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Vierundsechzigstes Kapitel

Hadschi findet kein vollkommenes Glück in der Ehe

Nur zu bald sollte ich zur Überzeugung kommen, wie unendlich schwierig meine Rolle als Ehemann zu spielen war. Ein chinesischer Philosoph soll folgenden Ausspruch getan haben: »Wenn sich der Vorgang des Essens lediglich auf das beschränkte, was zwischen Mund und Gaumen vorgeht, so wäre dies so angenehm, daß man gar nicht aufhören würde zu essen. Schließlich entscheiden aber doch der Magen, die Verdauungsorgane und der übrige Körper, ob besagte Verrichtung nachteilig oder zuträglich auf die Gesundheit einwirkt.« Genau so verhält es sich mit der Ehe. Wäre diese auf das beschränkt, was zwischen Mann und Frau vorgeht, so wäre nichts einfacher. Aber nun kommen die verwandtschaftlichen Bande und das Familieninteresse dazu, und diese entscheiden nur zu oft über ihr Glück oder Elend.

Meine schöne Gemahlin unterhielt mich mehrere Tage hintereinander mit so mannigfaltigen und ränkevollen Geschichten ihrer Familie, ihren Zänkereien und Wiederaussöhnungen, ihrer Eifersucht und ihrem Hasse, besonders aber mit ihren eigennützigen Absichten in ihrem Betragen gegen sie, daß sie ein Gefühl bei mir erzeugten, als wäre ich in ein Skorpionennest geraten.

Sie fand es ratsam, die Brüder auf die vorsichtigste Art von unserer Vermählung in Kenntnis zu setzen, denn wenn auch der Umstand, daß wir gesetzlich Mann und Frau seien, eine gewisse Sicherheit für unser Glück böte, so hinge dieses doch auch zum großen Teile von ihrem Wohlwollen ab. Da sie als reiche, folglich einflußreiche Männer in der Stadt gälten, so müßten wir nach besten Kräften alles aufbieten, um uns ins beste Einvernehmen mit ihnen zu setzen.

Vorsichtshalber hatte sie überall verbreitet, sie stünde im Begriffe, sich mit einem der reichsten und angesehensten Kaufleute aus Bagdad zu vermählen, ein Gerücht, das sie, als einer ihrer Brüder sie daraufhin anredete, weder in Abrede stellte noch völlig zugestand. Jetzt verlangte sie plötzlich, unsere Heirat solle sofort bekanntgegeben werden. Zu diesem Zwecke müßten wir, ohne irgendeine Ausgabe zu scheuen, ein möglichst glänzendes Fest veranstalten und dazu ihre sämtlichen Verwandten einladen, um diese zu überzeugen, daß sie sich keinem Abenteurer in die Arme geworfen, sondern eine ihr ebenbürtige Verbindung geschlossen habe.

Da ich nebenbei entzückt war, sogleich bei diesem Anlasse unseren großen Reichtum zur vollen Entfaltung bringen zu können, fand sie mich bereit, auf ihre Wünsche einzugehen. Mein erstes war es, eine Reihe von Dienern zu mieten, jedem seine bestimmte Verrichtung und seinen Titel zu geben. Die Pfeifen, deren sich der alte Emir täglich bedient hatte, vertauschte ich gegen kostbarere und ganz neumodische. Auf die gleiche Manier brachte ich es auch zu einem zusammenpassenden Service neuer Kaffeeschalen, deren Untertassen die prächtigste Arbeit aufwiesen. Einige waren aus Goldfiligran, andere emailliert und eine oder zwei, die ich zu meinem persönlichen Gebrauche bestimmt hatte, sogar mit Edelsteinen eingelegt. Da ich nun einmal in die Fußstapfen des Emirs getreten war, beschloß ich auch, in seine Pelze zu schlüpfen. Dieser, der es einst so geliebt hatte, sich kostbar zu kleiden, hinterließ nicht nur eine Reihe der schönsten Gewänder, sondern auch kostbare Pelze, die, wie mir seine Witwe mitteilte, schon seit vielen Jahren im Besitze der Familie waren und denen ich nun ohne Erröten auch meine Schultern anpaßte. Kurz, ehe der Tag des Gastmahls herannahte, hatte ich Zeit gefunden, meinen Haushalt eines großen Agas würdig einzurichten, und konnte mir schmeicheln, daß ich, was Ansehen, Anstand und Haltung anbelangte, trotzdem ich von Geburt nur ein Barbiersohn war, meine Rolle so vortrefflich wie kein zweiter zu spielen verstand.

Den Umstand, daß ich nicht ermangelte, vor dem Feste meinen sämtlichen Verwandten in aller hergebrachten Form meine Aufwartung zu machen und mich hinsichtlich meines Erfolges bei diesen Besuchen in etwas gespannter Erwartung befand, darf ich nicht unerwähnt lassen. Als ich, um meine Besuche zu machen, auf des Emirs dickem Gaule, dessen Samtschabracke den Boden kehrte, umgeben von einer Schar reichgekleideter Diener durch die Straßen ritt, da überstieg mein Entzücken jedes andere vorher gekannte Glücksgefühl. Zu sehen, wie der große Haufe mir Platz machte, staunend, die Hände über die Brust gekreuzt, zu mir aufblickte, zu hören, wie mein Pferd am Zaumzeug lebhaft kaute und knirschte, zu fühlen, wie es unter mir ging, als sei es stolz auf seine Bürde, den Luxus eines bequemen Sitzes zu genießen, während andere zu Fuße laufen mußten, kurz: im Bewußtsein meiner Vornehmheit, des Ansehens, das mir mein Auftreten verschaffte, zu schwelgen, machte mich völlig trunken. Nicht außer mir zu sein vor Wonne, wäre über die Kräfte eines gewöhnlichen Sterblichen gegangen. Was aber meinem ersten Auftreten in der Öffentlichkeit erst die rechte Würze verlieh, war der Umstand, daß ich mehreren meiner Landsleute, ehemaligen Gefährten von der Karawane, begegnete, die in ihren schäbigen Baumwollenkleidern eine recht armselige Figur unter den reichgekleideten Osmalis machten und jetzt eigens dazu bestimmt schienen, mich das Glück, das bei mir Einkehr gehalten hatte, in noch höherem Maße auskosten zu lassen. Da ich bei dieser Begegnung meinen Kopf zur Seite wandte und, so gut es ging, mein Gesicht im tiefen Schatten meines Bartes, meines Turbans und dickgefütterten Pelzes verbarg, so vermöchte ich nicht zu sagen, ob sie mich erkannten.

Meine Besuche liefen über jedes Erwarten gut ab. Was auch immer die Beweggründe der Brüder meiner Frau gewesen sein mögen, sie behandelten mich mit ausgesuchter Höflichkeit und brachten mich durch viele Schmeicheleien zur Überzeugung, daß ich der Familie, indem ich ihnen die Schwester abnahm, eine große Ehre erwiesen hätte.

Wie es bei Kaufleuten der Fall zu sein pflegt, drehte sich die ganze Unterhaltung hauptsächlich um den Handel. Da ich mein Bestes tat, meinem vorgeblichen Stande gemäß zu reden, gelang es mir auch bald, sie von meinen ausgedehnten kaufmännischen Unternehmungen zu überzeugen. Zu gleicher Zeit aber hieß es ängstlich darauf bedacht sein, mich nicht zu verraten. Als sie begannen, mich der Kreuz und Quer über den Handel in Bagdad und Basra, über die Handelsverbindungen dieser Städte mit Arabien im allgemeinen und China und Japan im besonderen auszufragen, mir gemeinsame Unternehmungen mit ihren Waren und ihren Erzeugnissen vorzuschlagen, da beschränkte ich sofort den Fluß meiner Weisheit auf einsilbige Worte, verschanzte mich hinter allgemeine Redensarten und ging auf Vorschläge ein, die doch zu nichts führten.

Nachdem ich alle meine Besuche abgemacht hatte, fühlte ich, daß ich eigentlich noch eine Pflicht erfüllen müßte, nämlich den guten Osman von meiner Heirat in Kenntnis zu setzen und ihn zum geplanten Festmahle einzuladen. Aber – soll ich es gestehen? – ich war mir der falschen Rolle, die ich spielte, ganz bewußt und fürchtete mich so sehr, entlarvt zu werden, daß ich mein Geheimnis selbst nicht dem alten, von Natur aus so einsilbigen Manne anvertrauen wollte.

Darum beschloß ich vorderhand, ehe ich mich nicht in meiner neuen Lage so befestigt fühlte, daß ich nicht mehr fürchten mußte, daraus verdrängt zu werden, weder mit ihm noch irgendeinem meiner Landsleute in Verbindung zu treten.


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