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Wenn in der Ernte zur Genüge
Die Sammler in die roten Krüge
Den goldnen Saft gefüllt, den mild der Ölbaum reift;
Wenn auf den Feldern, auf den Wegen
Die Garbenbinder froh sich regen,
Wenn, hochbeladen mit dem Segen,
Der schwere Wagen ächzt, sein First die Bäume streift;
Wenn, nackt und kraftvoll wie ein Streiter,
Gott Bacchus, kranzgeschmückt und heiter,
Sein Volk zum Tanze führt, zum Winzerfest der Crau;
Wenn unter mostbenetzten Füßen
Die Wellen aus dem Tretfaß fließen
Und schäumend durch die Spunde schießen
Bis an der Kufen Rand, ein freudenreicher Tau;
Wenn munter in den Ginsterblättern
Die Seidenwürmer aufwärts klettern
Zu wandelvollem Schlaf in enger, goldner Haft;
Wenn, als vollkommne Künstlerinnen,
Sich ihrer Wiegen Sterbelinnen
Zu Tausenden die Raupen spinnen,
So fein, als wöben sie den Sonnenstrahl zu Taft:
Dann sind in der Provence Gauen
Nur Lust und Freude rings zu schauen!
Von Baumo den Muskat, den Ferigoulowein
Kredenzt das Heimatland den Söhnen;
Man singt in hellen Jubeltönen,
Man sieht die Burschen mit den Schönen,
Beim Klang des Tamburins, zum frohen Tanz sich reihn. –
Seht, Nachbarinnen, wie die Wiegen
Der Puppen hier so reichlich liegen
Im Laub und Rohrgeflecht! So glänzend gute Zeit
Ist nie mehr unserm Hof begegnet,
So hat es Seide nicht geregnet,
So war die Ernte nicht gesegnet
Seit jenem Gottesjahr, als jung wir uns gefreit!
So rief, bei rüstig frohem Schalten,
Jano-Marìo nun, des alten
Ramoun geehrtes Weib, Mirèios Mütterlein;
Und Basen und Gevatterinnen
Umstanden mit zufriednen Sinnen
Und emsig helfendem Beginnen
Die freundlich stolze Frau am Seidenpuppenschrein.
Man war am Sammeln. Flink und leise
Reichte den Frauen rings im Kreise
Mirèio Zweig um Zweig, Ginster und Rosmarin,
Daran, vom Duft der Alpenpflanze
Gelockt, die Raupen sich im Kranze
Befestigt, daß vom seidnen Glanze
Jedwedes schwanke Reis ein goldner Palmzweig schien. –
Für Unsrer Lieben Frauen Segen
Ein Reis auf den Altar zu legen
Versäum' ich – sprach voll Dank Jano-Marìo – nie.
Mein Schönstes ihr als Zehntensteuer!
Denn wer befiehlt, alljahr wie heuer,
Den Raupen ihren Gang mit treuer,
Freigeb'ger Sorglichkeit? Nur sie und immer sie! –
Was mich betrifft, so steht es schlimmer
Mit meinen Raupen; denn im Zimmer,
Sprach Zèu vom Wirtshof nun, ließ ich bei scharfem Ost
Aus Unbedacht das Fenster offen:
Da hat das Unheil mich getroffen,
Ich darf auf keine Ernte hoffen . . .
Wohl zwanzig fand ich schon erstarrt vom weißen Rost.
Taven, dem Sammeln obzuliegen,
War von Li-Baus herabgestiegen.
Zu Zèu sprach also sie: Es bleibt doch ewig wahr!
Die Klügern sind ja stets die Jungen;
Und erst wenn man vom Leid bezwungen,
Wenn man geweint und schwer gerungen,
Dann, aber viel zu spät, erkennt und sieht man klar!
Wie töricht seid ihr! Kaum beginnen
Die Puppen schön sich einzuspinnen,
Lauft prahlend ihr ins Dorf, verlasset Dach und Fach:
O kommt doch, liebe Nachbarfrauen,
Den Reichtum einmal anzuschauen!
Nein! Darf man seinen Augen trauen!
Und brummend steigt der Neid euch heimlich ins Gemach.
Du bist als Glückskind ja geboren!
Ruft, in Bewunderung verloren,
Die liebe Nachbarin. Du siehst sie nicht, geschwind,
Voll Mißgunst, hinter deinem Rücken
Die giftig bösen Blicke zücken:
Vergipst, erstarrt von solchen Tücken
Sind deine Raupen jäh! Wer tat's? Der rauhe Wind!
Zèu sprach: ich leugn' es nicht gerade,
Daß böser Blick den Raupen schade;
Kann sein! Doch hätt' ich nur mein Fenster zugemacht! –
Du zweifelst, rief Taven, noch immer,
Ich sage dir: Kein Gift ist schlimmer
Als manches Auges Glutgeflimmer!
Und Blitze schoß ihr Blick, von wildem Zorn entfacht.
O Toren, die mit Messern wühlen
In Leichen, und den Spott nicht fühlen!
Denn wer ergründet je, wo das Geheimnis liegt
Des Honigs und der Kunst der Biene!
Nur eines Flammenblicks bediene
Die Bosheit sich, und dem Ruine
Verfällt des Weibes Frucht, die Milch der Kuh versiegt!
Die Lerche darf den Kauz nur sehen,
So fühlt sie des Behextseins Wehen;
Die wilde Gans erstarrt, wenn Schlangenaug erglüht . . .
Und Menschenblick soll Macht nicht haben
Ein Wurmesdasein zu begraben? . . .
Doch wenn im Aug' des schönen Knaben
Begeistrungsfeuer loht, der Liebe Flamme sprüht:
Wo ist die Maid, so weis' an Lehren,
So stark, sich dessen zu erwehren? . . .
Vier Mädchen glitten hier die Puppen aus der Hand:
Ob Frost, ob Hitze dich umfange,
Dein Stachel ruht nicht, alte Schlange!
Was? riefen sie, uns ist nicht bange,
Die Knaben rauben uns mit nichten den Verstand!
Wir wollen keinen eitel machen,
Nicht wahr, Mirèio? rief mit Lachen
Die Mädchenschar. – Man liest den seidnen Puppenstrauß
Nicht jeden Tag, drum soll euch munden
Ein Tropfen, den man echt befunden,
Versetzte sie . . . und war verschwunden.
Der Wangen jähes Rot verbarg sie schnell im Haus.
Die stolze Laura sprach. Ihr Lieben,
Ich bin, ihr wißt es, arm geblieben;
Doch wenn ich erst gesagt: Ich höre keinen an!
Und nachher hätte mir gestanden,
Er läg' in meiner Liebe Banden,
Der König von Schlaraffenlanden:
Und litt' er sieben Jahr, ich freute mich daran! –
Ich, sprach Clémence, wär' zur Minne
Wohl nicht von ganz so sprödem Sinne;
Und käm' ein Prinz zu mir, von Liebesweh erfaßt:
Ich ließe mich vielleicht erweichen,
Doch dürft' in allen seinen Reichen
Kein andrer ihm an Schönheit gleichen
Und Geist; dann folgt' ich ihm als Gattin zum Palast.
Und wär ich Herrin aller Dinge
Und mein Gemahl, der König, hinge
Mir selbst den Mantel um mit goldgesticktem Bord,
Und fühlt' ich auf dem Haupte sitzen
Die Krone, dran Smaragden blitzen
Und Perlen: Dich wollt' ich besitzen
Als Königin, Li-Baus, mein armer Heimatsort!
Du solltest mir als Hauptstadt dienen
Und Herrschersitz. Aus den Ruinen
Ließ' auf dem Felsen ich errichten neu das Schloß,
Das dort im Staube liegt, seit grauen
Jahrhunderten; dran ließ ich bauen,
Ein Türmchen, schimmernd anzuschauen,
Bis an die Sterne hoch. Und fern vom Höflingstroß,
Zu meines Türmchens Firstbalkone,
Des Mantels ledig und der Krone,
Stieg' ich mit meinem Herrn, allein und sonder Harm.
Hoch über allen Erdenleiden
Wär' es ein köstlich Ding uns beiden,
Den wonnetrunknen Blick zu weiden
Am weiten, schönen Land, beseligt, Arm in Arm!
Denn vor mir säh' ich, sprach Clémence,
Mein heitres Königreich Provence
Wie ein Orangenhain sich dehnend. Strand und Riff
Am blauen Meer, das, weich sich schmiegend,
Das Land bespült; und froh sich wiegend,
Beflaggt, mit vollen Segeln fliegend,
Die Schiffe, groß und klein, am Fuß des Schlosses If.
Und den Ventour, der blitzgespalten
Zum Himmel ragt, den weißen Alten,
Zu dessen Füßen sich der Hügel Kette dehnt;
Ein greiser Hirte, der alleine,
Umringt von wildem Pinienhaine,
In seiner Locken Silberscheine
Sein Herdenvolk bewacht, an seinen Stab gelehnt!
Die Rhone auch, zu deren Wogen
Die Städte jauchzend hergezogen,
Daß ihre Lippen kühl' der breite, grüne Strom,
So stolz im blühenden Gehege,
Und doch bedacht, daß auf dem Wege
Er grüßend sich zu Füßen lege
Der Mutter Unsres Herrn beim Avignoner Dom.
Und die Dürance, jene wilde
Bergziege, die sich im Gefilde
Den Pfad durch Holderstrauch und Weidenbusch erzwingt;
Ein Mädchen, das in raschen. Gange
Mit hellem Auge, frischer Wange
Und übermütigem Gesange
Den Burschen einen Krug voll klaren Wassers bringt.
Dies sagend stieg Clémence wieder
Von ihrem Königssitz hernieder
Und goß in einen Korb den Schürzeninhalt aus.
Ein Schwesternpaar von gleichem Alter
War mit am Werk, behend wie Falter.
(Die Eltern wohnten als Verwalter
Des Schlosses Estoubloun im nahen Pächterhaus.).
Vióulano nannte sich die eine,
Azalaïs die andre Kleine.
Die Mädchen kamen oft herüber, Hand in Hand.
Amor, bemüht, den zarten Seelen
Durch Blendwerk Fried' und Ruh' zu stehlen,
Ließ sie, zu ihrer Qual erwählen
Denselben jungen Mann, für den sie beid' entbrannt. –
Azalaïs, das Haupt erhoben,
Sprach: Laßt auch mich das Herrschen proben;
Laßt mich, ich bitte drum, die Königin heut' sein!
Und La-Cióutat, die üppig weiche,
Marseille, das volk- und segelreiche,
Seloun, das mandelgartengleiche,
Beaucaire mit seinem Prat, dies alles sei nun mein!
Von Arles, Li-Baus und Barbentane
Ihr jungen Mädchen! Euch ermahne
Mein Ruf, daß Vögeln gleich, ihr auf zum Schlosse fliegt.
Die Schönsten will ich mir gesellen,
Zu heiterm Siebenrat bestellen;
Sie sollen wägen, Urteil fällen,
Wo falsche Liebe trog und wo die Treue siegt!
Ist es nicht wahrhaft zum Verdrießen,
Daß, wenn ein Paar den Bund will schließen,
Es meistens kämpfen muß für seiner Herzen Hang?
Ich, ihre Fürstin, würde beiden,
Säh' ich in meinem Reich sie leiden,
Den königlichen Rat bescheiden
Und löste, meiner Treu! den ungerechten Zwang.
Es fände beim Gericht der Sieben
Nur Huld und Gnade treues Lieben!
Doch wer mit Schmach befleckt der Ehre reines Kleid,
Sei es ihm feil für Gold und Schätze,
Sei es, daß er sein Lieb verletze
Durch Treubruch: Meines Rats Gesetze
Bestrafen furchtbar ihn für zugefügtes Leid!
Und wenn zwei Knaben sich bemühten
Um eines Mädchens Herz; und glühten
Für einen ihrer zwei, dann sollt es also sein:
Es läg in meines Rats Erachten,
Wer besser wüßt' um Gunst zu schmachten
Und wer als würd'ger zu betrachten . . .
Zuletzt den Fräulein lüd' ich zur Gesellschaft ein
Der Dichter sieben. Und mit Klängen,
Die weit in alle Lande drängen,
Ließ preisen ich den Rat so mild und hochgesinnt;
Mit goldner Schrift auf Tafeln ließen
Wir ihre Liebessatzung gießen
Und ihre Strophen müßten fließen,
Wie aus dem Bienenkorb der süße Honig rinnt. –
So hat wohl einst im Pinienschatten
Des Minnehofes Scherzdebatten
Faneto von Gantelm, die Strahlende, geführt;
So hat wohl auch im edlen Kreise
Der Troubadours, der ihr zum Preise
Die Lauten schlug, anmut'ger Weise
Die schöne Gräfin Dìo den heitern Streit geschürt.
Jetzt trat Mirèio in das Zimmer
Von neuem ein; im Jugendschimmer,
Schön wie der Ostertag. Sie trug den Kräuterwein.
Seht, rief sie, welch ein freundlich Blinken,
Nun ist es Zeit, ein Glas zu trinken,
Euch darf der Arbeit Lust nicht sinken;
Reicht mir die Becher her, ihr Frau'n, ich schenk' euch ein!
Der Reihe nach floß in die Schalen
Der Labetrank, gleich goldnen Strahlen,
Aus der mit Binsengras umflochtnen Flasche Mund.
Ich selbst bereitete, ihr Frauen,
Dies Elixir; am Fenster brauen
Ließ ich es vierzig Tag'. Den rauhen
Geschmack nimmt ihm das Licht, macht mild es und gesund.
Drei Kräutlein aus den Bergen sind es
Und frischer Most, der ein so lindes,
Balsamisches Getränk im Sonnenstrahl gebraut . . .
Mirèio! fiel mit hellem Schalle
Ein Mädchen ihr ins Wort, wir alle
Beraten, was wir wohl im Falle
Begönnen, wählt' aus uns das Glück die Königsbraut!
Sag an, Mirèio! Nun, geschwinde!
Was tätest du? . . . Ach, ich befinde
Mich wohl in unsrer Crau. Hier ist mir alles hold.
Beglückt durch meiner Eltern Liebe,
Nicht wüßt' ich, was zu wünschen bliebe. –
Ja, ja, weil deine Herzensdiebe,
Rief eine Jungfrau hier, nicht Silber sind noch Gold!
Denn jüngst, an einem Dienstag Morgen,
(Verzeih, Mirèio, doch verborgen
Bleibt nichts in dieser Welt, als ich mit kleinem Holz
Vom Walde kam, beim Kreuz, dem alten,
Sah durchs Gezweig ich zwei Gestalten
Sich ziemlich lebhaft unterhalten;
Dich und noch jemand sonst, der keck mir schien und stolz! –
Wer war's? . . . Wer ist's? . . . Woher? . . . Nicht säume,
Sprich! . . . riefen alle. – Durch die Bäume,
Versetzt' Nourado, hab' ich kaum ihn recht erkannt;
Ich will die Meinung nicht verfechten,
Doch schließ' ich irgend auf den Rechten:
Er war's, der Körbe weiß zu flechten,
Aus Valabrego der, den man Vincèn benannt.
O seht die Schelmin, seht die Böse!
So rief's durch Lachen und Getöse,
Sucht sich zum Liebsten aus den Bettler ohne Schuh;
Ein Mädchen von so reichen Gaben!
Sie will ein schönes Körbchen haben
Und macht ihm weis, dem armen Knaben
Vincèn, sie wolle ihn, den Flechter, auch dazu!
Und also neckten sie die Arme.
Da warf auf jedes Haupt im Schwarme
Taven im Kreis umher den bösen Zornesblick:
Verwünscht, ihr jungen, dummen Dinger,
Der Vampir lähm euch Hand und Finger!
Und wenn der höchste Gnadenbringer,
Gott selbst, des Weges käm' und Engelschormusik,
Ihr ließet nicht von eurem Spotte!
Weshalb verunglimpft nun die Rotte
Vincèn? Wie wüßtet ihr, was er im Herzen trägt,
So arm er sei? Hört das Orakel:
Vor Gott ist arm zu sein kein Makel!
Er selbst, vor seinem Tabernakel,
Hat glänzend es bezeugt. Vernehmt denn und erwägt:
War einst ein Hirte, der sein Leben,
Von seiner Herde nur umgeben,
Im rauhen Leberoun in Einsamkeit verbracht.
Als Alter ihm die Kraft genommen
Und mählich seine Zeit gekommen,
Wollt' er zur Beichte gehn, zum frommen
Kaplan von Sankt-Euchar, auf seine Pflicht bedacht.
Seit seinem ersten Abendmahle
Im wilden, öden Felsentale,
Wo weder Kirche noch Kapelle rings zu sehn,
Hatte der Arme unterdessen
Seine Gebete längst vergessen;
Und als er nun den Weg gemessen
Zum Klausner, sah ihn der in Demut vor sich stehn.
Entledigt euch der Sündenbürde
Mein Bruder! bat voll milder Würde
Der Eremit. Da sprach der Greis: Durch meine Schuld
Kam einst ein Bachstelzlein ums Leben –
Ein Tier, den Hirten sehr ergeben –
Ich sah's um meine Herde schweben
Und traf's mit einem Stein in meiner Ungeduld!
Treibt er nicht Spott am heil'gen Orte,
So sind dies eines Narren Worte,
Dachte der Eremit, mißtrauend dem Patron.
An jene Stange dort zur Seite,
Sprach er, daß nicht er euch entgleite,
Hängt euren Mantel; ich bereite
Indes das Sakrament zur Absolution.
Die Stange, die, ihn zu erproben,
Der Priester zeigte, kam von oben:
Ein Sonnenblick, der schräg sich in das Kirchlein stahl.
Kein Zweifel kam dem armen Alten;
Den Mantel mit den schweren Falten
Gab er der leeren Luft zu halten . . .
Und sieh! Der Mantel hing am lichten Sonnenstrahl!
Mann Gottes! rief der Eremite,
Und heiße Tränen weinend, kniete
Er vor den Hirten hin auf der Kapelle Flur:
O laßt mein Bitten euch bewegen,
Auf mein Haupt eure Hand zu legen!
Wie gäb' ich euch den Priestersegen?
Ein Heiliger seid ihr, und ich ein Sünder nur!
Taven hielt inne. Da war mitten
Die Lust zu lachen durchgeschnitten.
Laureto sprach: Dies zeigt, und ich bestreit es nicht,
Daß man mit Spotten leicht zu schnelle;
Oft birgt im Schutt sich frische Quelle
Und braves Tier in rauhem Felle . . .
Allein ich wüßte gern, was jene Schöne spricht,
Der lichterloh die Wange brannte,
Als man den süßen Namen nannte,
Als ihr das Wort Vincèn zu Ohr und Herzen drang . . .
Sprich, Holde! Ging das Bätterpflücken
Geschwind? Wie mag doch Fleiß beglücken
Selbzweit, und wie die Staude rücken;
Denn mit dem Liebsten, seht! wird nie die Zeit zu lang!
Mirèio rief: Ans Werk, behende!
Und macht mit eurem Spott ein Ende;
Denn die Geduld verlör' ein Heiliger dabei!
Nun hört: euch bring' ich noch zum Schweigen;
Kein Gatte nennt mich je sein eigen,
Und lieber als mich schwach zu zeigen
Tret' ich ins Kloster ein in meines Lebens Mai. –
Tandaradai! trala! so fingen
Die Mädchen alle an zu singen.
Sie wird uns wohl noch gar zur schönen Magalì,
Die vorzog, hinter Klostermauern
In Arles, zu aller Welt Bedauern,
Ihr junges Leben zu vertrauern,
Als daß dem Freiersmann ihr Ohr die Spröde lieh.
Auf, Noro! Meistrin in Gesängen,
Die, wenn sie will, mit ihren Klängen
Entzücket jedes Ohr, sing ihr von Magalì,
Von ihr, die reich an List und Ränken,
Stets Neues wußte auszudenken,
Den Freund von ihrer Spur zu lenken,
Bis Lieb' und stete Treu' zuletzt besiegt' auch sie.
O Magalì! o wolle zeigen . . .
Sang Noro. Andachtsvolles Schweigen
Trat ein und jedes griff zum Werk mit neuer Lust;
Und wie auf sommerlichem Pfade
Dem Sang der einzelnen Zikade
Die Antwort schallt am Bachgestade,
So fiel zum Schlußvers ein der Chor aus voller Brust:
Der Himmel prangt im Sternenschein,
Die Winde schweigen.
Doch wird, wenn dich die Sterne sehn,
Ihr Glanz vergehn!
Kalt, wie beim Rauschen in den Bäumen,
Bleib' ich bei deinen Melodei'n;
Hin eil' ich, wo die Wellen schäumen
Und schlüpf' als Aal durch das Gestein.
O Magalì, willst Fisch du sein
In Meeresräumen,
Ich dann, ein Fischer werde ich
Und fische dich.
Gemach! Nahst du mit argen Sinnen
Und senkest deine Netze ein,
Als Vogel heb' ich mich von hinnen
Und schwebe frei im Sonnenschein.
Willst, Magalì, du Vogel sein,
Mir zu entrinnen,
Ein flinker Jäger werde ich
Und jage dich.
Fängst du in Fallen und in Döhnchen
Die Vögel all' im weiten Hain,
So berg' ich mich als Blumenkrönchen,
Auf weiter Flur, an grünem Rain.
O Magalì, und willst du sein
Das Tausendschönchen,
Zur klaren Quelle werde ich
Und tränke dich.
Bist du nun so die klare Quelle,
Werd' ich die dunkle Wolke sein,
Und übers Meer dann jag' ich schnelle
Weit nach Amerika hinein.
O Magalì, und müßt' es sein
Bis Indiens Schwelle,
Zum Meereswinde mach' ich mich
Und trage dich.
Und machst du dich zum Sturm der Fluten,
Du findest da nur neue Pein,
Denn ich ward gegen dein Vermuten
Zum Eiszerschmelzer Sonnenschein.
O Magalì, und magst du sein
Der Sonne Gluten,
Zur grünen Eidechs' wandl' ich mich
Und trinke dich.
Und läufst im Busche du auch immer
Als Salamander aus und ein,
Du machst dir deine Jagd nur schlimmer,
Mond werd' ich, aller Zaubrer Schein.
O Magalì, und magst du sein
Der Vollmondschimmer,
Zum zarten Nebel wandl' ich mich,
Umhülle dich.
Und hat der Nebel mich umfangen,
Dennoch sollst du mich nimmer frei'n,
Als Rose bin ich dir entgangen
In Dornen, duftend und allein.
O Magalì, und magst du sein
Im Rosenprangen,
Zum Schmetterlinge wandl' ich mich
Und küsse dich.
Eil, eile, daß ich nicht entweiche!
Doch nimmer, nimmer, werd' ich dein,
Denn schirmend schließt im Waldbereiche
Mich einer Eiche Rinde ein.
O Magalì, und willst du sein
Die stolze Eiche,
Zur Epheuranke wandl' ich mich,
Umarme dich.
Denkst du, nun sei ich dir beschieden,
Ein alter Eichbaum nur ist dein,
Ich habe wieder dich gemieden,
Sankt Blasius' Zelle nahm mich ein.
O Magalì, und magst du sein
Im Klosterfrieden,
Zum Beichtiger verwandt' ich mich
Und höre dich.
Hier bebten alle. Es entglitten
Die goldnen Pappen allen. Mitten
Im Liede riefen sie: Sprich, Noro, wie geschah's
Nun weiter, und was hat ersonnen
Die Arme, die der Jagd entronnen
Als Eiche, Rose, Strahl der Sonnen,
Als Vogel und als Fisch, als Wolke, Mond und Gras?
Vom Lied, sprach Noro auf ihr Fragen,
Will ich euch nun das Ende sagen:
Ihr wißt, daß Magalì zum Kloster sich gewandt;
Da droht ihr der Verfolger schnelle,
Er heischt als Beichtiger zur Stelle
Keck Einlaß an Sankt Blasius' Schwelle . . .
Nun höret, wie sie neu den Ausweg sich erfand:
Nein! Wenn du obsiegst dem Verbote
Und dringst in unsre Mauern ein,
Der Schwestern Sang ist Trauerbote:
Man legt mich in den engen Schrein.
O Magalì, und magst du sein
Die arme Tote,
Zur kühlen Erde wandl' ich mich,
Dort hab' ich dich.
Jetzt, Lieber, glaub' ich dir, und gerne!
Du scherzest nicht, ich seh' es ein!
Nimm zur Erinnrung in der Ferne
Hier meinen Glasring, er sei dein!
O Magalì! Zu Glück wird Pein!
Nun schau die Sterne,
Als dich sie sahn, o Magalì,
Verblichen sie.
Das Lied war aus. Im Frauenkreise
Sprach niemand. Noros schöne Weise
Hatte die Häupter auf und ab im Takt gewiegt;
Sie waren mit des Anteils Zeichen
Dem Zypergrase zu vergleichen,
Wenn Bacheswellen drüber streichen
Und wenn es folgsam sich der sanften Strömung schmiegt.
O schöner Abend! Seht, wie milde,
Sprach Noro, glänzt er im Gefilde . . .
Die Schnitter waschen schon die Sicheln vor dem Haus . . .
Mirèio, geh uns Äpfel pflücken,
Rahmkäschen gib, brich Brot zu Stücken,
Dann wollen wir zusammenrücken
Dort unterm Zürgelbaum zum heitern Abendschmaus. |