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Zwanzigstes Kapitel.

Alte Bekannte. – »Glücklicher Erfolg ist keine Entschuldigung für eine Handlung des Ungehorsams.« – Korkfender, etatsmäßiger Leutnant. – »Fix oder nix!« – Nach Hause.

 

Die Sonne neigte sich soeben zum Untergange, als vom Ausguck eine Brigg gemeldet wurde, die uns aus nordwestlicher Richtung entgegenkam. Sie hatte alle Segel stehen und kam heran, schimmernd wie eine weiße Wolke und stetig wie ein Fels. Sie führte die Flagge der Vereinigten Staaten und mußte uns daher befreundet sein. Arglos, an der Gaffel die brasilianische Flagge, setzten wir unsere Fahrt fort.

Nach einer Weile änderte die Brigg ihren Kurs und stürmte, platt vor dem Winde, auf uns zu. Unsere Seeleute freuten sich über ihr schmuckes Aussehen und bewunderten das Geschick, mit dem das Fahrzeug gehandhabt wurde.

Der Amerikaner kam näher und näher, ohne Miene zu machen, uns aus dem Wege zu gehen. Das kam mir schließlich verdächtig vor.

»Was mag er im Sinne haben?« fragte ich den Steuermann, der bei mir auf dem Achterdeck stand. »Ich sehe einige Geschütze an Bord; ist denn in diesen Gewässern jeder friedliche Kauffahrer bewaffnet?«

»Das Fahrzeug sieht allerdings verdächtig aus,« sagte der Steuermann. »Was Teufel hat es im Sinn? – Aha, jetzt hält's wieder ab. Wenn die Brise bleibt, wird es bald aus Sicht sein.«

Die Brigg hatte die Backbordbrassen angeholt und lief jetzt gerade auf die soeben unter der Kimmung verschwindende Sonne zu. Wir lagen auf unserem Kurse weiter, und ich schenkte dem Fremden keine Beachtung mehr.

Während der Nacht aber konstatierte der Steuermann auf seiner Wache, daß die Brigg gewendet hatte und nun in unserem Kielwasser folgte. Der Wind war abgeflaut, und es wurde ihr daher nicht schwer uns nach und nach aufzulaufen.

Als die Sonne aufging, hielt sie ein wenig ab, eine weiße Rauchwolke puffte an ihrem Buge auf, und eine Kugel fuhr zischend und in langen Sätzen an uns vorüber, um weit voraus zu versinken.

»Es soll mich doch wundern, was der Yankee eigentlich von uns will,« sagte der Steuermann.

Ein zweiter Schuß fiel, und die Kugel sauste zwischen unseren Masten durch.

Der Toqui kam nach hinten und fragte um die Erlaubnis, die Schüsse erwidern zu dürfen.

»Selbstverständlich,« antwortete ich. »Gebt's ihm tüchtig. Wenn dieser ungehobelte Bruder Jonathan keine Manieren hat, so wollen wir ihm welche beibringen.«

Die preußischen Seeleute sowohl, wie die Araukaner ließen sich dies nicht zweimal sagen, und bald knallten die Karronaden des »Luzifer« ihren frischen Morgengruß über die blaue See.

Ohne die Wirkung der Schüsse abzuwarten, ließ ich den Schoner abfallen, und dann holten wir herum, so daß wir dem Fremden jetzt unsere Steuerbordseite wiesen; auf diese Weise hoffte ich ihm das ganze Deck bestreichen zu können, da er uns gerade seinen Vordersteven zeigte. Der Amerikaner aber war ein gewitzter Mann, auch er warf sein Schiff herum, und so geschah es, daß wir in entgegengesetzter Richtung hart aneinander vorbeiliefen. Kriegsschiffe pflegen bei solchen Gelegenheiten sich gegenseitig ihre Breitseiten zu geben, da wir aber keine Kriegsschiffe waren, mit unseren zwei oder drei Kanonen auch keine Breitseite aufweisen konnten und, offen gestanden, mehr von Neugier, als von Kampfbegier erfüllt waren, so begnügten wir uns, den seltsamen Kauz, der unter befreundeter Flagge uns so grob herausforderte, einer möglichst genauen Besichtigung zu unterwerfen, als er an uns vorüber lief.

Der amerikanische Kapitän stand, den Kieker am Auge, neben seinem Rudersmann; die Flagge wehte dicht über seinem Haupte; wir bewunderten soeben noch seinen Mut, wie auch seine Unverschämtheit, als sich plötzlich seine Flagge vor uns senkte.

»Er hat schon genug,« rief Willy verwundert. »Wie sieht's bei uns aus, Toqui?«

»Drei Mann verletzt, zwei Moluchen und Klüverbaum,« antwortete der Araukaner.

Wir lachten über diese drollige Zusammenstellung, dann aber sagte der Steuermann:

»Da kommt der ›Adalbert‹ heran. Jetzt sitzt der Yankee in der Falle.«

Der aber hatte inzwischen in höflichster Form dreimal seine Flagge »gedippt«, dann wendete er, lief uns an Backbord auf und dann quer vor unserem Buge vorbei. Wir waren nur wenige Schiffslängen von ihm entfernt, ich schaute aufmerksam hinüber, ließ aber plötzlich das Glas sinken.

»Ist das möglich?« rief ich. »Willy, komm her, lies einmal den Namen der Brigg!«

»›Arnold‹,« las mein Freund. »Der heißt zufällig so wie ich. Was ist dabei?«

»Du fragst noch? Das ist Kapitän Dicksons Schiff, das er nach dir genannt hat! Und jetzt verstehe ich auch sein Feuern. Er hat Alvarados Schoner erkannt und uns für Seeräuber gehalten. Da griff er uns an, um dich zu erretten, Willy! Das hatte er geschworen.«

Ich schwenkte meine Mütze, und wir begrüßten den braven Amerikaner mit drei kräftigen Hurras.

Der »Arnold« setzte sein Boot aus, und Kapitän Dickson ließ sich an Bord des »Luzifer« rudern. Er wurde von mir, dem Steuermann und Willy Arnold empfangen.

Als der treffliche Schiffer seinen Fuß an Deck des Schoners setzte, war er vor Erstaunen sprachlos, sicherlich zum erstenmal in seinem Leben. Als er seine Flagge dippte, da hatte er uns bereits erkannt, aber seit jenem Augenblick hatte er seine Fassung noch nicht wiedergewonnen.

» Well, Well!« rief er endlich. »Wenn das nicht die extraordinärste und unglaublichste Sache ist, die mir je vor den Bug gekommen, dann soll man mich bei lebendigem Leibe teeren und federn!«

» Yes, captain,« antworteten wir ihm, » here we are, und an Bord von Alvarados Schoner. Die ›Medusa‹ haben Sie zu Tode gehetzt, den ›Luzifer‹ aber haben wir gefangen!«

»Und Willy Arnold gerettet!« jubelte der Schiffer. »Gott dem Allmächtigen sei Dank! Nun kann ich wieder ruhig schlafen! An mein Herz, my dear boy! Und wie groß und breit er geworden ist. – Heda, Mr. Schomerus soll einmal herüber kommen!«

Das Boot machte sich davon und kehrte bald darauf mit dem einäugigen Steuermann Lambertus zurück.

»Da, Bertus, was sagst du dazu?« rief Kapitän Dickson seinem alten Genossen entgegen. »Hast du schon jemals solch ein Paar junger Seelöwen gesehen? Wie sie dastehen, gleichsam auf dem Fell des erschlagenen Seeräubers! Was sind wir Alten dagegen?«

»Gar nichts sind wir dagegen,« erwiderte der treue Mann, der uns in seiner Rührung und Freude so warm die Hände drückte, daß wir kaum ein Schmerzensgeschrei unterdrücken konnten. Dann trat er zur Seite, machte sich mit den harten Fingern an seinem einsamen Auge zu schaffen und fluchte halblaut auf die Moskitos, die ihn nicht einmal hier, so weit vom Lande, in Ruhe ließen.

Die Fragen und Antworten nahmen zunächst gar kein Ende, auch wurde viel und herzlich darüber gelacht, daß der Schiffer so ohne weiteres auf uns losgefeuert hatte.

»Lachen Sie immerhin,« meinte er, den Kopf schüttelnd, »aber Sie können von Glück sagen, daß Bertus einen so scharfen Kieker im Kopfe hat. Er erkannte Sie zuerst. Ich glaube, der alte Meermann sieht durch eine Kirchenmauer. Er behauptete, daß Sie hier an Bord gefangen gehalten würden, und da beschlossen wir, den Mordgesellen Alvarado auf Leben und Tod anzugreifen und zu bekämpfen.«

»Der hat seine Strafe bereits erhalten,« sagte der Steuermann des »Adalbert«. »Leutnant Korkfender und Kapitän Fürst haben ihn an die Nock der Fockraa gehängt.«

»Ihre Hand, Sir,« sagte Kapitän Dickson. »Ich danke Ihnen für diese gute Nachricht. Und doch thut mir's von Herzen leid.«

»Was?« rief Willy. »Alvarado thut Ihnen leid?«

»Habe ich das gesagt?« entgegnete der Schiffer. »Es thut mir leid, daß ich nicht dabei war, als der Schurke seinen letzten Tanz that, und daß ich an dem Jollenläufer nicht mitreißen durfte. Doch es steht geschrieben, daß in jeden Freudenkelch ein bitterer Wermutstropfen fallen soll.«

Wir redeten noch eine Weile, und nachdem wir unsere Herzen vorläufig erleichtert hatten, machten wir uns mit unseren Fahrzeugen wieder auf den Weg. Der »Arnold« wollte uns begleiten, und da inzwischen der »Admiral Prinz Adalbert« auch herangekommen war, so bildeten wir jetzt ein ganzes Geschwader.

Auf der Höhe von Arauco angelangt, bekamen wir ein großes Schiff in Sicht, welches auf südlichem Kurse lag und uns entgegen segelte. Dickson signalisierte uns herüber, daß es die »Santissima Trinidad« sei. Jedenfalls hatte Lambertus mit seinem unfehlbaren Auge die Korvette zuerst erkannt.

Da das Kriegsschiff uns kein Signal machte, blieben wir ruhig auf unserem Kurse. Aber nicht lange, denn ein scharfer Schuß von der Korvette, der über unser Bugspriet hinwegpfiff, befahl uns beizudrehen.

»Das muß ich sagen,« meinte Willy, »dein Onkel scheint mehr für das fortiter als für das suaviter in re zu sein. Er kann allerdings nicht wissen, wer wir sind.«

Im Topp der Korvette entfaltete sich jetzt das Signal, welches die Führer der drei Fahrzeuge, also auch meine Wenigkeit, an Bord befahl.

Klopfenden Herzens begab ich mich mit dem Toqui ins Boot.

Am Fallreep der Korvette stand eine neugierige Schar. Der »Luzifer« war wohlbekannt, und als Heinz Lubau als Kommandant des gefürchteten Seeräuberschiffes auf der Bildfläche erschien, da war das allgemeine Erstaunen grenzenlos.

Ich begab mich schnellen Schrittes auf das Achterdeck der Korvette und meldete mich bei dem Kapitän Deinhard, der mich ruhig vom Kopf bis zu den Füßen musterte.

»Ich habe die Schiffsführer an Bord bitten lassen,« sagte er. »Von welchem Fahrzeuge kommst du?«

»Von dem Schoner ›Luzifer‹,« antwortete ich.

»Ist der unter deiner Führung?«

»Zu Befehl!«

»Wie geht das zu?«

»Leutnant Korkfender enterte und nahm ihn, als er sich im Gefecht mit einem Kauffahrer befand; dann kommandirte er mich an Bord der Prise und –«

»Ist da nicht auch der Kapitän Dickson vom ›Arnold‹ soeben an Bord gekommen?« unterbrach mich mein Onkel.

»Zu Befehl. Der ›Arnold‹ begegnete uns auf der Fahrt, griff uns an und –«

»Rufe ihn doch. Ich lasse ihn bitten, dir nach meiner Kajüte zu folgen. Herr Kapitänleutnant,« wendete er sich an den ersten Offizier, »auch um Ihre Gesellschaft möchte ich bitten. Der Jungster hier soll uns seine Abenteuer berichten.«

Wir begaben uns in die Kajüte und hier erzählte ich in Kürze, was der Leser bereits weiß, sorglich bedacht, Korkfender nach Gebühr zu loben und herauszustreichen.

Kapitän Deinhard verzog bei der ganzen Geschichte keine Miene, er hörte mich ruhig zu Ende und sagte dann langsam:

»Leutnant Korkfender hat ohne Ordre die Blockade aufgegeben und die ihm angewiesene Station an der Küste verlassen, habe ich recht verstanden?«

»Zu Befehl. Der ›Admiral Prinz Adalbert‹ war in Gefahr, von den Piraten beinahe unter unseren Augen genommen zu werden, da kam Leutnant Korkfender mit dem ›Dickson‹ ihm zu Hilfe, und die Affaire endete mit der Wegnahme des Schoners und dem Wiederfinden meines Freundes Willy Arnold.«

»Glücklicher Erfolg ist keine Entschuldigung für eine Handlung des Ungehorsams. Ich werde den Leutnant Korkfender zur Verantwortung ziehen. Leutnant Witt soll ihn ablösen. Nehmen Sie Notiz davon, Herr Kapitänleutnant, wenn ich bitten darf.«

Er verbeugte sich leicht gegen uns alle, und wir waren entlassen.

Dickson knirschte vor Unmut, als wir uns wieder auf Deck befanden.

»Auf diese Weise also belohnen solche Man-of-wars-Kapitäne Tapferkeit und Entschlossenheit?« sagte er. »Da ist's ja ein wahrer Segen, daß ich ein unabhängiger Mann bin und nach den Herren nichts zu fragen habe!«

»Um Vergebung,« bemerkte der Kapitänleutnant höflich, »wollen Sie freundlichst nicht vergessen, daß Sie sich noch auf dem Achterdeck Seiner Majestät Korvette befinden.«

»O bewahre,« entgegnete der Schiffer unwirsch. »Ich gehe auch schon, ich habe ganz genug von der Gerechtigkeitspflege an Bord Seiner brasilianischen Majestät Man-of-war! Kommen Sie, Heinrich.«

Niedergeschlagen kletterten wir die Fallreepsleiter wieder hinab. Dickson war noch immer wütend, Kapitän Fürst war gar nicht bis aufs Achterdeck gekommen.

Die Korvette segelte nach dem Archipel, um Korkfender zur Rechenschaft zu ziehen, und wir setzten unseren Weg nach Valparaiso fort, gehorsam unseren Ordres, aber von Herzen traurig.

*

In Valparaiso meldete ich meine Ankunft bei dem Hafenkapitän und wartete dann die Rückkunft der »Santissima Trinidad« ab.

Die Neuigkeit von der Wegnahme des »Luzifer« und der Hinrichtung des Seeräuber-Admirals brachte so viel neugieriges Volk an Bord, daß ich mich desselben kaum erwehren konnte.

Als die Korvette endlich einlief, begab ich mich pflichtschuldigst unverzüglich an Bord, und der erste, der mir an Deck entgegenkam, war Korkfender, strahlend vor Freude. Er umarmte mich mit Wärme.

»Tausend Dank, Lubau!« rief er. »Ich befinde mich tief in Ihrer Schuld, will Ihnen aber alles vergelten.«

»Bester Freund,« stammelte ich. »Ich kann wahrhaftig nicht dafür! Ich habe gethan, was ich konnte, aber –«

»Kein Wort, Lubau, kein Wort mehr! Es soll Ihnen alles vergolten werden, verlassen Sie sich drauf!«

»Aber so hören Sie mich doch erst an,« bat ich. »Von mir hat mein Onkel nur das Allernotwendigste erfahren. Ich mußte ihm seine Fragen doch beantworten! Sie glauben nicht, wie innig leid es mir thut –«

»Leid thut's Ihnen? Was thut Ihnen denn leid? Daß Sie nach Hause, zu Ihren Eltern zurückkehren können?«

»Ich – nach Hause? Zu meinen Eltern? Wer sagt das?«

»Kapitän Deinhard sagt das. Er ist um Urlaub eingekommen, hat ihn erhalten, wird sogar noch befördert und geht auf ich weiß nicht wie lange nach Europa. Der erste Offizier übernimmt das Kommando der Korvette.«

»Und Sie, Korkfender – was ist Ihre Strafe?«

»Meine Strafe? Sie sind und bleiben das alte Schäfchen, Lubau! Ich bin zum etatsmäßigen Leutnant ernannt worden. Das verdanke ich Ihrem Onkel, zunächst aber Ihnen. Ich bleibe an Bord, Witt aber krebst an meiner Stelle mit dem »Dickson« im Archipel umher, wo es mit dem Seeräubervergnügen jetzt, nachdem wir Alvarado gehängt haben, auch wohl zu Ende sein wird.«

Froh und erstaunt atmete ich auf. Noch vor kurzem wollte mein Onkel ihn zur Verantwortung ziehen und ihn deswegen ablösen lassen. Jetzt verstand ich alles. Der Kapitän durfte das Vergehen gegen die Instruktion nicht übersehen, andrerseits aber wollte und durfte er die kühne That seines jungen Offiziers belohnen.

Dickson nannte, als er diese Wendung der Frage vernahm, in seiner Freude den Kapitän Deinhard einen »Trump«. Das war der Ausdruck seiner höchsten Befriedigung. Der »Luzifer« wurde in Valparaiso verkauft und ergab ein erkleckliches Prisengeld, das unter die Besatzungen des »Dickson« und des »Admiral Prinz Adalbert« verteilt wurde. Mein Anteil betrug so viel, daß ich meinem guten Vater die Kosten, die ihm meine Ausrüstung verursacht hatte, mit reichlichen Zinsen nun zurückerstatten konnte.

Die Gefangenen, die sich an Bord der preußischen Bark befunden hatten, waren den Behörden überliefert worden. Rufino Garillas wurde auf Kosten des großmütigen amerikanischen Schiffers in ein Hospital geschafft, woselbst er bald seiner Wunde und einem hinzugetretenen Fieber erlag.

Doktor Schuster, den Willy aufforderte, mit uns in die Heimat zurückzukehren, lehnte dies thränenden Auges ab. Kapitän Dickson hatte ihm das Anerbieten gemacht, zunächst als Schiffsarzt an Bord des »Arnold« zu kommen, nach seiner Rückkehr nach New-Orleans aber wollte der brave Schiffer dem ebenso geschickten wie bedauernswerten Manne zu einer gesicherten Existenz am Lande verhelfen.

Der Abschied von den treuen und so vielfältig erprobten Freunden wurde uns recht schwer. Kapitän Dickson wollte Willy gar nicht aus den Armen lassen; jetzt erst wurde es offenbar, was der Mann innerlich gelitten hatte, solange er den seiner Obhut empfohlen gewesenen Sohn seines Geschäftsfreundes verloren wähnen mußte.

Auch Lambertus, der gute, alte, einäugige »Meermann«, drückte uns wehmütig an sein ehrliches Herz. Wir vertrösteten ihn auf ein fröhliches Wiedersehen, er aber schüttelte das graue Haupt.

»Meine Koje wird bald leer sein,« sagte er. »Der Rheumatismus, meine jungen Herren, der Rheumatismus, der kommt mir nun bald bis ans Herz. Die lange Landfahrt, als wir hinter dem Phantom herjagten, hat mir's angethan. Ich kann die Luft an Land nun einmal nicht vertragen. Aber lachen muß ich doch noch immer, wenn ich an Don Hombrecillo und seinen Teig von Kürbis und Rizinusöl denke, damals, als mich der Skorpion in die Nase stach. Haha! Der Skorpion, den Don Claudio für einen Alligator ansah, hahaha! – Nun reisen Sie mit Gott, meine jungen Herren, und werden Sie tüchtige Männer, zu Wasser wie zu Lande. Fix oder nix – merken Sie sich das Wort – fix oder nix!«

»Bravo!« rief Willy, in des Alten Hand einschlagend. »Fix oder nix! Das soll zeitlebens mein Wahlspruch sein!«

Nachdem wir auch von dem alten Klaus und den übrigen Leuten Abschied genommen hatten, begaben wir uns wieder an Bord der »Santissima Trinidad«, in deren Nähe inzwischen der Kreuzer »Don Pedro« zu Anker gegangen war, der am nächsten Morgen den Kapitän Deinhard und uns an Bord nahm, um uns zunächst nach Rio de Janeiro zu bringen.

Die »Santissima Trinidad« prangte in voller Flaggenparade, als mein Onkel zum letzten Male über die Fallreep in seine Gig stieg; die Matrosen hatten alle Raaen bemannt und sandten dem verehrten Kommandanten ein donnerndes Hurra nach. –

Nach einer stürmischen Fahrt um das Kap Horn langte der »Don Pedro« glücklich in Rio an, und hier schifften wir uns an Bord des englischen Postdampfers nach Southampton ein, welches wir auch wohlbehalten erreichten.

Onkel Konstantin hatte meine Eltern rechtzeitig von unserer Heimfahrt unterrichtet, als wir daher auf der »Hammonia«, die uns in Southampton an Bord genommen hatte, an einem schönen Sonntagmorgen in die Elbe einliefen, da kam uns bei der »alten Liebe« ein bunt beflaggter kleiner Dampfer entgegen, auf dessen Deck ich niemand erkennen konnte, weil meine Augen von Thränen verschleiert waren, der aber, wie mein Herz mir verriet, alle meine Lieben zum Willkommen mir entgegen trug.

Der kleine Dampfer kam direkt von der E. W. Arnold'schen Schiffswerft auf Steinwärder.

Brauche ich noch mehr zu sagen? Mögen meine Leser sich vorstellen, mit welchem Entzücken unsere Eltern uns empfingen, und mit welchem Danke alles zu dem guten Onkel Konstantin emporblickte. –

Nach einem Aufenthalt von sechs Monaten kehrte ich mit dem Onkel nach Rio de Janeiro zurück, um in der brasilianischen Marine weiter zu dienen.

Willy Arnold ging nicht wieder zur See, da sich sehr bald die Notwendigkeit seines Eintritts in das väterliche Geschäft herausstellte. Er heiratete einige Jahre später meine Schwester, und jetzt, in der Zeit des beginnenden Alters, ist er mit seiner Familie in meinem Hause zuweilen ein lieber Gast.

Denn auch die Tage meiner Seefahrten sind vorüber; ich liege, außer Dienst gestellt, im Hafen, aber noch nicht als dienstuntaugliche Hulk. Spanten und Planken sind noch kernig und gesund, und auch Masten und Takelung halten wohl noch eine Weile stand.

Meine Erzählung ist zu Ende. Wenn sie das Interesse und die Phantasie des jungen Lesers erweckte, so haben wir, er beim Lesen und ich beim Schreiben, unsere Zeit nicht verloren.


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