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15. Kapitel.

Unterdessen schritt die Belagerung von Querétaro rasch vorwärts. Die Belagerten sahen freilich nicht müßig zu. Bis zum sechsten Mai hatten sie fünfzehn Ausfälle gemacht, aber nun waren auch die Mittel zum Widerstand fast erschöpft.

Max hatte Unterhandlungen mit Eskobedo anzuknüpfen versucht. Er bot demselben die Übergabe der Stadt unter der Bedingung an, daß ihm nebst seinen europäischen Soldaten und Begleitern freier Abzug aus dem Land bewilligt und seinen mexikanischen Anhängern eine vollständige Amnestie zugesichert werde. Eskobedo ließ kurz antworten:

»Ich habe den Befehl, Querétaro zu nehmen, nicht aber mit dem angeblichen Kaiser von Mexiko – ich kenne keinen solchen – zu unterhandeln. Im übrigen schreit das Blut derer, die um dieses sogenannten Kaiserreiches willen ermordet wurden und die man infolge des Dekretes vom dritten Oktober rechtlos erschoß, zum Himmel auf um Rache. Zudem ist es dem Erzherzog von Österreich verschiedene Male geflissentlich an die Hand gegeben worden, dem wohlverdienten Schicksal zu entgehen. Hat er diese Winke nicht befolgt, so ist das seine Sache.«

*

So von Eskobedo abgewiesen, hatte Maximilian sich an Juarez selbst gewandt, aber gar keine Antwort erhalten.

Ebenso war es Miramon ergangen. Er hatte sich mit verschiedenen Anträgen an Juarez, Eskobedo und andere gewandt, aber seine Hoffnungen, aus der Falle zu kommen, in die er seinen Kaiser gelockt hatte, war stets vergeblich gewesen. Er erntete entweder Schweigen oder verächtlichen Hohn.

Jetzt hatte er sich auf sein Zimmer zurückgezogen, und vor ihm stand – der Oberst Miguel Lopez, jener Ritter der französischen Ehrenlegion, der für einen persönlichen Freund des Kaisers gehalten wurde, weil dieser sogar seinen Sohn aus der Taufe gehoben hatte. Max hatte ihn erst zum Kommandanten und zum Gouverneur der Feste und des Schlosses Chapultepek und sodann zum Obersten des Reiterregimentes der Kaiserin sowie zum Befehlshaber der Leibgarde derselben gemacht. Grund genug, seinem Kaiser die höchste Dankbarkeit und Anhänglichkeit zu beweisen.

Nun also stand er vor Miramon. Beider Mienen waren düster, aber doch zeigten sie einen ganz verschiedenen Ausdruck.

Der General hatte das Aussehen eines Mannes, der sich verloren gibt, der keine Hoffnung mehr hat und doch nach jedem Strohhalm greifen möchte. Er sah ein, daß er nicht entkommen könne, daß er rettungslos verloren sei.

Oberst Lopez hingegen zeigte eine finstere Entschlossenheit. Er war anzusehen wie ein Mann, der seine schlimme Lage zwar kennt, dem aber jedes Mittel recht ist, sich derselben zu entwinden.

»Soeben komme ich von einer Inspektion zurück«, meinte Miramon. »Wir vermögen uns kaum noch einige Tage zu halten. Der Cerro de las Campanas ist von den Kartätschen des Feindes vollständig verwüstet, die Stadt ist zerstört, die Befestigungen sind vernichtet, und nur das Fort la Benze vermag noch Widerstand zu leisten.« – »Es wird für uneinnehmbar gehalten«, meinte Lopez. – »Das ist es jetzt nicht mehr. In kurzer Zeit wird Eskobedo seinen Einzug halten und uns das fürchterliche Echo des Blutdekretes vernehmen lassen.« – »Sollte es keine Rettung geben?« – »Den Heldentod mit der Waffe in der Hand.« – »Pah!« lachte Lopez. »Es mag sehr schön sein, für seinen Kaiser zu sterben, noch schöner aber ist es jedenfalls, für sich selbst zu leben.« – »Sie haben nicht unrecht«, entgegnete Miramon nachdenklich. »Und was heißt Sterben für uns! Es ist das Aufgeben aller Errungenschaften, aller Hoffnungen und Wünsche, aller Pläne, an denen wir Jahrzehnte lang gebaut und gearbeitet haben. Ich mag, ich kann nicht sterben mit dem Gedanken, daß dieser Juarez, dieser Indianer, wieder Präsident von Mexiko ist und als der Retter seines Vaterlandes gefeiert wird.« – »Es muß, es muß ein Mittel geben, uns zu retten.« – »Es gibt eins!« – »Ah! Welches, General?« – »Es ist ein Mittel, das man kaum sich selbst anzuvertrauen wagt, viel weniger einem anderen.« – »So darf ich es nicht hören?« – »Nur, wenn Sie stumm wären.« – »Nun, so bin ich stumm.« – »Schwören Sie es mir zu!« – »Ich versichere Ihnen bei Gott und allen Heiligen, daß kein menschliches Ohr ein Wort von dem hören soll, was wir nun sprechen werden!« – »Gut. Ich vertraue Ihnen. Beginnen wir mit der Betrachtung der Lage, in der sich der Kaiser befindet!« – »Er ist verloren.« – »Meinen Sie?« – »Ich bin überzeugt davon. Er hat sich mit dem Dekret sein eigenes Todesurteil unterzeichnet, und es wird jedenfalls an ihm vollstreckt werden.« – »Wenn das ist, so hilft ihm auch unsere Aufopferung nichts.« – »Sie nützt weder ihm noch uns das geringste.« – »Sie schadet uns vielmehr. Könnten wir diese Aufopferung in das Gegenteil verwandeln, so würde auch aus dem Schaden ein Nutzen für uns werden.« – »Was soll das heißen?« – »Das müssen Sie verstehen, ohne es zu hören!« – »Ah! Sie meinen, anstatt den Kaiser zu verteidigen sei es geratener – ihn seinem Schicksal zu überlassen?« – »Das wäre zu wenig; das hieße doch für uns untätig verbleiben. Und doch, nur die Tat kann uns retten.« – »Ich verstehe«, meinte der Oberst in einem sehr entschlossenen Ton. – »Gut, Sind Sie bereit, mein Bote zu sein?« – »Ja.« – »Es ist noch nicht lange her, daß Ihnen diese Señorita Emilia entkam. Ich vergab Ihnen diesen Streich, indem ich von Ihnen erwartete, daß Ihnen ein anderer Auftrag besser gelingen werde. Die Zeit, Ihnen diesen Auftrag zu erteilen, ist gekommen.«

Lopez warf einen listigen Blick auf seinen Vorgesetzten und fragte:

»Sie haben also schon damals an diese Möglichkeit gedacht?« – »Schon längere Zeit,« – »Desto besser. Ich darf dann hoffen, daß alles reiflich überlegt sei.« – »Das ist es.« – »Die Hauptsache ist, wie überall, hier das Schwierigste.« – »Was verstehen Sie unter der Hauptsache?« – »Eine Person zu finden, an die man sich gefahrlos wenden kann.« – »Sie ist gefunden.« – »Wirklich?« – »Ja, und auch so leidlich vorbereitet.« – »Wer ist es?« – »General Velez.« – »Der mir gegenüber in den Trencheen liegt? Eignet er sich zu einer so schwierigen Verhandlung?« – »Ausgezeichnet. Er ist ein zweiter Trenck, rauh, verwegen und Herr seiner Soldaten, nicht aber seiner Gesinnung. Er haßt den Kaiser wie den Tod und würde sehr viel darum geben, derjenige zu sein, von dem gesagt wird, daß er den Kaiser gefangen habe.« – »Wird er aber ermächtigt sein, einen Vertrag wie den beabsichtigten, abzuschließen?« – »Jedenfalls.« – »Also autorisiert von Eskobedo?« – »Es kann Eskobedo nur lieb sein, ohne weitere Opfer in den Besitz der Stadt zu gelangen.« – »Dann müßte vor allen Dingen Fort la Cruz übergeben werden.« – »Allerdings. Also wollen Sie diese Verhandlung übernehmen?« – »Ja. Ich bin entschlossen dazu.« – »So ist hier der Schlüssel zur Ausfallpforte. Heute, gerade um Mitternacht, wird Velez sich bis zu derselben heranschleichen.« – »Er selbst?« – »Ja. Er verläßt sich auf mein Wort, daß ihm nichts geschieht.« – »Welche Bedingungen stellen Sie?« – »Freien Abzug für mich und Sie.« – »Welche Garantien fordern Sie?« – »Welche könnte ich fordern?« – »Etwa eine Unterschrift?« – »Die kann ich nicht verlangen. Kein General wird so unvorsichtig sein, über einen solchen Vertrag ein Schriftstück zu verfassen und dasselbe gar noch mit seiner Unterschrift versehen.« – »So müssen wir uns mit dem Ehrenwort begnügen?« – »Ja. Velez hat sein Wort noch niemals gebrochen.« – »So ist das meine ganze Instruktion?« – »Ihre ganze. Nur habe ich noch hinzuzufügen, daß die Stunde genau angegeben werden muß.« – »Das versteht sich von selbst.« – »So können wir uns trennen. Ich werde heute abend nicht eher zur Ruhe gehen, als bis Sie bei mir gewesen sind, um mir das Resultat Ihrer Konferenz mitzuteilen.«

Lopez ging. Draußen aber wandte er sich um, ballte die Faust, drohte zurück und meinte:

»Jeder erhält seinen Lohn. Hast du den Kaiser ins Unglück gestürzt, so wirst du nun von mir betrogen. Du sollst sterben müssen, gerade wie er.«

Er konnte kaum die Mitternacht erwarten. Der Tag und der Abend schienen ihm schneckenhaft zu schleichen. Endlich aber war doch die Zeit gekommen. Er schlich zur Ausfallpforte, öffnete leise und verschloß sie ebenso, nachdem er sich im Freien befand.

Nun blickte er sich um. Nicht weit von ihm lehnte eine dunkle Gestalt an der Mauer.

»Wer da?« flüsterte diese. – »Bote von Miramon«, antwortete er ebenso leise. – »Willkommen!«

Mit diesem Wort trat die Gestalt näher.

»General Velez?« fragte er. – »Ja. Und Sie?« – »Oberst Lopez.« – »Ah! Kenne Sie! Schickten mir kürzlich ein allerliebstes Mädchen.«

Dabei kicherte der Offizier leise, aber doch vernehmlich vor sich hin.

»Ich Ihnen ein Mädchen?« fragte Lopez erstaunt. »Wüßte nicht!« – »Schon gut! Hatten sie sollen nach Tula bringen, um sie dort zu hängen!« – »Ah, diese, Señor! Das war eine fatale Sache.« – »Wir hoffen, daß es heute nicht ebenso fatal zugehen wird.« – »Ich bin überzeugt, daß wir uns einigen.« – »Kommt auf Eure Vorschläge an. Was verlangt Miramon?« – »Freiheit für sich und mich.« – »Hm. Ist sie nicht wert. Lasse ihn nicht gern durchschlüpfen.« – »Das ist auch nicht notwendig.« – »Ah! Wieso?« fragte der General betreten. – »Er ist nicht mein Freund.« – »Alle Teufel! Ich denke, Sie sind sein Bote, sein Bevollmächtigter!« – »Das ist wahr. Aber muß denn er das Tor aufschließen? Kann nicht auch ich dasselbe tun?« – »Sehr richtig! Aber wie wollen Sie sich dann gegen ihn verhalten?« – »Ich werde so tun, als ob ich abgeschlossen habe, unter der Bedingung, daß er die Freiheit erhält.« – »Donnerwetter! So wird er mich für unehrlich halten, nicht aber Sie! Und das würde mir verteufelt unlieb sein.« – »Das läßt sich arrangieren. Wir müssen doch die Zeit bestimmen?« – »Allerdings.« – »Ich gebe dem General einen späteren Tag an. Geschieht es einen Tag vorher, so wird er nicht annehmen, daß die Stadt infolge unseres Vertrages in Ihre Hand gefallen sei.« – »Das ist richtig. Also lassen Sie uns machen und keine Zeit versäumen, sonst werde ich vermißt.« – »Ich lasse Ihnen die Initiative.« – »Gut. Also Sie wollen den Vertrag auf eigene Faust abschließen?« – »Das versteht sich ja von selbst« – »So sagen Sie mir, ob Sie ganz genau wissen, wo und wie der Kaiser wohnt« – »Er wohnt im Kloster La Cruz hier über uns, und seine Wohnung kenne ich.« – »Ich verlange zu einer gewissen Stunde hier eingelassen zu werden.« – »Sie haben diese Stunde zu bestimmen!« – »Von hier aus führen Sie mich nach dem Schlafzimmer des Kaisers.« – »Zugestanden!« – »Weiter verlange ich nichts.« – »So viel kann ich leisten«, lachte Lopez leise. – »Welche Ansprüche machen nun Sie?« – »Ich verlange volle Freiheit für mich und mein Eigentum, die Meinen sind natürlich eingeschlossen.« – »Ich stimme bei.« – »Und außerdem eine Summe in Münzen oder guten Papieren. Die Gründe, wegen deren ich eine solche Forderung stelle, gehören entweder nicht hierher oder sind selbstverständlich.« – »Ich verstehe. Wieviel verlangen Sie?« – »Werden Sie handeln?« – »Ich schachere nie. Fordern Sie zu viel, so sehe ich ganz einfach von der Sache ab. Also ...« – »Sind Ihnen zehntausend Pesos zu viel?« – »Fast, aber ich will sie Ihnen geben. Sagen wir: In der Nacht vom 14. bis 15. Mai öffnen Sie elf Uhr abends dieses Pförtchen. Neben demselben liegt in einer Brieftasche diese Summe in englischen Noten. Sie haben bis zwölf Uhr Zeit, die Noten zu prüfen. Genügen sie Ihnen nicht, oder, was dasselbe ist, halte ich mein Wort nicht, so schließen Sie wieder zu. Um Mitternacht rücke ich ein, voran zweihundert Mann. Mit diesen Leuten werde ich mich überzeugen, ob auch Sie ehrlich sind. Mehr Menschenleben darf ich nicht daran wagen. Bemerke ich, daß Sie Wort halten und verschwiegen waren, schicke ich nach Verstärkung, und Sie führen mich zum Kaiser. Sobald Sie mir dessen Wohnung gezeigt haben, sind Sie entlassen und können tun, was Ihnen beliebt. Jedenfalls werden Sie gefangen. Sie werden auch, um allen Verdacht abzulenken, einige Zeit festgehalten werden; aber ich verbürge mich dafür, daß Sie innerhalb zweier Wochen mit allem, was Ihnen gehört, freigelassen werden. Einverstanden?« – »Vollständig.« – »Ihr Ehrenwort?« – »Hier ist es.« – »Und hier das meinige.«

Beide Männer reichten sich die Hände und trennten sich dann. General Velez suchte sein Lager auf, und Lopez kehrte zu General Miramon zurück, der ihn sehnlichst erwartet hatte. Es wäre ihm unmöglich gewesen, zur Ruhe zu gehen, ehe Lopez zurückgekehrt war, denn er hätte wegen der erwartungsvollen Spannung, in der er sich befand, doch keinen Schlaf finden können.

»Nun, wie ist es gegangen?«

Mit diesen Worten empfing er den Eintretenden, noch ehe dieser Zeit gefunden hatte, zu grüßen.

»Sie werden zufrieden sein, General«, antwortete der Gefragte. – »Gott sei Dank«, meinte Miramon mit einem Seufzer der Erleichterung. »Es war mir fast, als ob ich Sorge haben müsse.« – »Warum?« – »Nun, unsere Angelegenheit war doch immerhin eine prekäre. Das Vorhaben, mit einem feindlichen Offizier auf solchen Grundlagen in Verhandlungen zu treten, ist stets ein Wagnis, das mißlingen kann, und dann hat man die unangenehmen Folgen zu tragen.«

Lopez zog die Brauen zusammen und antwortete in einem Ton, der jedenfalls ein wenig spitz zu nennen war:

»Ein Wagnis? Jedenfalls! Aber wer hat dieses Wagnis unternommen? Wir beide doch.« – »Wohl ich allein, Señor!« – »Das möchte ich denn doch bestreiten. Sie haben sich in dem Hintergrund gehalten and mich vorgeschickt. Bei einem Mißlingen des Unternehmens würde also ich es sein, den man anpackt.« – »Aber ich bin Ihr Auftraggeber, und infolgedessen hätten Sie sich wohl auf mich berufen. Sie sehen, daß wir beide uns ganz der gleichen Gefahr ausgesetzt haben.« – »Mag sein«, meinte Lopez, der einsah, daß er wieder einlenken müsse. »Es ist ein Glück, daß ich unser gefährliches Vorhaben als ein gelungenes bezeichnen kann.« – »Nun, wie lautet das Übereinkommen?« – »Wir öffnen ihm heimlich Fort und Kloster la Cruz, so daß der Kaiser in seine Hände fällt, und dafür erhalten wir die Freiheit.« – »Welche Garantie haben Sie erhalten?« – »Keine andere als sein Ehrenwort.«

Der General schüttelte nachdenklich den Kopf und meinte:

»Hm! Wird das genügen?« – »Zweifeln Sie an der Rechtlichkeit des Generals Velez?« – »Ich habe allerdings noch nie gehört, daß er sein Wort gebrochen hätte, aber in diesem Fall ... hm!«

Der General schwieg. Es fiel ihm augenscheinlich schwer, in der begonnenen Rede fortzufahren. Lopez verstand ihn und fragte lächelnd:

»Warum meinen Sie, daß er gerade in diesem Fall eine Ausnahme machen werde?« – »Weil – weil – er uns – für Verräter halten wird.« – »Dieses Wort ist kein gar zu schönes, aber trotzdem ist es das richtige. Es gibt Leute, die den eigentümlichen Grundsatz haben, daß man einem Ver... Donnerwetter, dieses verdammte Wort – daß man einem Verräter nicht Wort zu halten brauche.« – »Sollte Velez zu diesen Leuten gehören?« – »Ich hoffe es nicht, aber trotzdem wäre es gut, wenn Sie einige Gewährleistung hätten erhalten können.« – »Worin sollte diese bestehen?« – »Das ist allerdings das Schwierige.« – »Und wenn es möglich gewesen wäre, irgendeine Bürgschaft zu erlangen, so hätte Velez auch von unserer Seite eine solche haben müssen. Was aber hätten wir ihm bieten können?« – »Hm! Nichts als unser Wort.« – »Sie sehen also, daß er uns gegenüber wenigstens nicht in irgendeinem Vorteil steht.« – »O doch! Die Lage, in der wir uns befinden, muß ihm Bürgschaft genug sein, daß wir unser Versprechen erfüllen werden.« – »Welches Schicksal erwartet uns, wenn wir kriegsgefangen werden?« – »Ein rosiges allerdings nicht.« Und mit eigentümlicher Betonung fügte Lopez hinzu: »Ein schlimmes kann ich es aber auch nicht nennen. Man pflegt doch Kriegsgefangene nach geschlossenem Frieden wieder freizulassen.« – »Darauf kann aber ich nicht rechnen.« – »Ah!«

Lopez machte zu diesem Ausruf ein sehr erstauntes Gesicht. Es kam ihm darauf an, den General, dem er keineswegs gewogen war, ein wenig zu peinigen.

»Nein«, fuhr dieser fort. »Freigelassen würden wir keinesfalls, aber wissen Sie, welches Schicksal den Kaiser erwartet, wenn er in die Hände der Republikaner gerät?« – »Er wird erschossen.« – »Jedenfalls. Und wir? Werden wir ein besseres Schicksal haben?« – »Meinen Sie etwa, daß Juarez uns alle erschießen lassen wird, vom Kaiser an bis auf den letzten Soldaten?« – »Das zu denken, wäre ja Wahnsinn.« – »Nun also! Man erschießt einfach die Führer, das heißt, den Kaiser und einige Generäle – weiter keinen!«

Miramon zog die Stirn in Falten.

»Oberst«, sagte er, »es ist nicht sehr liebenswürdig, mich auf eine so aufrichtige Weise vor diese Perspektive zu stellen.« – »Was nun meine Abmachung mit Velez anbelangt, so kommt derselbe mit zweihundert Mann. Sieht er aber, daß wir Wort halten, so zieht er die notwendige, größere Truppe zu sich heran.« – »Das ist allerdings sehr vorsichtig von ihm. Wann und um welche Zeit gedenkt er zu kommen?« – »In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai.« – »Donnerwetter! So spät?«

Lopez hatte den mit Velez vereinbarten Zeitpunkt um zwei Tage hinausgeschoben. Er antwortete abermals lügend:

»Er könnte nicht eher, weil er bis dahin abwesend sei, sagte er mir.« – »So müssen wir uns fügen. Welche Stunde wurde bestimmt?« – »Mitternacht.« – »So wollen wir wünschen, daß diese Nacht nicht eine helle, sondern eine recht trübe sei. Ist das alles, was zwischen Ihnen und dem General verhandelt wurde?« – »Ja, alles.« – »Nun, so wollen wir mit der Hoffnung auseinandergehen, daß unser Vorhaben gelingen werde. In diesem Falle dürfen Sie darauf rechnen, daß ich imstande sein werde, Ihr Verdienst anzuerkennen und zu belohnen.«

Lopez zuckte unter einem halben Lächeln die Achsel und antwortete:

»Mit Illusionen ist nicht gut rechnen, Señor.« – »Halten Sie meine Worte für ein Hirngespinst?« – »Das nicht Aber ...« – »Was, aber ...?« fragte Miramon. – »Wir wollen bedenken, daß Juarez nicht nur Ihr Gegner, sondern geradezu Ihr Feind ist. Er wird Präsident sein, und Sie werden unter seiner Regierung keinerlei Einfluß erlangen.« – »Ich werde sogar des Landes verwiesen werden.« – »Wie also werden Sie mir nützlich sein können?« – »Hm! Denken Sie, daß ich mich seinen Anordnungen wirklich fügen werde? Ich werde rücksichtslos gegen ihn vorgehen. Noch ist mein Einfluß nicht erloschen, er reicht sogar weit über die See hinüber, und ich werde ihn aufbieten, um Juarez zu stürzen.« – »Eine schwere Aufgabe, die nicht einmal Napoleon und Maximilian von Österreich zu lösen vermochten.« – »Die Schule, durch die ich gegangen bin, hat mich gewitzigt. Bin ich einmal frei, so wird der Zapoteke nicht lange am Ruder bleiben. Ich bin dessen so sicher, daß ich darauf schwören kann.«

Miramon dachte dabei an die geheime Korporation. Vielleicht hatte er die Absicht, derselben eine solche Verfassung und Ausdehnung zu geben, daß sie Juarez gefährlich werden mußte. Natürlich aber hütete er sich, Lopez von diesem Plan etwas mitzuteilen. Er fuhr nur fort:

»Doch, noch ist es nicht Zeit, von diesen Dingen zu sprechen. Ist der Augenblick gekommen, so werden auch Sie etwas Näheres erfahren und dann mit mir zufrieden sein. Aber wir wollen scheiden. Gute Nacht, Oberst!« – »Gute Nacht, General!«

Lopez entfernte sich. Miramon ging schlafen. Er dachte nicht daran, daß Lopez entschlossen sei, so an ihm zu handeln, wie er im Begriff stand, an seinem Kaiser zu handeln. Er hatte seine Maßregeln getroffen und, um nun auch Maximilian zu täuschen, einen Boten abgesandt, der einen seiner Anhänger, einen Bandenführer, aufsuchen sollte, von dem er wußte, daß er sich in der Gegend zwischen Salamanca und Quanachta aufhalte.

Dieser Bote hatte einen schriftlichen Befehl mit, der lautete:

 

»Sie brechen nach Empfang dieses Befehls mit Ihrer Truppe auf, um während der nächstfolgenden Nacht im Rücken von Eskobedo einen Angriff unter Ausrufungen usw., durch die sich die Ihrigen als Anhänger des Kaisers bezeichnen, zu unternehmen. Dieser Angriff wird zwar für Sie nutzlos, für mich aber von großen Folgen sein. Sie kämpfen, so lange es geht, und ziehen sich dann zurück, um sich in Ihrem Lager zu verbergen.

General Miramon.«

 

Der Bote war angewiesen, falls es ihm nicht gelinge, sich durch den Feind zu schleichen, und falls er ergriffen würde, diesen Zettel zusammenzuballen und zu verschlingen, damit nichts von dem Inhalt desselben verraten werde.

Er war mit Anbruch der Nacht aufgebrochen und glücklich durch die Linien der Belagerer gekommen.

Am Tage glückte es ihm dann, den Adressaten aufzufinden, und dieser machte sich sofort daran, den ihm übermittelten Befehl auszuführen.


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