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Vierzehntes Kapitel

Es war keine große Lawine gewesen. Nur ein altes Schneebrett, das in der Rippe gelegen war, versteckt unter dem neuen Pulverschnee. Schon auf halbem Hang war das Gewälze matt geworden. Die Mittelballen hatten sich gestaut, der Lockerschnee war nach den Seiten abgeronnen und faul geworden. Bald waren auch die letzten der nachrollenden Klumpen ineinander verklemmt und zum Stand gekommen.

Der Ploner hatte in einem fort in den knirschenden Lärm hineingebrüllt, die Arme hin und her schwenkend wie ein Verrückter: »Ich hab's gesagt, ich hab's gesagt, ich hab's gleich gesagt, ich hab's gleich gesagt.« Währenddessen hatte Glenn seiner Fistelstimme ein paar klägliche Rufe abgepreßt, ohne zu wissen, was er rief.

Jetzt war die kleine Mulde wieder still geworden. Mit angehaltenem Atem starrten sie auf das umgepflügte weiße Feld. Friedlich wie am ersten Schöpfungstag lag es da.

Der Ploner brach den Bann. Er rief hinüber. »He, Fräulein? Was ist? Fräulein? He? Gnädige Frau? Was ist, was ist, was ist?«

Da begann auch Glenn zu rufen. »Liebste? Was ist, was ist? Liebste? Gib Antwort!«

Es kam keine Antwort, und es war auch nichts zu sehn.

»Die ist drunten«, sagte der Ploner. »Die hat's eingedreht. Hab ich's nicht gesagt, Herr? Hab ich's nicht gleich gesagt, daß wir diesen Weg nicht gehn sollen? Himmelherrgottsakramentsakrament, ich hab doch gesagt, daß wir oben gehn sollen! Daß wir uns unter den Felsen halten müssen, daß ich die Verantwortung für diesen Weg ablehnen muß, Kreuzteufelsakramentsakrament! Sie sind Zeuge, Herr, Sie sind Zeuge, Sie sind Zeuge!«

»Halt's Maul, Mensch«, schrie Glenn ihn an, »das ist doch jetzt ganz egal, was machen wir, was machen wir, was machen wir?«

Der Führer fand seine Fassung wieder. »Das haben wir schnell geschafft. Es kann nicht viel passiert sein. Ich weiß genau, wo sie liegen muß. Die hat höchstens ihre Knöchel verrenkt, weil's ihr die Bretter hintergedreht hat. Mehr kann das nicht sein.«

»Warum gibt sie denn keine Antwort?«

»Weil der Neuschnee sie eingeschüttet hat. Das ist nicht schlimm.« Er sprach sich selber Mut zu. »Das ist ja gar keine richtige Lawine. Das ist ein kleines Schneebrett. Da sollten Sie einmal die großen Staublawinen im Dezember sehn, Herr! Oder die Grundlawinen im März und April! Da liegen die Leute oft drei Tage drin, bis man sie findet, und kommen auch noch gesund heraus.«

Sie stapften nebeneinander in die Mulde hinein. Am Rand grunzte es noch ein paarmal. Aber als sie zu den Schollen kamen, wurde der Grund fest.

Sie mußten die Bretter abschnallen. Sie waren erst am Rand des Feldes, aber schon begann ein äußerst mühseliges Stolpern. Sie fielen wie zwei Betrunkene in den Löchern und Gruben zwischen den verklemmten Klumpen herum.

»Können Sie sich nicht mehr erinnern, was ich gesagt hab, Herr?« begann der Ploner wieder, als sie zwischen zwei breiten Schollen nebeneinander niedersackten. »Können Sie sich nicht erinnern, Herr?«

»Ja, ja, ich weiß«, sagte Glenn und blieb ein paar Minuten liegen, um Atem zu holen.

Der Ploner stieß mit dem Stiefelabsatz in die breite Scholle, neben der sie lagen. Mit aller Wucht stieß er hin, es gab kaum eine kleine Rille. »Das reinste Eis, das reinste Eis, Himmelherrgottsakramentsakrament.«

Glenn stemmte sich wieder hoch und kletterte weiter. Von Zeit zu Zeit ließ er einen Ruf los, schrill. »Liebste, was ist, Liebste –«

Der Ploner drängte nach abwärts. Nach seiner Berechnung waren sie zu hoch geraten. Er stapfte in der Mittellinie des Feldes bis zum Auslauf hinunter, vor sich hin leiernd: »Heilige Maria, Mutter Gottes, bitt für uns arme Sünder jetzt und in der Stunde unseres Absterbens. Amen.«

Zwei Stunden lang mühten sie sich, der eine droben, der andre drunten, mit den Stöcken unter die Schollen stochernd, dann kamen sie im Mittelfeld zu einer Beratung zusammen.

Es mußte Hilfe geholt werden. Das ganze Feld mußte systematisch durchgraben werden, mit Hacken und Schaufeln. Es hatte keinen Sinn mehr, auf gut Glück herumzustolpern und zu rufen und zu stochern. Kanäle mußten gezogen werden, richtige tiefe Kanäle. Das arme Kind lag irgendwo eingeklemmt und zugeschüttet und konnte sich nicht bemerkbar machen. Und die Sonne sank schneller als an den andern Tagen des Lebens dem Abend zu und drängte und drängte. Vor Nacht mußte sie geborgen sein, sonst gab's Erfrierungen, und die Schwierigkeiten wuchsen und wuchsen.

Die nächste Hilfe war im Ragazer Hof. Dort war Doktor Ragaz. Dort war ein Telephon. Dort war Gelegenheit, eine starke Expedition aus der Riß zu mobilisieren. Dort gab's Hacken und Schaufeln, eine Tragbahre, Decken für die Nacht, Laternen und Fackeln für die Nacht.

Der Ploner mußte fahren. Es wäre besser, er suchte weiter und Glenn holte die Hilfe, aber Glenn war nicht wegkundig, Glenn war auch schon zu sehr erschöpft, um schnell genug übers Joch zu kommen. Der Ploner mußte fahren. In zwei Stunden war er mit Doktor Ragaz wieder zur Stelle. Dann war noch immer ein paar Stunden lang heller Tag. Und wenn Doktor Ragaz nicht zu Haus war, das Telephon war da, in drei Stunden spätestens waren die Männer aus dem Tal zur Stelle. Glenn mußte geduldig warten und, wenn seine Kräfte es noch zuließen, weitersuchen, weiterrufen, weiterstochern.

Er sah seinem Führer nach, wie er an den alten Standplatz zurückstapfte, die Bretter anschnallte und abfuhr. »Schnell, schnell, schnell!« rief er hinüber, während der andere sich unter Flüchen und Stoßgebeten bereitmachte. Dann war er allein. Er ließ sich auf einem hohen breiten Ballen nieder, der so glatt gescheuert wie eine Tischplatte war, und schaute über das Feld hin wie ein Wächter.

Es war hoffnungslos still ringsum.

Sie war tot, er wußte es. Die Lüfte waren voll von ihrem Tod. Leerer waren die Lüfte, wenn Leben darin war, voller waren sie von einem Toten. Die Leute sagten, die Welt wäre leer von einem Menschen, wenn er tot war? Das war eine tiefe Täuschung der Leute, weil sie es nicht sehn und hören und benennen konnten. Voller als von einem Lebenden waren die Lüfte von einem Toten. Sie war tot, die Lüfte waren voll davon.

Fanny Purgasser. Nur noch ein Name, nichts mehr sonst. Ein Name, abgeworfen von dem Todesengel, der die Lüfte voller machte, als sie vorher gewesen waren, in den Zeiten seines Erdenwandels. Fanny Glenn, geborene Purgasser, gebürtig aus Windbach, Schwaben, Deutschland, Europa, Erde. Von Beruf eine Journalistin, im geheimen eine deutsche Lyrikerin. Einige barbarische Gedichte, eine einzige keusche Liebe, eine amazonische Idee, ein langes Bangen vor der letzten Vermischung, viel Respekt vor der letzten Lust, allerlei Dienst an der Wahrheit mit dem großen W, das war's gewesen, Fanny Purgasser.

Und die blauen Augensonnen? Und die festen, langen Beine? Und der süße cremebeschmierte Mund der Nefretete? Er sprang auf und schrie: »Fanny Purgasser? Fanny Furgasser? Fanny Purgasser?« Es klang wie ein miserabler Vogelschrei von den Wänden wider. Dann machte er sich wieder daran, herumzustolpern, herumzustochern, gedankenlos, abgefunden.

Indessen, trotz seines tieferen Wissens, als er zwischen zwei kleinen Schneebrocken eine splitterige einsame Schispitze entdeckte, erschrak er so sehr, daß er laut aufstöhnte. Er starrte wie gebannt auf dieses Zeichen, mehrere Minuten lang. Dann begann er mit wütiger Gier, den Schnee im Umkreis dieses Stückchen Holzes zu durchwühlen.

Längst eh die Hilfe aus dem Tal kam, hatte er sie gefunden. Sie lag unterhalb der Schispitze, drei Meter unterhalb, zwischen zwei harschigen Platten zerdrückt, wie unter einem kleinen eingestürzten Tor. Den Fußspuren nach waren sie auf ihrer Suche schon öfters an dieser Stelle vorbeigekommen. Aber die beiden mörderischen Platten hatten sich in ihrem Oberteil so fest ineinander geschoben, daß man es für einen einzigen massiven Block halten mußte.

Ohne große Mühe ließ sich der Leichnam freilegen. Die Platten ließen sich nach den Seiten schieben wie zwei Gruftdeckel. Sie rutschten ab und zerbröckelten. Da lag sie, in einer freien kleinen Grube, und er setzte sich daneben in den Schnee, dicht daneben.

Sie war schon kalt, ganz kalt, weg, abgewandt, weit weg. Der Hals war blutig verschrammt, das Gesicht war rein und unbeschädigt. Offenbar war es die Wirbelsäule gewesen, das Kreuz, der Nacken, dort hatte es sie zerbrochen. Von den Brettern war wenig mehr zu sehn. Nur an dem einen Fuß hing noch ein kleines Stück, die zerfetzte Bindung, das zersplitterte Hickoryholz. Die Hose und die Jacke waren nur wenig zerrissen. Das Gesicht schien zu lächeln, ein kleines Babylachen, weithin. Fanny Purgasser, unter den Toten noch jung, jedoch bereits sehr abgewandt von den Lebenden.

Er begann zu weinen. Er brauchte sich nicht vor ihr zu schämen, auch wenn sie noch jung war unter den Toten. Er brauchte sich nicht zu verhalten, auch wenn sie erst so wenig eingewöhnt war in ihren Tod, daß sie's noch fühlte. Er weinte ja nicht um sie. Im Gegenteil, es war, was sie betraf, ein tiefes Glücksgefühl bei alledem zu spüren. Er hätte nie vermocht, sie so stark zu besitzen und in sich zu bergen, wie er's jetzt vermochte. Sie war ihm weniger verloren jetzt als ehedem. Jetzt war sie ihm erst ganz gewonnen. Jedoch er weinte.

»Hallo! Herr Glenn!« Eine feste, helle Männerstimme rief von oben.

Er sprang auf, wischte sich die Tränen ab, strich mit einem letzten Streicheln über das Gesicht der Toten, dann riß er sich zusammen und rief mit fester Stimme, grad so fest wie die Stimme des Rufers: »Hier, hier, gefunden.«

Drei Minuten später waren sie da, der Ploner und der Doktor Ragaz. Ragaz sprang zuerst in die kleine Grube, danach der Ploner. Beide waren rot wie Krebse, triefend vom Schweiß, schwer bepackt mit dem alpinen Handwerkszeug.

»Tot?« fragte Ragaz. Er trat hin und beugte sich darüber. »Oh, das tut mir leid.« Er drehte mit einem festen Griff den Leichnam um und betastete den Rücken, mit ein paar schnellen, kundigen Griffen. Dann stellte er wieder die alte Lage her und legte den einen Arm, der abgeglitten war, sanft auf die Brust zurück. »Das Rückgrat, im Nacken, sie war sofort tot, sie hat nichts gespürt, ein schneller Tod – das, was wir uns alle wünschen.« Er sprach ohne jede Erregung.

»Besten Dank, daß Sie so schnell gekommen sind, Doktor Ragaz«, sagte Glenn.

»Aber ich bitte Sie!« Er kletterte aus der Grube heraus und schaute von einem hohen Block herab über das Feld.

Der Ploner starrte mit einem vorwurfsvollen Blick auf die Tote. Glenn stand ganz teilnahmslos neben ihm. Sie schwiegen eine kleine Weile.

Schließlich sagte der Ploner: »Schad' um das schöne Frauenzimmer« und wandte sich und stieg zu Doktor Ragaz, der den Gang der Lawine und die Schispuren, die in die Mulde zogen, zu studieren schien.

»Der Herr Glenn ist Zeuge«, sagte er, als er neben Ragaz stand, »ich wollte droben fahren. Herr Doktor Ragaz, ich weiß genau so gut wie Sie, daß wir unter den Felsen hätten queren müssen. Aber wenn die Dame unter allen Umständen hier herübergewollt hat! Der Herr Glenn ist mein Zeuge, daß ich sie hab abhalten wollen, daß ich die Verantwortung abgelehnt hab, daß sie alle zwei auf eigene Verantwortung hier gegangen sind –

»Ach was«, unterbrach ihn Ragaz grob, »ich glaub es Ihnen ja, Herr Ploner, ich glaub Ihnen alles, ich sag ja kein Wort.«

Der Ploner krabbelte mürrisch hinter den Block und schlug das Wasser ab. Dann warf er auf einer breiten Scholle seinen Packen und sein Gerät ab und hockte sich nieder. Er begann in seinem Rucksack zu kramen.

»Haben Sie schon etwas gegessen, Herr Glenn?« rief er nach einiger Zeit in die Grube hinunter.

»Nein, ich hab keinen Appetit«, rief Glenn zurück, »besten Dank.« Er hatte gemerkt, daß Doktor Ragaz unzufrieden mit dem Führer war, und sprach jetzt auch in trotzigem Ton mit ihm. »Essen Sie nur, essen Sie sich nur voll.«

»Nein, das ist verkehrt«, sagte Ragaz und stieg von seinem Block herunter. »Sie müssen etwas essen, Herr Glenn, da hat der Papa Ploner vollkommen recht.«

Der Ploner war über diese Zustimmung sehr erfreut. »Der Herr Glenn hat seit dem Kaffee im Pürschhaus nichts mehr im Bauch, Herr Doktor. Er kommt uns ja ganz von der Kraft, wenn er jetzt nichts ißt. Hier ist Kas und Brot, Herr Glenn, und eine halbe Flasche Wein ist auch noch da.«

»Los, folgen Sie ihm«, sagte Ragaz zu Glenn. »Er hat ganz recht. Wenn jemand tot ist, muß etwas gegessen werden, das ist so auf der Welt.« Er ging mit gutem Beispiel voran und setzte sich zu dem Führer auf die Scholle und ließ sich zu essen geben. Brot und Butter und Kas, danach Wein. Er selbst hatte einen kleinen Rollschinken in der Tasche und bot dem andern davon an. »Eine blöde Mulde ist das, Ploner, das ist richtig«, sagte er nach einer kleinen Weile. »Man konnte heute wirklich nicht ahnen, daß dieses Schneebrett losgeht.«

»Nicht wahr?« Der Ploner war begeistert. »Bei diesem Bombenwetter? Wer kommt auf so etwas?«

»Hat's denn vorher nicht gegrunzt?«

»Gegrunzt hat's, aber nicht stärker als alle Tage.«

»Sie sind ohne Schuld«, sagte Ragaz so laut, daß auch Glenn es hören mußte.

Er schämte sich, weil der Mann so unterwürfig tat und sich dauernd entschuldigte und sein schlechtes Gewissen wie ein Schulbub heraushängte. Er erinnerte sich an seine eigenen Worte, als er die kleine Kolonne unterm Kuhbrunnen beobachtet und glossiert hatte. Vorbei war vorbei.

»Vorbei ist vorbei«, sagte er freundlich und hielt dem Ploner die Hand hin. Er hatte ihn bei der Ankunft im Ragazer Hof sehr bös begrüßt. Einen blutigen Laien und einen gefährlichen Hammel hatte er ihn genannt. Aber vorbei war vorbei. Es hatte so kommen müssen.

Der Ploner schlug schnell ein. »Das kann uns allen passieren, nicht?«

»Ja, ja«, sagte Ragaz, »das hätte mir gradso passieren können«, und: »Kommen Sie, Herr Glenn!« rief er energisch in die Grube hinunter.

»Haben Sie's gehört, Herr Glenn?« rief der Ploner. Er strahlte. Dieses Wort war Gold wert. Wenn man ihn vor Gericht oder im Wirtshaus zur Verantwortung zog, brauchte er sich nur auf das Zeugnis von Doktor Ragaz zu berufen. »Haben Sie gehört, was er gesagt hat?« rief er Glenn entgegen, der langsam näher kam und schließlich auf ihrer Scholle anlangte, »wenn unser Doktor das sagt, so will das etwas heißen. Ihm hätte es genau so gut passieren können, hat er gesagt. Er ist unser bester Mann im ganzen Umkreis, er muß es wissen.« Er zog seine Jacke ab und schob sie Glenn hin. »Setzen Sie sich, setzen Sie sich, Herr Glenn, setzen Sie sich auf die Jacke, erkälten Sie sich nicht, auf die Jacke, auf die Jacke –«

Glenn ließ sich bei ihnen nieder.

»Mein Gott, bin ich gerast«, sagte der Ploner. »Ich glaub, keine halbe Stunde hab ich gebraucht von hier bis zum Ladiz. Wann war ich drunten, Herr Doktor?«

»Ich hab vergessen, auf die Uhr zu schaun«, sagte Xaver und blieb bei seinem freundschaftlichen Ton. »Essen Sie, greifen Sie zu, Herr Glenn, hier ist noch ein Schluck Wein, das ist das Beste zum Anfang, dann rutscht es besser hinunter.«

Glenn nahm die Flasche und trank sie aus. Dann begann er mit Appetit zu essen.

Die Sonne war noch hoch, der Schnee strahlte noch den Rest der Mittagsglut in die Lüfte zurück. Sie aßen schweigend den Vorratsbeutel des Ploner leer. Ragaz ergänzte das Mahl mit seinem Taschenproviant. Es gab Rollschinken und Sardinen, Butterbrot und Käse, zwischendurch einen Schluck aus der kleinen zerbeulten Aluminiumflasche, die schon im Tian-Schan und in Labrador gewesen war, halb Tee, halb Enzian. Die Butterbrote, die der Ploner schmierte, waren vier Handbreit groß. Sein Schwarzbrotlaib war gerade am weitesten Umfang angelangt und durfte offenbar, einem geheimen alpinen Gesetz zufolge, nicht anders geschnitten werden wie ums ganze Rund herum. Dann rauchten sie ein paar Zigaretten. Dann gingen sie daran, die Leiche zu bergen.

Es ging alles, wie's gehn mußte. Ragaz war der Kapitän. Über das Feld mußte ohne Trage geschleppt werden. Am Rumpf und an den Beinen, von Grube zu Grube, von Scholle zu Scholle. Bis sie endlich am Rand der Mulde in den gesunden Schnee kamen. Hier wurde der Schlitten zusammengestellt. Die zwei Reserveschier von Xaver, die Hängematte von Lois und Barbi, die dünne Waschleine von Terese zur Verschnürung, das dicke Kletterseil vom ploner zum Zug. Als sie marschbereit waren, trafen die vier ersten Männer vom Tal ein, zwei Bauernknechte, ein Wegarbeiter, ein junger Führeraspirant.

Der Führeraspirant wurde sofort wieder zurückgeschickt, um alle Leute, die noch unterwegs waren, abzufangen und ins Tal zurückzuexpedieren. Es war noch eine ganze Masse hilfsbereiter Menschen unterwegs, doch kam man, wie die Dinge lagen, auch ohne sie zustand. Je mehr Leute man helfen ließ, um so teurer kam die Fahrt für Glenn oder für die anderen Hinterbliebenen. Die zwei Bauernknechte und der Wegarbeiter, geführt vom Ploner, das genügte, man konnte sich im Schleppen abwechseln.

Xaver nahm Glenn mit sich und fuhr mit ihm voraus. Es war nicht nötig, daß der Transport von dem Kameraden der Toten begleitet wurde. Man kam besser voran, wenn man ohne Rücksicht auf ihn schleifen konnte. Es ging ein wenig roh dabei zu, das war nicht anders zu machen. Und am Joch droben sollte wieder allgemeine Zusammenkunft sein.


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