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16. Kapitel.

Kurt war bei demjenigen Truppenteil tätig, der unter dem Befehl des Generals Velez stand. Man hatte sich über einen neuen Plan geeinigt, der die Eroberung der Stadt erleichtern sollte. Velez hatte diesen zwar für unnütz erklärt, weil er wußte, daß die Festung durch Verrat in seine Hände fallen werde. Da er dies aber nicht sagen durfte, so war trotz seines Einspruches der Plan angenommen worden, und es bedurfte zur Ausführung desselben nur noch der Genehmigung des Generals Eskobedo.

Um dieselbe zu erlangen, mußte ein Bote zu dem Feldherrn geschickt werden, der imstande war, demselben alle Vorteile des Planes vorzustellen. Man wählte Kurt Helmers.

Eskobedo hatte sein Hauptquartier eine Stunde von Querétaro entfernt, und es war am Nachmittag, als Kurt aufbrach. Er traf den General an und erlangte die Genehmigung desselben, allerdings nach einer so eingehenden Besprechung, daß währenddessen der Abend herangekommen war.

Es war dunkel, und um schneller fortzukommen, wich Kurt von der geraden Richtung ab, diese hätte ihn mitten durch das Belagerungsheer geführt, wo sein Ritt durch allerlei Aufenthalt verlangsamt worden wäre. Er hatte also beschlossen, einen Bogen zu schlagen und am äußersten Ende der Truppenaufstellung hinzureiten.

Da es finster war und es hier keinen gebahnten Weg gab, so konnte man leicht die beabsichtigte Richtung versehen, und wirklich geriet Kurt eine Strecke abseits in das Feld. Er merkte es und hielt an, um sich zu orientieren.

Indem er überlegend im Gras hielt, war es ihm, als ob er das Schnauben eines Pferdes vor sich höre, da, wo ein Streifen zu bemerken war, der, dunkler als die nächtliche Finsternis, sich ohne Schwierigkeit erkennen ließ. Ein zweites und darauf ein drittes und viertes Schnaufen erfolgte.

Was war das? Dort waren jedenfalls mehrere, vielleicht viele Pferde beisammen. Und wo Pferde sind, da gibt es auch Reiter. Waren es Freunde oder Feinde? Jedenfalls das letztere. Die Truppen Eskobedos lagen links hinüber und hätten auch nicht notwendig gehabt, sich im Wald zu verbergen. Daß nämlich der dunkle Streifen einen Wald bedeute, verstand sich von selbst.

»Es sind Feinde. Ich muß sehen, was sie wollen«, flüsterte Kurt sich selbst zu.

Er wandte sein Pferd und ritt so weit zurück, daß es, im Falle es schnauben sollte, außer Hörweite der zu belauschenden Reiter sei, pflockte es an und schritt wieder leise und vorsichtig auf den Wald zu.

Es verstand sich von selbst, daß sein Vorhaben nicht ohne Gefahr war. Daher legte er sich, in der Nähe des Waldes angekommen, im Gras nieder und schob sich nach Art der Präriejäger vorwärts.

Nicht lange dauerte es, so hatte er den Waldrand erreicht und drang zwischen den Bäumen vor. Da hörte er zu seiner Linken ein halblaut geführtes Gespräch. Er schlich sich auf diese Gegend zu, mußte aber bald anhalten, denn er war bei einem Baum angelangt, in dessen Nähe zwei Männer saßen, die miteinander sprachen. Er konnte jedes Wort genau verstehen.

»Wieviel Uhr haben wir?« fragte der eine. – »Das weiß der Teufel«, antwortete der andere. »Es wird gegen elf Uhr sein.« – »Also noch eine Stunde.« – »Du denkst, daß wir um Mitternacht aufbrechen?« – »Ja. Um ein Uhr soll der Angriff unternommen werden.« – »Hm! Was hältst du von diesem Angriff?« – »Eigentlich eine verrückte Idee.« – »Ganz meine Ansicht.« – »Wir sind vierhundert, und der Feind zählt fünfundzwanzigtausend.« – »Unsinn! Wir haben es ja nur mit einem kleinen Teil desselben zu tun! Aber trotzdem wird es nichts sein, als ein Laufen in den Tod.« – »Ich stelle mir die Sache nicht so schlimm vor. Als ich heute Posten stand, kam der Colonel mit dem Boten des Generals Miramon an mir vorüber, und da gelang es mir, einige Worte ihres Gespräches wegzuschnappen.« – »Was sagten sie?« – »Der Colonel war ungehalten darüber, daß er sich opfern solle.« – »Und der Bote?« – »Dieser beruhigte ihn, indem er ihm erklärte, daß es sich ja gar nicht um ein ernstliches Gefecht handle. Es sei nur darum zu tun, die Annahme zu wecken, daß der Kaiser im Rücken seiner Feinde noch Anhänger habe, die gesonnen sind, für ihn zu kämpfen.« – »Dummheit! Was könnte das ihm nützen?« – »Wer weiß es? Ich bin kein General und auch kein Minister. Wir greifen an und ziehen uns zurück, sobald die Kugeln des Feindes zu pfeifen beginnen.« – »Ja, und haben dabei nichts weiter zu tun, als uns totschießen zu lassen und ›Vivat Max‹ zu rufen. Ich habe große Lust, zurückzubleiben und schreien zu lassen, wer da will.« – »Hast du etwa Angst?« – »Angst? Vor wem?« – »Nun, vor den Waffen der Republikaner.« – »Was fällt dir ein! Hast du jemals bemerkt, daß ich mich gefürchtet habe? Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich für eine Sache kämpfe, die eine Zukunft hat, oder für eine solche, die ich im vornherein verloren geben muß!« – »Verloren? Du meinst die Sache des Kaisers?« – »Natürlich!« – »Und du erklärst sie für verloren? Das laß ja den Colonel nicht hören. Er würde dir eine Kugel vor den Kopf geben lassen.« – »So wäre er dumm genug. Die Wahrheit belohnt man nicht mit einer Kugel.« – »Pah! Die Wahrheit! Du denkst, weil wir jetzt so schauderhaftes Pech gehabt haben, müsse das auch so bleiben. Aber du irrst dich da gewaltig. Miramon ist ein tüchtiger Kerl. Ist er nicht Präsident gewesen? Er wird wohl wissen, was er tut. Und der Streich, den wir heute auszuführen haben, hat jedenfalls auch seine Berechnung. Vielleicht sollen wir die Aufmerksamkeit Eskobedos auf uns lenken, damit den Unseren in der Stadt ein Ausfall gelingt, der den Belagerern verderblich wird.

Während dieses Gesprächs, am Schluß desselben, hatte Kurt nahende Schritte vernommen, die aber den beiden Sprechenden entgangen waren. Jetzt fragte eine tiefe befehlshaberische Stimme:

»Was fällt euch ein, so laut hier zu sprechen?« – »Ah! Der Colonel!« riefen die beiden, indem sie aufsprangen.

Kurt hatte die Ansicht, daß die eigentliche Truppe im Innern des Wäldchens kampiere, während an den Rand desselben Doppelposten gelegt waren. Einen solchen Posten bildeten jedenfalls auch die beiden, die er belauscht hatte. Daß seine Meinung die richtige sei, sollte er sogleich hören.

»Leise!« befahl der Colonel. »Ich habe doch den Befehl gegeben, daß auf Posten nicht gesprochen werden soll!«

Die zwei fühlten sich schuldig und schwiegen infolgedessen. Der Colonel fuhr fort:

»Ist etwas vorgekommen?« – »Nein«, antwortete der eine. – »Auch nichts Verdächtiges gehört?« – »Gar nichts.« – »So verhaltet euch ruhiger als bisher. Anstatt zu hören, werdet ihr gehört, wenn ihr laut sprecht. Ich will einmal rundum rekognoszieren gehen. Fällt während dieser Zeit etwas vor, so meldet ihr es dem Major!«

Kurt konnte den Colonel nicht sehen, aber er hörte es an dem Geräusch der Schritte, daß derselbe gerade auf den Baum zukam, hinter dem er sich niedergelegt hatte. Infolgedessen erhob er sich schnell und geräuschlos aus seiner liegenden in eine kauernde Stellung, duckte sich so eng und tief wie möglich zusammen und schmiegte sich fest an den Stamm des Baumes.

Um nicht anzustoßen, hielt der Oberst die Hände vor. Er fühlte den Stamm und wollte zur Seite vorüber. Dabei aber blieb er am Fuß Kurts hängen und stürzte zu Boden.

»Verdammt!« rief er. »Das war gerade, als ob ich an dem Stiefel eines Menschen hängengeblieben wäre. Schnell herbei, ihr beiden!«

Kurt hatte kaum so viel Zeit, zur Seite zu schnellen und, an einigen Bäumen vorüberschleichend, sich hinter einem anderen Stamm zu verbergen, so rasch waren die zwei Männer da.

Der Oberst hatte sich natürlich wieder erhoben.

»Habt ihr Zündhölzer?« fragte er. – »Ja«, antwortete einer.

Kurt zog sich rasch noch weiter zurück.

»Brennt an!« gebot der Offizier. »Aber nicht eins allein, sondern mehrere zusammen. Das leuchtet besser.«

Kurt vernahm das Anstreichen der Hölzer, und einen Augenblick darauf beleuchtete das Flämmchen die Umgebung des Ortes, wo die drei Personen standen, ziemlich deutlich. Ein Glück war es, daß der Schein nicht zu ihm dringen konnte.

»Seht ihr etwas?« fragte der Colonel. – »Nein«, antworteten die Männer zugleich. – »Leuchtet nieder an den Boden.«

Sie gehorchten.

»Ah!« meinte der Offizier im Ton der Beruhigung. »Hier ist eine Wurzel. Freilich war das, worüber ich stolperte, weicher, als eine Wurzel zu sein pflegt, aber sie ist mit Moos bewachsen. Sie ist es gewesen, an der ich hängenblieb.« – »Jedenfalls, Señor«, bestärkte ihn der eine der beiden Posten in dieser irrigen, für Kurt aber günstigen Ansicht. – »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, meinte er, »besonders in der Lage, in der wir uns befinden. Haltet darum eure Ohren offen, Leute!«

Nach dieser Warnung schritt der Oberst weiter, dem Ausgang zu. Es war kein Zweifel, daß Kurt sich in Gefahr befunden hatte, doch schätzte er dieselbe nicht groß. Er wußte, daß man ihn sicher nicht zu ergreifen vermocht hätte. Freilich wäre der Oberst dann zu der Überzeugung gekommen, daß er belauscht worden und seine Absicht kaum noch ausführbar sei.

Jetzt war diese Gefahr vorüber. Der Colonel hatte sich jedenfalls vorgenommen, außerhalb des Wäldchens, da, wo ebener Grasboden zu sein schien, rund um das letztere herumzugehen. Bei diesem Gedanken durchzuckte ein Entschluß den jungen Mann. Wie, wenn er diesen Obersten gefangennahm? Es war dies wohl kein leichtes Unternehmen, aber er fühlte sich gewandt genug dazu, dasselbe auszuführen.

Er folgte in geduckter Stellung dem Offizier. Dieser war wirklich aus dem Wald heraus auf die offene Grasfläche getreten und patrouillierte nun langsam an dem Waldrand weiter. Kurt schlich, nachdem er einige Zeit hatte vergehen lassen, um außer Hörweite der beiden Posten zu kommen, hinter ihm her. Er erreichte ihn und schlang ihm von hinten die Finger der beiden Hände fest um den Hals. Der Offizier stieß ein halblautes Stöhnen aus, griff mit den Händen in die Luft, um seinen Angreifer zu fassen, was ihm aber nicht gelang. Ein noch festerer Druck von Kurts Fingern, ein röchelndes, leise endendes Stöhnen, und der Oberst sank zur Erde.

»So, den habe ich!« murmelte Kurt befriedigt.

Dann zog er sein Taschentuch hervor, band es um den Mund des augenblicklich Besinnungslosen, schlang sich den Lasso von den Hüften und wickelte denselben so fest um die Arme und Beine des Gefangenen, daß dieser sich beim Erwachen nicht zu rühren vermochte.

Nun erst hatte er ihn vollständig in seiner Gewalt. Er warf sich den Mann über die Schulter und eilte zu seinem Pferd zurück, das zu finden ihm trotz der Dunkelheit glücklicherweise gelang. Er hob ihn empor, stieg auf, nahm ihn quer vor sich über und ritt davon, erst langsam und vorsichtig, dann aber so schnell, als es ihm die Dunkelheit und das Terrain gestatteten.

Anstatt bei der vorher eingehaltenen Richtung zu verharren, die ihn längs der Vorpostenkette der Republikaner hingeführt hatte, hielt er jetzt in gerader Richtung auf dieselbe zu, bis er angerufen wurde und also halten mußte. Nachdem er sich durch Parole, Losung und Feldgeschrei legitimiert hatte, fragte er den befehlenden Offizier, der in der Nähe war:

»Wer ist Ihr Kommandeur?« – »General Hernano«, antwortete der Gefragte. – »Bringen Sie mich schnell zu ihm.« – »Ist die Angelegenheit eilig?« – »Ja. Sie sollen um ein Uhr angegriffen werden.« – »Donner! Wen haben Sie denn da auf dem Pferd?« – »Einen Gefangenen. Aber ich habe keine Zeit zu Auseinandersetzungen. Bitte, lassen Sie uns eilen!«

Nachdem der Offizier den Seinen die größte Wachsamkeit eingeschärft hatte, ging er, Kurt führend, nach seinem Posten zurück, wo sein Pferd stand, bestieg es, und beide sprengten dem Quartier des Generals zu.

Dasselbe befand sich in einer Art von Dörfchen, das vielleicht eine halbe Stunde von Querétaro lag. Der Kommandierende saß mit seinen Stabsoffizieren bei einem frugalen Nachtessen, als ihm Kurt gemeldet wurde.

»Ein deutscher Name«, sagte er. »Wird nicht viel bringen. Der Mann mag eintreten!«

Kurt hatte kurzen Prozeß gemacht und seinen Gefangenen auf die Schulter geladen. Er trat mit demselben ein. Bei diesem außergewöhnlichen Anblick sprangen die Offiziere auf.

»Valga me Dios! Was bringen Sie da?« fragte erstaunt der General. – »Einen Gefangenen, Señor«, antwortete Kurt, indem er den Colonel zur Erde legte und sein Honneur machte. – »Das scheint so! Wer ist der Mann?« – »Ein kaiserlicher Oberst.« – »Hm. Der Kerl sieht nicht danach aus. Jedenfalls haben Sie da eine Maus gefangen, anstatt eines Elefanten.«

Bei diesen Worten umspielte ein ironisches Lächeln die Lippen des Generals, und seine Offiziere hielten es natürlich für ihre Pflicht, dasselbe Lächeln sehen zu lassen.

»Überzeugen Sie sich«, meinte Kurt in sehr ruhigem Ton. – »Er trägt ja nicht die kaiserliche Uniform!« – »Er ist dennoch ein Kaiserlicher. Ich trage auch nicht die Uniform Eskobedos oder des Präsidenten, sondern gerade wie dieser Gefangene mexikanische Kleidung.« – »Und dennoch sind Sie Republikaner? Das wollen Sie doch sagen?« – »Nein.« – »Was sonst? Sie wurden mir als Premierleutnant angemeldet.« – »Das bin ich allerdings. Ich diene in der Armee des Königs von Preußen, bin in Familienangelegenheiten nach Mexiko gekommen und habe mich gegenwärtig aus gewissen Gründen der Sache des Präsidenten angeschlossen.« – »Ah! Warum nicht der Sache des Kaisers?« fragte der General.

Es war ihm leicht anzusehen, daß er einiges Mißtrauen hegte.

»Es war mir so opportun«, antwortete Kurt kurz und scharf. – »Sie haben sich bei den Vorposten legitimiert?« – »Ja. Hätte der Führer der Posten mich Ihnen sonst angemeldet?«

Der General erkannte, daß er im Begriff gestanden hatte, zu weit zu gehen, und fragte:

»Woher kommen Sie?« – »Von Eskobedo.« – »Ah! Sie waren beim Oberstkommandierenden? In welcher Angelegenheit wenn ich fragen darf?«

Der letzte Zusatz war doch wieder in einem ziemlich ironischen Ton gesprochen.

»Fragen dürfen Sie allerdings, Señor«, antwortete Kurt lächelnd, »aber antworten darf ich nicht.« – »Ah! Es handelt sich um eine diskrete Angelegenheit?« – »Ja, um einen Plan, über den Sie das Nähere von einem anderen als von mir zu erfahren haben.« – »Sie scheinen in Preußen an eine strenge Disziplin gewöhnt zu sein.« – »Das ist allerdings wahr.« – »Auch an diese Verschlossenheit Vorgesetzten gegenüber?« – »Auch an sie, wenn es nötig ist. Nur fragt es sich, wen Sie einen Vorgesetzten nennen.« – »Sie meinen doch, daß ich der Ihrige bin?« – »Vielleicht nicht. Ich habe mich dem Präsidenten zur Verfügung gestellt, ohne einen militärischen Rang zu beanspruchen.« – »Sie meinen doch nicht etwa, daß Ihnen im anderen Fall der meinige angeboten worden wäre? Ich bin General.« – »Ich bin Offizier, wie Sie, das ist alles, was ich Ihnen antworten kann. Welcher Rang mir geworden wäre, kommt nicht in Betracht. Übrigens denke ich, dem Präsidenten nicht weniger dienlich zu sein als jeder andere.«

General Hernano war als stolzer, hochfahrender, aber keineswegs als sehr befähigter General bekannt. Seine Arroganz machte sich auch hier Kurt gegenüber geltend. Dieser aber war freilich nicht derjenige, der so etwas etwa demütig hinnahm. Er wußte, daß ein mexikanischer General in Beziehung auf militärische Kenntnis nicht stets einem deutschen Leutnant gleichstehe, und beeilte sich daher, dem Ton des Generals mit einem gleichen zu begegnen.

Er sah, daß dies von der Umgebung Hernanos beifällig bemerkt wurde, und das befriedigte ihn. Der General dagegen ließ ein finsteres Gesicht sehen.

»Ah!« sagte er. »In welcher Weise dienen Sie dem Präsidenten?« – »Als Ingenieur. Ich bin den Genietruppen zugeteilt.« – »Hm. Ich halte es mit der Reiterei. Der Ingenieur ist ein Bohrwurm, der das Tageslicht scheut. Sie wurden mir als Oberleutnant Helbert angemeldet. Ich hörte den Namen zum ersten Male.«

Kurt verstand sehr wohl, was das heißen solle, aber er antwortete dennoch in ruhiger Höflichkeit:

»So hatte sich der betreffende Offizier verhört, oder er besitzt nicht die Fertigkeiten, einen deutschen Namen auszusprechen. Ich heiße nicht Helbert, sondern Helmers.«

Da blickte der General rasch empor.

»Helmers?« fragte er. – »Ja, Señor.« – »Sie stehen bei der Truppe des Generals Velez?« – »Allerdings.« – »Ah! Das ist etwas anderes. Entschuldigung! Wäre mir Ihr Name richtig genannt worden, so wäre Ihr Empfang ein anderer gewesen. Señores, ich stelle Ihnen hiermit die eigentliche Seele unserer Belagerungsarbeit vor.«

Gerecht war Hernano also doch. Die Offiziere traten jetzt zu Kurt und reichten ihm in kameradschaftlicher Weise die Hände. Dann fuhr der Oberst fort:

»Nun lassen Sie uns zur Ursache Ihrer Anwesenheit zurückkehren! Sie bezeichnen diesen Gefangenen wirklich als einen kaiserlichen Obersten?« – »Ja, obgleich ich der Ansicht bin, daß es sich nur um einen Guerilla- oder Bandenführer handelt. Er wurde von den Seinen in meiner Gegenwart Colonel, also Oberst genannt.« – »Wieviel Mann Begleitung hatten Sie bei sich?« – »Niemanden.« – »Wie aber sind Sie in den Besitz dieses Mannes gekommen?« – »Sehr einfach, ich habe ihn gefangen.« – »Sie allein?« fragte der General erstaunt. – »Nicht anders. Darf ich den Fall berichten?« – »Tun Sie es! Ich bin sehr gespannt!«

Kurt erzählte, und die Anwesenden hörten aufmerksam zu. Am Schluß rief der General:

»Alle Wetter! Man will uns also überfallen?« – »Ja.« – »Und wir versäumen die Zeit mit unnützen Reden!« – »Nicht meine Schuld«, meinte Kurt, indem er mit der Achsel zuckte. – »Warum machten Sie mich nicht sogleich aufmerksam?« – »Sie sind General, ich bin nur Leutnant«, antwortete Kurt, nun seinerseits mit einem ironischen Lächeln. »Ich hatte also nichts anderes zu tun, als Ihre Fragen zu beantworten.« – »Donner! Höflich scheinen diese Herren Preußen nicht zu sein. Ich werde sogleich eine Abteilung gegen den Wald vorrücken lassen. Wollen Sie die Güte haben, derselben als Führer zu dienen?« – »Ich stelle mich gern zur Verfügung, bitte aber, sich vorher mit diesem Colonel einen Augenblick zu beschäftigen.« – »Warum? Die Zeit drängt.« – »Nicht so sehr, daß wir nicht vorher einige Fragen an ihn richten und seine Taschen untersuchen könnten.« – »Das ist wahr. Sie sagten, daß der Angriff um ein Uhr stattfinden soll?« – Ja.« – »Und daß sie sich dazu um Mitternacht vorbereiten werden?« – »So ist es.« – »Es ist jetzt erst über elf Uhr, und so bleibt uns also noch Zeit. Binden wir ihn los.«


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