vom Komödianten geschickt werden, daß der Franke dagewesen ist Büsching, S. 56. Rödenbeck, Tagebuch. S. 112.

Herr Professor Franke saß noch immer kerzengerade und mit eisernen Zügen auf seinem Lehnstuhl. Nur war sein Antlitz so weiß geworden, wie die majestätische Allongenperücke, welche ihre kolossalen Locken bis auf seine Brust herniederkräuselte. Auf seiner Stirn standen große Schweißtropfen, und seine Lippen waren von jener unheimlichen bläulichen Farbe, welche immer das Zeichen der Krankheit oder des Entsetzens ist.

Lesen Sie jetzt die Schlußbemerkung, sagte er mit einem Ton, welcher die Senatoren entsetzte, denn er klang so hohl, als ob er aus einem Grabe ertöne.

Herr Professor Heinrich las, was der König eigenhändig an den Schluß des Reskriptes geschrieben hatte, und was so lautete:

»Ins künftige werden die Herren Pfaffen wohl vernünftiger werden, und nicht gedenken dem Direktorium oder Mir Nasen anzudrehen. Die Hallischen Pfaffen müssen kurz gehalten werden, es sind evangelische Jesuiten, und muß man ihnen bei allen Gelegenheiten nicht die mindeste Autorität einräumen Büsching, S. 57. Rödenbeck, S. 113.

Ein Gemurmel des Entsetzens folgte dieser Vorlesung, nur Herr Professor Franke saß ganz steif und stolz auf seinem Lehnstuhl und blickte starr und ernst hinüber nach dem armen Professor Heinrich, welcher sich eben den Angstschweiß von der Stirn trocknete und dieses ominöse Papier, das ihm die Hände zu verbrennen schien, mit einem Ausdruck des Entsetzens auf den Tisch fallen ließ.

Sind Sie jetzt zu Ende? fragte Professor Franke ganz dumpf und tonlos.

Ich bin zu Ende, Magnifizenz!

Herr Professor Franke nickte gravitätisch, und indem er sich jetzt von seinem Lehnstuhl erhob, richtete er sich hoch und stolz empor und ließ seine Blicke langsam von einem Gesicht zum andern gleiten. Und jeder der Professoren schlug vor diesen Blicken die Augen nieder, nicht vor Furcht oder Scham, sondern vor Entsetzen, denn es lag eine fürchterliche starre Ruhe, eins wahnsinnige Ausdruckslosigkeit in des Rektors marmorkaltem Angesicht.

Wenn Sie also fertig sind, so ist es jetzt wohl Zeit, daß ich gehe! sagte Herr Professor Franke feierlich, indem er seinen Sessel zurückstieß und langsam und steif einige Schritte vorwärts tat, wie ein Automat, der sich in Bewegung setzt, weil die ihn belebende Maschinerie aufgezogen worden.

Er ist von Sinnen!

Er hat den Verstand verloren!

Er wird einen Schlaganfall bekommen! murmelten die Herren Professoren untereinander.

Herr Professor Franke hörte weder ihr angstvolles Gemurmel noch schien er zu wissen, was er wollte. Er blieb mitten im Saal stehen, als sei in ihm das bewegende Uhrwerk abgelaufen, und starrte ganz gedankenlos in das Leere.

Die Professoren empfanden ein tiefes Grauen vor diesem Anblick, wie angewurzelt blieben sie auf ihren Plätzen. Nur Professor Heinrich fand die Kraft sich aufzuraffen und zu seinem Freunde hinzueilen. Er legte sanft seine Hand auf Frankes Arm; dieser zuckte bei dieser Berührung von tödlichem Schrecken ergriffen zusammen und richtete seine gläsernen Augen auf seinen Freund hin.

Wohin wollen Sie gehen, mein teurer Freund? fragte Professor Heinrich zärtlich.

Ich will tun, was der König befohlen hat, rief Franke kreischend laut, wie in einem Krampf der Verzweiflung. Ich will ins Theater gehen und den Herren Komödianten demütigst Abbitte tun.

Er brach in ein gellendes Lachen aus, dann sank er seinem Freunde ohnmächtig in die Arme.

Unter so bewandten Umständen, sagte einer der Professoren gelassen, unter so bewandten Umständen, denke ich, erklären wir die Sitzung für aufgehoben.

Nein, erwiderte Professor Biermann fast gebieterisch, ich als Dekan der Universität und Sekretär des Senats, ich bitte die ehrenwerte Versammlung sich noch nicht zu trennen, aber zuvörderst unserm Freunde dort zu helfen und die Pedellen zu rufen.

Mit Hilfe der Pedellen trug man den immer noch ohnmächtigen Professor und Rektor Franke in das Sprechzimmer und legte ihn auf das dort befindliche Kanapee. Einer der Pedellen eilte von dannen, einen Arzt zu holen, der andere blieb bei dem wiedererwachten Professor, und die übrigen Herren kehrten wieder in das Sessionszimmer zurück.

Ehrenwerte Kollegen und Professoren, sagte Professor Biermann, indem er den Lehnsessel des Rektors einnahm, als Dekan der Universität erkläre ich jetzt die Sitzung für wiedereröffnet. Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen, von dem ich wohl hoffen darf, daß er bei Ihnen allen eine bereitwillige Zustimmung finden werde. Dieses harte und grausame Urteil des Königs kann und darf nicht vollstreckt werden. Der Rektor Magnifikus unserer altehrwürdigen und berühmten Universität darf nicht solche Demütigung und Schmach erdulden, vor den verachtungswürdigen Histrionen sich beugen und sie um Verzeihung bitten zu müssen. Niemals kann das geschehen, denn nicht bloß seine persönliche Ehre, sondern auch die Ehre und der Ruf unserer Universität Halle würde darunter leiden, Wir müssen also alles anwenden, dieses furchtbare Urteil rückgängig zu machen, und ich darf es daher als ein Glück bezeichnen, daß unser würdiger Freund soeben erkrankt ist. Das enthebt ihn vorläufig der Notwendigkeit im Theater zu erscheinen, und sei er krank oder gesund, muß er doch so lange im Bette bleiben, bis eine andere Entscheidung des Königs von uns erwirkt worden ist. Der Arzt muß aber ein Attest ausstellen, daß Professor Franke wirklich krank und außerstande ist, das Bett zu verlassen. Dieses Attest werden wir dem Generaldirektorium einschicken und demselben eine Bittschrift beifügen, in welcher wir das Generaldirektorium beschwören, beim König dahin zu wirken, daß er dies harte Urteil zurücknehme, oder wenigstens es mildere. Sind Sie meiner Meinung, meine verehrten Herren Kollegen?

Der Vorschlag des würdigen Dekans ward einstimmig angenommen und sofort eine Bittschrift entworfen, welche allen Professoren der Universität zur Unterschrift vorgelegt und von allen unterzeichnet ward. Um dieser Bittschrift mehr Nachdruck zu verleihen, erwählten die Professoren einen aus ihrer Mitte, welcher dieselbe persönlich nach Berlin bringen, und dem Generaldirektorium übergeben, wie auch darnach trachten sollte, bis zum König zu gelangen, um ihm die Not und Angst der Universität in Halle zu schildern.

Aber der König empfing den Herrn Professor nicht. Vielleicht war ihm die ganze Angelegenheit zu unwichtig, um sich wegen derselben in seinen ernsten und vielfachen Regierungsgeschäften unterbrechen zu lassen, vielleicht war sein erster Zorn verraucht und er fand, daß die Professoren von Halle genugsam gestraft worden, und genug der Demütigung erlitten hatten.

Der König nahm, wie gesagt, den Hallischen Professor nicht an, aber er ließ ihm sagen, in acht Tagen werde die Universität seine letzte Resolution durch das Generaldirektorium empfangen.

Das war ein Trost, mit welchem der Professor nach Halle zurückkehrte. Der König beabsichtigte also doch nicht, das erste Urteil zur Ausführung bringen zu wollen, denn wäre das gewesen, so würde er ganz einfach dekretiert haben, daß es bei dem gefällten Urteil sein Bewenden haben solle.

Die Herren Professoren atmeten also wieder auf in neuer Hoffnung, und ließen es willig und ohne zu murren geschehen, daß die Studenten Eckhof an jenem Abend eine Serenade darbrachten, und niemals in einer Theatervorstellung, desto mehr aber in den Kollegien fehlten. Sie verbargen ihren Zorn und ihren Gram wohlweislich in ihrem Herzen, ja einige von ihnen entschlossen sich sogar, selber einmal das Theater zu besuchen und diesen Eckhof, welcher ihnen so viel Herzeleid und Kummer gemacht, selber einmal spielen zu sehen. Die Studenten, welche ihre würdigen Herren Lehrer im Theater bemerkten, fühlten sich ganz stolz und glücklich über dieses ihnen gemachte Zugeständnis, und priesen diese Professoren als die freisinnigsten und aufgeklärtesten Männer der Universität. Um sie dafür zu belohnen, strömten sie am andern Tage massenweise in die Collegia dieser Professoren, welche daher niemals ein so volles Auditorium gehabt, als jetzt infolge ihres Besuches des Theaters. Das machte die übrigen Professoren bestürzt und nachdenklich, und sogar Herr Professor Biermann, welcher seine Frau zu sehr liebte, um nicht ein neues Mittel versuchen zu wollen, ihr wieder Kollegiengelder zu verschaffen, und Herr Professor Heinrich, welcher des schlechten Tabaks satt und überdrüssig war, entschlossen sich endlich, Friede zu machen mit den Studenten und den Komödianten, und ins Theater zu gehen, damit die Studenten wieder ihre Kollegia »belegen« möchten. So schien Friede und Eintracht wiederhergestellt, und Eckhof, dessen weiches und edles Herz ganz von Dank und Freude erfüllt war, spielte den Britannikus mit solcher Begeisterung und Glut, daß er selbst den gestrengen Herren Professoren laute Zeichen des Beifalls abgewann.

Herr Professor Franke indessen war noch immer krank und auf sein Zimmer und sein Bett angewiesen, noch immer sah er das drohende Gespenst einer öffentlichen Buße, einer öffentlichen Abbitte vor sich, und das machte seine Nächte schlaflos, und zerstörte auf einige Zeit ganz die äußere gottselige Milde und Freundlichkeit, hinter der er sonst so gut seinen Hochmut und seine Unduldsamkeit zu verbergen verstand. Das Damoklesschwert des gezwungenen Theaterbesuches schwebte noch immer über ihm, solange die Antwort des Generaldirektoriums auf die Bittschrift der Professoren nicht angelangt war. Aber diese Antwort kam endlich, und diesmal hatte der Herr Rektor Magnifikus nicht die stolze Ruhe und Zuversicht, das Reskript so lange uneröffnet zu lassen, bis die Herren Senatoren sich zu feierlicher Sitzung bei ihm eingefunden hatten. Er beschied nur den Dekan, Herrn Professor Biermann, und den Professor Heinrich zu sich, und indem er die Hände faltete und eine sanfte, ganz resignierte Miene annahm, bat er den Herrn Dekan, das Reskript vorzulesen.

Diesmal zitterte seine Stimme nicht, und kein Schrei des Entsetzens entfuhr den Lippen des Professor Biermann, sondern ein zufriedenes Lächeln umspielte dieselben, als er las:

»Se. Königliche Majestät von Preußen haben in Ansehung der in Halle wegen gesuchter Störung und Hinderung der verhindert gewesenen Komödie entstandenen Verdrießlichkeiten und Unruhe, aus bewegenden Ursachen resolviert, daß der Professor Franke, so darin die meisten Motus gemacht haben soll, desfalls die Strafe von zwanzig Talern zur Armenkasse, ohne Widerrede erlegen soll, und Sie befehlen daher dem Departement der geistlichen Sachen, dahin zu sehen, daß solches ungesäumt exequiert werden möge.« Büsching, Charakter Friedrichs des Großen. S. 59.

Und bei diesem Urteil hatte es sein Bewenden. Herr Professor Franke mußte seine Strafe von zwanzig Talern bezahlen, die Universität aber, um seinem gedemütigten Stolze etwas Trost und Linderung zu verschaffen, schickte die Quittung über die erlegte Strafe mit folgendem Geleitschreiben an das geistliche Departement:

»Ungeachtet wir auf unsere Pflicht bezeugen müssen, daß der Professor Franke bei dieser ganzen Sache auf keinerlei Weise konkurriert hat, so sind dennoch von demselben aus alleruntertänigstem Respekt gegen Euere Königlichen Majestät allerhöchsten Befehl die diktierten zwanzig Taler, laut beiliegender Quittung, an das Almosenamt dahier bezahlt worden.« Büsching, Charakter Friedrichs des Großen. S. 59..


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