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Ankunft am Cimarron – Zusammentreffen mit Reisenden – Reise am Cimarron hinunter – Die mutmaßliche Räuberbande – Ankunft am Arkansas-Fluß – Die Indianer daselbst – Zusammentreffen mit dem Militärkommando – Der 4. Juli – Übergang über den Arkansas – Ruinen von Fort Mann – Der erste Büffel – Erlegen desselben – Dry Road und Water Road – Einfangen eines herrenlosen Pferdes – Coon Creek – Vegetation daselbst – Reise nach dem Walnut Creek – Die Tauschhändler – Vincenti
Als wir am Morgen des 29. Juni ins Freie traten, gewahrte ich, daß wir in einer grasigen Niederung angehalten hatten, die auf drei Seiten von Hügeln kesselähnlich eingefaßt war. Ein sumpfiger Bach mit klarem, aber magnesiahaltigem Wasser, das zur Zeit wegen des niedrigen Standes nicht floß, wand sich durch die Wiesen dahin, und in demselben erblickte ich Tausende von Fischen verschiedener Größe, die eilfertig zwischen den Schilfstauden hinschlüpften. Wir nahmen uns nicht die Zeit, einige derselben zu fangen – um so mehr, als ich nur die einzige Art der Pomotis erkannte –, und bald lagen daher die Hügel mit ihren verborgenen Quellen, unter denen die Cimarron-Quelle die bedeutendste ist, hinter uns.
Nach einem Marsch von fünfundzwanzig Meilen erreichten wir in den ersten Nachmittagsstunden den Cimarron, ein Flüßchen, an dem hinauf wir unsere Reise auf längere Zeit fortzusetzen hatten, und wir trafen sogleich Anstalt, hier zu übernachten. Die Hauptquellen des Cimarron befinden sich am östlichen Abhang der Raton Mountains (104° w. L. von Greenwich), und von dort aus eine nordöstliche Richtung beibehaltend, nähert er sich auf dem 101. Grad dem Arkansas bis auf wenige Meilen; dort aber wendet er sich plötzlich gegen Südosten, und die nördliche Biegung des Arkansas abschneidend, vereinigt er sich erst auf dem 96. Grad mit diesem Strom.
Soweit ich auf dieser Reise den Cimarron kennenlernte, gleicht er einem Bach, der sich durch grüne, baumlose Wiesen hinwindet und dessen Spiegel nur wenige Fuß tiefer als die Oberfläche seiner breiten, aber geringen Talsenkung liegt. Wie viele Bäche und Flüsse in diesen Breiten, rieselt auch der Cimarron streckenweise unter der Oberfläche fort, und nur zur Zeit, wenn er die Schneewasser der westlichen Berge in sich aufnimmt, gleicht sein weites Tal einem Strom, der sich wild schäumend in den Arkansas ergießt. Wo man in trockenen Jahreszeiten auf fließendes Wasser des Cimarron stößt, hat dasselbe nur einen geringen Beigeschmack von Magnesia, in den Pfützen dagegen wird es durch die alkalischen Bestandteile fast untrinkbar, und es gesellt sich hierzu noch ein übler, moderähnlicher Geruch, der das Wasser förmlich widerlich macht. Ich bemerkte übrigens, sooft ich durch das Flüßchen ritt, daß nur eine dünne Sandlage den Boden deckte und sowohl Wagenräder wie die Hufe der Tiere übelriechenden, blauschwarzen Moder zutage förderten, der dem stehenden Wasser der nahen Bäche und Pfützen die eigentümlichen Eigenschaften verlieh. – Wider Erwarten fand ich das Gebiet des Cimarron arm an Wild; zwar beobachtete ich zahlreiche Büffelpfade, sogar auch eine zur Mumie ausgetrocknete Büffelleiche – was darauf hindeutete, daß in manchen Jahren der Bison seine Wanderungen bis dorthin ausdehnt –, doch das eigentliche Standwild, die Antilope und den weißschwänzigen Hirsch, erblickte ich nur in geringer Anzahl und meist nur in weiter Ferne.
Zur gewohnten Stunde verließen wir am 30. Juni unser Lager und folgten der ebenen, aber gewundenen Straße im Tal des Cimarron. Mehreren Handelskarawanen begegneten wir; auf schweren, zwölfspännigen Ochsenwagen führten sie Güter nach Neu-Mexiko, und von allen Leuten, mit denen wir uns in Unterhaltung einließen, erfuhren wir, daß der größte Teil der Büffelherden schon gegen Norden gezogen sei, daß wir aber noch immer auf eine vortreffliche Jagd würden rechnen können. Dergleichen Nachrichten veranlaßten uns, die Reise noch zu beschleunigen, und wenn die Sonne in den Mittagsstunden fast senkrecht über unserem Haupt stand, der eigene Schatten unter den Füßen fast verschwand, die erhitzte Atmosphäre vor den Augen zitterte und flimmerte und die Mirage uns mit ihren Trugbildern neckte, dann ritten wir ebenso fröhlich und rüstig dahin wie am frühen Morgen nach stärkender Nachtruhe oder in den kühlen Abendstunden, wenn aus der Ferne ein Wasserspiegel winkte. Lustig jagten wir mit unseren kräftigen Tieren den tückischen Wolf und die flüchtige Antilope, und wenn wir dann während des Tages einige Stunden rasteten, lagerten wir im Kreis um den Wagen und steckten den Kopf in dessen Schatten, um nicht während eines kurzen Schläfchens der gefährlichen Wirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt zu sein.
Nach einem Ritt von fünfzehn Meilen erreichten wir die Stelle, an der die Straße aus dem Tal nach der Ebene hinaufführt, und trafen hier mit der Post der Vereinigten Staaten zusammen, die sechzehn Tage früher den Missouri verlassen hatte. Sie brachte nur sehr kärgliche Neuigkeiten, hob aber besonders hervor, daß sie auf ihrem Weg mit zahlreichen Indianerhorden zusammengetroffen und nur durch ihre Eile und Schnelligkeit deren Belästigungen entgangen sei. Wir ließen uns die Punkte, an denen die Eingeborenen lagerten, bezeichnen, und nicht sonderlich um unsere Zukunft beunruhigt, begaben wir uns nach der Ebene hinauf, um auf dieser bis zum Abend unsere Reise fortzusetzen.
Zwölf Meilen weit ritten wir über eine Fläche, die fast an einen Billardtisch erinnerte, und gelangten dann wieder in das Tal hinab, wo wir sogleich anhielten. Dicht bei uns lagerte ein kleiner Trupp Reisender, die augenscheinlich vom Missouri kamen. Wir gingen zu ihnen hinüber, um das Woher und Wohin mit ihnen auszutauschen, und wurden aufs angenehmste überrascht, als Peacock in dem Anführer einen langjährigen bewährten Freund wiedererkannte. Wir befanden uns bald in lebhafter Unterhaltung, und als ein Beispiel, wie in den Prärien Gastfreundschaft angeboten und angenommen wird, führe ich hier ein Gespräch zwischen den beiden alten Freunden an:
»Wie ist es, Peacock«, fragte der Fremde, »habt Ihr auf schlechtes Wasser gerechnet und so viel stärkendes Getränk mitgenommen, daß Ihr bis an den Missouri keine Not zu leiden braucht?«
»Als wir Santa Fé verließen«, antwortete Peacock, »waren wir im Besitz von so vielen vollen Flaschen und Fäßchen, daß wir glaubten, noch etwas am Missouri verkaufen zu können; nun stießen wir aber ständig auf so schlechtes Wasser, die Sonne wurde so heiß und der Durst so groß, daß ich nicht ohne Besorgnis an die Zukunft denke.«
»Und dann ist auch keine Aussicht vorhanden«, unterbrach ihn der andere, »daß Euer Durst sich vermindern wird; glücklicherweise ist mein Train noch hinter mir zurück, und so freue ich mich denn, Euch gegen Not einigermaßen sicherstellen zu können.« Bei diesen Worten riß er ein Blatt Papier aus seinem Notizbuch, schrieb mit Bleistift einige Worte darauf, und Peacock den Zettel hinreichend, sagte er: »Morgen abend oder übermorgen früh werdet Ihr meinem Train begegnen, grüßt nur den Wagenmeister von mir, gebt ihm diese Quittung und ein leeres Fäßchen, und wenn Ihr dieses nicht mit so gutem Brandy, wie er nur je über die Prärien geführt wurde, gefüllt wieder zurückerhaltet, so will ich mich hängen lassen!«
»Aber nicht in der Prärie«, fügte Peacock schmunzelnd hinzu. »Es möchte sonst schwer halten, einen Baum für Euch zu finden.«
Bis tief in die Nacht hinein saßen wir zusammen, und als wir am folgenden Morgen ins Freie traten, fanden wir die Lagerstelle des Gastfreundes verlassen; er war schon in der Nacht aufgebrochen.
Am 1. Juli blieben wir nur noch kurze Zeit im Tal des Flüßchens; ehe wir uns indessen nach der Ebene hinaufbegaben, bogen wir seitwärts in eine Niederung, um an der dort befindlichen Quelle (Middle Cimarron Spring) die Wassergefäße zu füllen. Denn trotz des scharfen Reitens konnten wir doch nicht darauf rechnen, an demselben Tag noch das fließende Wasser des Cimarron wieder zu erreichen, der dort einen Bogen gegen Südosten beschreibt und weiter nichts als einige Pfützen in seinem Bett aufzuweisen hat. Achtundzwanzig Meilen betrug unser Tagesmarsch, und als die Sonne sich senkte, näherten wir uns wieder dem grasigen Tal, in dem wir einen Pfuhl trüben Wassers für unsere Tiere entdeckten. Wir hielten dort, und kaum hatten wir die letzten Vorbereitungen für die Nacht beendet, als ein Gewitter sich zu entladen begann. Ein feiner, nässender Regen verhüllte die ganze Landschaft wie mit einem Schleier und beschleunigte den Einbruch der Nacht.
Es regnete noch, als wir am folgenden Morgen die Maultiere bestiegen und die alte Richtung verfolgten, die auf den ersten zwölf Meilen mit dem Cimarron zusammenfiel. Wie die Sonne höher stieg, so verminderte sich auch der Regen, und als wir uns gegen elf Uhr einer der bedeutendsten Quellen im sonst trockenen Tal des Flusses näherten, hatten sich die Wolken zerteilt, und gierig saugten die fast senkrechten Strahlen der Sonne die niedergeschlagene Feuchtigkeit wieder auf.
Wir rasteten zwei Stunden an jener Quelle und erhielten dort Besuch von einer Rotte zerlumpter Mexikaner, die angeblich von den Comanche-Indianern zurückkehrten, mit denen sie Tauschhandel getrieben hatten. Nie im Leben erblickte ich eine schönere Auswahl von Räuberphysiognomien als unter dieser Gesellschaft; ja einige derselben zeigten einen wahrhaft abschreckenden Ausdruck, und es hatte durchaus nicht den Anschein, als ob ein einziger von ihnen vor einem kaltblütigen Mord zurückgeschreckt wäre. Es waren etwa zwanzig an der Zahl, und ich kann wohl sagen, daß wir es uns nicht zur besonderen Ehre anrechneten, als einige von ihnen sich zu uns gesellten und nach besten Kräften auszufragen begannen. Wir gaben ihnen kurze und, was die Fortsetzung unserer Reise anbetraf, falsche Antworten, denn wir alle zweifelten nicht daran, daß wir eine der Räuberbanden vor uns hatten, die jene Handelsstraße unsicher machen und die zahlreiche Verbrechen begehen, die den Indianern zur Last gelegt werden. Wir waren zu gut bewaffnet, als daß wir die unheimliche Gesellschaft am Tag zu fürchten gehabt hätten, und nur um einem nächtlichen Überfall und dem Verlust der Maultiere vorzubeugen, leiteten wir die Frager durch unsere Antworten irre.
Als wir unsere Reise fortsetzen, waren wir einer Plage unterworfen, die wir zwar schon an den vorhergehenden Tagen kennengelernt, die sich aber nach dem milden Regen verdoppelt hatte. Kleine, kaum sichtbare Fliegen erfüllten nämlich die dunstige Atmosphäre und senkten sich scharenweise auf uns und die Tiere; wir versuchten wohl, uns durch Verhüllen des Kopfes und der Hände zu schützen, doch gelang es nicht, die kleinen Tierchen ganz von uns fernzuhalten, und diese verkrochen sich vorzugsweise im Bart- und Haupthaar, wo sie uns dann durch Bisse und Stiche auf das empfindlichste peinigten. Erst als wir das Tal verließen und nach der Ebene hinaufzogen, auf der wir von nun ab bis zum Arkansas weiterreisten, erreichte die Qual ihr Ende.
Gegen Abend, nach Zurücklegung von siebenundzwanzig Meilen, gelangten wir zu einer Senkung der Ebene, die unter dem Namen Sand Creek bekannt ist. Wir übernachteten in der Nähe eines trüben Wasserpfuhls, den wir in dem Bett des selten fließenden Baches fanden, und fast gegen alles Vermuten blieben wir ungestört. Wir hatten nämlich nicht geglaubt, daß die Räuberbande, der wir am vorhergehenden Tag begegneten, es würde übers Herz bringen können, nicht wenigstens einen Versuch des Diebstahls an unseren Maultieren zu wagen.
Während der letzten Hälfte der Nacht regnete es stark, und im Regen sattelten und bestiegen wir am Morgen des 3. Juli unsere Tiere. Die Umgebung hatte ein zu ödes, trostloses Aussehen, als daß wir dort besseres Wetter hätten abwarten mögen, wir schlugen daher eine Decke um die Schultern, und in starkem Schritt zogen wir über die ebene Fläche, deren Grenzen von dem fallenden Regen wie durch bleifarbige Wände bestimmt wurden. Mehrfach begegneten wir an diesem Morgen Handelskarawanen und unter diesen auch der erwarteten; Peacock hatte den Zettel sorgfältig aufbewahrt und übergab ihn der Verabredung gemäß dem Wagenmeister; er erhielt dafür auch wirklich ein Fäßchen Brandy, von dem man wohl sagen konnte, daß nie besserer seinen Weg durch die Prärien fand.
Wiederum klärte sich der Himmel gegen Mittag auf, und unabsehbar, ohne die leiseste Schwellung, dehnte sich dann die Prärie nach allen Richtungen aus. Obgleich Regenwasser genug sich pfützenweise in den Vertiefungen der Straße angesammelt hatte und es mithin nicht an geeigneten Lagerstellen fehlte, so reisten wir doch bis gegen Abend ununterbrochen weiter und schlugen dann auf einer grasreichen Bodensenkung das Lager auf.
Im vollsten Glanz versank die Sonne in der Ebene, und ebenso glanzvoll entstieg sie am 4. Juli dem feurigen Osten; kein Wölkchen trübte den lieblich blauen Himmel, große Tautropfen schmückten die kurzen Halme des nahrhaften Büffelgrases, und in den merkwürdigsten Figuren durchkreuzten sich die Pfade der weidenden Maultiere, die mit schleppendem Schritt den Tau vom Rasen abgestreift und diesem auf kurze Zeit eine dunklere Färbung gegeben hatten. Es war ein schöner, ein herrlicher Morgen – ein Morgen, wie es deren in der Prärie so viele gibt; wir hätten uns für die einzigen lebenden Wesen und mithin für die einzigen Herren der ganzen Welt halten können, denn für uns gab es ja nichts als die weite, grüne Ebene, das unendliche Himmelsgewölbe, die liebe, schöne Sonne und unsere Expedition.
Es ist wahr, unsere Schuhe begannen schon von den Füßen zu fallen, und die wenigen Kleidungsstücke zeigten geringe Lust, noch länger bei uns ausharren zu wollen; doch unsere Umgebung, so einfach sie nur war, erschien uns darum nicht minder erhaben, und aus voller Brust, mit lautem Jubel und Gesang begrüßten wir den neuen Tag – ähnlich den Lerchen, die keinen anderen Kummer als trübes Wetter und keine andere Lust als hellen Sonnenschein kennen. Mein Maultier schloß behaglich die Augen, als ich zu ihm herantrat – vielleicht mit der Absicht, um nicht von mir bemerkt zu werden –, es seufzte tief, als ich den Sattelgurt straffer zog; als ich mich aber hinaufschwang, da spitzte es seine unförmigen Ohren und trabte lustig in der Reihe seiner Gefährten dem polternden Wagen voran.
Auf einer Strecke von vierzehn Meilen veränderte unsere Umgebung ihren Charakter nicht im geringsten, dann aber gelangten wir zwischen eine Reihe sandiger Hügel, und eine Stunde später befanden wir uns am Rand des Tals des Arkansas. Zwei Karawanen lagerten hier, zahlreiche berittene Indianer schwärmten in der Nähe umher; doch ehe ich meine Aufmerksamkeit diesen zuwandte, blickte ich in das Tal hinab, das der breite, lehmfarbige Arkansas in zwei Hälften teilte. Manche Prärieströme habe ich auf meinen Reisen schon beobachtet – unter diesen den Nebraska, den Canadian River und den Arkansas –, doch ist mir im allgemeinen keine hervorragende Verschiedenheit im Charakter derselben aufgefallen. Überall sah ich dasselbe breite, sandige und seichte Bett; überall die flachen Ufer, die ebenen, grasreichen Täler; überall die hügelige Taleinfassung und nirgends so viel Baumvegetation, daß es des Rennens wert gewesen wäre. Der letztere Umstand ist wohl vorzugsweise Grund, daß diese Flüsse beim ersten Anblick keinen so erfreuenden Eindruck hervorrufen, wie man es bei Strömen in bevorzugteren Gegenden erfuhr. Man muß sich gleichsam an diese gewöhnt haben, um sie liebzugewinnen, man muß wochenlang aus ihren Fluten getrunken und in ihren Wellen gebadet haben, um sich mit Widerstreben von ihnen zu trennen – und so ist es auch mit dem oberen Arkansas, der bald steigend, bald fallend durch die Steppen eilt und einen großen Teil des Wassers der östlichen Abhänge der Rocky Mountains dem Vater der Flüsse, dem Mississippi, zuführt.
Die Indianer, mit denen wir dort zusammentrafen, gehörten den Nationen der Cheyennes, Kiowas und der Arapahoes an, doch war ich nicht imstande, in ihrem Äußeren irgend etwas zu entdecken, was auf eine Stammesverschiedenheit gedeutet hätte. Es waren lauter große, schön gebaute Leute, echte Steppenbewohner, in deren Haltung eine gewisse Kühnheit und in deren Rüstung eine indianische Wohlhabenheit nicht zu verkennen war. In langen Flechten fiel das Haar zu beiden Seiten des bemalten Gesichts auf die Knie herab, während die phantastisch geschmückte Skalplocke zusammen mit den Haaren des Hinterkopfes bis aufs Kreuz herabreichte. Der Anzug war bei allen verschieden und so bunt, so merkwürdig verziert und geschnitten, daß man sich unwillkürlich über die Erfindungsgabe dieser Menschen wunderte, die es verstanden, ihren Geschmack in so zahlreichen abweichenden Formen darzutun. Doch nicht nur die Mokassins und die Leggins prangten unter einer Last von Porzellanperlen, fein geschnittenen Riemen, Schellen, kostbaren Pelzstreifen und Ringen, sondern auch das Sattelzeug ihrer kräftigen und dauerhaften Pferde. Die wilden Präriereiter zeigten sich überraschend freundlich und umgänglich, und einer nach dem anderen sprengten sie heran, um uns die Hand zu reichen.
Nur kurze Zeit verweilten wir auf der Höhe bei den Karawanen, und an dem sandigen Abhang niederreitend, gelangten wir bald in das Tal hinab, das kaum hundert Fuß tiefer als die eigentliche Prärie lag. Auf dem grünen Ufer des Stroms spannten wir die Tiere aus, um eine Stunde zu rasten; kaum wurde dies indessen von den Indianern auf der Höhe bemerkt, als eine Anzahl derselben herbeigaloppierte, und sich ganz in unserer Nähe niederließ. Es war nicht unsere Absicht, uns zu tief mit dem Besuch, dessen Gesinnung wir nicht erraten konnte, einzulassen, doch die auffallende Bescheidenheit derselben bewirkte diesmal mehr, als die gewöhnliche Zudringlichkeit getan haben würde, und bald befand ich mich in der lebhaftesten Unterhaltung mit einem, wie es mir schien, der angesehensten Krieger. Ich benutzte als Mittel zur Verständigung die Zeichensprache, wie ich diese während meines Aufenthalts unter den nordöstlichen Stämmen am oberen Missouri gelernt hatte, und war sehr erfreut, als ich mich verstanden sah und die in ähnlicher Weise gegebenen Antworten sehr deutlich fand.
So erfuhr ich, daß die Arapahoe-, die Cheyenne- und die Kiowa-Indianer weiter oberhalb am Arkansas versammelt seien, um die Geschenke in Empfang zu nehmen, die ihnen von dem Indianeragenten Bent im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten überbracht werden sollten. Diese Stämme erhalten nämlich alljährlich einen kleinen Tribut, wenn von den Karawanen keine Klagen über sie geführt werden, und wir verdankten es wohl hauptsächlich diesem Umstand, daß sie sich uns gegenüber so höflich und zurückhaltend benahmen. Bent treibt für gewöhnlich Tauschhandel mit allen Eingeborenen am oberen Arkansas, und seine Hauptniederlage befindet sich in Bent's Fort (103° w. L. von Greenwich), einem befestigten Posten, von wo aus die Geschäfte und Unterhandlungen auch mit entfernt lebenden Eingeborenen betrieben werden. Dadurch, daß Bent zum Agenten der Vereinigten Staaten, also gewissermaßen zum Vermittler zwischen letzteren und den dortigen Indianern, ernannt worden ist, und alle für diese bestimmten Zahlungen und Geschenke durch seine Hand gehen, sind sein Einfluß und sein Ansehen bedeutend erhöht worden, und es hat sich allmählich ein Verhältnis der gegenseitigen Zuneigung gebildet, wie man es in den westlichen Regionen noch häufig findet. Natürlich erwachsen für Bent die größten Vorteile aus einem solchen Verkehr, indem alle Indianer, in deren Bereich er sich befindet, sich gleichsam für gebunden halten, ihr gewonnenes Pelzwerk nur an ihn zu vertauschen.
Der Ankunft des Agenten sahen also die Indianer entgegen, und sie hatten sich teils weiter oberhalb, teils weiter unterhalb der Stelle, wo wir den Arkansas zuerst berührten, versammelt, um Bent zu begrüßen und danach nach seinem Fort zu begleiten. Seit mehreren Wochen warteten sie dort, und es begann sich schon etwas Mißtrauen unter ihnen einzuschleichen, weil ein Tag nach dem anderen verging, ohne daß ihre Hoffnung sich erfüllt hätte. Wie ich indessen schon oben bemerkte, enthielten sie sich streng jeder Äußerung desselben und ließen die zahlreichen Karawanen unbelästigt bei sich vorüberziehen. Die Stämme, über welche die Begleitung der Post geklagt hatte, waren die Osagen und die Kaw- oder Kansas-Indianer, und diese standen in keiner Beziehung mit denen, die auf Bent angewiesen waren; im Gegenteil herrschte eine Spannung zwischen diesen, und es kam zur Zeit unserer Anwesenheit in jener Gegend zu blutigen Gefechten zwischen den Osagen und den Komantschen.
Nach zweistündiger Rast brachen wir wieder auf und folgten den Indianern nach, die uns in wildem Rennen am Arkansas hinunter vorausgeeilt waren. Schon von weitem vermochten wir die Furt zu erkennen, denn ein starker Train war eben im Begriff, durch den Strom zu setzen und brachte in dem Augenblick, als wir bei ihm anlangten, seinen letzten Wagen nach dem rechten Ufer hinauf. Es war ein Regierungstrain, begleitet von einem Kommando reitender Jäger, das sich auf dem Weg nach Fort Union befand. Die Offiziere kamen uns aufs freundlichste entgegen, und da sie an dem U. S. (United States), mit dem unsere Tiere und Wagen gezeichnet waren, uns ebenfalls als eine Regierungsexpedition erkannten, so bedurfte es keiner großen Förmlichkeiten, um schnell ein kameradschaftliches Begegnen herzustellen. Wir hatten kaum eine Stunde Zeit, denn das Militärkommando mußte aufbrechen, um eine grasreichere Lagerstelle zu suchen, und wir selbst beabsichtigten noch vor Abend durch den Fluß zu gehen und ebenfalls nach einem guten Weideplatz für unsere Tiere auszuschauen, doch war eine Stunde genug, um uns gegenseitig zu begrüßen und auszufragen.
Übrigens war es ja auch der 4. Juli – ein Tag, dessen bloße Erwähnung jeden rechtschaffenen Amerikaner in Ekstase bringt; es war ja das Konstitutionsfest, das ein großer Teil der Bürger der großen Republik nicht würdig genug zu begehen meint, wenn er nicht zum Schluß der Feuerwerke einige Häuser mit abbrennt und dann in künstlich erzeugter glücklicher Laune die nächtliche Ruhe sucht. Wenn wir auch kein Feuerwerk abbrannten, so hatten wir doch hinlänglich Stoff für den Konstitutionsdurst, und indem wir um Körbe und Kasten herumstanden, tranken wir zu jedem Toast; mochte er nun der Konstitution oder dem Kaiser von China, den Demokraten oder den Whigs, dem Sklaven oder dem freien schwarzen Mann oder jedem anderen dem Untergang oder dem Aufblühen bestimmten Gegenstand gelten; genug, wir tranken, und es mundete uns vortrefflich. Auch die Leute blieben nicht hinter uns zurück, denn jeder, ohne Unterschied des Ranges oder der Person, erhielt zur Feier des Tages eine doppelte Ration Branntwein. Nicht weit von uns hielt ein hochrädriger leichter Reisewagen, und in diesem erblickte ich eine schöne bleiche Frau nebst einer weißen und einer schwarzen Dienerin. »Es ist meine Frau«, bemerkte der kommandierende Offizier, »ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich Sie nicht vorstelle; das arme Wesen hat sich aber beim Durchgehen durch den Fluß, als der Wagen umzuschlagen drohte, so geängstigt, daß es noch unfähig ist, zu sprechen.«
Wir dankten und waren nicht unbefriedigt darüber, denn während unserer langen Reise hatte unser Äußeres einen so räuberartigen Anstrich erhalten, daß wir mit Recht fürchten mußten, auf eine Dame, die eben den höheren Kreisen entrissen war, einen unangenehmen, beängstigenden Eindruck zu machen.
Da der Stand des Arkansas ungewöhnlich hoch war und das Wasser den Maultieren bis über die Schultern reichte, so ließ der Kommandeur der Jägerabteilung zwei seiner größten Pferde an die Spitze unseres Gespanns vor den Wagen legen, und wir hatten dann die Freude, nach kurzer Zeit unser Hab und Gut wohlbehalten auf dem linken Ufer des Stroms zu sehen. Wir nahmen alsdann herzlich Abschied, und die Füße auf dem Sattel übereinanderschlagend, ritten wir in den Fluß. Der Andrang des Wassers war heftiger, als ich geglaubt hatte, und auf dem falschen, sandigen, von der Strömung furchenweise ausgespülten Boden erforderte es die ganze Kraft der Tiere, sich mit ihrer Last aufrecht zu halten. Ohne Unfall gelangten wir jedoch über den Arkansas, der an jener Stelle ungefähr sechshundert Fuß breit ist; einige Arapohoes hatten uns zu Pferd begleitet, wir beschenkten sie dafür mit etwas Tabak; der Karawane, die sich auf dem jenseitigen Ufer eben in Bewegung setzte, winkten wir ein Lebewohl nach, und einige Minuten später befanden wir uns auf der höher gelegenen Ebene und trabten lustig auf dem Weg dahin, der gleichsam die Grenze zwischen dem Tal des Arkansas und der eigentlichen Prärie bildete. Gegen Abend lenkten wir dem Fluß zu und übernachteten in der Nähe des hohen Grases, das einen Streifen sumpfigen Bodens bezeichnete.
Am 5. Juli setzten wir unsere Reise im Flußtal fort; der Weg war gut, das Wetter überaus angenehm, doch die Abwechslung in der Naturumgebung war so gering, daß sie als kaum vorhanden betrachtet werden konnte. Wenn wir daher die unbestimmten Formen von drei oder vier Cottonwood-Bäumen am fernen Horizont bemerkten oder an weidenbewachsenen Inseln vorüberzogen, dann wandten wir diesen unsere ganze Aufmerksamkeit zu und fanden Gegenstände schön und anmutig, die in anderen Gegenden kaum beachtet worden wären. Um die Mittagszeit rasteten wir in der Nähe der letzten Überreste eines alten aufgegebenen Militärpostens, und Peacock bezeichnete diese als das frühere Fort Mann. Dasselbe war im Jahre 1847 von einem gewissen Daniel P. Mann im Auftrag der Regierung zum Schutz dort weidender Viehherden gegründet worden. Die Errichtung von neuen Posten in westlicheren und holzreicheren Gegenden machte indessen die Erhaltung von Fort Mann überflüssig, und da die vorüberreisenden Karawanen in dem Gebälk der verlassenen Schuppen und Hütten willkommenes Brennmaterial erblickten, so fielen die ihrer Stützen beraubten Lehmmauern sehr bald in Trümmer, und ein einfacher Erdwall in Form eines unregelmäßigen Dreiecks ist das letzte, was von dem Posten übriggeblieben ist.
Der Arkansas beschreibt an jener Stelle eine bedeutende Biegung gegen Süden; da wir nun in Erfahrung gebracht hatten, daß die Komantschen mit Weib und Kind in jenem Winkel lagerten, wir aber kein starkes Verlangen trugen, unseren Weg mitten durch ihr zeitweiliges Dorf zu nehmen, so beschlossen wir die Biegung des Stroms abzuschneiden und über die Ebene in gerader Linie an ihnen vorbeizuschlüpfen. Gefahrbringend war eine Zusammenkunft mit den Komantschen zur Zeit freilich nicht, doch konnten wir möglicherweise aufgehalten werden, was wir doch zu vermeiden wünschten. – Es führt übrigens ein Weg über die Höhe; derselbe, bekannt unter dem Namen Dry Road, ist sogar kürzer als die Straße am Fluß hinunter, die Water Road genannt worden ist, doch wird er des Wassermangels wegen von den Ochsentrains stets und von den Maultiertrains gewöhnlich gemieden.
Am Nachmittag befanden wir uns nach einem Marsch von fünfundzwanzig Meilen in der Nähe des Punktes, wo die Straße sich teilt, als wir plötzlich einen schwarzen Punkt bemerkten, der sich, über unsere Straße hinweg, langsam dem Strom zu bewegte. Die Meinung, daß wir einen Bison vor uns hätten, wurde bestätigt, als Peacock sein Fernrohr darauf richtete, und sogleich beschlossen wir Jagd auf ihn zu machen. Da ich allein eine Büchse führte, meine Gefährten dagegen mit Doppelflinten bewaffnet waren, so übernahm ich die Aufgabe, den zottigen Burschen durch eine wohl angebrachte Kugel zum Stehen zu bringen oder doch wenigstens seine Eile so weit zu mäßigen, daß meine Kameraden Zeit gewannen, dicht heranzureiten und von ihren Gewehren Gebrauch zu machen. Peacock bemerkte zwar, daß er auf allen seinen Reisen noch nie die Erfahrung gemacht habe, daß der erste Büffel, der sich gezeigt habe, auch getötet worden sei, doch ließ ich mich dadurch nicht von dem Versuch abschrecken, sondern spornte mein Tier zur größten Eile an, und einen weiten Bogen beschreibend, brachte ich den Büffel zwischen mich und den Strom. Der Wind war günstig, und anstatt davonzulaufen, wandte das riesenhafte Tier sich nach mir hin und beobachtete mich, wie ich, Schlangenlinien beschreibend, ihm Fuß für Fuß näher rückte.
Fast befand ich mich schon in Schußweite, als es plötzlich schnaubte, sich umwandte und dem Strom zugaloppierte. Augenblicklich setzte ich mein Tier in Galopp, und als der Büffel nach kurzem Lauf anhielt und sich nach mir umschaute, hielt auch ich wieder regungslos, ohne indessen die Entfernung zwischen uns verringert zu haben. Schnell warf ich aber jetzt die Fangleine, die dazu diente, das Maultier am Entlaufen zu hindern, auf den Boden, glitt leise vom Sattel, und mich niederstreckend, kroch ich auf den Büffel zu, der seine Augen nicht von dem weidenden Maultier wandte.
Ich hatte mich schon bis auf zweihundert Schritt genähert, als er plötzlich meiner ansichtig wurde und zum Zeichen seines Mißtrauens den kleinen Schweif emporrichtete. Ich sprang daher sogleich auf, und ehe er noch Zeit gewann, an die Flucht zu denken, fuhr ihm meine Kugel hinter dem Schulterblatt durch die Rippen. Der Koloß bebte unter der heftigen Erschütterung, doch hielt er sich aufrecht und trabte schwerfällig dem Fluß zu. Die Kugel hatte indessen das Leben berührt, und schon nach zwanzig Schritten stellte er sich wieder hin und beobachtete abwechselnd mich und meine Gefährten, die sich ihm langsam näherten. Eine zweite Kugel aus meiner Büchse erschütterte abermals den riesenhaften Körper, aber ohne ihn zum Wanken zu bringen, und erst nach dem dritten Schuß brach er sterbend zusammen.
Meine Gefährten waren unterdessen herangekommen, und mit dem größten Interesse betrachtete besonders Dr. Newberry, der noch nie einen Büffel in der Wildnis gesehen hatte, das wehrlose Geschöpf, das immer noch nicht verenden wollte.
»Ich möchte auch einmal auf den Büffel schießen«, sagte der Doktor, als wir kaum noch fünfzig Schritte von diesem entfernt waren und die grimmigen Blicke bemerkten, die das Tier auf uns richtete.
»Mit Vergnügen, Doktor!« antwortete ich, indem ich ihm die Büchse reichte. »Nur denken Sie daran, daß das Herz bei einem Büffel tiefer liegt als bei jedem anderen Wild.«
Der Doktor hob das Gewehr, zielte, gab Feuer, und das Tier sprang mit seiner letzten Kraft auf, erreichte in zwei Sätzen das Ufer des Stroms und stürzte sich kopfüber in die Fluten hinab.
»Aber, Doktor«, rief ich aus, »Sie schießen ja wieder lebendig, was ich totgeschossen habe«, und lachend schritten wir nach der Stelle hin, wo der Büffel verschwunden war.
Glücklicherweise war er nicht in tiefes Wasser gefallen, sondern ruhte, obschon zur Hälfte von den Fluten bespült, auf festem Boden; es wurde uns daher nicht schwer, das nunmehr verendete Tier heranzuziehen und genauer zu untersuchen. Es war ein Stier, und ich muß gestehen, daß ich selten einen Büffel sah, der diesen an Höhe und Umfang übertroffen hätte; das Alter hatte indessen schon die wolligen Haare von seinem Rücken und seinen Seiten entfernt, so daß er vielleicht nur noch den Appetit sehr hungriger Menschen oder der uns umkreisenden Wölfe reizen konnte. Wir begnügten uns damit, ihm die Zunge herauszuschneiden sowie etwas Haut für Riemen von seinem Rücken zu trennen, und nicht ohne einen Anflug von Reue, das mächtige Tier um so geringen Vorteils willen getötet zu haben, schlugen wir unser Zelt auf dem Ufer des Flusses auf.
Am 6. Juli, gleich nachdem wir das Lager verlassen hatten, begaben wir uns nach der Ebene hinauf, die sich dort gegen fünfzig Fuß hoch über dem Tal des Stroms erhebt. Das Gras auf derselben hatte den Einfluß der fast unerträglichen Sonnenhitze schon empfunden, denn nicht mehr grün, wie wir es gewohnt waren, sondern fahl und dürr nahm sich die endlose Fläche aus, die sich ohne Senkungen oder Schwellungen mit dem Horizont zu verbinden schien. Der Weg war indessen so fest wie eine Tenne, und um am folgenden Tag zur frühen Stunde wieder Wasser zu erreichen, beschleunigten wir den Schritt unserer Tiere. Das Glück begünstigte uns aber, denn zweimal entdeckten wir Wasserpfützen, wo wir tränken konnten, und das letztemal nach einem Marsch von zweiunddreißig Meilen in dem trockenen Bett eines Gießbachs, den Peacock als den Coon Creek bezeichnete und wo wir dann selbstverständlich das Nachtquartier aufschlugen.
Unsere Kavalkade, die aus acht Zug-, sechs Reitmaultieren sowie einem Rennpferd bestand, wurde an diesem Tag um ein kräftiges Pferd vermehrt. Wir erblickten nämlich von der Straße aus einen gezähmten Mustang, der wahrscheinlich den im Tal des Flusses in gleicher Höhe mit uns lagernden Komantschen entlaufen war. Da wir weit und breit keinen Menschen erblickten, so kamen wir überein, das Pferd für herrenlos zu halten und für uns einzulangen. Es war aber keine leichte Aufgabe und erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit, das scheue Tier bis zu der Stelle nachzutreiben, wo wir lagerten. Dort nun unternahmen wir mit vereinten Kräften einen neuen Angriff, und nach mehreren vergeblichen Versuchen, die uns nebenbei eine interessante Unterhaltung gewährten, gelang es uns endlich, den flüchtigen Renner so zu umstellen, daß wir imstande waren, ihn mit dem Lasso zu fangen und zu fesseln. Als das Pferd sich erst in unserer Gewalt befand, zeigte es sich gefügig; auch erkannten wir auf seinem Rücken die untrüglichen Merkmale, daß es in jüngster Zeit viel angestrengt und wahrscheinlich auf der Büffeljagd gebraucht worden war.
Jedenfalls lohnte sich unsere Mühe, und nach Prärieweise kümmerten wir uns nicht weiter darum, wer früher der rechtmäßige Eigentümer gewesen war.
Die Wölfe, die sich in der Nähe der Indianerlager vorzugsweise in größerer Anzahl aufhalten, belästigten uns vielfach während der Nacht, und um so mehr, weil wir in der durch einen Wolkenschleier verdichteten Finsternis nicht genau unterscheiden konnten, ob die Unruhe der Tiere von den wilden Bestien oder von räuberischen Komantschen verursacht wurde. Der anbrechende Morgen überzeugte uns, daß wir von ungebetenen Gästen verschont bleiben sollten, denn die Ebene war, so weit das Auge reichte, öde und leer; im Tal des Arkansas dagegen, dessen Rand sichtbar war, entstiegen zahlreiche Rauchsäulen den Zelten der Eingeborenen, und hungrige Wölfe umkreisten das Lager, um nach unserem Abzug sogleich Besitz von diesem zu nehmen. Wir waren auch in der Tat noch keine zweihundert Schritt entfernt, als sie sich schon um die Abfälle unserer Küche schlugen; ich schickte ihnen eine Kugel zu, und spornstreichs eilte die wilde Gesellschaft davon, als sie einen aus ihrer Mitte, von dem mörderischen Blei getroffen, lautlos zusammensinken sah.
Rüstig verfolgten wir sodann unseren Weg, und als die Glut der höher steigenden Sonne ermattend zu wirken begann, da schimmerte uns aus der Ferne wie aufmunternd ein schmaler Waldstreifen entgegen. In vielen Windungen zog sich der dunkelgrüne Streifen von Norden nach Süden, dem Arkansas zu; und daß dort im kühlen Schatten ein Flüßchen unablässig seinen Lauf verfolgte, das sagte uns die ganze Bodengestaltung. Durch den Instinkt über die Nähe des Wassers belehrt, lehnten sich die Tiere fester in die bestaubten Geschirre, und willig folgten sie den Sporen und der Peitsche.
Wir hatten die Pawnee Fork vor uns, einen beliebten Sommeraufenthalt der Eingeborenen jener Gegend. Durch die uns begegnenden Karawanen waren wir darauf vorbereitet worden, daß wir dort mit einem bedeutenden Teil der Cheyennes und Arapahoes zusammentreffen würden, doch zu unserer nicht geringen Überraschung fanden wir das Tal verödet und leer, und nur über den künstlich hergestellten Lauben, die als zeitweilige Wohnungen benutzt worden waren, schwebten kreischend Raben und Krähen – der sicherste Beweis, daß noch in jüngster Zeit Menschen dort gelebt hatten. Die Spuren der Pferde und der schleppendenDie Prärie-Indianer befestigen, wenn sie sich auf der Wanderung befinden, die 16 bis 20 Fuß langen Zeltstützen zu beiden Seiten der bepackten Tiere, so daß das dünne Ende derselben auf dem Boden nachschleift. Kinder, kranke und altersschwache Leute legen bedeutende Reisen mit verhältnismäßig großer Bequemlichkeit in den Steppen zurück, indem die zu beiden Seiten schleppenden Pfähle hinter den Pferden durch ausgespannte Büffelhäute verbunden und diese die Federkraft nicht entbehrenden Lager ihnen zum Aufenthalt angewiesen werden. Zeltpfähle, die in westlicher Richtung dem Fort Bent zu standen, belehrten uns, daß eine Abteilung von wenigstens vierhundert Seelen dort gelagert hatte und daß diese erst am vorhergehenden Tag von dort aufgebrochen war. Wir beschlossen daher, obschon wir erst fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt hatten, an der einladenden Stelle nicht vorüberzuziehen, und errichteten auf dem linken Ufer des Stroms ein kleines Lager. Ich beeilte mich, mit meinen Fischergeräten an den Strom hinab zu gelangen, doch warf ich meine Angeln vergeblich aus, denn obgleich zahlreiche Fische die Fluten belebten, so schien doch keiner davon geneigt, den Köder anzurühren. Lange saß ich indessen am Rand des Flusses und ergötzte mich an den eilenden Fluten, die gegen zwanzig Fuß breit und drei bis fünf Fuß tief, ungestüm um die Anhäufungen des Treibholzes herumrieselten und auf ihrer beweglichen Oberfläche die schroffen Ufer mit ihrer schattigen Baumvegetation spiegelten.
Gewiß bietet die weite Prärie mit ihrer erhabenen Ruhe und ihrer majestätischen Ausdehnung manches, was ein empfängliches Gemüt anspricht und zum Denken veranlaßt. Wenn man aber nach langer Reise durch die endlosen Grasfluren sich plötzlich in einer Umgebung befindet, wo mächtige Walnußbäume, Sykomoren, Eichen und Weiden mancher Art ihre belaubten Kronen in dunklen Massen zusammendrängen und Lianen und Weinranken girlandenweise den lieblichsten Schmuck bilden; wo sich also in üppiger Vegetation im knorrigen Stamm wie im schwankenden Reis das im dunklen Schoß der Erde wirkende Leben und eine unerschöpfliche Zeugungskraft verraten, so scheint sich der Genuß, den die auf verschwenderische Weise ausgestattete Landschaft gewährt, zu verdoppeln. Aber auch doppelt schön erscheint das Bild der Grassteppe, die man eben verlassen hat und in die man abermals einzudringen gedenkt. – Wie ein liebevoller Gruß der Natur lächelt dem Präriewanderer der kleinste Waldstreifen entgegen; wie ein Gruß dringen ihm das Gezwitscher und der Gesang befiederter Waldbewohner ans Herz; und sogar in dem klaren Auge der Schildkröte, die ihren Kopf aus den Fluten hebt und aufmerksam seine Bewegungen beobachtet, glaubt er einen Gruß zu erkennen, ja es lächelt ihm von allen Seiten freundlich und verständlich zu, wenn er sich aufmerksam den tausendfältigen Stimmen zuneigt, die selbst aus scheinbar toten Gegenständen zu ihm sprechen.
Die Moskitos vertrieben mich endlich vom Fluß, und als ich ins Lager zurückkehrte, traf ich meine Gefährten damit beschäftigt, durch das Fernrohr einen Bison zu beobachten, der langsam auf unser Lager zuschritt. Natürlich machten wir uns sogleich zu einer Jagd fertig, doch das Tier, gleichsam die Gefahr ahnend, bog plötzlich von der eingeschlagenen Richtung ab und ging weiter unterhalb durch die Pawnee Fork dem Arkansas zu.
Ohne Störung verstrich die Nacht, und frühzeitig befanden wir uns am 8. Juli schon wieder unterwegs. Ein milder Gewitterregen hatte die ganze Landschaft erquickt, in frischerem Grün prangte der Waldstreifen, den wir von der Höhe aus weithin gegen Süden zu überblicken vermochten; in frischerem Grün prangte die Ebene selbst, und auf kurze Zeit vom lästigen Staub befreit, zog sich unsere breite Straße in östlicher Richtung dahin. Wir näherten uns zeitweise dem Arkansas und entfernten uns wieder von ihm je nachdem der Strom selbst seine Windungen beschrieb oder je nachdem wir einen Übergangspunkt über die trockenen Betten von Gießbächen wählten, die mehrfach unsere Straße von Norden nach Süden durchschnitten.
Einem einzelnen Arapahoe begegneten wir; dieser war im Begriff, seinem Stamm die bevorstehende Ankunft des Agenten anzuzeigen, der sich nach seiner Aussage noch vier Tagereisen zurück befand. Der Indianer zeigte das Bild eines stattlichen Kriegers, und trotzdem er sich mit Waffen und phantastischem Schmuck, besonders mit Eulen- und Habichtfedern, förmlich überladen hatte, so führte er doch sein mutiges Pferd mit außerordentlicher Anmut und Sicherheit. Nach seinen Waffen zu schließen, mußte er ein vornehmer Häuptling sein, denn vorn auf seinem Sattel ruhte eine lange Büchse, an seiner linken Schulter hingen ein Schild aus festem Büffelleder sowie ein Bogen aus Elkhorn nebst wohlgefülltem Köcher, in der rechten Faust ruhte die leichte Lanze, während in seinem Gürtel der Tomahawk und das Messer blitzten.
Nach kurzem Aufenthalt ritt jeder seines Wegs, doch begegneten wir bald wieder drei einzelnen Reitern, die wie toll auf ihren wilden Pferden durch die Ebene jagten. Als sie uns erblickten, lenkten sie auf uns zu, und wir erkannten schon von weitem zwei Amerikaner und einen Indianer, die sich in ihrem Äußeren nur sehr wenig voneinander unterschieden. Erstere nämlich – zwei junge Burschen mit verwegenem Ausdruck in ihren bartlosen Zügen – hatten durch Vernachlässigung ihrer Person und durch teilweise indianische Kleidung viel von dem Charakter der Eingeborenen angenommen, während der Indianer, den ich seiner hellen Farbe wegen für einen Halfbreed hielt, sich durch Haltung und Kostüm wieder der weißen Rasse zu nähern suchte. Sie teilten uns mit, daß sie in Verbindung mit einem Tauschhändler ständen, dessen Etablissement wir im Lauf des Tages am Walnut Creek erreichen würden, und daß sie im Begriff wären, sich zu den Komantschen zu begeben, wohin sie schon einige Wagen mit Tauschartikeln vorausgesandt hatten.
Es bedarf gewiß der Nachsicht, daß ich in meiner Beschreibung sogar der Begegnung mit einzelnen Leuten gedenke, doch wie in der Wirklichkeit das Erscheinen von menschlichen Gestalten in der unbeschreiblichen Einsamkeit der Prärie gleichsam als Ereignis betrachtet wird und sich infolgedessen der Erinnerung mit unauslöschlichen Farben einprägt, so ist es mir, als ob ich hier nicht unterlassen dürfte, solcher geringfügigen Umstände Erwähnung zu tun. In diesem Fall ist die Rückerinnerung besonders lebhaft, weil mein Auge mich täuschte und ich einen Menschen nicht wiedererkannte, mit dem ich in früheren Zeiten monatelang gemeinsam die Steppen durchwanderte. Ich erfuhr nämlich in dem Haus des Pelztauschers, daß der vermeintliche Halbindianer ein junger Mexikaner namens Vincenti sei, der, als Kind von den Komantschen geraubt, allmählich deren Sitten und Neigungen angenommen habe. Seine Züge und der Ton seiner Stimme waren mir allerdings aufgefallen, doch nicht hinlänglich, um mich dadurch veranlaßt zu fühlen, nach seinem Namen zu fragen; und daß der hübsche, schlanke Indianer, dessen reich bestickte Mokassins und Leggins darauf hindeuteten, daß recht geschickte Squaws ihn bedienten, daß dieser also der kleine VincentiÜber Vincentis Geschichte siehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 60. sei, der einst Whipple's Expedition als Dolmetscher begleitete, das hätte ich nie vermutet, so sehr hatte sich der Knabe in dem Zeitraum von vier Jahren verändert. Ob nun Vincenti mich wirklich nicht wiedererkannte oder aus Laune nicht erkennen wollte, vermag ich nicht zu entscheiden; genug, wir trennten uns wie fremde Menschen voneinander, und einige Stunden später erfuhr ich erst, daß die Prophezeiungen, die ich einst dem verwilderten Jungen machte, eingetroffen waren: daß er sich nämlich in dem ungebundenen Leben eines Indianers glücklich fühlte und im Besitz von einigen hübschen Frauen gar nicht geneigt war, sein Los mit irgendeinem anderen zu vertauschen.