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Elftes Kapitel.

Konstantin befand sich nach dem so unerwarteten Besuch Kasimirs in größerer Aufregung als während der ganzen vorherigen Zeit seiner Gefangenschaft.

Bisher hatte er einen bestimmten Plan verfolgt und alle seine Kräfte an dessen Ausführung gesetzt, nun plötzlich zeigte sich ihm die Befreiung sicherer als bisher und ohne die neben derselben unmittelbar drohende Todesgefahr, aber er hatte nichts mehr dabei zu tun. Sein Wille und sein Mut waren bei dem Gelingen nicht mehr entscheidend. Er mußte in Untätigkeit abwarten, bis die von einem andern vorbereitete Stunde schlug, und in dieser Untätigkeit litt er unendlich in der aufreibenden Qual der Erwartung.

Dazu kam die Sorge um Luitgarde und um die Hoffnung, welche er an seine in der Einsamkeit des Kerkers immer leidenschaftlicher entflammte Liebe geknüpft hatte. Jetzt begriff er alles, er sah klar, daß seine Gefangenschaft nur ein tückischer Streich Malgienskis war, um ihn von dem Weg zu dem Ziel zu entfernen, das jener selbst für sich erreichen wollte, und wilder Zorn loderte in ihm auf bei dem Gedanken, daß sein Feind die Zeit seiner gezwungenen Abwesenheit benützen könnte, ihn zu verleumden und mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, und in deren Benützung er so wenig wählerisch war, Luitgarde zu gewinnen.

Die Ungeduld verzehrte ihn, und da er nichts von Kasimir hörte, so stiegen selbst Zweifel in seinem unruhigen Geist auf, ob dieser ihn nicht im Stich lassen möchte und ob nicht die List und der Einfluß Malgienskis so weit reichen könnte, um auch diesen Weg zu seiner Befreiung zu entdecken und zu verschließen.

Der alte Wassili war zwar nach wie vor freundlich gegen ihn, nahm auch an seinen Mahlzeiten teil wie sonst, aber er trank wenig und wies mit Entschiedenheit jeden längeren Aufenthalt in der Zelle zurück.

»Es darf mir nicht wieder passieren, Nummer acht,« sagte er, »daß ich so meinen Dienst vergesse wie neulich; wären Sie nicht so brav und verständig, Sie hätten mich ja wahrhaftig umbringen können, als ich hier eingeschlafen war. Der Schlüssel steckte in der Tür. Heraus wären Sie freilich nicht gekommen, aber Sie hätten ein paar gute Bajonettstiche oder auch eine Kugel durch den Kopf bekommen können, das würde mir leid getan haben, meinen Dienst aber hätte es mich doch wohl gekostet und den will ich nicht wieder aufs Spiel fetzen.«

Konstantin suchte den Alten zu beruhigen, aber dieser blieb bei seiner vorsichtigen Zurückhaltung, und so wurde die Gefangenschaft noch eintöniger, und noch angstvoller zählte Konstantin die Stunden, deren jede seine bange Furcht vermehrte, daß Kasimir nicht wiederkehren möchte und ihm dann auch sein eigener, so mühsam vorbereiteter Weg zur Flucht verschlossen bleiben möchte.

So war der Morgen des vierten Tages herangekommen, bis zu welchem Kasimir Nachricht versprochen hatte. Konstantin hatte in der Nacht den Mauerstein hinter seinem Bett herausgenommen und in die dunkle Oeffnung hinter demselben Kasimirs Namen hineingerufen, aber keine Antwort, kein Zeichen hatte seinen Ruf erwidert, kein Geräusch war vernehmbar geworden, und als er den Arm in die Oeffnung hineinsteckte, stieß er sogleich auf eine festgefügte Steinwand.

Eine unendliche Verzweiflung überkam ihn. Er hielt jede Hoffnung für verloren. Mechanisch fügte er den Stein wieder ein. Tränen stürzten aus seinen Augen.

»Verloren,« seufzte er, »alles verloren!« Und den Kopf in die Hände gestützt, versank er in dumpfes Brüten, nach einem Mittel suchend, um seinem Leben ein Ende zu machen, das einzige, was ihm noch übrig zu bleiben schien.

Da hörte er von außen die Riegel zurückziehen und den Schlüssel im Schloß knirschen.

Er fuhr auf. Es war eine ungewöhnliche Zeit, zu der sein Wächter sonst niemals erschien.

Vielleicht kam man, um ihn fortzuführen in düstere, geheimnisvolle Ferne wie seinen Vorgänger, von dem ihm Wassili erzählt hatte.

Er ballte die Hände und fragte sich, ob es nicht besser wäre, seinem Kerkermeister entgegen zu stürzen und in hoffnungslosem Kampf den Tod suchen.

Aber unbeweglich blieb er stehen, starren Blicks sah er auf das unerwartete Bild, das sich ihm im Rahmen der geöffneten Tür zeigte.

Auf der Schwelle stand Kasimir in der Ordenstracht der Karmeliter, neben ihm der graue Schreiber, welcher ihm bei seiner Einlieferung seine Zelle angewiesen hatte, und hinter beiden erblickte er das gutmütige Gesicht des alten Wassili, der ihm freundlich zunickte.

»Hier, Herr Pater,« sagte der Schreiber, »ist der Gefangene, den ich Ihnen nach dem Befehl des Herrn Generals zu übergeben habe.«

»Kasimir, Du hier,« rief Konstantin. »Du öffnest mir die Tür meines Gefängnisses – ist es möglich – ist es ein Traum?«

»Es ist die Wahrheit,« erwiderte Kasimir, »Du bist frei und sollst mir sogleich folgen. Deine Unschuld ist erkannt worden,« sagte er mit Betonung; »die Regierung des großen und erhabenen Zaren ist gerecht und der General Rozniezki hat sogleich Deine Freilassung befohlen und mir erlaubt. Dich selbst abzuholen.«

Er umarmte Konstantin und flüsterte ihm zu:

»Schweig, hier kein Wort weiter!«

Konstantin war so erschüttert, daß er kaum zu sprechen vermochte.

»Leben Sie wohl, Nummer acht!« sagte Wassili. »Sie haben sich gut geführt, das Zeugnis kann ich Ihnen geben, darum freut es mich, daß Sie die Freiheit wieder erhalten, die Ihnen doch wohl besser gefallen wird als die Zelle hier, so behaglich sie Ihnen auch eingerichtet ist.«

Konstantin drückte dem Alten die Hand und folgte mit Kasimir wie träumend dem Sekretär.

Sie traten einen Augenblick in dessen Bureau.

Kasimir unterschrieb eine Bescheinigung, daß der Gefangene ihm übergeben sei, und dann stiegen beide in einen verschlossenen Wagen, der sie schnell aus den Gefängnishöfen fortführte.

Der Wagen fuhr in schnellem Trabe durch die Straßen, welche das weit ausgedehnte Gebäude umgaben, und hielt in kurzer Zeit vor dem Karmeliterkloster.

Während der Fahrt mahnte Kasimir den ungeduldig fragenden Freund zum Schweigen.

Beide traten durch die Klosterpforte und erreichten bald, den langen Korridor durchschreitend, Kasimirs Wohnung, eine Mönchszelle, welche durch einige bequeme Möbel, Bücherschränke und einen Schreibtisch behaglich ausgestattet war.

»Nun aber sprich,« rief Konstantin, als die Tür sich hinter ihm geschlossen, »um Gottes willen, sprich, was bedeutet dies – ich habe Dich erwartet auf jenem geheimen Wege, den Du Dir zu mir gebahnt, und nun?«

»Das ist einfach,« fiel Kasimir ein. »Ich habe Dir erzählt, in welcher Beziehung ich zum General Rozniezki stehe und warum ich diese Beziehungen unterhalte – ich habe Deine Befreiung erbeten und sie erhalten. Wieder eine Frucht des schweren Dienstes, welchen ich dem Vaterlande zu leisten verpflichtet bin.«

»Dank, Dank –« rief Konstantin, den Freund umarmend, während Tränen aus seinen Augen hervorstürzten. Er hatte im Kampf mit dem Unglück seinen Mut und seine Kräfte erhalten, das unerwartete Glück überwältigte ihn, so daß er wie gebrochen auf einen Sessel niedersank.

»Was kann ich tun?« fragte er mit schluchzender Stimme, »um die Schuld der Dankbarkeit abzutragen, die fast zu schwer für ein Menschenleben ist?«

»Wenn Du eine Dankesschuld gegen mich hast,« erwiderte Kasimir ernst, »so übertrage ich sie dem Vaterlande, und ihm sollst Du sie abtragen, ich werde meine Bedingungen stellen.«

»Und Malgienski?« fragte Konstantin zitternd; »wirst Du vermögen, seiner Macht zu trotzen, wird er nicht neue Wege finden, mich zu verderben?«

»Sei ruhig,« erwiderte Kasimir, indem ein bitteres Lächeln um seine Lippen zuckte, »er wird nichts mehr tun, vor seiner Verfolgung bist Du sicher. Doch höre mich an, meine Zeit ist gemessen. Ich habe zuerst eine Bedingung für Deine Freiheit zugesagt, die Du erfüllen mußt, um mein Wort einzulösen.«

»Sprich,« rief Konstantin, »sprich! – Eine Bedingung, die Du stellst, kann ich im voraus annehmen.«

»Ich habe dem General Rozniezki versprochen, daß Du Dein Ehrenwort geben wirst, über Deine Gefangenschaft unbedingt zu schweigen gegen jedermann.«

»Ah,« rief Konstantin höhnisch lächelnd, »sie wollen es nicht, die milden Friedensstifter, daß ihre Missetat bekannt werden soll! Doch es sei. Der Tag der Vergeltung wird kommen und Jammern und Klagen ist nicht meine Sache.«

»Du gibst mir also dein Ehrenwort?«

»Ich gebe es«, erwiderte Konstantin.

»Dann habe ich für Dich versprochen, daß Du sogleich Warschau verlassen und ins Ausland reisen wirst. Vor drei Monaten darfst Du nicht hierher zurückkehren, und wenn Du dann wiederkommst, magst Du einen Grund für Deine Reise angeben, welchen Du willst.«

»Das ist unmöglich,« rief Konstantin, »unmöglich! Du kennst meine Liebe – hier habe ich einen heiligen Beruf, über Luitgarde zu wachen, und wenn ich sie nicht für mich gewinnen kann, sie zu retten vor einem Schicksal, das sie vielleicht schon halb umgarnt hat und vor dem ich noch mehr für sie zittere, da ich Malgienski in seiner ganzen Schlechtigkeit und Tücke durch deine Mitteilung kennen gelernt!«

»Du hast hier nichts mehr zu tun, armer Freund,« sagte Kasimir, »Du kommst zu spät, Luitgardens Schicksal ist besiegelt, sie hat es selbst so gewollt in der Verblendung ihrer Eitelkeit. – Seit vier Tagen ist Luitgarde Jaczkonowska die Gemahlin des Staatsrats Malgienski.«

Konstantins Gesicht wurde erdfahl, er faßte Kasimirs Hände, sah ihn mit starren Blicken an und sagte:

»Das ist nicht wahr, das kann nicht sein, das kann Gott nicht zugelassen haben! – O, Du glaubst nicht an die Liebe, Du glaubst, daß sie mich dem Dienst des Vaterlandes entziehen würde – Du willst mich täuschen.«

»Ich habe Dir die Wahrheit gesagt,« sprach Kasimir feierlich, »ich gebe Dir mein Ehrenwort darauf, ich schwöre es Dir bei dem Bilde des Gekreuzigten!«

Er blickte zu einem an der Wand hängenden Kruzifix auf, indem er seine rechte Hand erhob und die linke auf die Brust legte.

Konstantin bebte, schwankend sank er an Kasimirs Brust und in schweren Atemzügen rang seine Brust.

Dann aber fuhr er auf, streckte drohend die Hand aus und rief:

»Wenn es so ist, so bleibt mir dennoch ein heiliger, ein unabweislicher Beruf! – Wenn ich sie nicht retten kann, so werde ich sie rächen an dem Elenden, der sie mit höllischer List umgarnt, von meiner Hand soll er fallen, er muß sich meiner Waffe stellen – o, ich will ihm vor aller Welt seine Schande ins Gesicht schleudern; von meiner Hand soll er fallen oder sein Werk vollenden und auch mein Leben nehmen, das ohne sie keinen Wert mehr hat.«

»Du wärst ein Tor, armer Freund,« sagte Kasimir bitter, »wenn Du Dein Leben gegen das Leben jenes Elenden setzen wolltest. Luitgarde ist solchen Opfers nicht wert, sie will nicht gerettet und will nicht gerächt sein – glücklich lächelnd und stolz ist sie vor den Altar getreten und ganz Warschau bewundert und beneidet die schöne Frau von Malgienska.«

»Kasimir, Kasimir,« rief Konstantin fast drohend, »Du bist grausam, ich sagte Dir schon. Du glaubst nicht an die Liebe!«

»Ich habe an die Liebe geglaubt wie Du«, erwiderte Kasimir, »ich bin betrogen wie Du. – Ich habe meinen Glauben teuer bezahlt und die Herrschaft über mich und das Leben wieder gewonnen; so wird es auch Dir gehen, und ich, ich werde nicht dulden, daß Du einem leeren Phantom Dein Leben opferst. Du sollst und wirst die Bedingung erfüllen, die ich Dir gestellt und die ich für Dich übernommen. Bei Gott, ich schwöre Dir, wenn Du es verweigerst, das Wort einzulösen, das ich für Dich gegeben, Dich in Deinen Kerker zurück zu liefern!«

»Du forderst Schweres, fast Unmögliches –« erwiderte Konstantin, den Kopf auf die Brust senkend. »O, mein Gott, es wäre besser für mich gewesen, wenn ich meinen Plan ausgeführt hätte und von den Kugeln der Wächter meines Kerkers gefallen wäre!«

»Du wärest unnütz und ruhmlos gefallen. Es ist wahr, es mag die Forderung Dir schwer erscheinen in diesem Augenblick, aber ich biete Dir Ersatz, reichen Ersatz, Wahrheit für Täuschung, ein edles, herrliches Lebensziel für eine törichte Aufwallung. Ein Weib willst Du rächen und retten, die dessen nicht wert ist, die Dir nicht danken würde – rette und räche das Vaterland, das Deiner bedarf und das heilige Rechte an Dich hat. Höre mich ruhig an. Wenn Dein Herz zittert und zagt, Deine Ehre wird Dich wieder aufrichten.«

»Und was verlangst Du von mir?« fragte Konstantin.

»Dich selbst –« sagte Kasimir, »Dich selbst, mit allem, was Du in Dir trägst, und Mut und Begeisterung. Du hast es selbst an Dir erfahren, wie die russische Regierung das Versöhnungswerk versteht, mit dem sie selbst eifrige Patrioten wie den Grafen Jaczkonowski blendet. Die Versöhnung mit ihr ist der Tod, der Frieden, den sie bietet, ist die Ruhe eines Kirchhofes – das Recht, das sie uns geben will, ist die Willkür, die mit Leben und Freiheit der Untertanen, welche die Verfassung feierlich verbürgt hat, ein frevelhaftes Spiel treibt, wie es mit Dir geschah.«

»Du hast recht, Du hast tausendmal recht!« rief Konstantin; »auch ich habe eine solche Versöhnung nicht glauben können, nicht glauben wollen, obwohl der Graf Jaczkonowski sie für gesichert hält.«

»Er wird seinen Irrtum einsehen und tief beklagen. Er ist alt. Er hat für die Freiheit gefochten und darf vielleicht seines Lebens Werk als beendet ansehen. Du aber hast noch nichts getan, Deine Pflicht gegen das Vaterland zu erfüllen, Du hast noch die volle Schuld abzutragen, die Du mit dem Blut Deiner Vorfahren überkommen hast; ich bin befugt, Dich aufzunehmen in den heiligen Bund, der die Befreiung vorbereitet in stiller, verborgener Arbeit, der sie erringen wird im offenen Kampf auf den blutigen Schlachtfeldern, über welche bald die Würfel der Entscheidung rollen werden. Alles ist bereit, immer näher rückt der Tag der gerechten Rache, und auch Du sollst Deine Stelle haben unter den Arbeitern, welche die Waffen vorbereiten unter den Reihen der Kämpfer, die sie einst führen werden. Hier,« sagte er, aus seinem Schreibtisch einen Bogen Papier hervorziehend – »lies das Gesetz des Bundes der Cosiniery, der gebildet ist nach dem Vorbilde der Carbonari in Italien, der mit jenen in Verbindung steht, ebenso wie mit den Freimaurern in Frankreich, die den Sturz des greisenhaften, ohnmächtigen Königtums dort vorbereiten. Das wiedererwachte Frankreich wird unser Verbündeter sein, und überall, wo die Herzen für die Freiheit glühen und schlagen, werden wir Mitstreiter finden, denn die Sache der Freiheit ist überall dieselbe, und jeder errungene Sieg wird für alle gewonnen sein, die danach streben, ihr heiligstes Recht zu erringen.«

Konstantin durchflog die Satzungen des Bundes.

Sie waren kurz, sie verlangten nur die volle Hingabe der ganzen Person, ohne irgendwelche andere Rücksicht, an die Sache der Freiheit, den unbedingten Gehorsam gegen die Befehle des Bundes und die strengste Verschwiegenheit.

»Ich vertraue Dir dies Geheimnis an,« sagte Kasimir, »und ich selbst habe dem Bund gegenüber dafür die Verantwortung übernommen.«

»Ich gehöre Euch –« sagte Konstantin, indem er mit blitzenden Augen sich erhob und Kasimir die Hand reichte.

»Ich wußte es,« sagte dieser, kräftig die Hand schüttelnd, »daß Du der unsere sein würdest. Vollziehe die Form Deines Eintritts und unterschreibe dies selbst mit Deinem Blut – hat man vormals sich den höllischen Mächten mit seinem Blut verschrieben, so kann man auch wohl einen Tropfen des Lebenssaftes als Gelöbnis für die heiligste Sache opfern, die es auf Erden gibt.«

Er reichte Konstantin ein kleines Messer.

Dieser ritzte sich leicht die Hand auf, füllte eine frische Feder mit den aus der Wunde perlenden Tropfen und schrieb mit fester Hand seinen Namen unter das Blatt Papier, das Kasimir sorgsam wieder in seinem Schreibtisch verbarg.

»Nun gehörst Du uns,« sagte er freudig, »das heißt, dem Vaterlande, zu dessen streitbaren Priestern wir uns gelobt haben, wie einst die Ritterorden in den heiligen Kämpfen um die Heimstätte des Christentums, und so empfange denn von mir die erste Aufgabe, welche der Bund Dir stellt; sie ist wichtig und beweist das Vertrauen, das die Brüder Dir entgegen bringen. Du sollst nach Frankreich gehen und dort die Verbindung mit den Führern der sich vorbereitenden Revolution pflegen. Wie Du das tust, ist Deine Sache, geschriebene Instruktionen erteilen wir nicht, haben wir eine Botschaft zu senden, so wird sie einer der Brüder Dir bringen. Du wirst äußerlich in der Welt leben und je mehr Du scheinbar nur Dein Vergnügen suchst, um so besser wirst Du Dein Geheimnis bewahren. Drei Monate wirst Du dort bleiben, hältst Du es für nötig, auch länger. Jede Woche wird ein Bote kommen, um Deine Berichte zu hören und zu uns zu bringen, und niemals, hörst Du wohl, niemals darfst Du ein geschriebenes Wort senden, denn ein Brief gehört nicht mehr Dir, so wenig wie die Kugel, die dem Lauf entflogen ist.«

»Du verlangst Großes und Schweres von mir,« sagte Konstantin mit tiefem Ernst, »aber ich werde alle Kraft daran setzen, Euer Vertrauen zu rechtfertigen. Und Luitgarde?« sagte er mit einem schweren Seufzer, »willst Du mir versprechen, über sie zu wachen?«

»Ich will dies Wort nicht gehört haben«, erwiderte Kasimir streng, »und will es Dir verzeihen als einen Rückfall in den Wahn, der Dich betörte, aus Rücksicht auf die Leiden Deiner Haft, die die Kraft Deiner Nerven geschwächt hat. Ist es meine Aufgabe, zu wachen über ein Weib, das unter der Herrschaft ihres Gemahls steht, den sie aus freiem Willen gewählt?«

»Sie war verblendet –« wagte Konstantin zu erwidern.

»Verblendet durch die Torheit und Eitelkeit ihres Herzens,« fiel Kasimir ein, »und wenn sie dafür leiden muß, so büßt sie ihre Schuld – leiden nicht so viele edle Herzen im Vaterlande ohne Schuld? Kein Wort mehr davon, wenn ich nicht irre werden soll. Ich habe Dein Gelübde und gebe es Dir nicht zurück.«

»So sprich,« sagte Konstantin, »ich werde gehorchen.«

»Dein Reisewagen steht bereit – hier ist Dein Paß, der Dir die schnellste Reise verbürgt und Dich sicher über die Grenze bringt, und hier ist Geld, Du darfst es nicht sparen. Fürs erste wird es genügen und wenn Du mehr bedarfst, so findest Du in der Brieftasche die Adresse des Bankiers, an den Du Dich zu wenden hast.«

Er reichte Konstantin den Paß, welchen er von Rozniezki erhalten, und ein mit Banknoten gefülltes Portefeuille.

»Geld –« fragte Konstantin fast erschrocken, »darf ich es nehmen?«

»Es gehört dem Vaterlande,« antwortete Kasimir, »wie Du selbst.«

»Und darf ich«, fragte Konstantin, »dem Grafen Jaczkonowski schreiben? Er war mein Freund, mein aufrichtiger Freund und wird schwer gekränkt und schwer bekümmert sein um mein Verschwinden.«

»Du darfst es von Paris aus. Es ist vielleicht sogar gut. Du wirst irgendein Geschäft, Familienangelegenheiten, was Du willst, wählen, um Deine Reise zu erklären, so wird das Geheimnis um so besser bewahrt bleiben. Nun lebe wohl und Gott, der die heilige Sache des Vaterlandes schützt, sei mit Dir!«

Er nahm aus seinem Schrank einen Mantel und einen mit den notwendigsten Kleidungsstücken und Wäsche gefüllten, kleinen Handkoffer.

Dann umarmte er den tiefbewegten Freund und führte ihn zu einem im inneren Hof haltenden Reisewagen, der mit kräftigen Postpferden bespannt war.

Noch einmal drückten sich beide die Hand.

Der Postillion trieb die Pferde mit einem Zungenschlag an und der Wagen rollte durch das geöffnete Portal des Klosterhofs.


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