Balduin Möllhausen
Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas – Band 2
Balduin Möllhausen

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Dreißigstes Kapitel

Der Mord – Das Begräbnis – Zuñi war früher die Stadt Cibola – Lager in der Schlucht – Über die Ländereien der Navajos – Hinabgehen zum Puerco – Zahlreiche Viehherden der Navajos – Ankunft bei Fort Defiance – Verlegung des Lagers nach einer kleinen Schlucht – Die natürliche Brücke – Tierleben in der Schlucht – Der Diebstahl – Beschreibung der Umgebung des Forts – Cañon Bonito – Das Fort – Verhältnis zwischen den Amerikanern, den Moquis und den Navajos

Wie Peacock vorhergesagt hatte, so geschah es auch. Schon in den Nachmittagsstunden trafen einige Soldaten mit schweren Köpfen im Lager ein, und als wir uns am späten Abend in unser Zelt zurückzogen, wurden einer von Lieutenant Tiptons Mexikanern sowie auch der Hornist seines Kommandos als abwesend gemeldet. Da beide gesehen worden waren, als sie im trunkenen Zustand und miteinander hadernd die Stadt verließen, so beunruhigten wir uns nicht weiter und lebten in der Meinung, daß sie, von einer starken Ladung Whisky zum Gehen unfähig gemacht, sich für die Nacht auf der offenen Straße oder unter irgendeinem Busch einquartiert hätten.

Die Nacht verging ohne Störung, und das erste Grau des Tages trieb uns, zum Zweck eines frühen Aufbruchs, ins Freie. Kaum hatten wir das Zelt verlassen, als der wachhabende Sergeant die Meldung überbrachte, daß zwar der Mexikaner mit furchtbar zerschlagenem Gesicht zurückgekehrt sei, aber von dem Soldaten, der mit ihm zugleich die Stadt verlassen habe, nichts wissen wolle. Lieutenant Tipton war schon im Begriff, eine Patrouille nach diesem auszusenden, als der Kriegshäuptling José Maria herangaloppierte und uns benachrichtigte, daß auf dem Weg nach der Stadt ein Soldat liege. Noch immer war uns der Gedanke an einen Mord fern, und wir glaubten nichts anderes, als daß der übermäßige Genuß des Branntweins den Menschen in einen besinnungslosen Zustand versetzt habe. Es wurde indessen sogleich eine Anzahl Leute abgesandt, den Toten oder Scheintoten herbeizuschaffen.

Mit unserem frühen Aufbrach war es jetzt natürlich vorbei, und ich benutzte daher die Zeit, meine Aufmerksamkeit unserem Freund José Maria zuzuwenden und Erkundigungen über meinen alten Reisegefährten José Hatche einzuziehen, den ich bis dahin noch nicht wiedergesehen hatte. José Maria wies auf meine Frage mit der Hand in der Richtung nach der Stadt hin, wo sich einige Reiter auf uns zu bewegten, und teilte mir mit, daß José Hatche eben komme, um uns zu begrüßen, daß ich ihn aber nicht wiedererkennen würde, indem sein ganzes Gesicht durch eine Krankheit zerrissen und zerstört worden sei. Ich konnte nicht anders vermuten, als daß er von den Blattern heimgesucht worden sei, doch wie erschrak ich, als ich die Gestalt meines alten Gefährten erblickte und in seinen Zügen, die von einem Krebsschaden zerfressen waren, kaum noch Ähnlichkeit mit einem menschlichen Wesen entdeckte. José Hatche hatte mein Erschrecken und mein Bedauern wohl bemerkt, es war vielleicht das erstemal, daß er jemandem begegnete, der ihn zur Zeit seiner Blüte kennengelernt und, ohne den allmählichen Fortschritt der furchtbaren Krankheit von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr beobachtet zu haben, ihn nun plötzlich so gräßlich entstellt wiedersah.

Ich wiederhole, José Hatche war nicht blind für die Trauer, die sich, gewiß nicht absichtlich, in meinen Zügen spiegelte und natürlich seinen eigenen Schmerz aufs neue wachrief; denn ich bemerkte, wie seine tränenlosen Augen sich höher röteten und wie ein herber Seufzer sich seiner breiten Brust entrang, als er sich von seinem Eselchen zu mir hinneigte und mit aller Kraft meine Hand drückte. Der arme entstellte Häuptling, der einst seine lange, schwere Büchse wie ein dünnes Rohr schwang und wie spielend das wildeste Pferd bändigte; seine Tage waren jetzt gezählt, für seine Leiden und für seinen Schmerz gab es keine Heilung, keine Linderung mehr als den Tod; mag er nicht lange mehr auf sich haben warten lassen!

Ich reichte José Hatche mein letztes Restchen Tabak und wandte mich dann den Leuten zu, die eben auf einer Decke die Leiche des Hornisten herbeibrachten. An dem Blut, das durch die Decke träufelte, sah ich schon von fern, daß der Mensch auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen war, und als die Leute ihn dann niederlegten, überzeugte ich mich leicht von der Todesart desselben. Eine Revolverkugel war ihm auf der Stirn zwischen die Augen in den Kopf gedrungen, hatte das Gehirn zerschmettert und war am Hinterkopf wieder herausgefahren. Ich untersuchte die Wunden genau und zweifelte nicht daran, daß er den Schuß nicht in verräterischer Weise von hinten, sondern in ganz geringer Entfernung von vorn erhalten hatte. Der Tod mußte augenblicklich erfolgt sein, denn die Augen hatten sich noch nicht geschlossen, und beide schielten mit gräßlichem Ausdruck nach der Wunde hin; auch die Hände und steifgewordenen Glieder bewiesen durch ihre Stellung, daß nicht das geringste Zucken dem sicheren Schuß gefolgt war. So lag er nun da, der junge Mensch, ein Opfer des Trunks und der Zügellosigkeit. Die Menschheit hatte durch das Unglück nur wenig verloren, denn nach allem, was ich über den Burschen erfuhr, stand sein Ende vollständig im Einklang mit seinem Leben; aber in der Szene vor mir sowie in dem ganzen Vorfall die Abscheu erregende Gesunkenheit zu beobachten, bis zu der sich das Menschengeschlecht herabzuwürdigen vermag, das war genug, um zu tiefem Ernst und zur Traurigkeit zu stimmen.

Daß der Mexikaner, der in der Gesellschaft des Verunglückten trunken und hadernd die Stadt verlassen hatte, auch der Mörder war, unterlag keinem Zweifel; daß aber der Soldat durch Mißhandlungen den Rachedurst des Mexikaners aufgestachelt hatte, davon zeugte dessen verschwollenes, blutunterlaufenes Gesicht; und da dieser keinen Revolver führte, so mußte er dem Soldaten während des Ringens den eigenen entrissen oder aus dem Gürtel gezogen und nach dem Mord fortgeworfen haben. Die Waffe war nämlich spurlos verschwunden, dagegen hatte man die Leiche mit der Decke des Mexikaners verhüllt gefunden und bei dem mutmaßlichen, noch trunkenen Mörder dafür die halb ausgeleerte Branntweinflasche des Getöteten.

So klar die Sache auch vorlag, so leugnete der Mörder doch hartnäckig die Tat; er wurde indessen gefesselt, eine Schildwache zu ihm hingestellt und dann zur Beerdigung des Erschossenen geschritten. Am nördlichen Rand der Zuñi-Ebene, wo der Boden hügelweise zu steigen beginnt und wo dunkelgrüne Zedern sich vereinzelt von der Höhe hinab in die Ebene hineindrängen, ist eine nackte, abgesonderte Erhebung des Bodens bemerkbar. Man hat eine herrliche Aussicht von dort über die Felder der Zuñis, auf die graue Stadt und auf die mächtigen Felswälle, welche hinter derselben und auch zu beiden Seiten majestätisch emporragen. Dorthin begaben sich einige Mitglieder der Eskorte, um ihrem Kameraden ein Grab zu schaufeln, während andere die Leiche sauber in Decken einnähten und sodann auf Zeltstangen zu ihrer letzten Ruhestätte hintrugen. Neun mit Musketen bewaffnete Soldaten folgten unter dem Kommando des Lieutenants; auch Peacock und ich schlossen uns dem Zug an, und dahin ging es im langsamen Schritt durch die sandigen Felder der Zuñis.

Als wir den Hügel erreichten, war das Grab fertig, und sogleich wurde die Leiche in die Erde gesenkt. Eine Rede wurde nicht gehalten, ein Gebet nicht gesprochen, statt dessen aber krachten dreimal neun Schüsse über das offene Grab und seinen einsamen Bewohner, worauf alle Hand anlegten, durch eine Schicht von Zedernzweigen und schweren Steinen die Leiche gegen den Angriff der Wölfe zu sichern. Die Schaufeln wurden danach wieder zur Hand genommen, und bald darauf erhob sich ein einfacher Grabhügel auf dem nackten, steinigen Boden.

»Gewehr auf! Kehrt! Marsch!« kommandierte Lieutenant Tipton.

»Ich wünschte, der Bursche wäre im Kampf gegen die Indianer gefallen«, sagte Peacock, indem er seinen Arm durch den meinigen schob. »Tot ist tot«, antwortete ich, »mögen ihm die Tränen seiner Eltern, die jetzt vergeblich auf seine Rückkehr harren, nicht angerechnet werden, und mögen die Wölfe seine Gebeine in Ruhe lassen.«

Das war das Begräbnis in der Wüste.

Als wir ins Lager zurückkehrten, trafen wir alle Anstalten zum schleunigen Aufbruch, denn da wir uns nur noch drei Tagereisen weit von Fort Defiance befanden, so zogen wir es vor, den Mörder nicht zu richten, sondern mit dorthin zu nehmen. Uns wären ja doch nur zwei Wege offengeblieben, und zwar, entweder den Menschen, in Ermangelung eines Baumes zum Hängen, sogleich zu erschießen oder ohne Waffen und Lebensmittel entspringen zu lassen, und ich glaube fast, daß bei einer aus unserem Personal zusammengesetzten Jury mehr Stimmen für letzteres laut geworden wären, um so mehr, als der gewiß bald zurückkehrende Savedra sich des hilflosen Landsmanns gewiß angenommen hätte. Auch der mexikanische Pater in Zuñi würde dem armen Sünder schwerlich den leiblichen Trost versagt haben.

Eine geringe Verzögerung trat noch dadurch ein, daß einige Maultiere von der Herde abhanden gekommen waren und die ausgesandten Leute zwei derselben nicht wieder auffinden konnten. Unsere Rationen, die nur noch auf zwei Tage ausreichten, erlaubten uns indessen nicht, länger zu verweilen, und nachdem wir José Maria den Auftrag erteilt hatten, die fehlenden Tiere suchen zu lassen und uns nachzusenden, verließen wir gegen Mittag das Lager. Wir ritten nach der Ostseite des Zuñi-Tals hinüber und gelangten bald in eine alte Fahrstraße, die in nördlicher Richtung nach dem Militärposten Fort Defiance führte. Ein Navajo-Indianer befand sich in unserer Begleitung; dieser hatte sich besuchsweise einige Tage in Zuñi aufgehalten, und es schien José Maria sehr gelegen, denselben als Führer mit uns senden zu können; dabei riet er aber, dem Menschen nicht zu trauen und ihn besonders während der Nacht scharf zu bewachen.

Wer nicht imstande ist, auch in einer stiefmütterlich behandelten Naturumgebung wahre Freuden zu suchen und zu entdecken, der findet auf dergleichen Expeditionen oftmals nur sehr geringen Ersatz für erduldete Beschwerden und Entbehrungen. Es genügt nicht, daß man einen Genuß im freien Jagdleben findet, denn solcher Genuß wird häufig auf Wochen durch den gänzlichen Mangel an Wild verkürzt; es genügt nicht, daß man aufmerksam die Geheimnisse der Natur zu erforschen strebt, denn auch hier vermag man zuweilen in längeren Zeiträumen keine wesentlichen Veränderungen wahrzunehmen, selbst wenn auch die äußeren Formen bei jedem Schritt voneinander abweichen und dem Auge eine beständige, bis ins Unendliche hineinreichende Abwechslung bieten. Innige Liebe aber zur schöpferischen Natur macht jeden Augenblick wertvoll und erfrischt das Gemüt wie das Auge sogar in unwirtlichen Wildnissen. Wie oft habe ich auf meinen einsamen Ritten durch grausige Felswüsten mit dem Echo gespielt und mich an der Deutlichkeit der zurückschallenden Worte ergötzt! Und wie melodisch erschienen mir die heiseren Töne, wenn sie in leisen Schwingungen von Schlucht zu Schlucht getragen wurden! Mit welcher Wonne begrüßte ich dann wieder den ersten grünen Baum, und wie oft hielt ich bewundernd vor einem kleinen Grasplätzchen still, um mich wollüstig auf grünem Rasen auszustrecken, während mein Tier emsig die saftigen Halme abrupfte! Wie erfüllte mich der blaue, sonnige Himmel mit Frohsinn, zürnendes Gewölk mit Verehrung und das in nächtlicher Beleuchtung strahlende Firmament mit Andacht! In solchen Augenblicken ist es, als ob es aus jedem Felsen, jedem Baum, jeder Blume und jedem Blatt zu dem Menschen spräche, zu dem Menschen, der mit seinem Hader so vielfach die heilige Natur entweiht.

So dachte ich, als ich mich am Rand des Zedernwaldes umwandte und einen langen Scheideblick auf das Tal der Zuñis und auf ihre Stadt warf. Die Mängel übersehend, hatte ich nur ein Auge für Schönheiten, und vergessen waren für Momente die jüngst erlebten widrigen Ereignisse. – So ernst und majestätisch standen sie da, die in bläulichen Duft gehüllten, unerschütterlichen Felsmassen; so ruhig und friedlich dehnte es sich aus, das weite Tal mit seiner altertümlichen Stadt und seinen betriebsamen Bewohnern! Die Sonne beleuchtete alles gleich freundlich, die Berge wie die Ebene, die Wohnungen friedfertiger Menschen wie den von gewaltsam vergossenem Blut geröteten Sand. – So erschien mir das Tal der Zuñis jetzt, so war es schon damals, als eisenbekleidete Spanier zum erstenmal verwunderungsvoll auf diese Landschaft niederblickten. Ich wandte mein Tier, um der vorangeeilten Expedition nachzufolgen, und wie ich durch die niedrige, aber düstere Waldung dahinritt, tauchten vor meiner Seele die phantastischen Bilder längst entschwundener Zeiten auf.

Wenn wir die aus dem sechzehnten Jahrhundert stammenden alten spanischen Beschreibungen des Königreichs Cevola oder CibolaMarco de Nica, der dieses Königreich zuerst besuchte und beschrieb, nennt es »Cevola«. Coronado verwandelte den Namen in »Cibola«, und jetzt werden allgemein in Neu-Mexiko unter Cibolo Büffel verstanden. Whipple leitet diese Bezeichnung von den Büffelhäuten her, die in großer Anzahl in diesen Ländern gegerbt wurden. Glaublicher noch ist es, daß in diesem Fall der Name von den Büffelherden abgeleitet wurde, die, wie erwiesen, von jenen Nationen als Haustiere gehalten wurden. mit der jetzigen Stadt Zuñi und deren Bewohnern vergleichen, so zweifelt man kaum, daß Zuñi und die nächsten Trümmerhaufen, vielleicht auch noch einige der benachbarten bewohnten Pueblos, einst das Königreich Cibola bildeten. Man wird in dieser Ansicht bestärkt, wenn man die alten Reisejournale aufmerksam verfolgt und auf die Territorien von Neu-Mexiko, soweit dieselben bekannt sind, anwendet. Nach einem solchen Journal verließ Pater Marco de Nica am 7. März 1539 San Miguel in der Provinz Culiacan, zog durch die Wüste, die sich zwischen dem Rio Yaqui und dem Rio Sonora ausdehnt, und gelangte nach Überschreitung einer anderen Wüste in östlicher Richtung in ein weites, reich bevölkertes Tal mit großen Städten, wahrscheinlich die Casas Grandes am Gila. Dort erhielt er genauere Nachrichten von der dreißig Tagereisen weiter nördlich gelegenen Stadt Cibola und setzte seine Reise in der angegebenen Richtung fort.

Nach mühseliger Wanderung und nach Berührung von zahlreichen Städten, deren geographische Beschreibung jetzt auf manche Trümmerhaufen anwendbar erscheint, gelangte Marco de Nica endlich in die Nähe der Stadt Cibola, die ihm als die kleinste von sieben das Königreich bildenden Städten bezeichnet wurde. Furcht vor den Feindseligkeiten der Bewohner aber, die seinen Neger schon erschlagen hatten, hielt den ehrwürdigen Bruder ab, sich in die Stadt selbst hineinzuwagen, doch genoß er von einem Berg aus eine Aussicht auf diese, und er beschreibt sie in folgender Weise: »Die Stadt Cibola liegt in einer Ebene am Fuß eines runden Hügels; es scheint eine schöne Stadt zu sein, und sie ist besser angelegt als irgendeine andere in dieser Gegend. Die Häuser sind regelmäßig gebaut, haben verschiedene Stockwerke und flache Dächer.«

Wenn nun auch diese Beschreibung auf jedes andere Pueblo von Neu-Mexiko paßt, so ist Zuñi doch die einzige Stadt, die ich bis jetzt kennenlernte, die sich auf einem Hügel in einer Ebene befindet. Alle übrigen liegen entweder in Ebenen, wo keine Unregelmäßigkeiten des Bodens bemerkbar sind, oder auch auf hohen Felsplateaus.

Francisco Vasquez de Coronado besuchte Cibola im Jahre 1540, und seine Nachrichten stimmen mit denen des Marco de Nica ziemlich genau überein; auch erwähnt derselbe noch besonders die gezähmten Truthühner, die nicht ihres Fleisches, sondern ihrer Federn wegen gehalten wurden. Andererseits widerspricht Coronado den märchenhaften Berichten, die Marco de Nica über den Goldreichtum jener Völker machte und die wohl mehr berechnet waren, die Forschungen nach jenen Gegenden hinzulenken.

Als Neu-Mexiko in den Jahren 1581 und 1583 von Augustin Ruyz und von Antonio de EspejoDer Franziskanermönch Augustin Ruyz und andere verließen im Jahre 1581 Santa Barbara und reisten 250 Leguas nördlich in eine Provinz, die de los Tiguas genannt wurde. Nachdem hier einer der Mönche von den Indianern getötet worden war, kehrten die Soldaten nach Mexiko zurück und ließen die übrigen Missionare bei den Wilden. Im folgenden Jahr (1582) brach eine neue Expedition unter dem Kommando des Capitan Antonio de Espejo auf und gelangte an den Rio Grande del Norte. Espejo reiste längere Zeit im reichbevölkerten Tal dieses Stroms aufwärts, erreichte, sich dann westlich wendend, Zuñi und, wie aus den Beschreibungen hervorgeht, auch die Moqui-Städte. besucht wurde (auf der Gila-Straße), drangen diese bis zum Rio Grande del Norte durch, wo sie eine sehr dichte Bevölkerung entdeckten. Diesem Fluß bis oberhalb des 34. Grades n. Br. aufwärts folgend und sich danach wieder westlich wendend, gelangten sie nach Pueblo Acoma und von dort nach Zuñi, »das von den Spaniern Cibola genannt worden war«. Die volkreichen, weiter westlich gelegenen Städte, welche sie ebenfalls teilweise besuchten, können nur die Pueblos der Moquis gewesen sein, denn die am Colorado Chiquito gelegenen Ansiedlungen waren zu jener Zeit wohl schon längst wieder verlassen und in Trümmer zerfallen.

Aus all diesen Beschreibungen nun, mögen sie dem Altertum oder der Neuzeit angehören, geht immer hervor, daß die Zuñis einen der wenigen Völkerstämme bilden, die, obgleich fremdem Einfluß unterworfen, doch Jahrhunderte hindurch ihre Nationalität auf größtenteils friedlichem Weg zu behaupten wußten. Beim Hinblick hierauf gewinnt man unwillkürlich Interesse, ja Achtung vor einem Volk, dessen Charakter, patriarchalische Sitten und Bräuche im Sturm der Zeiten unverändert blieben, während die zahlreichen Nachbarstädte durch Auswanderung entvölkert wurden und ihre einst blühende Umgebung in eine öde Wildnis zurücksank.

Wie vor dreihundert Jahren, so steht auch jetzt noch in einer Ebene auf einem Hügel die Stadt Zuñi. Wann aber die Ruinen des alten Zuñi, die sich auf noch viel älteren Trümmerhaufen auf dem hohen Felsplateau erheben, verlassen und die neue, am Zuñi-Fluß gegründete Stadt bezogen wurde, das liegt begraben in tausendjähriger Vergangenheit. Zivilisierte Völker besuchen die von ihren Vorfahren herstammenden Ruinen, um daselbst froh die Gegenwart zu genießen. Die Zuñis haben auf den Gräbern ihrer Väter Altäre gegründet, und obgleich katholische Christen, beten sie dort nach ihren altherkömmlichen Bräuchen. –

Der Packtrain hatte fortwährend die alte Fahrstraße beibehalten, ich entdeckte indessen einen schmalen Pfad, der in gerader Richtung die gewundene Straße vielfach durchschnitt, und auf demselben hintrabend, gelangte ich bald wieder an die Spitze des Zuges, wo sich auch Peacock wieder zu uns gesellte, der nach der Stadt zurückgeritten war, um Pedro Pino selbst von dem Fehlen der Maultiere in Kenntnis zu setzen. – Lieutenant Tipton sowohl wie Peacock bezweifelten, je etwas von den Tieren wiederzusehen, ich dagegen behauptete das Gegenteil und bestand darauf, daß, wenn dieselben nicht von den Navajos geraubt worden seien, sie sich innerhalb vierundzwanzig Stunden wieder in unserem Lager befinden würden. So ritten wir dahin, streitend und erzählend, bergauf und bergab; trockener Kies bildete beständig unseren Boden und krüppelige Zedernwaldung unsere Umgebung.

Zwölf Meilen hatten wir zurückgelegt, als wir uns plötzlich am Rande einer breiten Schlucht befanden, aus welcher uns grüne Rasenplätze und blanke Wasserspiegel entgegenschimmerten. Der Weg führte steil abwärts, doch erreichten wir mit unseren Packtieren leicht den wegsameren Boden der Schlucht, der wir dann auf eine kurze Strecke folgten. Auf den Rat des Indianers lagerten wir nahe einem teichähnlichen Gewässer, um hier am folgenden Morgen die Fahrstraße zu verlassen und einen näheren, nur für Packtiere zugänglichen Pfad über die Höhen in nördlicher Richtung einzuschlagen. Wasser war natürlich mehr als im Überfluß vorhanden, doch hatte es einen so übeln, brackigen Geschmack, daß es fast untrinkbar dadurch wurde; selbst die Tiere schienen es zu meiden und verließen sogar den dichten, aber mit Alkalistaub überzogenen Rasen, um an den Abhängen der hohen Ufer nach spärlicherem, aber dafür nahrhafterem Futter zu suchen.

Wie leicht und gern verschmerzt man Unbequemlichkeiten, wenn man dafür durch eine anmutige, gleichsam lachende Umgebung entschädigt wird. Da lagerten wir in der Mitte eines länglichen Felsenkessels, senkrechte Wände schienen uns nach allen Richtungen hin den Ausweg abzusperren, und wie um das Starre der massiven Gesteinslagen zu mildern, drängten sich überall die lebensfrischen Kronen schlanker Tannen und die eigentümlichen Formen der Zedern hervor. Auch hohe Felsentürme und Pfeiler standen abgesondert umher, doch war nur die obere Hälfte derselben sichtbar, indem schattiges Buschwerk vorzugsweise in den Felsenwinkeln wucherte und die Basen der Gebilde verbarg. Was indessen der ganzen Umgebung den eigentlichen Reiz verlieh, das waren die schönen Farben, die auf so gefällige Weise miteinander abwechselten, und der grelle Kontrast, hergestellt durch die hellgelbe und rötliche Sandsteinformation und die dunkelgrünen Massen des Nadelholzes.

Dieselbe Formation und auch ähnliche Abwechslung der Umgebung beobachtete ich, solange ich mich in den Territorien der Navajo-Indianer befand. Die Grenzen derselben stoßen im Süden an das Gebiet der Zuñis, im Westen und Nordwesten an das der Moquis; im Norden dagegen wird der in den Colorado mündende Rio San Juan und im Osten der Hauptrücken oder die Wasserscheide der Rocky Mountains als Grenze angenommen. Die Eigentümlichkeiten dieses umfangreichen Landstrichs, die ihn gleichsam charakterisieren, sind seine Berge und seine Schluchten, größtenteils gebildet durch ein einstmals zusammenhängendes, jetzt aber vierfach gespaltenes Plateau. Die Schluchten, die in den meisten Fällen von senkrechten Felswänden eingeengt sind, dienen hauptsächlich zur Kommunikation in diesem durchbrochenen Terrain. Diese sind durch äußere Einflüsse allmählich so sehr erweitert worden, daß sie jetzt zusammenhängenden, malerischen Tälern gleichen, in denen die zahlreichen Herden der Navajos während des größten Teils des Jahres nahrhaftes Gras und während der winterlichen Schneestürme notdürftigen Schutz und mitunter sogar auch Obdach in natürlichen Höhlen finden. Die Baumvegetation beschränkt sich auf die verschiedenen Zedernarten, Zwergeichen und Tannen, und letztere erreichen in den Niederungen solche Höhe und Umfang, daß sie sich vortrefflich zu Bauholz eignen.

Überhaupt kann ich die Ländereien der Navajos nur als überaus schön, romantisch und ansprechend schildern, und eine äußere Ähnlichkeit zwischen diesen und einigen Punkten der Sächsischen Schweiz ist ganz auffallend; doch gebe ich zu, daß die Fruchtbarkeit der Täler in keinem Verhältnis zu ihrer einladenden, freundlichen Erscheinung steht. Ein Hirtenvolk vermag es dort leichter als der Ackerbauer, sich mit einer gewissen Art von Wohlstand zu umgeben, denn wohin man sich auch in den kleinen Ebenen und Tälern wendet – überall erblickt man den Sodastaub, der die Fruchtbarkeit so sehr beeinträchtigt, während das kurze, aber sehr nahrhafte Gras an den Abhängen und auf den Plateaus selbst eine überaus wertvolle Zugabe zu den Salzweiden in den Niederungen bildet.

In der Frühe des 13. Mai, als wir eben im Begriff waren, uns zum Frühmal niederzusetzen, trabte plötzlich ein Zuñi-Indianer mit den beiden verlorenen Maultieren ins Lager. Wie er angab, waren diese bald nach unserem Aufbruch gefunden worden, doch hatte er sich gescheut, sie am Tag nachzubringen, und sich unter dem Schutz der nächtlichen Dunkelheit sicherer gegen die verräterischen Navajos gefühlt. Es sollten ihm Speisen verabreicht werden, doch konnte Peacock ebensowenig wie Lieutenant Tipton sich dazu entschließen, mit einem Eingeborenen an demselben Tisch zu sitzen, und der Indianer kauerte sich daher bei den Köchen nieder, die, weniger von Vorurteilen befangen, sich durch die braune Hautfarbe nichts von ihrem Appetit nehmen ließen. Übrigens glaubte ich in dem Benehmen des Indianers zu erkennen, daß er sich weniger um unsere Gesellschaft als um die Speisen und die ihm verabreichten zwei Dollars kümmerte.

Wir verließen die Schlucht, die in dortiger Gegend unter dem Namen Posos bekannt ist, und uns nördlich wendend, folgten wir einem schmalen, vielfach gewundenen Pfad aufwärts, der uns an manchen tiefen Abgründen vorbei und endlich auf das Hochland führte. Nach kurzer Zeit aber schon befanden wir uns wieder am Rande eines tiefen Cañons, bei dessen mühseliger Durchschreitung wir es bedauerten, nicht der bequemeren Wagenstraße gefolgt zu sein, denn nicht wenig Verzögerung verursachte das Umpacken der Lasten, die sich auf den abschüssigen Wegen beständig mit den Sätteln verschoben und zuweilen auch ganz von dem Rücken der Tiere herabglitten.

Nach dreistündigem Ritt gelangten wir endlich in die Nähe des Rio Puerco. Dieser lag ungefähr zwölfhundert Fuß tief unter uns, und wir vermochten sein dürres, sandiges Tal weithin gegen Süden zu überblicken, wo es sich in eine wüste Ebene öffnete, während gegen Nordosten gigantische rote Sandsteinfelsen sich in das Tal hineinschoben und seine nördliche Verlängerung unseren Augen verbargen. Wir stiegen ab, und die Tiere am Zügel führend, folgten wir vorsichtig einer dem anderen auf dem gefährlichen Pfad, zu dessen beiden Seiten abwechselnd sich tiefe, schauerliche Abgründe öffneten. In geringer Entfernung, aber getrennt durch das trockene Bett eines Wildbachs, erhoben sich höher und höher, in dem Maße in dem wir abwärtsstiegen, die phantastisch ausgewaschenen Strebepfeiler und Kuppen des mächtigen Sandsteinplateaus, dessen von der Sonne grell beleuchtete rote Farbe das Auge fast blendete. Immer tiefer hinab zogen wir, immer bläulicher schimmerten die Zedern, die das Plateau krönten, bis wir uns endlich im sandigen Bett des Wildbachs befanden, wo ein ebenerer Weg offenstand.

Das Tal des Puerco lag jetzt versteckt hinter Felsvorsprüngen, nach einem kurzen Ritt bogen wir aber in dasselbe ein und fanden zu unserem nicht geringen Verdruß den Fluß vollständig trocken. Einige vereinzelte Cottonwood-Bäume erhoben sich wohl hin und wieder auf den Ufern und bezeichneten die gewöhnlich wasserhaltigen Vertiefungen und Senkungen des Bodens, doch auch diese waren dürr und trocken, und statt des gewünschten trinkbaren Wassers erblickten wir nur festen, vielfach geborstenen, lettigen Boden.

Unser Pfad fiel hier wieder mit der Wagenstraße zusammen, die weiter südlich in das Tal des Puerco einbog und diesem dann aufwärts folgte. Ohne Mühe gelangten wir durch das staubige Flußbett, und in nordwestlicher Richtung allmählich ansteigend, befanden wir uns ununterbrochen in einer so reizenden Umgebung, wie sie nur durch eine malerische Verteilung von Fels und Tal, von Wald und Wiese geschaffen werden kann. Eigentümlich kontrastierten gegen die schöne Landschaft die zahlreichen gebleichten Skelette von Ochsen und Pferden, die untermischt mit den letzten Überresten von zertrümmerten Wagen in der Nähe der Straße umherlagen und darauf hindeuteten, mit welcher Schwierigkeit die Trains zu kämpfen hatten, die zuerst das zur Anlage des Militärpostens nötige Material durch diese Wildnis schafften.

In den Nachmittagsstunden führte der Weg uns durch eine lange, mit stolzen Tannen geschmückte Schlucht, die in ein weites, von bewaldeten und grasigen Hügeln eingefaßtes Tal mündete. Zwei große Wasserspiegel bedeckten einen Teil der Ebene, doch schienen diese nur durch das letzte Schneewasser entstanden zu sein oder, vielleicht auch ursprünglich kleine Seen, nur auf kurze Zeit durch die von allen Seiten zuströmenden Bäche so sehr an Ausdehnung gewonnen zu haben.

Ich erblickte hier die ersten Herden der Navajos; und zwar nicht nur unglaublich starke Schafherden, die ähnlich denen der Zuñis aus ebenso vielen schwarzen wie weißen Mitgliedern bestanden, sondern auch zahlreiche Rudel von wohlgenährten Pferden, die teils ruhig grasten, teils mit wildem Ungestüm durch die Ebene hingaloppierten. Die Stellen der Hirten wurden fast ausschließlich von Kindern ausgefüllt, von denen einzelne noch so klein waren, daß sie kaum ihre kurzen Beine über die breiten Rücken der Pferde zu spreizen vermochten, doch hinderte sie das nicht, in toller Weise den dahineilenden Herden zu folgen.

Wie ich schon oben bemerkte, bilden die Schluchten die Mittel zur Kommunikation in diesem durchbrochenen Terrain, und wir folgten daher einer solchen nach, in der wir die schwachen Spuren von Wagenrädern entdeckten. Ein schmaler Bach, der aber viel lehmiges Wasser mit bedeutender Schnelligkeit den beiden Seen zuführte, bildete gleichsam unseren Wegweiser, und wir zogen an diesem aufwärts, wobei wir nach einem geeigneten Weideplatz ausschauten, um dort die Nacht zuzubringen. Doch das Frühlingsgrün ruhte noch verborgen in feuchter Erde, und das alte Gras war von den Herden der Navajos dicht auf dem Boden abgenagt worden, so daß uns kaum noch eine Wahl übrigblieb.

Nach einem Marsch von achtzehn Meilen hielten wir an, errichteten unser Zelt unmittelbar auf dem Ufer des Bachs und teilten unsere Lebensmittel so ein, daß uns für den folgenden Tag noch zwei Mahlzeiten übrigblieben, mit denen wir Fort Defiance zu erreichen hofften. Unser Lager füllte sich bald mit Eingeborenen, die auf flüchtigen Pferden herbeigesprengt kamen und wenn auch nicht mit großer Besorgnis, so doch mit unruhiger Neugierde nach dem Zweck unserer Reise forschten. Die Leute schienen kein gutes Gewissen zu haben und brachten die unvermutete Ankunft einer amerikanischen, bewaffneten Macht augenscheinlich mit einigen ihrer zuletzt verübten Räubereien in Zusammenhang, um so mehr, weil wir aus einer Richtung kamen, die seit langer Zeit nicht von den Amerikanern bereist war. Wir beruhigten sie indessen sehr bald und suchten ihnen dann einige ihrer flinken, dauerhaften Pferde abzuhandeln; natürlich für Geld und Gut, was wir auf dem Fort zu beziehen hofften. Wir fanden sie indessen wenig geneigt, sich von guten Pferden zu trennen, und schlechte konnten uns auf der Büffeljagd in den Prärien, zu welchem Zweck wir Rennpferde wünschten, von keinem Vorteil sein. So begnügten wir uns denn mit der Unterhaltung, welche uns die einsilbige, wilde Gesellschaft bot, sorgten aber dafür, daß vor Einbruch der Dämmerung sich der letzte Indianer mit seinem Pferd aus unserer Nachbarschaft entfernte.

Wir setzten am 14. Mai die Reise in der Schlucht fort, deren Charakter im allgemeinen beständig derselbe blieb. Nur dadurch, daß unser Weg langsam anstieg, das Plateau sich aber in geringem Grad gegen Norden senkte, rückten wir der zedernbewaldeten, höchsten Gesteinslage näher, und vielfach erblickten wir die verschiedenartigsten Gruppen von Eingeborenen, die träge auf den Felsabhängen umherkauerten oder -lagen und mit einem gewissen Gleichmut auf uns niederschauten. Die Nachricht von unserer Ankunft hatte sich übrigens schon weit verbreitet, denn bei jeder Biegung der sich erweiternden Schlucht beobachteten wir berittene Indianer, die emsig bemüht waren, die Pferde und Maultiere, die zu Tausenden das Tal belebten, von der Straße abwärts zu treiben, um sie nicht mit unserer Herde in Berührung kommen zu lassen.

Auch zwischen kultivierten Feldern führte unser Weg hindurch; diese waren künstlich bewässert, und Mais und Weizen waren mittels Hacken in den Boden gebracht worden, doch sah man der Arbeit an, daß sie auf träge Weise und mit einem gewissen Widerwillen verrichtet war.

Der Boden der Täler und Schluchten lag endlich nur noch wenige Fuß niedriger als die abgesonderten Flächen des Plateaus, doch nah und fern ragten über diese hinaus höher gelegene Steinschichten und Gebirgsmassen. Ein weiterer Überblick war uns nunmehr vergönnt; und es überraschte mich die Unzahl von Pferden, Kühen, Ochsen und Schafen, welche die Ebenen bedeckten und auf einen verhältnismäßig großen Reichtum der Bewohner deuteten. Die Hütten der Eingeborenen, die ich mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte, standen dagegen in gar keinem Verhältnis zu dem reichen Viehstand und zeugten mehr als alles übrige von der Trägheit und von den eigentümlichen Neigungen dieses wilden Volksstammes. Die Wohnungen bestanden einfach aus großen Lauben von Zedernzweigen, deren Wölbung auf starken Pfählen ruhte und von außen teilweise mit Erde, Lehm und Steinen bedeckt war. Trotz der schön gestreiften wollenen Röcke, mit denen die Weiber bekleidet waren, und trotz der ebenso grellfarbigen Decken, welche Männer, Weiber und Kinder in malerischen Faltenwürfen um die Schultern trugen, zeichnete sich doch die ganze Gesellschaft durch eine so ekelerregende Unsauberkeit aus, daß es mir jetzt fast unerklärlich erscheint, wie ich mir damals für einige Schuß Pulver einen Schafskäse kaufen und denselben auch mit dem größten Appetit verzehren konnte. Der Hunger tut aber weh, und wenn sich auch noch keine peinigende Not bei uns eingestellt hatte, gegen die wir uns durch ein geschlachtetes Maultier oder durch Schafe der Indianer leicht hätten schützen können, so fehlte es uns doch an Lebensmitteln, die durch ihre Nahrhaftigkeit der beständigen Bewegung im Freien entsprechend gewesen wären.

Um die Mittagszeit erreichten wir nach einem Marsch von zehn Meilen eine grasreiche Wiese, die zum Militärposten gehörte und zur Heuwerbung für die Besatzungspferde bestimmt war. Eine klare Quelle sprudelte am Rande derselben aus felsigem Boden, und da auf den nächsten Anhöhen verdorrte Zedern zwischen den noch grünenden umherstanden und es also bei der rauhen Temperatur nicht an dem nötigen Brennholz fehlte, so beschlossen wir, hierzubleiben und unsere Herde so lange auf der Heuwiese grasen zu lassen, bis uns vom Fort aus eine geeignetere Stelle angewiesen werden würde.

Wir waren nur sechs Meilen von Fort Defiance entfernt, und Lieutenant Tipton unternahm es daher, nach dem Posten zu reiten, um den kommandierenden Offizier noch an demselben Tag von unserer Ankunft in Kenntnis zu setzen und zugleich den Verbrecher abzuliefern. Ich freute mich, als ich den auf ein Maultier festgeschnürten Mexikaner unter Bewachung von zwei Soldaten das Lager verlassen sah, denn wenn ich mich auch stets von diesem entfernt gehalten hatte, so konnte ich doch nicht verhüten, daß zuweilen, gerade wenn ich es am wenigsten wünschte, meine Blicke auf die unglückliche Gestalt fielen, was dann immer auf längere Zeit meine Stimmung umdüsterte.

Peacock sowohl als ich hatten uns zur nächtlichen Ruhe in unsere Decken gewickelt, als wir plötzlich Pferdegetrappel vor den Zelten vernahmen und gleich darauf auch die Stimme des zurückkehrenden Tipton erkannten. Er war nicht allein, sondern ein junger Dragoneroffizier von der Besatzung hatte ihn begleitet, um die Nacht bei uns zuzubringen und uns am folgenden Morgen eine andere Lagerstelle anzuweisen. Welker hieß der junge Mann, der unsere Gastfreundschaft beanspruchte und sich auf liebenswürdige Weise mit einem Stoß Zeitungen und einer Flasche vom besten Arrak bei uns einführte. Schnell rollten wir daher zwischen unseren Decken hervor, und während unsere Diener die drei Betten in vier umwandelten, fachten wir das niedergebrannte Feuer zu hellen Flammen an, schlürften aufs gemütlichste unseren Grog und lasen uns gegenseitig einzelne Artikel aus den alten Journalen vor.

Nach einem Glas Grog schläft man gewöhnlich sehr gut, trinkt man aber vor dem Niederlegen deren zwei oder mehrere, so schläft man um soviel besser. So lautet ein altes Sprichwort unter den Steppenreisenden, und es verging uns denn auch in der Tat die Nacht so ruhig, wie wir es nur erwarten konnten. In aller Frühe waren wir indessen am folgenden Tag, dem 15. Mai marschfertig, und geführt von Lieutenant Welker folgten wir der Straße noch drei Meilen nach, worauf wir der westlichen nahen Bergkette zulenkten, wo wir nach einem Ritt von fünfzehn Minuten eine wasserhaltige Sackschlucht erreichten, die sich vortrefflich zu unseren Zwecken eignete. Da wir darauf rechneten, wenigstens acht Tage an jener Stelle verweilen zu müssen, so waren wir sorglicher bei der Errichtung der Zelte und berücksichtigten nicht nur die Bequemlichkeit, sondern auch das Anmutige der Umgebung, die, als wir aus der grauen Ebene in den grünenden Winkel eintraten, uns gleichsam entgegenlächelte.

An jenen Winkel knüpfen sich angenehme und schöne Erinnerungen; angenehm durch den geselligen Verkehr mit den Offizieren der Garnison, schön, weil die Natur hier aufs freigebigste so vieles geschaffen und zusammengefügt hatte, was ein empfängliches Gemüt mit inniger Freude erfüllen mußte; und ich beschreibe daher auch jenen Punkt mit einer ganz besondern Vorliebe.

Zwei etwa fünfundzwanzig Schritt voneinander entfernt stehende Felswände, die auf einer kurzen Strecke parallel miteinander hinliefen, waren die nächste Umgebung unseres abgeschlossenen Lagers; die Wände waren nicht hoch, doch bildeten sie die Basis baumreicher Hügel, die sich wieder an den nahen felsigen Gebirgszug anschlossen. In der Entfernung von hundert Schritt öffnete sich diese Schlucht in ein reizendes Tälchen, das teils von schroffen Abhängen, teils von massiven, hohen Felsmauern eingefaßt war. Das Westende der kleinen Fläche lief wieder in eine felsige Schlucht aus, die sich mehr und mehr verengte und bis hoch ins Gebirge hinaufreichte.

Was nun jenen Punkt am meisten auszeichnete, das war eine natürliche Brücke, die gleich hinter dem Eingang in das verborgene Tal die beiden Felsenufer miteinander vereinigte. Diese bestand aus einer einzigen kolossalen Platte von Konglomerat, die, fünfundzwanzig Schritt lang, zwölf Fuß breit und zwischen einem und zwei Fuß stark, in der Höhe von zehn Fuß horizontal auf den Uferwänden ruhte. Eine kristallklare Quelle rauschte aus dem Gebirge nieder, und ungestüm durch das Tälchen sprudelnd, polterte sie als kleiner Bach unter der Brücke durch, suchte sich um glattgewaschene Felsblöcke herum ihren Weg hinaus ins Freie, wo sie nach kurzem Lauf in dem porösen Boden versank.

Hohe Tannen und Zedern mit geborstener Rinde schmückten die nahen Abhänge und standen vereinzelt in der Schlucht und in dem Tal selbst, und da der Frühling in dem geschützten Winkel schon eingekehrt war, so gesellte sich zu der dunklen Farbe harziger Nadeln von Koniferen in den anmutigsten Schattierungen das lichtgrüne Laub von Zwergeichen, Cottonwood- und Weidenschößlingen, während an den losen Felsblöcken und Wänden sich wilde Stachelbeerstauden und junge Hopfenranken anschmiegten. Wo nun nacktes Gestein nicht die Oberfläche des Bodens bildete, da schimmerten lieblich kleine Grasplätze, als wenn sie mit künstlerischer Hand angelegt und sorgsam gepflegt worden wären.

All dies befand sich also auf dem beschränkten Raum; wenn ich aber schildern sollte, in welchem unnachahmlichen, schönen Einklang und doch malerischen, wilden Durcheinander die grauen Felsen, der sprudelnde Bach und die mannigfaltige Vegetation wie durch Zufall hingeworfen erschienen, so würde das meine Kräfte übersteigen; ich kann nur sagen, daß der Anblick der winzigen Landschaft mich überraschte und daß ich glaubte, in einen der verborgenen Gärten zu treten, auf welche die Natur in ihrem stillen, unerklärlichen Walten ihre ganze Sorgfalt verwendete, wie um dem einsamen Wanderer eine unvermutete Freude zu bereiten.

Im Eingang der Schlucht befand sich unser Lager, heller Sonnenschein erwärmte die Atmosphäre, hoch oben in den Kronen der Tannen sang der Wind in seiner eigentümlichen Weise, und im Schatten der Bäume und überhängenden Felswände dehnten sich träge die bestaubten, bärtigen Gestalten unserer Expedition. Da mich keine Geschäfte nach dem Fort hinaufriefen wie Peacock und Lieutenant Tipton, die beide für Lebensmittel zu sorgen hatten, so zog ich vor, im Lager zurückzubleiben und die nächste Umgebung zu durchforschen. Wie mich auf der Ebene vor der Schlucht das muntere Treiben der Präriehunde und Erdeulen ergötzte, deren reich bevölkerte Dorfschaften sich über Quadratmeilen ausdehnten, so erfreute mich in der Schlucht selbst, vorzugsweise aber in dem Tälchen, die kleine Vogelwelt, die sich gleich mir von der Umgebung angezogen fühlte. Singvögel mancher Art belebten das niedere Strauchwerk; an den Felswänden kroch hüpfend umher der zierliche Zaunschlüpfer und an den alten Stämmen der kleine Baumläufer. Von den bewaldeten Abhängen schrien mit heiserer Stimme die Häher und Spechte. Von den Gipfeln der hohen Bäume herab ließ die Turteltaube ihre melancholische Stimme vernehmen, während Schwalben den Tag über mit fröhlichem Gezwitscher die Lüfte durchschnitten und der die Dämmerung liebende Ziegenmelker mit unhörbarem Flügelschlag die Lagerfeuer umkreiste oder aus finsterem Winkel seinen klagenden Ruf zu uns herübersandte.

So fand ich zu jeder Zeit des Tages und nach jeder Richtung hin etwas zu beobachten; selbst der Bach, der dicht an meinem Zelt vorüberrieselte, fiel mir durch sein merkwürdiges Wesen auf, denn als ob die Arbeit des Tages ihn ermüdet hätte, so stellte er gegen Abend seinen Lauf ein und zeigte nur in den Felsvertiefungen noch kleine Wasserpfützen. Am folgenden Morgen dagegen rauschte er wieder mit neuen Kräften dahin, und erst gegen Mittag machte sich die Verringerung des Wassers von neuem bemerkbar.

Da die Quelle auf dem größten Teil des Weges durch die Schlucht über zusammenhängende Gesteinslagen rieselte, diese aber durch die Sonnenstrahlen bedeutend erhitzt wurden, so trat in der zweiten Hälfte des Tages eine außerordentlich schnelle Verdunstung ein, der die nächtliche Kühle erst wieder entgegenwirkte.

Die Tage des Harrens in diesem Lager vergingen in ungestörter Ruhe und unterschieden sich voneinander nur durch kleine Zwischenfälle, von denen einzelne des Hervorhebens wert sind, jedoch die Tagebuchform überflüssig machen. Ich zeichnete, jagte und vergrößerte meine Sammlungen in den Vormittagsstunden und widmete den übrigen Teil des Tages den uns besuchenden Offizieren des Forts. Diese schätzten sich glücklich, ihre vier Wände mit einem Plätzchen vor unserem gemütlichen Lagerfeuer vertauschen zu können, so wie es uns eine nicht weniger angenehme Unterhaltung gewährte, zeitweise unter Dach und Fach auf bequemen Stühlen zu sitzen und aus kristallenen Gläsern statt aus Zinnbechern zu trinken, alte Zeitungen zu lesen, Erkundigungen über das Land und seine Bewohner einzuziehen, zu plaudern, zu singen und zu musizieren.

Die Indianer besuchten uns nur selten, und auch dann nur zu zweien oder dreien; doch wurden wir gleich am zweiten Tag auf äußerst empfindliche Weise daran gemahnt, gegen diese räuberische Horde auf der Hut zu sein. Unter dem Gepäck befanden sich nämlich auch vier leichte lederne Koffer, in denen Lieutenant Ives seine Journale und Notizen aufbewahrte. Als wir uns am Colorado Chiquito voneinander trennten, übergab er diese Peacocks besonderer Obhut, der nicht ermangelte, allabendlich die Koffer der Sicherheit wegen neben unserem gemeinschaftlichen Zelt unter der Felswand übereinander hinstellen zu lassen, und die Schildwachen erhielten strenge Anweisung, während der Nacht ständig umherzugehen und ihre Aufmerksamkeit zwischen der Herde, dem Gepäck, den Zelten und den lose umherliegenden Gegenständen zu teilen.

Es geschah alles wie angeordnet, doch als wir am frühen Morgen des zweiten Tages ins Freie traten, bemerkte Peacock augenblicklich, daß einer der Koffer fehlte. Nach einigem Umherspähen entdeckten wir, daß ein frecher indianischer Räuber unter dem Schutz der Finsternis an der Felswand heruntergeklettert war, die jedesmalige Abwesenheit der umherwandernden Schildwachen dazu benutzt hatte, den Koffer einige Fuß weiter nach dem Abhang hinaufzuschaffen und dann mit seiner Last über die Berge davongegangen war. Peacock begab sich sogleich mit drei Mexikanern auf den Weg, um dem Räuber nachzuspüren, und es gelang ihm auch, trotz des ungünstigen steinigen Bodens, die Fußtapfen des Indianers auf einer Strecke von vier Meilen zu verfolgen; dort aber war der schlaue Dieb in einen vielbetretenen Pfad eingelenkt, wo einige ihm zufällig begegnende Eingeborene seine ohnehin schon leichten Spuren vollständig verwischt hatten.

Es blieb nun noch als einziges und letztes Mittel, den Kommandanten des Postens von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen, da er es vielleicht vermochte, durch Drohungen oder auch durch Verhaftung einiger Häuptlinge den Dieb zur Herausgabe seines Raubes zu bewegen, der überdies für einen Indianer nur sehr wenig vorteilbringend war, indem er aus beschriebenen und unbeschriebenen Büchern und Papieren bestand und also höchstens bloß zu Zigarrenhülsen verwendet werden konnte. Ganz gegen unser Erwarten bot der Kommandant eine bedeutende Summe Geldes und volle Straflosigkeit demjenigen, der die Papiere, wenn auch ohne Koffer, zurückbringen würde; der Dieb aber, wie es vorauszusehen war, eine Falle hinter solchen Anerbietungen vermutend, ließ nichts von sich hören oder sehen. Erst einen Tag vor unserer Abreise brachte ein Indianer einen Teil der Gegenstände, die er wahrscheinlich dem ersten Dieb entwendet hatte, um den versprochenen Lohn dafür in Empfang zu nehmen, doch fürchte ich, daß viele der astronomischen Beobachtungen, die Lieutenant Ives an der Mündung des Colorado anstellte, verlorengegangen sind.

Das milde Verfahren des Kommandanten diente gewiß nicht dazu, die Eingeborenen vor ähnlichen Räubereien zurückzuschrecken, und es blieb uns also nur übrig, die Wachsamkeit der Leute zu verschärfen und bekanntmachen zu lassen, daß jeder, der sich zur Nachtzeit verstohlen dem Lager näherte, von den Schildwachen erschossen werden würde. Die Drohung schien gefruchtet zu haben, denn die Diebe hielten sich fern von uns, und nichts ging uns mehr verloren während der ganzen Dauer unseres Aufenthalts bei Fort Defiance.

Unter 35° 40' n. Br. und 109° 14' 30" westlich von Greenwich und in der Erhebung von 8300 Fuß über dem Meeresspiegel liegt in einem unregelmäßig begrenzten Tal Fort Defiance. Die nächste Umgebung bilden Berge und Reste eines höher gelegenen Plateaus, in denen die Sandsteinformation (new red sandstone) überall vorherrschend ist. Nur in der Entfernung von acht Meilen von dem Fort, in östlicher Richtung, erhebt sich auf kahler Ebene eine lange Reihe phantastisch geformter vulkanischer Felsen. Sowohl die schwarze Farbe des Gesteins, seine äußeren Formen, als auch der Umstand, daß die ganze Kette wie plötzlich aus der Ebene aufgetaucht erscheint, läßt kaum einen Zweifel über ihren Ursprung, und man ist beim bloßen Hinblick auf diese schon geneigt, sie als Produkt des alten Vulkans Mount Taylor zu betrachten, dessen Lavaströme nicht nur die östlichen Abhänge der Rocky Mountains vielfach bedecken, sondern auch ihren Weg auf der Westseite bis über Zuñi hinaus gefunden haben.

Der Kontrast zwischen den roten Sandsteinfelsen, die an den Abhängen der grasigen, mit Zedern geschmückten Berge hervortreten oder als mächtige Wälle sich kulissenähnlich hintereinander schieben, einerseits und den abgesonderten, schwarzen, dreihundert Fuß hohen Türmen und Kuppen andererseits ist über alle Beschreibung lebhaft und bei der Klarheit der Atmosphäre selbst in der Ferne scharf ins Auge fallend, und die ganze Landschaft erhält dadurch einen eigentümlich wild-romantischen Charakter.

Die Lage des Forts mit seinen zahlreichen Baulichkeiten ist kaum schön zu nennen, indem man aus allen Richtungen in der Entfernung von einer Meile kaum etwas anderes als den Flaggenstock wahrzunehmen vermag. Ersteigt man aber jeden beliebigen nahen Berg und schaut dann niederwärts, so kann man nicht umhin, sich über die Art zu freuen, in der die grauen Baracken, Ställe und Häuserreihen jedesmal das wie ein Teppich ausgebreitete Bild vervollständigen. Zur Wahl jener Stelle hat ein nie versiegender Bach Veranlassung gegeben, der aus einer nahen Schlucht, dem Cañon Bonito, schönes, klares Wasser dem Fort mit seinen Menschen, Tieren, Gärten und Feldern zuträgt. Es ist fast zu bedauern, daß die Militärstation aus strategischen Rücksichten nicht näher an der ebengenannten Schlucht gegründet werden konnte, in welchem Fall eine anmutigere Lage wohl kaum denkbar gewesen wäre; denn ich kann wohl sagen, daß, während meiner Reise in den Navajo-Territorien, ich keinen einzigen Punkt gefunden habe, wo sich auf verhältnismäßig geringem Raum imposantere und malerischere Formationen zusammengedrängt hätten, als im Cañon Bonito.

Die Schlucht bildet gleichsam ein mächtiges Felsentor, das durch einen Gebirgszug führt, so daß man vom Fort aus, auf ebenem Weg, zwischen Feldern, Gärten und reich bewässerten Wiesen hindurch, auf eine jenseits des Bergjochs befindliche Prärie gelangen kann, die von bewaldeten Hügeln lieblich umsäumt ist. Die Länge der Schlucht beträgt kaum eine Meile, die Breite vierhundert bis fünfhundert Fuß, und wie keine Unebenheit den in Felder und Wiesen abgeteilten Boden in derselben stört, so erheben sich auch über tausend Fuß hoch die dunkelroten, senkrechten Wände, ohne durch Spalten oder Vorsprünge unterbrochen zu werden. Einzelne Kakteen und verkrüppelte Zedern haben in kleinen Rissen oder auf Anhäufungen von Geröll am Fuß der Wände Wurzel geschlagen, doch außer diesen belebt nichts die drohend emporragenden felsigen Flächen.

Das Fort – oder die Militärstation, wie man es wegen des Mangels an Befestigungen richtiger bezeichnet – ist im gewöhnlichen mexikanischen Stil aufgeführt, das heißt, die einzelnen Gebäude erheben sich in Würfelform, und ein flaches Dach ruht auf den dicken Adobe- oder Lehmmauern. Die Kasernen und Wohnungen der Offiziere bilden ein großes, längliches Viereck, in dessen Mitte sich ein Brunnen befindet. Militärische Ordnung und Reinlichkeit zieren die Gebäude, und sogar der frische, grüne, von regelmäßigen Pfaden durchkreuzte Rasen schien zur Zeit meiner Anwesenheit militärisch zugestutzt zu sein. Um die Baracken herum liegen weniger schön geordnet die Pferdeställe, Werkstätten, Kaufhäuser und Beamtenwohnungen, und an diese schließen sich die zum nächtlichen Aufenthalt der Herden bestimmten Einfriedungen und die Gärten an. Und so macht denn das ganze Etablissement den Eindruck einer blühenden, jungen Stadt, deren äußerer Erscheinung weiter nichts fehlt als Obst- und Zierbäume, die wir ja gewohnt sind, in der kleinsten Ansiedlung zivilisierter Gegenden zu finden. Doch auch diese werden nicht lange auf sich warten lassen, denn obgleich erst acht oder neun Jahre seit der Gründung der Station verflossen sind, so erblickt man in den Gärten doch schon zahlreiche, kräftige Schößlinge, die versprechen, einst ebenso kräftige Bäume zu werden.

Die Besatzung von Fort Defiance besteht gewöhnlich aus zwei Schwadronen Dragoner, einer Schwadron reitender Jäger, zwei Kompanien Infanterie und einer Batterie von vier sechspfündigen Kanonen. Die Stärke der Besatzung ist übrigens von der Stimmung abhängig, in der sich die Navajos befinden, und die Übergriffe dieser Wilden, die mit Bequemlichkeit eine Streitmacht von dreitausend Kriegern zu stellen vermögen, haben schon mehrfach eine Verstärkung der Garnison veranlaßt, die in solchen Fällen neue Truppen von Albuquerque und Santa Fé an sich zog. Die Indianer, die sich noch immer als die Herren ihres angestammten Landes betrachten, begnügen sich übrigens damit, durch Räubereien, ja durch Drohungen die Amerikaner herauszufordern und in dem Augenblick, wenn diese im Begriff sind, zu Repressalien zu schreiten, sich wieder fügsam zu zeigen.

Seit langen Jahren waren die Navajos eine wahre Geißel aller benachbarten Länder und Völker, und in dem Bewußtsein ihrer Kraft, und gefürchtet wie sie waren, dehnten sie ihre Raubzüge bis unter die Mauern von Santa Fé aus, wo sie sich mit grenzenloser Frechheit der Herden der Einwohner bemächtigten und dann eilig ihren Schluchten und Bergen zuzogen. Da sie stets unvermutet erschienen, so kam die zu ihrer Verfolgung aufgebrachte Mannschaft immer zu spät, und von den Bergen herab verlachten sie ihre Feinde, während die Beute in den labyrinthischen Schluchten in Sicherheit gebracht wurde. Doch ebenso, wie sie die spanische Bevölkerung Neu-Mexikos heimsuchten, so übten sie und üben sie auch noch heute auf die friedlichen Stämme der benachbarten Zuñis und Moquis einen Druck aus, der den Viehstand, besonders aber die Pferdezucht dieser Städte bauenden Indianer nie zu einem rechten Emporblühen kommen läßt. Die Gründung einer Militärstation im Herzen ihres Landes, wo in jedem Augenblick Repressalien an ihren zahlreichen Herden genommen werden können, hat freilich dem großen Raubsystem der Navajos gegen die Weißen etwas Abbruch getan, doch seufzen die Moquis und Zuñis noch immer unter dem Joch der ihnen an Zahl so weit überlegenen Nachbarn, gegen die sie selbst vor den Amerikanern, die ihnen Schutz gewähren sollen, keine Gerechtigkeit finden.

Es ist eine Tatsache, die sich nicht ableugnen läßt, daß die Navajos den Offizieren von Fort Defiance täglich Klagen über die Räubereien der Zuñis und der Moquis vorbringen, und nie stärker, als wenn sie selbst einen glücklichen Raub an jenen vollbracht haben; Tatsache ist es ferner, daß ihren Klagen Glauben beigemessen wird, während doch augenscheinlich die Herden der Pueblo-Indianer nie zunehmen, die der Navajos sich dagegen bis ins Unglaubliche vermehren.

Welchen Grund ich solch ungerechtem Verfahren von Seiten der ihr Gouvernement vertretenden amerikanischen Offiziere zuschreiben soll, weiß ich nicht. Ist es nun der Umstand, daß die Moquis und Zuñis bei Vorbringung ihrer Klagen auf dem Fort keine willigen Ohren fanden und auf ihrer Heimreise durch das Gebiet der Navajos noch Spott und Hohn von diesen ernteten und sich infolgedessen ebenfalls durch Diebstahl schadlos zu halten suchten, oder ist es der Wunsch der kommandierenden Offiziere, Blutvergießen zu vermeiden, in Frieden mit der mächtigen Nation zu leben und es den Eingeborenen zu überlassen, ihre Zwistigkeiten unter sich zu beseitigen? Was es auch immer sei, ich selbst muß solches Verfahren für ungerecht erklären, weil in meinen Augen der Pueblo-Indianer, der in moralischer Beziehung den größten Teil der übrigen Bevölkerung von Neu-Mexiko so weit überragt, ganz dieselben Rücksichten verdient wie jeder andere Mensch, mag nun eine Haut so weiß wie Elfenbein oder so schwarz wie Ebenholz seine Seele decken.

So sehen wir hier wiederum, wie das Vorurteil gegen eine dunkler gefärbte Haut Ungerechtigkeiten und Verderben veranlaßt. Doch leider gibt es in den Augen eines großen Teils der amerikanischen Bevölkerung nur eine weiße und eine farbige Rasse, und während sich zwischen den Lästerern der Farbigen und ihren Opfern geschlechtliche Verbindungen bilden; während die Sprößlinge der verbrecherischen Leidenschaften Weißer und der unterdrückten, verkrüppelten Erziehung Farbiger den großen Kontinent überschwemmen, eifern Sklavenzüchter und Indianerfeinde gegen alles, was nicht ihre Hautfarbe teilt, und in diesen Fällen leider nur zu oft gegen ihr eigenes Fleisch und Blut.


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