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Zur Zeit, da frisch am Rand der Matten
Die Veilchen blühn im Waldesschatten,
Fehlt es an Paaren nicht, die froh sie pflücken gehn!
Und kommt die Zeit, da nach Gewittern,
Die jäh des Schiffers Mast zersplittern,
Das Meer mit nur noch leisem Zittern
Die stolze Brust bewegt und sanft die Winde wehn;
Dann fehlt's an Booten nicht noch Prahmen
Mit Netzen und mit Fischerrahmen,
Die aus des Hafens Hort hinaus ins blaue Meer
Auf Flügeln ihrer Ruder schweben
Und flink sich an den Fang begeben.
Zur Zeit sodann, wann hold ins Leben
Aus großen Augen blickt der Mägdlein schmuckes Heer,
Wann Bauerndirnen oder Damen,
Erblüht, zu Ruf der Schönheit kamen,
Fehlt es an Freiern nicht in Schloß und Meierei.
Allein im Zürgelhofe werden
Es ihrer drei sein. Rinderherden
Stand einer vor, der andre Pferden;
Und auch ein Schäfer kam; gar stattlich alle drei.
Alàri war es, der den Reigen
Eröffnete. Ihm waren eigen
An tausend Schafe wohl am Entressèner Teich,
Wann sich der Trieb im Weizen rührte
Und man des Maimonds Nahen spürte,
War er's, der seine Tiere führte
Zu frischer, grüner Trift in weitem Alpenreich.
Man sagt, neun Scherer, auserkoren,
Hätten für ihn drei Tag' geschoren,
So oft Sankt Markus kam. Man zählte überdies
Den Mann nicht mit, der all die schweren
Wollvließe forttrug nach dem Scheren,
Noch auch den Buben, der die leeren
Weinkannen ohne Rast von neuem füllen ließ.
Wann aber erst die Sommerhitzen
Nachlassen, und der Berge Spitzen
Schon früh umwirbelt sind von Sturm und erstem Schnee;
Dann muß man sehn, wie nach den Heiden,
Das Wintergras der Crau zu weiden,
Die Herden von den Alpen scheiden!
Dann kommen sie zu Tal vom hohen Dauphiné.
Hei, welch ein Schauspiel! In den Engen
Der rauhen Pfade, welche Mengen!
Dem ganzen Troß voran sieht man der Lämmer Schar
Um ihre Hirten fröhlich springen.
Dann folgen, an den Halfterringen,
Die Eselein mit Schellenklingen:
Die Fohlen nebenher, im Trab, der Ordnung bar.
Auf hohem Sattelkissen reitet
Der Treiber, der die Esel leitet;
Die tragen mit Geduld, im Korbgeflecht aus Bast,
Getränk und Speisen und der Leute
Kleidwerk und auch die frischen Häute
Der Tiere, die dem Stahl zur Beute;
Und manch ein müdes Lamm. Nicht leicht ist ihre Last.
Fünf feiste, schwere Böcke zogen,
Die Hörner weit zurückgebogen,
In Front, mit Glöckchenklang, voraus dem Ziegenheer.
Seht, wie so stolz die Häupter nicken,
Seht, wie sie schräg und drohend blicken!
Die Muttergeißen mit den Zicken
Und Böcklein folgten rasch, in Sprüngen, hinterher,
Ein Trupp, der gern vom Weg ab irrte;
Ihn hütete der Ziegenhirte.
Leithämmel kamen nun, ausschreitend mit Bedacht,
Schafböcke, die, das Maul erhoben,
Sich eilig voreinander schoben
Und lustig in den Morgen schnoben.
Die großen Widder ziert gewundner Hörner Pracht;
Und ihrer Vornehmheit zum Zeichen
Sind ihre Rücken, ihre Weichen
Mit ungeschornem Busch aus Wollenhaar geschmückt.
Zu Häupten dieser Truppe schreitet
Im Mantel, der sich bläht und weitet,
Der Oberschäfer, der sie leitet.
Allein die Hauptarmee kommt jetzt erst angerückt.
Umhüllt von dichten Staubes Wolke,
Mit Blöken ihrem jungen Volke
Antwortend, drängen sich die Mutterschafe vor
Und gönnen sich nicht Ruh' noch Rasten:
Die Racken zieren rote Quasten.
Die wohlbeleibten Hammel hasten
Nicht gerne allzusehr; sie blöken laut im Chor.
Dann kommen Schäfer, ihren Hunden
Zurufend. Weiter, mit den runden
Teerzeichen wohl versehen, das ungezählte Heer:
Erwachsne, deren Zucht vollkommen,
Die, denen man das Lamm genommen
Und die, die zweimal Wurf bekommen;
Die Zwillingsmütter dann, an Leib und Gliedern schwer.
Als mitgeschleppte Nachhut kamen
Die Überfetten und die Lahmen;
Der alten Bockschwadron zerlumptes Heldentum
In ungepflegtem Wollgewande,
Zu Dienst und Kämpfen außer stande;
Der Ausgeschoßnen Krüppelbande
Die beides eingebüßt, die Hörner und den Ruhm.
Und alles war, die Jungen, Alten,
Die Schönen und die Mißgestalten,
Alàris Eigentum, so viel im Weg es gab . . .
Wenn Hunderte von Schafen, Ziegen
Ihm von den Alpen niederstiegen
Erfreuten ihn die stolzen Riegen . . .
Gleich einem Zepter trug er seinen Ahornstab.
Schritt er mit seinen Hürdenhunden,
Die Lederstrümpfe hochgebunden,
Einher, die Stirne frei, das Auge hell und klar,
Inmitten seiner Karawanen,
Konnt' er an König David mahnen,
Der an den Brunnen seiner Ahnen
Als Jüngling tränken ging die fromme Herdenschar.
Und zu Mirèios Hof gekommen
Erschaut er sie . . . Was ich vernommen,
Heil mir! ist mehr als wahr! rief froh der junge Mann.
Nicht im Gebirg, nicht im Gefilde,
In Wahrheit nicht und nicht im Bilde
Sah je ich eine, die an Milde,
An Schönheit und an Reiz mit ihr sich messen kann!
Alàri war, daß er sie sähe,
Von seinem Zug ab in die Nähe
Des Zürgelhofs geschweift. – Nun stand er, leicht verwirrt,
Vor ihr und sprach, fast stammelnd, leise:
Mit meiner Herde, Mägdlein, reise
Ich hügelwärts, kannst du, so weise
Die Wege mir, weil sonst man hier sich leicht verirrt. –
Wohl, sprach Mirèio, kann ich's sagen:
Ihr habt den Weg nur einzuschlagen
Gradaus, dann kommt ihr bald zur Pèiro-Malo-Kluft
Und wandert im gewundnen Tale
Bis ihr die prächtigen Portale
Seht, wo aus Stein die Säulenmale
Von zweien Feldherrn stehn, hoch ragend in die Luft.
Man nennt sie »Lis-Antico«. – Danke!
Versetzt der Jüngling. Tausend blanke
Wolltiere treiben wir zu Berge hier vorbei.
Sie tragen allesamt mein Zeichen;
Ich will voraus das Land durchstreichen
Und schauen, wo sie Trift erreichen
Und wo das Nachtquartier zu nehmen rätlich sei,
Damit die Herde wohl gedeihe! . . .
Und wenn ich einst ein Mädchen freie
Hört es der Nachtigall Gesang bei Tag und Nacht . . .
Und nähmst du, Blume unsrer Heide,
Mich an, dir gäb' ich nicht Geschmeide,
Doch, daß dein Auge dran sich weide,
Ein Trinkgefäß ans Buchs, das ich für dich gemacht.
Und sacht, als wär' es Martyrasche,
Zog er aus seines Wamses Tasche,
Dies sagend, einen Kelch aus hartem Buchs geschnitzt;
Denn seiner Hand war es verliehen,
Die Linien schönheitsvoll zu ziehen
Und manch ein Bild war ihm gediehen
Mit einem Messer nur in Holz und Bein geritzt.
Er schnitzte Klappern für die Herden,
Die Nachts durchs Feld geleitet werden;
Dem Vieh, das Schellen trägt schnitt er ins Nackenband
Und in die harten Glöckchenschwengel
Die schönsten Heiligen und Engel,
Gevögel, Zierat, Blumenstengel;
Ihm schuf, was er ersann die kunstgeübte Hand.
Doch vom Gefäß, das jetzt er brachte
Versichr' ich euch, daß niemand dachte
Ein Hirtenmesser hab' ihm Form erteilt und Schliff:
Ein Zweig mit offner Felsenrose
Umschlang es anmutsvoll und lose;
Zur Seite weideten im Moose
Zwei schlanke Rehelein und bildeten den Griff.
Darunter, wunderbar gelungen,
Ragt' eine Gruppe von drei jungen
Mutwill'gen Mädchen auf . . . In einem Holderstrauch
Sah man den Hirtenknaben schlafen.
Die Schönen, wie um ihn zu strafen,
Schwangen ein Traubenreis und trafen
Ihn mitten auf den Mund. Man sah, er fühlt' es auch;
Denn der drei losen Mädchen Gabe
Belächelte der Hirtenknabe;
Und eine von den drei'n sah ganz ergriffen aus. . . .
Man hätte, absehnd von der kalten
Holzfarbe, alle die Gestalten
Und Mienen für belebt gehalten. . . .
Der Becher war noch neu, noch niemand trank daraus.
Mirèio sprach: Gewiß, ich finde
Ihr bringt ein reizend Angebinde. . . .
Und sie beschaut' es lang. Dann aber, ganz beherzt:
O Schäfer, laßt es euch nicht kränken,
Mein Freund hat Schönres zu verschenken:
Sieht er mich liebend an, dann senken
Die Wimpern sich, es loht ein Glück auf, das mich schmerzt. . . .
Und einer Elfe gleich entschwirrte
Das junge Mädchen. . . . Und der Hirte
Schob seinen Kelch ins Wams; und sacht, im Dämmerschein,
Schlich er vom Hofe, sehr verdrossen,
Daß jäh sein schöner Traum zerflossen,
Und sie, so jung und reizumgossen,
Schon einen andern hegt in ihres Herzens Schrein. –
Bald, auf des Zürgelbauern Güter,
Kam auch Veran, der Stutenhüter.
Veran kam vom Sambü, wo auf dem Wiesenplan
Seeastern blühn in Sonnengluten;
Dort zwischen Meer und Rhonefluten,
Besaß er hundert Schimmelstuten.
Der Marschen hohes Schilf war ihre Tummelbahn.
Ja, hundert Stuten! Weiß, mit Mähnen
Gleich langgewellten Silbersträhnen,
Mit Mähnen, weich und dicht, wie Kolbengras im Moor.
Gleich seidnen Feenschärpen schwangen
Sie sich, wenn über Stein und Stangen
Die feurig-schönen Tiere sprangen,
Von ihrer Hälse Bug hoch in die Luft empor.
Zur Freiheit sind auch sie geboren
O Mensch! Nie unterwirft den Sporen
Camargos Stute sich und nie der Schmeichelhand.
Verrat muß sie zuvor beschleichen
Und knirschend nur beut sie die Weichen
Dem Stahl und trägt der Knechtschaft Zeichen;
Und trifft Verbannung sie vom salz'gen Heidestrand,
Dann, eines Tages, kann man sehen,
Wie, ohne Macht zum Widerstehen,
Der Reiter, wer er sei, von ihrem Rücken fliegt;
Und blitzgleich wird sie zwanzig Meilen
Bis hin zur Heimattrift durcheilen,
Die Schmach der Sklaverei zu heilen,
Der Salzflut freien Hauch zu atmen, unbesiegt.
Denn eines Gottes Wellenrossen
Scheint wahrlich dies Geschlecht entsprossen,
Das von Neptuns Gespann gewiß einmal entfloh,
Schaumweiß auch heute noch zu schauen;
Und rast der Sturm in Mast und Tauen
Und füllt des Schiffers Herz mit Grauen,
Dann wiehern weit am Strand die Hengste hell und froh.
Sie knallen wie mit Peitschenschleifen
Mit ihren langen Seidenschweifen
Und scharren mit dem Huf und fühlen in ihr Blut
Und in ihr Fleisch, auf Sturmesschwingen,
Des furchtbarn Gottes Dreizack dringen,
Der wildes Toben, Kämpfen, Ringen
In seinem Zorn befiehlt dem Abgrund und der Flut.
Mit solchen Tieren auf der Weide
Lebte Veran in freier Heide.
Und eines Tages führt' ihn durch die Crau sein Gang
Bis zu Mirèio. Denn im Lande
Camargo und am Uferrande
Der Rhone bis zum Meeresstrande
Sagte man, sie sei schön und sagt es wohl noch lang.
Er kam heran mit stolzem Schritte;
Sein gelbes Wams, nach Landessitte,
Hing, einem Mantel gleich, vom starken Schulternpaar.
Ein Gürtel zierte seine Lenden,
Bunt wie der Rücken der behenden
Lazerten; und die Augen blenden
Konnte sein Wachstuchhut, weil hell die Sonne war.
Und als den Hausherrn er gesehen
Sprach er: Gruß euch und Wohlergehen!
Ich bin Camargomann, dort aus der Flußregion,
Und hoffe, daß man hier mich kenne
Wenn ich den Hirten Pèire nenne,
Der zwanzig Jahr' in eurer Tenne
Mit seinen Schimmeln drosch. Ich bin sein Enkelsohn!
Auf unsrer fetten Marschenerde
Besaß mein Ahn drei Rudel Pferde
Und meines Vaters Mühn erblühte reicher Lohn:
Wir brachten es mit Fleiß und Sparen
Im Laufe von so manchen Jahren
Zu sieben Rudeln, sieben Paaren!
Der Meister aber rief: O, lange noch, mein Sohn,
Ja, lange noch magst du sie nähren
Und möge stets der Segen währen!
Ich kannte deinen Ahn; wir pflegten lange Zeit
Verkehr in freundlichem Vereine!
Doch jetzt, das Alter im Gebeine,
Sitz' ich daheim beim Lampenscheine
Und zu den Freunden, ach! ist mir der Weg zu weit!
Nun, sprach Veran, hört auch das Ende,
Den Grund, warum ich her mich wende:
Es kommen Bursche oft zu uns aus eurem Gau
Um Fuder Streu hinwegzuführen;
Und während wir die Hände rühren,
Die Ladung mit dem Seil zu schnüren,
Dreht oft sich das Gespräch um Mädchen aus der Crau;
Doch meist um eurer Tochter Gaben.
Und wollt ihr mich zum Eidam haben,
So werb' ich heute noch vor euch um ihre Hand . . .
Veran! O möcht' es dir gelingen!
Es kann ja mir nur Ehre bringen
Ein neues, festes Band zu schlingen
Mit jenes Pèire Haus, dem Freundschaft mich verband!
Rief froh Ramoun; und Gott zu loben,
Hielt er die Hände hoch erhoben:
Ich gebe dir, o Sohn, und mein' es treu und wahr,
Gefällst du meinem einz'gen Kinde,
Als erstes Hochzeitsangebinde,
Des Vaters Segen! Ewig finde
Dein Herz sein Licht im Herrn und in der Heil'gen Schar!
Und läßt Mirèio zu sich kommen
Und teilt ihr mit, was wir vernommen.
Sie aber, plötzlich bleich und mit verstörtem Blick
Und zitternd ganz vor Schreck und Bangen:
Um Gott! was ist euch angegangen?
Wie? Jetzt schon nähme mich gefangen
So jung, und fern von euch, ein neu und fremd Geschick?
Mit Vorsicht und Bedacht geschehe
Stets beiderseits der Schritt zur Ehe.
Habt manchmal ihr gesagt. Sehr sei es von Gewicht,
Sich kennen . . . und selbst dann . . . genauer
Sich kennen ist noch nichts . . . Ein Schauer
Süßen Gedenkens ließ die Trauer
Wie Duft im Licht zergehn, aus ihrem Angesicht.
So sieht man oft nach Regengüssen
Die Sonne neu die Blumen küssen.
Mirèios Mutter sprach: Nicht daß die Frage brennt . . .
Doch lächelnd rief Veran: mit Fragen
Will ich hier weiter niemand plagen!
Ich gehe; denn ich muß euch sagen,
Daß ein Camargohirt den Stich der Mücke kennt. –
Noch vor dem letzten Halmenschneiden,
Von des Sòuvage Tieflandweiden,
Kam zu Mirèios Hof Ourrias der Ochsenhirt.
Es hausen wilde schwarze Stiere,
Weitum berüchtigt böse Tiere,
In jenem öden Sumpfquartiere,
Das bald in Glut verlechzt und bald von Frost erklirrt.
Dort trug des Hirtenlebens Mühen
Ourrias, allein bei seinen Kühen.
Geboren mit dem Trupp, im Trupp herangereift,
Erbt' er von ihm Gestalt und Fehle,
Des schwarzen Auges Feuerschwele,
Die Störrigkeit, die harte Seele.
Den Knüppel in der Faust, die Kleider abgestreift,
Hat er die Kälblein oft vom Kissen
Des vollen Euters weggerissen
Und sie der Muttermilch entwöhnt mit rauher Hand.
Wie oft auch warf er sich verwegen
Dem zorn'gen Muttertier entgegen
Bis es, betäubt vom Prügelregen,
Mit Brüllen ihm entfloh, den Kopf zurückgewandt.
Wie oft hat er an den Ferraden
In der Camargo Sumpfgestaden
Die jungen Farrn am Horn gepackt und hingestreckt!
Auch war davon an seinen Brauen
Ein Merkmal, blitzspurgleich, zu schauen
Und manchmal hatten auf den Auen
Salzkraut und Knöterich sein rinnend Blut geleckt.
Einst war Ferradotag. Im Schatten
Der Rennbahn, welch ein Fest! Es hatten
Aigo-Mort', Aubaroun, Li-Santo, Faraman
An hundert Reiter auf die Weiden
Gesandt, das Hornvieh aus den Heiden
Herbeizutreiben. Sich zu weiden
Am Schauspiel, füllte schon viel Volks den Kreis der Bahn.
Jäh aus dem Schlaf emporgefahren,
Verfolgt von kühnen Reiterscharen,
In sausendem Galopp, von Speeren rings umstarrt,
Das Röhricht, der Cyanen Blühen
Zermalmend, wie ein Wettersprühen,
So stürmen Hunderte von Kühen
Zum Orte, wo man längst im Fieber ihrer harrt.
Bestürzt sieht die gehörnte Menge
Und stumm, sich in des Platzes Enge.
Doch dreimal läßt man noch, mit Spornen und Geschrei,
Sie ringsum auf dem runden Rasen
Der Rennbahn innern Raum durchrasen.
So jagt der Hund den scheuen Hasen,
So jagt der stolze Aar des Leberoun den Weih.
O seht! Ourrias mit kühlem Mute
Steigt, gegen Brauch, von seiner Stute.
Die Herde steht gedrängt an der Arena Tor.
Da, plötzlich, sondern von den Kühen
Fünf junge Stiere sich. Sie glühen
Von wilder Kampflust, Flammen sprühen
Die Augen, Haupt und Horn recken sie stolz empor.
Und mit des Wolkenjägers Schnelle,
Des Windes, ist Ourrias zur Stelle;
Bald läuft er ihnen nach, bald vor, und bald umsaust
Sie blank das Eisen seiner Lanze;
Nun zeigt er sich im Fechterglanze,
Nun neckt er sie im Wirbeltanze,
Dann wieder reizt er sie mit einem Schlag der Faust.
Ah! . . . Alles Volk klatscht in die Hände:
Ourrias, im staubigen Gelände,
Packt einen Stier am Horn und nun beginnt der Kampf,
Ein Kampf, bei dem die Rippen krachen.
Es windet sich gleich einem Drachen
Das Tier, die Hörner frei zu machen
Und brüllt vor Zorn und schnaubt siedheißes Blut und Dampf.
Umsonst die Wut! Umsonst das Toben!
Mit einem Griff den Hals verschroben
Und seine Kraft geraubt hat schnell Ourrias dem Stier;
Und an die Brust, gleich einem Schilde,
Zieht er gewaltig erst das wilde
Haupt . . . dann: ein Stoß . . . und ins Gefilde
Rollen mit Wucht zugleich der Treiber und das Tier.
Triumphgeschrei durchbraust die Räume
Und weckt die Tamariskenbäume:
Ein tapfrer Bursch, Ourrias! Hat's brav gemacht! . . . Fünf Mann
Halten den Stier und andre reichen
Das heiße Eisen. Auf die Weichen
Drückt es Ourrias dem Tier zum Zeichen
Des Sieges, den sein Mut in diesem Streit gewann.
Mädchen aus Arles, auf Schimmelstuten,
Die Wangen wie von Purpurgluten
Umstrahlt, vom raschen Ritt, erscheinen in der Bahn,
Wo sie Ourrias, mit zarten Händen,
Ein weingefülltes Trinkhorn spenden
Und dann zur Flucht die Zelter wenden.
Ein Reitertrupp verfolgt den Schwarm im Wiesenplan.
Ourrias, indes, sieht nichts als Stiere
Zum Niederwerfen. . . . Ihrer viere
Sind übrig noch; und wie der Schnitter Halme rafft,
Je eifriger, je mehr noch stehen,
Schien er nur dort sein Heil zu sehen,
Wo Kampf und Mühsal zu bestehen.
Vier wilden Bullen schwächt er so die Lendenkraft.
Weißscheckig, stolzgehörnt, ein Riese,
Graste der letzte auf der Wiese.
Die Hirten riefen rings: Genug, Ourrias! Genug! . . .
Umsonst! Ihm muß das Stück gelingen
Auch noch den fünften zu bezwingen!
Schon sieht man ihn den Dreizink schwingen
Und auf den Schecken stürzt er schäumend sich. Im Flug
Hat er des Bullen Maul durchstochen:
Doch weh! Der Dreizink ist zerbrochen!
Jäh wütend wird das Tier, des Wunde gräßlich klafft.
Der Mann den Stier am Horn ergreifen,
Der Stier den Mann feldeinwärts schleifen,
Selband im Sturm die Büsche streifen
War eins. . . . Zu Pferd, die Hand an ihrer Lanzen Schaft,
Bewunderten die Ochsentreiber
Den Kampf der beiden Riesenleiber,
Die beid' auf Sieg erpicht, in gleicher, wilder Wut.
Der Treiber mit dem Bullen ringend,
Der Bulle mit dem Treiber springend
Und mit Gebrüll die Schnauze schwingend,
Aus der im Lauf es troff von Schaum und schwarzem Blut.
Barmherzigkeit! das Tier wird siegen! . . .
Ourrias kommt vor den Stier zu liegen
Gleich einem Bündel Heu! Zu spät schon zum Entfliehn!
Nur Zeit ist's noch, dich tot zu stellen!
Man sieht den Stier die Hörner fällen,
Den Gegner in die Luft zu schnellen,
Und sieben Ellen hoch schleudert er rücklings ihn!
Ein Schrei der Angst durchgellt die Räume
Und schreckt die Tamariskenbäume. . . .
In Bogen in die Bahn stürzt, bodenwärts gekehrt,
Der Ärmste, jämmerlich zerschlagen.
Seitdem mußt' er die Narbe tragen. . . .
Jetzt, um Mirèios Hand zu fragen,
Kam er zum Zürgelhof, beritten und bespeert.
An jenem Morgen war die Kleine
Im Hof am Brunnen, ganz alleine,
Die Ränder aufgeschürzt an Ärmeln und Gewand,
Und rieb mit Gras aus irdnen Töpfchen
Gelabter Milch gestandne Tröpfchen.
Ein wunderliebliches Geschöpfchen,
Das da mit nacktem Fuß im klaren Brunnquell stand!
Ich grüß' euch, Schönste! Wie? Am Spülen?
Begann Ourrias. Den Durst zu kühlen
An diesem frischen Quell, hier unterm Zürgelzelt,
Erlaubt ihr meiner weißen Stute? –
An Wasser fehlt's auf unserm Gute
Ja nicht. Es komm auch ihr zu gute,
Versetzt sie. Tränkt das Tier, so viel es euch gefällt. –
Mein schönes Mädchen, sprach der Wilde,
Kämt ihr in Sèuvo-Riaus Gefilde,
An unsern Meeresstrand, von wackerm Mann gefreit,
Ihr hättet nicht so viele Mühe:
Wild schweifen unsre schwarzen Kühe,
Denn niemand melkt sie, spät noch frühe,
Und alle Frauen dort genießen freier Zeit. –
Jüngling, im Ochsenlande sterben
Die jungen Mädchen und verderben
Aus Langerweile! – Ei, an zweie kommt sie nicht! –
Jüngling, es soll in jenen Strecken
Sogar das Wasser bitter schmecken
Und Sonnglut das Gesicht verflecken. –
Der Pinien Schatten schützt euch, Schönste, das Gesicht! –
Jüngling, man sagt, daß grüne Schlangen
Geballt an euren Pinien hangen! –
Schönste, Flamingos sind und Reiher stets bereit,
Von rotem Flügelpaar getragen,
Am Rhoneufer sie zu jagen. –
Von meinen Zürgeln, muß ich sagen,
Zu euren Pinien deucht der Weg mir doch zu weit. –
Schönste! Priester und Mädchen kennen
Das Land, das einst sie Heimat nennen,
Fast nie, und wo ihr Brot sein wird und ihr Quartier. –
Ich mag mein Brot mit dem nur essen,
Der schon zuvor mein Herz besessen
Und nur für ihn mein Nest vergessen! –
Gut, Schönste, wenn dem so, schenkt eure Liebe mir! –
Ihr sollt sie, sprach Mirèio, haben
Wenn erst das Sumpfgras hier im Graben
Mir Edeltrauben trägt. Eh' wird ein Blumenflor
Aus eurem Lanzenschafte sprießen,
Die Felsen hier in Wachs zerfließen,
Eh' wird uns Meeresflut umschließen,
Eh' steuert man zu Schiff zur Stadt Li-Baus empor! |