Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel.

Obschon es die Pflicht des Veziers war, der Karavane jeden möglichen Vorschub zu leisten, verzögerte er doch ihren Abgang unter verschiedenen Vorwänden um zwei oder drei Tage, damit Menouni Gelegenheit fände, noch Einiges zur Unterhaltung des Paschas beizutragen. Menouni war damit wohl zufrieden, da sich nicht jeden Tag ein so freigebiger Pascha auffinden ließ, und wurde am nächsten Abende wieder der durchlauchtigsten Hoheit vorgestellt.

» Kosh amedeid! Du bist willkommen,« sagte der Pascha, als Menouni seine tiefe Verbeugung machte. »Laß uns eine andere Geschichte hören. Ich mache mir nichts daraus, wie lange sie ist – nur darf darin nicht wieder eine Prinzessin verheirathet werden. Jene Babebibobu hätte zugereicht, um die Geduld eines Derwisches zu erschöpfen.«

»Eurer durchlauchtigen Hoheit soll gehorcht werden,« entgegnete Menouni. Beliebt es Euch, die Geschichte Yussuffs des Wasserträgers anzuhören ?«

»Ja, das klingt besser, fange an.«

Der Wasserträger.

Eure Hoheit halten zu Gnaden – es traf sich, daß der große Harun al Raschid einmal Nachts von einem jener Anfälle schlafloser Melancholie betroffen wurde, mit welchen Allah den Glanz seines Geschickes mildern wollte. Ueberhaupt sind dergleichen Anfälle das gemeinsame Loos Solcher, welche durch das Glück über die gewöhnlichen Besorgnisse und Wechselfälle des Lebens erhoben wurden.

 

»Ich kann nicht sagen, daß ich je etwas davon verspürt hätte,« bemerkte der Pascha. »Wie kömmt dies, Mustapha?«

»Eure Hoheit hat ohne Zweifel eben so gut ein Recht daran, wie der große Kalif,« versetzte Mustapha, sich verbeugend; »aber wenn ich es wagen darf, meine Ansicht darüber auszusprechen,« fuhr er fort, sich dem Ohre des Paschas nähernd, »so habt Ihr ein Heilmittel dagegen in dem starken Wasser der Giauren gefunden.«

»Sehr wahr,« versetzte der Pascha. »Wenn ich mich recht erinnere, so hielt Harun al Raschid äußerst streng an die Beobachtung der Vorschriften des Korans. Im Grunde war er aber doch nur ein Pastek –eine Wassermelone. Du kannst fortfahren, Menouni.«

 

Der Kalif, welcher, wie ich Eurer Hoheit bereits bemerkte, von diesem Melancholie-Anfall heimgesucht war, schickte Meßrur nach seinem ersten Vezier Giaffar Vermutti, welcher solcher nächtlichen Aufgebote nicht ungewohnt war und sich unverweilt bei dem Beherrscher der Gläubigen einfand.

»Vater der wahren Gläubigen! Nachkomme des Propheten!« sagte der Minister mit einer tiefen Verbeugung, »Dein Sklave wartet, um zu hören, und hört nur, um zu gehorchen.«

»Giaffar,« versetzte der Kalif, »eine quälende Unruhe hat sich meiner bemächtigt, und es wäre mir lieb, wenn Du mir ein Erleichterungsmittel auffinden könntest. Sprich, was sagst Du?«

»Eile, o mein Fürst, nach dem Lieblingsgarten des Tierbar, blicke daselbst nach dem glänzenden Monde, höre auf die Stimme des Bul Bul und erwarte in so angenehmer Betrachtung die Rückkehr der Sonne.«

»Nicht doch,« entgegnete der Kalif.

»Bei dem Bart des Propheten, der Kalif hatte Recht, und dieser Giaffar war ein Narr. Ich habe in meinem Leben nie gehört, daß es eine Unterhaltung sey, den Mond anzustieren,« bemerkte der Pascha.

»Nicht doch,« versetzte der Kalif. »Meine Gärten, meine Paläste und meine Besitzungen können mir nicht länger Freude geben.«

»Bei dem Schwerte des Propheten, jetzt scheint mir der Kalif ein Narr zu seyn,« unterbrach ihn der Pascha.

»Oder wollen wir uns nach der Halle der Alten begeben und die Nacht verbringen, indem wir das Andenken der Weisen wieder aufleben lassen, deren Sprüche dort aufbewahrt sind?« fuhr Giaffar fort.

»Dein Rath will nichts heißen,« entgegnete der Kalif. »Berichte über die Vergangenheit reichen nicht zu, um die Sorgen der Gegenwart zu verbannen.«

»Dann will vielleicht das Licht der Welt Erleichterung suchen in einer Verkleidung?« sagte der Vezier. »Ist es Dir angenehm, den demüthigsten Deiner Sklaven mit Dir zu nehmen, um Dich durch den Augenschein von der Lage Deines Volkes zu überzeugen?«

»Du hast wohl gesprochen,« erwiederte der Kalif. »Ich will mit Dir nach dem Bazar gehen und unerkannt Zeuge seyn, wie sich mein Volk nach den Mühen des Tages vergnügt.«

Der Haupt-Eunuch Meßrur war zur Hand und beeilte sich, die nöthigen Verkleidungen herbei zu schaffen. Sie hüllten sich in eine Tracht, wie sie unter den Kaufleuten von Moussul üblich war, färbten sich die Gesichter olivenbraun, und dann verließ der Kalif mit Giaffar und Meßrur, welch' letzterer mit einen Scymetar bewaffnet war, das Serail durch die geheime Thüre. Giaffar, welcher aus Erfahrung die Stadttheile kannte, die am ehesten ein Abenteuer in Aussicht stellten, führte den Kalifen an der Moschee Zobeida vorbei, ging über die Schiffsbrücke des Tigris und verfolgte seinen Weg nach dem Stadttheile auf der mesopotamischen Seite des Flusses, welcher von Weinhändlern und anderen Personen bewohnt war, die eben, so gut zu den Unregelmäßigkeiten, als zu den Bedürfnissen der guten Bürgerschaft von Bagdad ihre Beiträge liefern. Sie gingen eine Weile auf und nieder, ohne auf Jemand zu treffen; als sie aber endlich durch eine schmale Gasse kamen, wurden ihre Schritte durch den Lärm des gewaltigsten Lungenpaares angehalten, welches nur je ein fröhliches Lied herausjubelte. Der Kalif wartete eine Weile, ob der Gesang nicht aufhöre, hätte aber wohl bis zum Morgen warten müssen, denn ein Vers folgte dem andern, und die kleinen Zwischenräume wurden durch das musikalische Gurgeln von einer Flüssigkeit aus einer Flasche, und die Rülpse des lustigen Trinkers ausgefüllt. Endlich erschöpfte sich Horuns Geduld, und er befahl Meßrur, laut an die Wohnung des Sängers zu klopfen.

Sobald der Bursche dies hörte, öffnete er die Jalousie und kam auf die Veranda heraus. Wie er der drei Personen ansichtig wurde, die seine Heiterkeit störten, rief er ihnen zu:

»Was für Schurken seyd Ihr, daß Ihr die Andacht eines ehrlichen Mannes stört! Hinweg – fort mit Euch, ihr Abschaum der Erde!«

»In der That, barmherziger Herr,« versetzte Giaffar in demüthigem Tone, »wir sind verunglückte Kaufleute – sind Fremdlinge in dieser Stadt, haben uns verirrt und fürchten uns, von der Wache aufgegriffen, vielleicht gar vor den Kadi geführt zu werden. Wir bitten dich daher, daß Du uns deine Thüre öffnest, und Allah wird deine Menschenfreundlichkeit belohnen.«

»Euch meine Thüre öffnen? – ja wohl da! Wie, ihr möchtet in mein Haus kommen, um auf meine Kosten gut zu essen und zu trinken? Geht – geht!«

Der Kalif lachte herzlich über diese Antwort und rief dem Manne zu:

»In der That, wir sind Kaufleute und suchen nur ein Obdach bis zur Stunde des Gebetes.«

»So sagt mir,« erwiederte der Mann. – »aber wohlgemerkt, ich möchte die Wahrheit hören – habt ihr gehörig zu Nacht gegessen und getrunken?«

»Allah sey gepriesen, wir haben längst unser kräftiges Abendmahl eingenommen,« antwortete der Kalif.

»Wenn dies der Fall ist, so mögt ihr herauf kommen; aber merkt Euch wohl, es geschieht nur unter einer einzigen Bedingung. Ihr müßt euch verpflichten, Eure Lippen nicht über das zu öffnen, was ihr mich thun seht, gleichviel, ob es Euch gefallen mag oder nicht.« »Dein Verlangen ist so vernünftig,« entgegnete der Kalif, »daß wir so unwissend seyn müßten, wie Yebuß, wenn wir uns nicht ohne weiteres dazu verstünden.«

Der Mann musterte die angeblichen Kaufleute noch einmal und schien zu einem befriedigenden Resultate zu kommen, denn er stieg herab und öffnete die Thüre. Der Kalif und seine Begleiter folgten ihm nach einem Zimmer, wo sie einen Tisch zum Nachtessen gedeckt fanden. Das aufgelegte Mahl bestand aus einem großen Weinkruge, einem halben gerösteten Zickelchen, einer Flasche Raki, Confituren, Eingemachtem und Früchten verschiedener Art. Auf dem Tische standen wohlriechende Blumen umher, und das Zimmer war herrlich beleuchtet. Sobald sie eingetreten waren, leerte der Wirth auf einen Zug ein großes Glas Wein, als wolle er die verlorne Zeit wieder einbringen, deutete nach einer Ecke und forderte die Eindringlinge auf, sich daselbst nieder zu lassen und ihn nicht weiter zu stören. Er begann sein einsames Gelage wieder, schien aber nach einem zweiten Glase Wein seiner eigenen Gesellschaft schon ziemlich müde zu seyn, denn er fragte grämlich:

»Woher kommt ihr Burschen, und wohin wollt ihr?«

»Herr,« versetzte Giaffar, welcher inzwischen mit dem Kalifen geflüstert hatte, »wir sind Kaufleute von Moussul, welche auf dem Landsitze eines Khan von Bagdad bewirthet wurden. Wir haben ein treffliches' Mahl gehalten und unsern Freund just mit Einbruch der Nacht verlassen. Später verirrten wir, kamen in diese Straße und riefen, als wir den musikalischen Ton Deiner Stimme hörten: ›sind das nicht entzückende Laute? Wer eine so süße Stimme besitzt, muß auch einen lieblichen Charakter haben. Wir wollen unsern Bruder für den Rest der Nacht um seine Gastfreundschaft bitten und am Morgen im Frieden wieder weiter ziehen‹«

»Ich glaube Dir kein Wort von dem, was Du gesagt hast, Du übelaussehender Dieb. Ihr seyd Spionen oder Spitzbuben, welche Vortheil daraus ziehen wollen, indem sie zu unzeitigen Stunden sich Zutritt in die Häuser verschaffen. Du Faßbauch mit einem Barte wie ein Bär,« fuhr er gegen den Vezier fort, »ich lasse mich hängen, wenn ich je ein so schurkiges Gesicht sah, wie das Deinige! Und Du schwarzgesichtiger Nigger, wende das Weiße Deiner Augen ab von meiner Abendtafel, oder, beim Allah, ich schicke Euch alle nach Jehanum. Ich sehe, ihr möchtet Eure Finger an dem Zickelchen versuchen, aber wenn Ihrs thut, so habe ich einen Knochenerweicher, mit dem ich – bei dem gebenedeiten Propheten! – jedes Beinlein unter Euern drei Häuten zerschlagen will.«

Mit diesen Worten langte der Mann einen großen Knittel aus der Zimmerecke hervor, legte ihn neben die Schüssel mit dem Zickelchen, fuhr dann mit seinen Fingern hinein und begann mit großem Wohlbehagen zu essen.

»Giaffar,« sagte der Kalif in gedämpftem Tone, »versuche aus diesem wilden Thiere herauszukriegen, wer er ist und wie er's angreift, um ein so lustiges Leben zu führen.«

»Im Namen Allahs, wir wollen ihn lieber ungestört lassen,« versetzte Giaffar erschrocken, »denn wenn er uns mit jenem Knittel vor die Köpfe schlüge, so würden wir eine Abfertigung erhalten, ohne dadurch weiser zu werden.

»Pfui! fürchte dich nicht,« entgegnete der Kalif; »frage ihn keck nach seinem Namen und seinem Gewerbe.«

»O mein Gebieter,« erwiederte Giaffar, »ich höre nur, um zu gehorchen, aber dennoch zittere ich am ganzen Leibe ob den Drohungen dieses schuftigen Kerls. Ich bitte Dich daher flehentlich, jede Frage zu verschieben, bis der Wein seine Stimmung etwas milder gemacht hat.«

»Du memmenhafter Vezier, so muß ich ihn wohl selbst fragen?« sagte der Kalif.

»Allah verhüte dieß,« versetzte der Giaffar. »Ich will mich dem Zorne des niedrigsten aller Hunde aussetzen – möge sein Grab verunreinigt werden!«

Während dieses Parlamentirens blickte der Zecher, der mit der zunehmenden Anzahl seiner Gläser immer gutmüthiger wurde, nach ihnen hin.

»Im Namen Shitans, über was plappert und plaudert ihr Kunden?« fragte er.

Giaffar bemerkte, daß seine Stimmung etwas günstiger war, und ersah die Gelegenheit ihn anzureden.

»Höchst liebenswürdiger und mildthätiger Herr,« ergriff er das Wort, »wir sprachen von Eurer großen Güte, daß Ihr uns gestattet, uns also bei Eurem Gelage einzudrängen. Wir bitten daher blos aus Freundschaft um den Namen und das Gewerbe eines so würdigen Muselmannes, damit wir seiner in unsern Gebeten gedenken können.«

»Ha, Du unverschämtes altes Meerschwein, hast Du nicht versprochen, keine Fragen zu stellen? Ja wohl da, aus Freundschaft – die ist freilich von schon langer Dauer.«

»Dennoch bete ich zu Allah, daß sie inniger werden möge. Haben wir nicht schon beträchtliche Zeit in Deiner gesegneten Gegenwart gesessen – hast Du uns nicht ein Obdach gegeben? Wir wünschen nur noch den Namen und den Stand eines Mannes kennen zu lernen, der sich so liebreich und wohlwollend gegen uns benommen hat.«

»Genug,« versetzte der Andere, durch die scheinbare Demuth des Veziers beschwichtigt. »Seyd stille und hört mir zu. Seht ihr jene Haut, die über meinem Kopfe hängt?«

Der Kalif und sein Begleiter blickten auf und bemerkten die gegerbte Haut eines jungen Ochsen, die, wie es den Anschein hatte, zum Wassertragen benützt worden war.

»Hiermit verdiene ich mein tägliches Brod. Ich bin Yussuff der Sohn von Abuch Ayoub, welcher ungefähr vor fünf Jahren starb und mir nichts zurückließ, als einige Dirhems und diesen starken Leib, mit dem ich mir meinen Unterhalt schaffe. Ich liebte stets Spiel und Zeitvertreib – überwand Jeden, der mit mir anband – ja, und wer mich beleidigt, erhält eine Feige an's Ohr, so daß es ihm acht Tage nachher noch klingelt.«

»Allah verhüte, daß wir ihn beleidigen,« flüsterte der Kalif.

»Nach dem Tode des alten Abuh bemerkte ich, daß mich wohl der Hunger bald zu seinem Nachfolger machen werde, wenn ich nicht schleunigst meine Kräfte zu etwas Rechtem verwende. Da fiel mir denn ein. Niemand führe ein lustigeres Leben, als die Wasserträger, welche für einige Paras die Häuser dieser Stadt mit weichem Flußwasser versehen. Ich beschloß daher, mich diesem Gewerbe zuzuwenden, aber statt mit der Gaishaut auf der Schulter zu- und abzugehen, begab ich mich zu einem Gerber, las die weiche Haut eines jungen Ochsen, die hier über mir hängt, aus, warf sie über meine Schulter, füllte sie am Flusse und marschirte nach dem Bazar hinauf. Aber kaum hatte ich mich dasselbst blicken lassen, als die Wasserträger ausriefen: ›dieser Schurke Yussuf will uns unser Brod wegnehmen, möge Shitan ihn holen! Wir wollen zum Kadi gehen und ihn verklagen.‹ Der Kadi hörte ihre Geschichte an, denn sie beschuldigten mich der Zauberei und erklärten, daß keine fünf Mann die gefüllte Haut vom Boden heben könnten. Er schickte einen seiner Bieldars nach mir aus, um mich vorzuladen. Ich hatte just am Flusse meine Haut gefüllt, als der Diener des Bastonadenaustheilers zu mir kam. Ich folgte ihm sammt meiner Last nach dem Gerichtshofe. Der Volkshaufe wich auseinander, um mich durchzulassen, und ich trat vor den Kadi hin, welcher nicht wenig erstaunt war, daß ich mich unter der Ungeheuern Last so wenig beschwert fühlte. »O Yussuf,« rief er, »höre und antworte. Du bist der Zauberei angeklagt.« »Wer klagt mich an, o Kadi?« versetzte ich, indem ich meine Wasserhaut niederwarf. Darauf traten ein paar Galgenstricke vor und riefen mit lauter Stimme: »sieh uns hier, o weiser und gerechter Richter.« Der Kadi ließ den Einen zurücktreten und befragte den Andern, welcher auf das Buch beschwor, der Teufel habe mir eine Schweins- Haut gegeben und mir zugleich versprochen, so lange ich die Anhänger des Propheten aus dem unreinen Gefäße bediene, wolle er mich in den Stand setzen, so viel wie zehn Männer zu tragen. Der zweite Zeuge bekräftigte diese Angabe und fügte bei, er habe mich mit dem Teufel reden hören: dieser habe sich erboten, sich in einen Esel umzuwandeln und Wasser für mich zu schleppen – ein Anerbieten, das ich höflich abgelehnt habe, obschon er den Grund hiervon nicht wisse, weil er den Rest der Unterredung nicht mit anhören könnte.

»Auf dieses Zeugniß hin erhoben der Kadi und die Mollahs, welche neben ihm saßen, entsetzt ihre Augen und begannen sich über den Grad der Züchtigung zu berathschlagen, welchen ein so ungeheures Verbrechen verdiene; freilich vergaßen sie darüber ganz, mich zu fragen, ob ich nicht etwas zu meiner Vertheidigung vorzubringen habe. Endlich kamen sie miteinander überein, zum Beginn sollte ich fünfhundert Sohlenstreiche erhalten, und käme ich mit dem Leben davon, so habe mein Bauch eben so viele Hiebe zu gewärtigen. Der Kadi war eben im Begriffe, seinen unwiederruflichen Bescheid zu verkündigen, als ich mir die Freiheit nahm, dieses rasche Gerichtsverfahren zu unterbrechen. »O Kadi,« sagte ich, »und ihr Mollahs, deren Bärte von Weisheit träufen, erlaubt Euerm Sklaven am Fußschemel der Gerechtigkeit die kostbaren Beweise seiner Unschuld vorzubringen.« – »So beeile Dich damit, Du Bundesgenosse von Shitan und Jehanum,« versetzte der Kadi. Ich löste hierauf den Strick, mit welchem ich die Mündung verschlossen hatte, und ließ das Wasser aus der Mündung herauslaufen. Dann drehte ich das Innere nach Außen und zeigte die Hörner des jungen Ochsen vor, welche glücklicher Weise nicht abgeschnitten worden waren, indem ich zugleich den Kadi und die Mollahs fragte, ob sie je ein Schwein mit Hörnern gesehen hätten. Hierüber brach Alles in ein Gelächter aus, als ob ich einen Capitalwitz gemacht hätte. Meine Unschuld wurde erkannt, und meine beiden Ankläger hatten die fünfhundert Sohlenstreiche unter sich zu theilen. Das Resultat dieses Versuches erschreckte die Wasserträger dermaßen, daß sie mich mit weitern Angriffen verschonten, und die Art, wie ich mich von der Beschuldigung reinigte, daß ich meine Kunden durch den Gebrauch einer Schweinshaut befleckt hätte, führte mir viele Gönner zu. Kurz, ich hatte nur meine Haut zu füllen und sie wieder zu leeren, wodurch ich mir jeden Tag ein so schönes Einkommen gewann, daß ich die Sorgen vor die Hunde warf und nun jeden Abend in Heiterkeit verjuble, was ich mir durch mein hartes Tagwerk verdient habe. Sobald der Muezzin zum Abendgebet ruft, lege ich meine Haut bei Seite, gehe nach der Moschee, verrichte meine Abwaschungen und bringe Allah meinen Dank. Dann verfüge ich mich nach dem Bazar, kaufe für einen Dirhem Fleisch, für einen andern Rakie – ferner Früchte, Blumen, Kuchen, Confekt, Brod, Oel für meine Lampen, und das Uebrige wird auf Wein verwendet. Sobald dies gesammelt ist, bringe ich in meinem Hause Alles in Ordnung, zünde die Lampen an und thue mir nach meiner eigenen Methode gütlich. Ihr wißt nun Alles, was ich Euch mitzutheilen Lust habe, und kümmere mich wenig darum, ob Ihr Kaufleute oder verkleidete Spione seyd. Gebt Euch zufrieden und packt Euch jetzt von hinnen, denn die Morgenröthe dämmert auf.«

Der Kalif, den Yussuffs Auskunft über seine eigene Persönlichkeit sehr unterhalten hatte, entgegnete:

»Du bist in Wahrheit ein wunderbarer Mann, und man muß zugeben, daß Du Dich dadurch vielen Mühen und Verlegenheiten entziehst, indem Du Dich von Deinen Kameraden getrennt hältst.«

»Ja,« versetzte Yussuff, »ich treibe es so seit fünf Jahren. Jede Nacht ist mein Haus so beleuchtet, wie Ihr es jetzt seht, und meine glücklichen Sterne ließen mich nie ohne Speise und Trank. Stets hatte ich ein ähnliches Mahl, wie dieses hier, das ihr drei jetzt schmeckt und schnüffelt, ohne daß ihr jedoch eure Finger daran versuchen dürftet.«

»Aber mein Freund Yussuf,« bemerkte Giaffar, »setzen wir den Fall, daß Morgen der Kalif einen Befehl veröffentlichte, wonach dem Gewerbe der Wasserträger ein Ende gemacht und Jeder mit dem Galgen bedroht würde, der sich mit einer Haut voll betreten ließe ? Was würdest Du in einem solchen Fall anfangen? Du könntest dann keine Lampen mehr anzünden – könntest Dich nicht Deines Kabobs, Deines Pillaus erfreuen, und wärest ebensowenig im Stande, Dir Früchte, Eingemachtes oder auch nur einen Tropfen Wein zu kaufen.«

»Möge Shitan Deine unglückselige Seele holen, Du dickwanstiges Vieh von übler Vorbedeutung –denn schon der Gedanke an etwas der Art – – Mache Dich von hinnen – mache Dich hurtig von hinnen und laß mich nie wieder Dein Angesicht sehen.«

»Mein guter Freund Yussuf, ich habe nur gescherzt. Wie Du bemerkst, sind fünf Jahre entschwunden, ohne daß Deine Belustigung auch nur einen einzigen Tag gestört worden wäre, und es ist nicht wahrscheinlich, daß der Kalif einen so lächerlichen und unerhörten Befehl erlassen könnte. Meine Bemerkung zielt blos darauf hin, was Du wohl in einem solchen Falle anfangen könntest, wenn Du vom vorigen Tage nicht einen einzigen Asper übrig behalten hattest?«

Ueber diese Wiederholung der Rede des Veziers wurde Yussuf nur noch aufgebrachter.

»Wie kannst Du Dich unterstehen, mir dieselben Unglücksworte und bösen Vorzeichen zweimal vorzuhalten – und Du fragst, was ich thun würde? Nun so höre mich an. Beim Barte des Propheten, wenn der Kalif einen solchen Befehl erließe, so würde ich mit diesem guten Knittel ganz Bagdad durchsuchen, bis ich Euch alle gefunden hätte. Dich und Dich,« fuhr er fort, »indem er den Kalif und den Vezier grimmig anschaute, »würde ich zerprügeln, bis ihr so schwarz wäret, wie dieser hier (er deutete auf Meßrur) und den da wollte ich so weiß knitteln, wie das Fleisch des Kitzchens, an dem ich mich eben gelabt habe. Jetzt fort mit Euch, Ihr sollt mir nicht länger mein Dach beflecken.«

Der Kalif war über Yussufs Zorn höchlich ergötzt, scheute sich aber doch, seine Heiterkeit blicken zu lassen, weßhalb er das Ende seines Kleides in den Mund steckte, und so zogen sie ab, während der Wasserträger noch einen ganzen Schauer von Flüchen nachschleuderte.

 

»Beim Schwerte des Produkten, sie sind gut aus dieser Klemme gekommen«, bemerkte der Pascha. »Möge das Grab der Mutter dieses Schurken verunreinigt werden! Dem Stellvertreter des Propheten den Knittel anzubieten!«

»Der Kalif war in Verkleidung und Yussuf kannte ihn nicht,« versetzte Mustapha.

»Wir schwörens bei unserem Barte, diejenigen, welche mir drohen, und wäre ich auch noch so sehr verkleidet, sollen keine Entschuldigung darin finden,« erwiederte der Pascha. »Fahre fort, Menouni.«

 

Es war Tag, ehe der große Harun wieder durch die verborgene Thüre in das Serail einging und sich zur Ruhe begab. Nach einem kurzen Schlummer stand er auf, verrichtete seine Abwaschungen und verfügte sich sodann nach dem Divan, wo die Hauptbeamten seines Hofes, die Veziers, Omras und Großen versammelt waren, um ihn zu empfangen. Seine Gedanken weilten jedoch noch immer bei den Ereignissen der vorigen Nacht, und nachdem die ordentlichen Geschäfte des Tages bereinigt, deßgleichen die Bittsteller entlassen waren, rief der Kalif seinen Großvezier, der sich unter den gewohnten Verbeugungen näherte.

»Giaffar,« sagte der Kalif, »schicke an den Gouverneur der Stadt den Befehl, welcher durch alle Straßen von Bagdad verkündigt werden soll – es möge sich Niemand erdreisten, im Lauf der nächsten drei Tage Wasser aus dem Flusse nach den Bazars zum Verkaufe zu bringen; wer sich dagegen verfehlt, soll gehangen werden.«

Sobald der Gouverneur Khalid ben Talid das Fetwa erhalten, traf er die geeigneten Maßregeln zu dessen Veröffentlichung. Herolde mußten die verschiedenen Stadtviertel durchziehen und den Willen des Kalifen verkündigen. Die Leute wunderten sich, unterwarfen sich aber den Befehlen.

Yussuf hatte seine Morgenandacht vollendet und stand eben an den Ufern des Tigris, um die gefüllte Ochsenhaut über seine Schultern zu werfen, als das Erscheinen eines Herolds seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er hörte auf die amtliche Veröffentlichung und ließ dann seine Ochsenhaut mit einem Fluche auf alle Kaufleute von Moussul wieder nieder.

»Verderben über die Schurken, welche mir in der letzten Nacht ein solches Unglück prophezeiten! Wenn ich nur Hand an sie legen könnte!« rief er. »Sie haben nur darauf hingedeutet, und siehe, es ist geschehen!«

Während Yussuf noch über seiner leeren Wasserhaut wehklagte, kamen einige andere Wasserträger herauf und fingen an, ihn nach der Weise von Hiobsfreunden zu trösten.

»Dieser Befehl sollte Dich nicht so beunruhigen,« sagte der Eine, »denn Du verdienst jeden Tag mehr, als unserer Fünf, und hast doch weder Weib noch Kind zu versorgen. Was bin dagegen ich für ein unglücklicher Mann: mein Weib und meine Kinder Verhungern mir, noch ehe die drei Tage abgelaufen sind.«

Ein Anderer sagte:

»Tröste Dich, Yussuf, drei Tage sind bald vorbei, und dann werden Dir Deine Kabobs, Deine Confituren, Dein Rakie und Dein Wein weit besser schmecken, weil Du diese Genüsse eine Weile hast entbehren müssen.«

»Außerdem mußt Du nicht vergessen, Yussuf,« fügte ein Dritter bei, »daß der Prophet den Mann mit Leib und Seele für ewig verdammt erklärt hat, welcher beständig so betrunken ist, wie Du.«

Diese Bemerkungen regten Yussufs Galle in so hohem Grade auf, daß er beinahe seinen Spleen an den sarkastischen Tröstern Luft gemacht hätte. Er wandte sich jedoch ergrimmt ab, warf die leere Haut über seine Schultern und schlich sich nach der Moschee Zobaida hin, auf dem Wege alle Moussouler Kaufleute bis in's fünfzigste Glied hinunter verfluchend. Wie er an den großen Bädern vorbeikam, wurde er von einem der Aufwärter, mit dem er sehr vertraut war, angeredet und gefragt, warum er so niedergeschlagen sey.«

»Unser herzloser Kalif Harun al Raschid hat mir auf drei Tage das Handwerk gelegt, indem er drohte jeden Wasserträger hängen zu lassen, der seine Last nach den Bazars bringe. Du weißt, mein Freund, daß ich nie einen einzigen Para bei Seite gelegt habe, und ich fürchte, nach drei Tagen wird mein Körper vor Hunger welk und aus Ermangelung einer Tasse Rakies ganz ausgetrocknet seyn.«

»Na, Du hast früher oft mit mir getheilt,« versetzte der Andere; »so will ich auch jetzt meine Arbeit mit Dir theilen, Yussuf. Folge Mir, wenn Du nichts gegen eine Beschäftigung einzuwenden hast, die wenig mehr als Kraft fordert; denn bei Allah, letztere besitzest Du in reichlichem Grade. In einer Klemme, wie Deine gegenwärtige, kannst Du wohl eine feine Bürste und ein Stück Seife nehmen, um die Körper der Gläubigen zu reiben und zu säubern. Deine ungeheuren, fleischigen Hände sind wohl geeignet, die Muskeln der Gläubigen zu kneten und an ihren Gliedern zu renken. Komm', Du sollst während dieser drei Tage in den Badstuben mitarbeiten; dann kannst Du immerhin wieder zu deinem alten Geschäfte zurückkehren.«

»Deine Trostesworte dringen tief in meinen Busen,« versetzte Yussuf, »und ich folge Dir.«

Der Badaufwärter nahm ihn dann hinein, band ihm eine Schürze um den Leib und borgte ihm einen Beutel, drei Rasirmesser, Bimsstein zum Schaben der Fußsohlen, eine feine Bürste und einen Schwamm. Nachdem er Yussuf also aufgezäumt und ausgestattet hatte, führte er ihn nach dem Raume, wo sich der Behälter für das heiße Wasser befand, und gab ihm die Anweisung, auf einen Kunden zu warten. Yussuf hatte noch nicht lange an dem Rande des Marmorbades gesessen, als er aufgefordert wurde, seine Pflichten an einem Hadschi zu üben, welcher, mit Staub und Schmutz bedeckt, augenscheinlich eben von einer langen Pilgerfahrt zurückgekehrt war.

Yussuf ging mit Energie ans Werk; er ergriff den Kunden mit der einen Hand, streifte ihm mit der andern die Kleider ab und bearbeitete dann seinen geschorenen Kopf mit dem Rasirmesser. Der Hadschi war hochentzückt über den Eifer des Aufwärters. Nachdem ihm Yussuf den Kopf so rein geschabt hatte, als es mit einem schlechten Rasirmesser möglich war, seifte, rieb und bürstete er die Haut des Pilgers, bis sie so glatt und glänzend war, wie der Rücken, eines Raben. Er wischte ihn sofort trocken, nahm dann seinen Sitz auf der Wirbelsäule des Kunden, zwickte und quetschte ihm das Fleisch, drückte seine Gliedmaßen mit dem Daumen und zerrte an jedem Gelenke, bis es gleich einem Reißbündel in der Flamme krachte und der arme Hadschi durch die Kraft des Wasserträgers fast zu einer Mumie umgewandelt worden war. Kaum hatte der arme Mann noch Kraft genug, auszurufen: »Höre auf, höre auf, um der Liebe Allahs willen – ich bin todt, ich bin hin,« und sank dann fast bewußtlos zusammen. Yussuf gerieth darüber nicht wenig in Schrecken. Er hob den Mann auf, goß warmes Wasser über ihn, trocknete ihn ab, legte ihn auf die Ottomane und deckte ihn zu. Der Hadschi verfiel in einen gesunden Schlummer und wachte nach einer halben Stunde so erfrischt wieder auf, daß er sich für einen neuen Menschen erklärte.

»Nur den Hadschis gebe ich diesen großen Beweis von meiner Geschicklichkeit,« bemerkte Yussuf.

Der Mann griff in die Tasche, zog drei Dirhems heraus und machte sie Yussuf zum Geschenke. Dieser war höchlich erstaunt über eine solche Freigebigkeit und drückte seine dankbare Zufriedenheit aus, worauf der Hadschi die Badanstalt verließ. Entzückt über diesen Erfolg setzte Yussuf seine Beschäftigung fort und bediente jeden neuen Kandidaten ganz wacker mit seiner gelenkeverrenkenden Geschicklichkeit. Um die Zeit des Abendgebetes hatte er ein halbes Dutzend weitere wahre Gläubige zu Mumien geknetet und sechs Dirhems eingenommen, weßhalb er sein Tagesgeschäft zu endigen beschloß.

Nachdem er die Badstube verlassen hatte, kleidete er sich an und ging nach Hause, um seinen ledernen Krug, seine Schüssel und seinen Korb zu holen. Dann begab er sich nach dem Bazar, wo er sich ein Stück Schöpsenfleisch kaufte und es zu dem berühmtesten Kabob-Macher im Distrikt brachte, damit es derselbe ihm koche. Nun kam die Reihe des Einkaufs an den Wein, den Rakie, die Wachskerzen, die Blumen, die Pimpernüsse, getrocknete Früchte, Brod und Oel für seine Lampen. Nachdem alles dies geschehen war, sprach er wieder bei dem Koche vor, wo er sein Schöpsenfleisch, säuberlich an der Gluth geröstet und gewürzt, bereits in der Schüssel dampfend fand. Er bezahlte den Koch, legte das Gericht in seinen Korb und eilte, hoch entzückt über sein gutes Glück, über die Schiffsbrücke nach seiner Wohnung zurück. Dort angelangt, kehrte er seine Stube, steckte sich in bessere Kleider, zündete seine Lampen an, deckte seinen Tisch und hockte mit untergeschlagenen Beinen davor nieder, indem er ein Glas Wein nach dem andern leerte und dabei ausrief:

»Na, ich kann immerhin von Glück sagen – aber gleichwohl Verderben über alle Moussouler Kaufleute mit ihren bösen Vorbedeutungen. Möge Allah heute Nacht ihre unseligen Fußtritte hieher lenken – weiter wünsche ich mir nichts.«

 

Hier hielt Menouni inne, und machte seinen Salaam.

»Möge es Eurer Hoheit belieben, Euern Sklaven für diese Nacht zu entlassen, denn die Geschichte Yussufs, des Wasserträgers, kann Eurer Hoheit nicht in einem Abend mitgetheilt werden.«

Der Pascha hatte zwar mit Vergnügen zugehört, fühlte sich aber gleichfalls ein wenig müde. »Sey es so, mein guter Menouni; aber vergiß nicht, Mustapha, daß die Karavane nicht abziehen darf, bis ich das Ende seiner Geschichte gehört habe.«

»Be chesm, über meine Augen komme es,« versetzte Mustapha.

Und sie Alle zogen sich für die Nacht zurück.

»Um was handelt sich's?« fragte der Pascha am andern Tage, als Mustapha augenscheinlich mit großer Geduld der langen Auseinandersetzung eines Bewerbers um Gerechtigkeit zuhörte.

»Um einen Streit zwischen diesen Männern, o Herr der Weisheit, über eine Summe Geldes, welche sie als Führer von einem Franken erhielten, der in das Innere reiste. Der Eine wurde für die Wanderung gemiethet, kannte aber den Weg nicht gut und bot den Beistand des Andern auf; sie streiten sich jetzt um ihren Antheile an dem Gelde, das in diesem Beutel zu meinen Füßen liegt.«

»Es scheint also, daß der eine Gedungene den Weg nicht kannte?«

»Ganz richtig,« versetzte Mustapha.

»Dann war er kein Führer und verdient das Geld nicht. Der Andere aber wurde zur Beihülfe aufgeboten?«

»Deine Worte sind Worte der Weisheit,« entgegnete Mustapha.

»Dann war er kein Führer, sondern nur ein Gehülfe, und hat deßhalb in der Eigenschaft eines Wegweisers kein Anrecht an das Geld. Bei dem Worte des Propheten, mit der Gerechtigkeit darf man nicht also spielen, und ich will es nicht dulden, daß der Divan, welcher in Unserer Gegenwart abgehalten wird, durch solche Beschwerden lächerlich gemacht werde. Laß das Geld unter die Armen vertheilen und jedem von den Processirern fünfzig Sohlenstreiche aufzahlen. So lautet mein Befehl.«

»Wallah thaib – das ist Wohl gesprochen,« versetzte Mustapha, und die beiden betheiligten Personen wurden abgeführt.

»Rufe jetzt Menouni,« sagte der Pascha, »denn ich sehne mich, die Fortsetzung von Yussufs Geschichte und das weitere Benehmen des Kalifen zu hören. Ein Theil von dem Gelde dieses Beutels wird ihn für den Honig belohnen, der von seinen Lippen fällt.

Menouni erschien und machte seine Verbeugung. Der griechische Sklave überreichte dem Pascha und Mustapha ihre Pfeifen, worauf der Kessehguh in seiner Geschichte fortfuhr.

Fortsetzung der Geschichte des Wasserträgers.

Nachdem der große Kalif Harun al Raschid seine gewöhnliche Nachmittags Audienz gehalten hatte, wurde der Hof entlassen. Harun dachte nun an Yussufs bankerotte Lage, und da er zu erfahren wünschte, was nach Veröffentlichung des Fetwa aus dem Wasserträger geworden, so schickte er nach seinem Vezier Giaffar.

»Ich möchte wohl erfahren, sagte der Kalif zu dem Vezier, ob es dem unglücklichen Yussuf gelungen ist, die Mittel aufzubringen, um auch heute Nacht sich in der gewohnten Schlemmerei zu ergehen.«

»O Statthalter des Propheten,« versetzte Giaffar, »ohne Zweifel sitzt der junge Mensch im Dunkeln, ist in der allerschlimmsten Laune und hat weder Wein, noch Kabob oder sonst etwas, was ihn trösten könnte.«

»So schick nach Meßrur; wir wollen unsere Verkleidung wieder aufnehmen und ihm einen Besuch machen.«

Ueber diese Worte des Kalifen gerieth Giaffar in großen Schreck und entgegnete:

»Laß den demüthigsten deiner Sklaven vor dem Fußschemel Deiner Hoheit ein treues Bild von dem entwerfen, was uns bevorstehen wird. Ohne Zweifel hat dieser löwenumbringende Satanssohn in seinem Hunger unsere Prophezeihung nicht vergessen und schreibt die Erfüllung derselben unsrer bösen Vorbedeutung zu; in seiner üblen Laune wird er uns daher seinem leeren Magen opfern.«

»Deine Weisheit ist groß, Giaffar,« entgegnete der Kalife. »Der Mensch ist in Wahrheit ein Wilder und wird ohne Zweifel vor Hunger wüthen. Aber dennoch wollen wir hingehen und uns von seinem Zustande überzeugen.«

Giaffar zitterte schon bei dem Gedanken, dem Grimme eines Kerls, wie Yussuf, ausgesetzt zu seyn, gab aber keine Antwort. Er entfernte sich, um Meßrur und die Anzüge herbei zu holen, und nachdem sich das Kleeblatt in die Verkleidungen gesteckt hatte, zog es wieder durch das geheime Thor des Serails aus. Sie hatten kaum das Ende der schmalen Gasse erreicht, in welcher Yussufs Haus lag, als der starke Wiederschein der Lichter an den Fenstern ihnen bedeutete, daß er jedenfalls sein hartes Loos nicht in der Dunkelheit beklage, und wie sie näher kamen, bewies ihnen auch der Ton seiner lustigen Stimme, daß er sich nicht schweigend seinem Geschicke unterworfen habe. Als sie unter seinem Fenster anlangten, hörte er auf, zu singen, und stieß einen lauten Fluch über alle Moussuler Kaufleute aus, indem er zugleich den Wunsch beifügte, die Drei nur noch einmal zu sehen, ehe sie der Teufel holte. Der Kalif lachte über diesen frommen Stoßseufzer und griff eine Hand voll Kiesel auf, die er nach den Jalousien von Yussufs Fenster hinaufwarf.

»Wer zum Teufel ist da?« brüllte der Wasserträger. »Seyd ihr's, ihr bankerotten Vagabunden, die ihr mich so geärgert habt? Hinweg mit Euch, oder beim Schwerte des Propheten, ich spieße Euch alle drei an meinen Besenstiel.«

»Kennst Du uns nicht, Yussuf?« fragte der Kalif. »Wir sind Deine Freunde und bitten Dich abermals um Aufnahme unter Dein wirthliches Dach.«

Yussuf kam auf die Veranda heraus.

»Ah, so seyd Ihr's also? Laßt Euch rathen, und marschirt im Frieden weiter. Ich bin jetzt in guter Stimmung und zum Frieden geneigt; wäret Ihr mir übrigens im Laufe des Tages unter die Hände gekommen, so würde ich Euch die Hälse umgedreht haben.«

»Was fällt Dir ein, mein guter Yussuf?« erwiderte Giaffar. »Wir haben von dem unerklärlichen und tollen Befehl des Kalifen gehört und sind gekommen, um zu hören, wie es Dir gehe und ob wir einem so gastfreundlichen und wohlwollenden Manne nicht dienstlich werden könnten.«

»Ich glaube, Du belügst mich,« sagte Yussuf. »Aber ich bin in guter Stimmung, und so sollt Ihr denn, herein kommen und sehen wie es mir ergeht. Ich bin Yussuf und vertraue auf Gott.«

»Er ging dann hinunter, um sie einzulassen, und die Verkleideten betrachteten nun mit Staunen die Ueberreste des Mahles.«

»Wohlan denn,« bemerkte Yussuf, der mehr als halb betrunken war, »ihr kennt meine Bedingungen. Da ist mein Fleisch, hier mein Wein und dort sind meine Früchte – aber ihr sollt keinen Bissen oder Tropfen davon haben. Brauchst mein Eingemachtes nicht so anzusehen mit Deinen verwünschten scharfen Augen, Du schwarzbärtiger Halunke,« fuhr er gegen den Kalifen fort. »Nicht einmal mit Blicken sollst du mein Eigenthum verzehren helfen.«

»In der That, mein höchst gastfreundlicher Herr, wir begehren nichts von Deinen Leckerbissen. Es ist uns nur darum zu thun, den Grund dieses unerhörten Befehls zu vernehmen und von Dir zu erfahren, wie es Dir gelungen ist, Deine Tafel in der gewohnten lustigen Weise zu beschicken.«

»Das sollt Ihr hören,« entgegnete der Wasserträger. »Mein Name ist Yussuf und mein Vertrauen steht zu Gott. Als mir der Befehl des Kalifen diesen Morgen zu Ohren kam, wurde ich fast verrückt, und wie ich in die Nähe der Bader von Giaffar Bermukki umher schlenderte, redete mich ein freundlicher Badwärter an.«

Yussuf erstattete dann einen erbaulichen Bericht, wie er zu seinem Geld gekommen war.

»Jetzt will ich nicht länger Wasserträger seyn«, fuhr er fort, »sondern als Badewärter leben und sterben. Möge alles Unheil den kaltblütigen Kalifen betreffen; aber Allah sey Dank, es wird ihm nie einfallen, die Bäder zu schließen.«

»Wenn er sich's aber morgen in den Kopf setzte, es dennoch zu thun?« bemerkte Giaffar.

»Ha, mögen alle Wehrwölfe über dich herfallen, wenn Du das Grab Deines Vaters besuchst, Du bärenbärtiger Schurke!« rief Yussuf, wüthend aufspringend. »Habe ich Dich nicht vor schlimmen Prophezeiungen verwarnt – und schworst Du nicht, Du wollest nichts mehr mit Muthmaßungen zu thun haben? Der Teufel muß Dir zur Seite stehen und alle Deine Worte dem Ohr des Kalifen zutragen, sonst könnte dieser nicht so einfältige Fetwas ausfertigen.«

»Ich bitte Dich aus dem Grunde meines Herzens um Verzeihung und will fortan stumm seyn,« entgegnete Giaffar.

»Das ist ein weiser Entschluß; aber noch klüger wirst Du seyn, wenn Du Dich eiligst aus dem Staube machst, ehe Dich mein Knittel erreichen kann.«

Sie bemerkten, daß Yussufs Augen zornig blinzelten, und hielten es deßhalb für passend, seinem Rathe zu folgen.

»Wir werden Dich wieder sehen, mein guter Yusssuf,« sagte der Kalif, als sie hinunterstiegen.

»Der Teufel hole Euch alle Drei und lasse mich nie wieder Eure häßlichen Gesichter schauen,« entgegnete der Wasserträger, indem er die Thüre hinter ihnen zuschlug.

Der Kalif ging sehr belustigt von hinnen und zog mit seinen Begleitern wieder durch die geheime Pforte des Serails ein.

Am nächsten Morgen hielt der Kalif einen feierlichen Divan, dem alle Mollahs und Oberbeamten anwohnten. Bei dieser Gelegenheit erließ er den Befehl, daß jedes Bad in Bagdad drei Tage lang bei Strafe des Spießens geschlossen bleiben solle. Die Einwohner von Bagdad wußten vor Erstaunen nicht mehr, was sie von der Sache halten sollten. »Wie,« riefen sie; »was soll dies bedeuten? Gestern verbot man uns, das Wasser des Tigris zu gebrauchen, und heute schließt man uns die Bäder. Vielleicht kommt morgen gar die Reihe an die Moscheen!« Und sie schüttelten die Köpfe, als wollten sie sich gegenseitig andeuten, der Kalif sey nicht bei Sinnen. Dann riefen sie: »In Allah allein ist Sicherheit zu finden.« Dennoch wurde dem Befehle durch die geeigneten Beamten, welche in den verschiedenen Bädern umhergingen, Nachdruck gegeben. Zuerst schlossen sie das Bad Al Raschid, dann das von Ziet Zobeida, dann das des Giaffar Bermukki, an welchem Yussuf Tags zuvor Beschäftigung gefunden hatte. Als letzteres geschlossen wurde, sahen die Bademeister und Aufwärter nach der Thüre und machten dem Gehülfen, welcher Yussuf eingeführt hatte, Vorwürfe, indem sie sagten, er sey ein Wasserträger gewesen und diesem Geschäft durch allerhöchsten Befehl Einhalt gethan worden. Man habe ihn nach den Bädern gebracht, und jetzt seyen auch diese geschlossen. Mittlerweile sah man Yussuf sich spreitzend auf das Bad zu stolziren, während er vor sich hin murmelte:

»Ich bin Yussuf – mein Vertrauen steht auf Gott. Als Badknecht will ich leben und sterben!«

Ohne etwas von dem Befehle zu wissen, näherte er sich der Thüre des Gebäudes, um welches sich die Dienstleute gesammelt hatten, und redete sie folgendermaßen an:

»Wie steht's Freunde – wartet ihr auf den Schlüssel? Wenn an dem Schlosse etwas fehlt, so verlaßt Euch immerhin auf Yussufs Stärke.«

»Hast Du nicht gehört, daß der Kalif bei Strafe des Spießens die Bäder auf drei Tage schließen ließ?«

Yussuf fuhr erstaunt zurück.

»Ha, mögen die Gräber ihrer Väter in alle Ewigkeit verunreinigt seyn – diese verwünschten Moussuler Kaufleute! Was sie vermuthen, trifft immer ein. Ich will sie aufsuchen und Rache an ihnen nehmen. Mit diesen Worten wandte sich Yussuf, der nur Seife, Bürsten und Rasirmesser angezogen war, wüthend um, und eilte einige Stunden durch die Straßen, alle Fremden ins Auge fassend, ob er unter denselben nicht diejenigen träfe, an denen er sein Müthchen kühlen könnte.

Nach einer langen Wanderung setzte sich Yussuf endlich auf einen großen Stein nieder.

»Na« sagte er, »ich bin dennoch Yussuf und mein Vertrauen steht auf Gott. Uebrigens wäre es doch vielleicht besser, wenn ich, statt diesen Spitzbuben nachzurennen, mich nach Mitteln umsähe, heute zu einem Nachtessen zu kommen.

Mit diesen Worten stand er auf, ging nach Hause, legte bessere Kleider an, drehte seinen rothen Baumwollengürtel zu einem Turban und nahm seinen Betteppich auf, um denselben im Bazar für so viel zu verkaufen, als er daraus lösen mochte. Als er an der Moschee Hosein vorbeikam, bemerkte er mehrere Mollahs, welche die dunkleren Stellen des Korans vorlasen und erklärten. Yussuf kniete nieder, betete eine Weile und kehrte dann nach der Thüre der Moschee zurück, wo er von einem Weibe angeredet wurde, die auf Jemand zu warten schien.

»Frommer Mann,« sagte sie, »ich bemerke an Deinem guten Anzug und Aeußeren, daß Du einer von des Kadis Gerichtsdiener bist.«

»Man kann Alles aus mir machen – ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht auf Gott.«

»O mein Hadschi, so werde mein Beschützer. Ich habe einen ungerechten Schuldner, der mir verweigert, was mir gebührt.«

»Du könntest Dich keiner besseren Person anvertrauen,« versetzte Yussuf. »Ich bin ein starker Arm des Gesetzes und habe so großen Einfluß bei Hofe, daß ich bereits zwei Befehle veranlaßte.«

»Daß sind große Worte, o Hadschi.«

»So sage mir, wer ist Dein Schuldner, damit ich ihn greifen und vor den Kadi führen kann. Beeile Dich, es mir zu sagen, und für einige Dirhems sollst Du deine Sache gewinnen, mag sie nun recht oder unrecht seyn.«

»Meine Beschwerde geht gegen meinen Mann, der sich von mir getrennt hat, aber mir dennoch mein Heirathgut von fünfzig Dinars, meine Kleider und meine Schmucksachen verweigert.«

»Was treibt Dein Mann für ein Gewerbe?«

»Frommer Herr, er ist ein Sticker.«

»Wir wollen keine Zeit verlieren, meine gute Freundin. Zeige mir dieses Mirakel von Ungerechtigkeit, und bei Allah, ich will ihn zusammenwettern.«

Das Weib machte nun die Münzenschnur von ihrem Kopfe los, schnitt drei Dirhems ab und reichte sie Yussuf hin. Letzterer nahm das Geld, schlug seine Aermel aus, um sich mehr das Aussehen eines Gerichtsdieners zu geben, und befahl sofort dem Weibe, sie solle ihn zu dem Delinquenten führen. Sie brachte ihn nach der großen Moschee, wo ihr Mann, ein eingehutzelter Knirps, eben mit großer Andacht sein Gebet verrichtete. Ohne ein Wort zu sprechen, hub ihn Yussuf sammt Teppich und Allem auf und schickte sich an, ihn fortzutragen.

»Im Namen des Propheten, zu welcher Classe von Tollhäuslern gehörst Du?« kreischte der erschreckte Andächtige. »Laß mich los und zerdrücke mir nicht vollends meine armen Rippen. Setze mich nieder, und ich will mit Dir gehen, sobald ich meine Pantoffeln angezogen habe.«

Die Leute drängten sich herzu, um zu sehen, was es gebe.

»Ho, ho, das wird sich bald herausstellen,« versetzte Yussuf. »Sein Weib hat an ihm zu fordern, und ich bin ihr Rechtsvollstrecker. Ich verlange, daß Du ihr nicht nur ihre fünfzig Dinars, sondern außerdem auch alle Juwelen und sämmtlichen Schmuck zurückgibst, den sie in den letzten fünfzig Jahren besessen hat.«

»Wie kann dies seyn?« versetzte der kleine Mann. »Du siehst ja, daß ich noch nicht vierzig alt bin.«

»Das mag in Wirklichkeit wohl der Fall seyn,« entgegnete Yussuf; »aber das Recht ist ein gar schwieriges Ding, wie Du bald ausfindig machen wirst. Komm nur mit vor den Kadi.«

Sie machten sich nun zu dem Kadi auf den Weg, waren aber noch nicht weit gekommen, als der Sticker Yussuf zuflüsterte:

»Höchst tapferer und gewaltiger Herr, ich habe gestern Abend mit meinem Weibe wegen ihrer ungebührlichen Eifersucht Streit gekriegt und ihr dabei erklärt, daß ich mich für geschieden betrachte; aber es war Niemand da, der es mit angehört hätte. Wenn wir wieder einmal bei einander schliefen, würde sie sich schon zufrieden geben, und ich bitte Dich daher, daß Du Dich menschenfreundlich ins Mittel legest.«

»Es war also kein Zeuge zugegen?« fragte Yussuf.

»Nein, mein guter Herr,« entgegnete der Mann, indem er fünf Dirhems in Yussufs Hand gleiten ließ.

»Dann geht mein Bescheid dahin, daß keine Scheidung statt gefunden hat,« versetzte Yussuf, indem er das Geld in die Tasche steckte, »und Du daher nicht als Schuldner betrachtet werden kannst. Weib, komm hieher. Es scheint, daß es nichts ist mit der Scheidung – so sagt wenigstens dein Mann – und Du hast keinen Zeugen, um es zu beweisen. Du erscheinst daher nicht im Lichte eines Gläubigers. Geh mit Deinem Manne zufrieden nach Haus; es ist allerdings nicht viel an ihm, aber was willst Du auch mehr für die drei Dirhems, welche Du mir bezahlt hast? Gott sey mit Euch! So lautet meine Entscheidung.«

Das Weib, dem es durchaus nicht um eine Trennung zu thun war, kehrte gerne mit ihrem Manne wieder um, und beide verabschiedeten sich von Yussuf mit vielen Complimenten.

»Bei Allah, das lasse ich mir gefallen,« rief Yussuf. »Ich will leben und sterben als Gerichtsdiener.«

Mit diesen Worten kehrte er nach Hause zurück, um seinen Korb zu holen, kaufte Mundvorrath und Wein, beleuchtete sein Haus und verbrachte den Abend wieder wie früher in Schlemmen und Singen.

Während Yusuf also beschäftigt war, verlangte es den Kalifen, sich zu überzeugen, welche Wirkungen sein neuer Befehl in Betreff der Bäder geübt habe.

»Giaffar,« sagte er, »ich bin doch neugierig zu erfahren, ob es mir gelungen ist, diesen Weinzapf ohne Nachtessen zu Bette zu schicken. Komm, wir wollen ihm einen Besuch machen.«

»Um der Sache des Islam willen, o Kalif,« versetzte Giaffar, »laß uns nicht mehr mit diesem tollhirnigen Trunkenbold ein Spiel treiben. Allah hat uns aus seinen Händen befreit, aber was mag uns bevorstehen, wenn er hungrig und in Noth ist?«

»Deine Weisheit wird nie weniger,« entgegnete der Kalif, »und Deine Worte sind Worte der Wahrheit; aber dennoch muß ich hingehen und den verrückten Kerl noch einmal sehen.«

Da alles Widerreden vergeblich war, so besorgte Giaffar die Anzüge, worauf der Kalif und der Vezier, von Meßrur begleitet, abermals durch die geheime Pforte des Serails auszogen. Sie waren nicht wenig überrascht, als sie das Haus wieder beleuchtet sahen. Der Wind hatte eine der Jalousien aufgerissen, und sie bemerkten Yussufs Schatten an der Wand, wie sein Bart über den Kabobs wackelte und seine Hand den Weinbecher hielt.

»Wer ist da?« rief Yussuf, als Giaffar, dem Gebote des Kalifen gehorsam, an die Thür klopfte.

»Deine Freunde, theurer Yussuf, Deine Freunde, die Moussuler Kaufleute. Der Friede sey mit Dir.«

»Aber ich habe weder Frieden noch einen Willkomm für Euch, Ihr Eulen,« versetzte Yussuf, auf die Veranda hinausgehend. »Bei Allah, wenn Ihr Euch nicht auf der Stelle von hinnen packt, so will ich mit meinem Knochenpolirer über Euch kommen.«

»In der That, Freund Yussuf,« entgegnete Giaffar, »wir haben Dir nur zwei Worte zu sagen.«

»So sagt sie geschwind, denn zu meiner Thüre sollt Ihr nicht herein, Ihr erbärmlichen Wichte, die Ihr alle Wasserträger und Badleute in Bagdad zu Grunde gerichtet habt.«

»Was willst Du damit sagen?« erwiederte der Kalif, »Deine Worte sind uns ein Räthsel.«

»Wie, so habt Ihr nichts von dem Befehl dieses Morgens gehört?«

»Mein wackrer Herr, wir hatten diesen Morgen mit Sortiren unserer Waaren zu thun und sind den ganzen Tag nicht aus dem Hause gekommen, können also unmöglich wissen, was in Bagdad vorgegangen ist.«

»Dann mögt Ihr heraufkommen und es erfahren; aber zuerst schwört mir bei Moses, Esau und den Propheten, daß Ihr nichts setzen wollt; denn Alles was Ihr Euch einbildetet, hat sich so richtig erwiesen, als wäre es auf den rothen Siegel Salomonis eingegraben gewesen.«

Diese Bedingungen wurden bereitwillig von dem Kalif und seinen Begleitern angenommen. Sie gingen in's Haus hinauf, wo sie Alles in der gewöhnlichen Ordnung und in der gleichen Fülle antrafen. Nachdem sie in der Ecke des Zimmers Platz genommen hatten, sagte Yussuf:

»Wohlan, meine Gäste, so wahr Ihr auf Vergebung hoffet, sagt mir aufrichtig, wißt Ihr nichts von dem, was mir heute begegnet und was den Holzkopf von einem Kalifen angewandelt hat?«

Harun und der Vezier konnten kaum ihr Gelächter unterdrücken.

»Ja,« fuhr Yussuf fort, »dieser Potentat mit seinem zerzausten Barte und einem noch ärger zerzausten Verstande hat den Befehl erlassen, daß die Bäder drei Tage geschlossen werden sollen – eine grausame Verordnung, durch welche ich wieder in das Meer der Nothwendigkeit hinausgeworfen wurde. Aber die Vorsehung stand mir freundlich bei, warf mir einige Dirhems in den Weg, und ich bin zu meinem gewohnten Leben gekommen, trotz des armseligen Tropfs von einem Kalifen, der, wie ich fest glaube, ein Atheist und kein wahrer Gläubiger ist.«

»Inschallah,« sagte der Kalif zu sich selbst, »ich werde endlich doch noch mit Dir quitt werden.«

Yussuf füllte dann seinen Becher mehrere Male und wurde immer aufgeräumter im Verlaufe seiner Erzählung, welche er mit den Worten schloß:

»Ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht auf Gott. Als Gerichtsdiener will ich leben und sterben, und morgen werde ich mich in der Halle des Kadi einfinden.«

»Aber gesetzt,« sagte Giaffar – – –

» Gesetzt? Beim Bart des Propheten, wenn Du Dich unterstehst, wieder in meiner Gegenwart etwas zu setzen, so will ich Dir Deinen fetten Wanst zu Brei zusammenhämmern,« rief Yussuf, nach seinem Knittel greifend

»Nicht doch, mein Freund; ich wünschte blos zu sagen –«

»Sage nichts,« brüllte Yussuf, oder das Sprechen soll Dir für immer gelegt werden.«

»Dann wollen wir nur denken, mein Freund.«

»Das will ich Euch meinetwegen erlauben, denn ich kann eben so gut denken, wie Ihr. Meine Gedanken sind aber, daß es für Euch räthlich ist, wenn Ihr so schnell wie möglich fortzukommen sucht, denn ich habe den Knittel in meiner Hand und befinde mich nicht eben in der besten Laune.«

Der Kalif und seine Begleiter waren derselben Meinung, weshalb sie sich von ihrem aufgebrachten Wirthe trennten.

Beim Lever des nächsten Morgens trat Giaffar an der Spitze der juridischen Oberbeamten und der Veziere in den verschiedenen Departements in den Divan, warf sich vor dem Throne nieder und wünschte dem Kalifen langes Leben und Glück.

»Giaffar,« versetzte Harun, »erlasse augenblicklich unter der kaiserlichen Firma den Befehl, daß strenge Nachforschungen angestellt werden sollen in Betreff der Gerichtsdiener, welche in den Hallen der Kadis sich aufhalten. Alle Diejenigen, welche rechtmäßig erwählt wurden, sollen mit einem Geschenk und Vergrößerung ihres Gehaltes beibehalten werden; Diejenigen aber, welche sich Titel und Amt anmaßten, ohne eine Ermächtigung nachweisen zu können, sollen mit der Bastonade entlassen werden.

Der Befehl des Kalifen wurde augenblicklich befolgt. Inzwischen war Yussuf über seinem Weine eingeschlafen und erst lange nach Sonnenaufgang erwacht. Er erhob sich von seinem Lager, kleidete sich sorgfältig, eilte nach der Halle des Kadi und nahm seine Stelle unter den übrigen Gerichtsdienern, welche ihn erstaunt und mit Mißvergnügen ansahen. In demselben Augenblicke wurde der Firman des Kalifen dem Kadi übergeben. Der Richter erhob das Papier zum Zeichen ehrfurchtsvollen Gehorsams an die Stirne und ließ sich dann dessen Inhalt vorlesen.

»Schafft Beutel mit Gold herbei.« rief er dann mit lauter Stimme, »und laßt auch den Fellah mit den Gerten zur Bastonade hereinkommen. Schließt die Thore der Gerichtshalle, damit Niemand entkomme – und Ihr, ihr Diener der Gerechtigkeit, haltet Euch bereit, auf die Vorlesung Eurer Namen zu antworten.«

Yussuf, dem die Augen eben so weit offen standen, als die Ohren, sagte zu sich selbst:

»Mein Gott, was mag es da wieder geben!«

Den Befehlen des Kadi wurde Folge geleistet. Die Gerichtsdiener traten bei Nennung ihrer Namen vor, wiesen ihre regelmäßige Bestallung nach, erhielten ihre Belohnungen und wurden entlassen. Yussufs Ideen waren in Folge seines vermeintlich unbeugsamen Geschicks so verwirrt, daß er nicht bemerkte, wie er zuletzt nur noch ganz allein da stand. Der Kadi mußte ihm zwei Mal zurufen, bis er näher trat.

»Wer bist Du?« fragte der Kadi.

»Ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht zu Gott,« versetzte er.

»Was hast Du für ein Gewerbe?«

»Ich bin ein Wasserträger.«

»Wenn dies der Fall ist, warum hast Du Dich den Gerichtsdienern angeschlossen?«

»Ich bin erst gestern in diesen Beruf eingetreten, o Kadi; aber mir ist nichts zu schwer. Wenn ich nur täglich meine sechs Dirhems verdiene, so habe ich nichts dagegen, sogar ein Mollah zu werden.«

Der Kadi und die Umstehenden waren kaum im Stande, ihre Heiterkeit zu unterdrücken. Dennoch wurden Yussufs Füße an den Pfahl gebunden, aufgezogen und mit den Gerten bearbeitet, obschon der Vollstrecker der Strafe Sorge trug, öfter den Pfahl als seine Zehen zu treffen. Nachdem diese Operation abgethan war, wurde er wieder los gemacht und aus der Gerichtshalle gewiesen, ohne viel durch die Züchtigung gelitten zu haben, obschon sein Inneres vor Verdruß und Aerger kochte.

»Na,« dachte Yussuf, »das Schicksal scheint mir's zur Aufgabe gestellt zu haben, daß ich jeden Tag die Manier, meinen Unterhalt zu verdienen, ändere. Hätte ich jene Moussuler Schurken nicht unter mein Dach treten lassen, so wäre mir dies nie begegnet.«

Während er so sprach, bemerkte er einen Bieldar oder Diener vom Haushalte des Kalifen, welcher an ihm vorbeiging.

»Das wäre kein übles Aemtchen,« dachte Yussuf, »und der Kalif zählt seine Leute nicht, wie der Kadi. Man braucht nur recht unverschämt zu schwadroniren, und man wird für das genommen wofür man sich ausgiebt.«

Ohne sich durch die Vorgänge entmuthigen zu lassen und fest entschlossen, seine sechs Dirhems zu verdienen, kehrte er nach Hause zurück, zwängte seinen Leib so eng zusammen, als er konnte, drückte seinen Turban seitwärts auf den Kopf, wusch sich die Haare und versah sich mit einem geschälten Mandelstabe. Er wollte eben die Treppe hinunter gehen, als ihm noch einfiel, daß er auch einen Säbel brauche. Eine Scheide hatte er zwar, und er befestigte dieselbe an seinem Gürtel; dann aber schnitzte er ein Stück Palmholz in die Form eines Säbels, steckte es hinein und putzte den Griff mit farbigen Woll- und Seidenschnüren heraus. Sofort stolzirte er durch die Straßen und schwenkte den Mandelzweig in seiner Hand. Unterwegs machte ihm Alles Platz, denn männiglich hielt ihn für einen jener unverschämten Würdenträger, mit denen sich die Großchane zu umgeben pflegen. So ging er geradeaus, bis er endlich auf dem Markeplatze anlangte, wo er einen großen Volkshaufen versammelt sah, in dessen Mitte zwei Männer sich gegenseitig in verzweifeltem Kampfe zusetzten. Yussuf drängte vorwärts und die Menge machte ihm auf beiden Seiten Platz, weil man ihn entweder für einen Dienstmann des Kalifen hielt, oder die Kraft seiner muskeligen Verhältnisse fürchtete. Wie er bei den Kämpfern anlangte, waren sie mit Staub und Blut bedeckt und so wüthend an einander, daß Niemand sie zu trennen wagte. Yussuf bemerkte aus der Furcht, welche er einflößte, daß er für das genommen wurde, was er vorzustellen wünschte, nämlich für einen Bieldar; er klopfte anfangs mit der Hand an den Griff seines angeblichen Säbels, schlug dann die Fechtenden mehrere Male mit seinem Mandelstocke auf die Köpfe und bewog sie dadurch, von ihren Händeln abzulassen. Der Scheik oder das Oberhaupt der Bazars näherte sich sodann Yussuf, machte ihm eine Verbeugung, reichte ihm sechs Dirhems und bat ihn, die Schuldigen zu greifen und sie als Störer des öffentlichen Friedens zur Züchtigung vor den Kalifen zu führen.

Nachdem Yussuf das Geld in seinen Gürtel gesteckt hatte, faßte er die beiden Friedensstörer, nahm jeden derselben unter einen Arm und marschirte mit ihnen von hinnen. Eine große Volksmenge folgte nach, und die Gefangenen baten unaufhörlich um Freilassung. Aber Yussuf lieh ihnen nur ein taubes Ohr, bis abermals sechs Dirhems mit der Bitte um Gnade in seine Weste fielen. Nun ließ sich Yussuf heran, sie in Freiheit zu setzen und ging weiter, kaum im Stande, seinem Jubel einen Zügel anzulegen.

»Ich bin Yussuf,« rief er, »und mein Vertrauen steht auf Gott. Als Bieldar will ich leben und sterben. Bei Allah! ich will nach dem Palaste gehen und sehen, wie es dort meine Amtsbrüder treiben.«

Nun gab es im Dienste des Kalifen dreißig Bieldars, welche sich der Reihe nach ablösten und täglich zehn Mann stark den Dienst im Palaste versahen. Als Yussuf den Schloßhof erreicht hatte, stellte er sich auf, wo die zehn diensttuenden Bieldars versammelt waren, bemerkte aber bald, daß sie sich sehr wesentlich von ihm unterschieden, denn es waren lauter schmächtige und viel besser gekleidete junge Männer. Ihr weibisches Aussehen, das einen schroffen Gegensatz gegen seinen eigenen muskeligen Bau bildete, flößte ihm Verachtung ein; aber dennoch konnte er seine Augen nicht von ihrem schönen, modischen Anzuge verwenden. Mittlerweile bemerkte ihn der Anführer der Bieldars, welcher wohl wußte, daß er nicht zum Palaste gehörte, aber aus seinem Aussehen und aus seinem Erscheinen im Schloßhofe die Folgerung zog, er stehe vielleicht im Dienste einer der großen Omras, welche in Bagdad wohnten, und sey als Besuch nach dem Palaste gekommen, weil er zu Hause nichts zu thun habe. Er bemerkte daher gegen seine Untergebenen:

»Diesen schön gebauten Fremden müssen wir als Gast behandeln. Wir wollen ihm alle Höflichkeit erweisen, denn er gehört unsrem Stande an, und es würde uns zu schlechter Ehre gereichen, wenn wir ihm nicht bewiesen, daß es in unsrer Macht steht, ihm zu dienen.«

Da die übrigen derselben Ansicht waren, so begab sich der Ober-Bieldar zu dem Sekretär der Schatzkammer und holte daselbst einen Preßbrief auf einen reichen Conditor, welcher die Summe von fünftausend Dirhems für verschiedene angedeutete Posten in die Schatzkammer zahlen sollte. Nachdem das Siegel des Veziers auf das Papier gedrückt war, kehrte er nach dem Orte zurück, wo er Yussuf verlassen hatte.

»He, wie steht's, Bruder Bieldar?« sagte er.

»Ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht auf Gott. Ich bin bereit, Euren Befehlen Gehorsam zu leisten,« entgegnete der Wasserträger, indem er mit großer Bescheidenheit hervortrat.

»Darf ich Dich bitten, Bruder Bieldar, daß Du uns, die wir zu dem Palaste gehören, den großen Gefallen erweisest, dieses Papier, welches des Veziers Siegel tragt, dem großem Zuckerbäcker Mallem Osman zu überbringen und ihn zu augenblicklicher Zahlung der fünftausend Dirhems aufzufordern? Du kennst Deinen Beruf und weißt daher natürlich, daß das Geld nicht erwartet wird; aber was immer er Dir für die Fristgestattung anbieten mag, magst Du auf Rechnung der Freundschaft und Geneigtheit der Palast-Bieldars schreiben. Sey unsrer eingedenk, wenn Du Dich in Deiner eigenen Wohnung gütlich thust.«

Yussuf steckte hoch entzückt das Mahnschreiben bei, machte einen tiefen Salaam und trat seinen Auftrag an. Da er es nicht mehr seiner neu beigelegten Würde angemessen hielt, zu Fuß zu gehen, so stieg er auf einen der Esel, welche an den Straßenecken vermiethet werden, und befahl dem Treiber, vorauszugehen und den Weg frei zu halten, zugleich aber auch sich zu erkundigen, wo der Zuckerbäcker wohne. Mallem Osmans Haus war bald aufgefunden, denn er war der Berühmteste seines Gewerbes und hatte ein sehr ausgedehntes Geschäft. Yussuf ritt auf dem Thiere, das nicht halb so groß war, als er selbst, weiter und machte vor dem Laden Halt, wo der Zuckerbäcker seine Arbeiter beaufsichtigte.

»Ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht auf Gott,« sagte Yussuf, den Conditor ansehend, obschon dieser nicht auf den hereinstolzirenden Bieldar achtete.

»Ich komme blos zu Dir, guter Mallem Osman, um Dich zu bitten, daß Du Dich augenblicklich nach dem Palaste begebest und fünf Beutel, je mit tausend Dirhems, mitbringest, denn es scheint vorderhand, als wolle kein Asper davon eingehen. Dieses mit dem Siegel des Vezirs versehene Papier enthält den Befehl, und da Du die Ehre hast, der Schuldner des Kalifen zu seyn, so wirst Du wohl thun, aufzustehen und mich unverweilt nach dem Palaste zu begleiten. Natürlich darf das Nöthige nicht vergessen werden.«

Bei diesen Worten sprang Mallem von seinem Sitze auf, näherte sich Yussuf aufs Unterwürfigste, nahm das Papier, erhob es zu seiner Stirne und redete den Ueberbringer in den kriechendsten Ausdrücken an:

»O höchst vortrefflicher, höchst tapferer und gewaltiger Bieldar, wie gut weiß der Kalif seine Diener auszuwählen! Wie hoch begünstigt mich Allah, indem er Dich mir zuführt! Ich bin Dein Sklave – erweise mir die Ehre, Dich in meiner Wohnung zu erfrischen.«

Yussuf warf sodann dem Eseltreiber einen halben Dirhem zu, entließ ihn, schnaubte, als sei er ganz erschöpft von seiner Reise, und wischte sich die Stirn mit dem Aermel ab. Der Zuckerbäcker wies ihm seinen eigenen Sitz an, schickte hastig nach dem Bazar, um eine gute Schüssel voll gewürzten Fleisches herbeiholen zu lassen, breitete vor Yussuf ein Tuch aus, zerschnitt einen Granatapfel, bestreute ihn mit Zucker und legte ihm diese Frucht nebst einigen süßen Kuchen und etwas Honig vor.

»O Oberster der Bieldars,« sagte der Zuckerbäcker, »ich bitte Dich, daß Du mich würdigest, im Hause Deines Dieners ein Frühstück einzunehmen. Willst Du mit diesen Kleinigkeiten vorlieb nehmen, während etwas Besseres zubereitet wird?«

Einer der Ladendiener brachte nun eine Schaale, in welche der Conditor Sherbet von dem destillirten Safte der Lotosblume, mit Rosenwasser gemischt, goß. Nachdem er auch dies Yussuf vorgelegt hatte, bat er ihn, zu essen. Yussuf aber spielte den großen Mann, warf den Kopf in die Luft und wollte nicht einmal nach den Leckereien hinsehen.

»Laß Dich herab, mich zu verbinden, indem Du diesen Sherbet kostest, o Herr!« fuhr der Zuckerbäcker fort, »oder ich schwöre bei Allah, daß ich mich von meinem jüngsten und liebsten Weibe trennen will.«

»Halt – halt, Bruder!« versetzte Yussuf. »Ehe die Unschuldige leiden soll, will ich lieber auf Deine Bitte eingehen, obschon ich, die Wahrheit zu sagen, keinen Appetit habe. Mein Frühstück ist schon vorüber; ich erhielt zehn Schüsseln von der Tafel des Kalifen, und jede derselben enthielt drei Vögel, in der verschiedensten Weise zubereitet. Ich bin so voll, daß ich kaum athmen kann.«

»Ich begreife vollkommen, daß Du nur aus Mitleid mit Deinem Sklaven auf mein Gesuch eingehest.«

»Na, so will ich Dir den Gefallen thun,« sagte Yussuf.

Er nahm sodann die Sherbet-Schaale auf, welche einige Quart faßte, und leerte sie, zum großen Erstaunen des Zuckerbäckers, in einem einzigen langen Zuge. Jetzt erschien auch das gewürzte Fleisch mit einer Beilage von dünnen Kuchen aus feinem Weizenmehl. Yussuf verschluckte auch dies mit einer Geschwindigkeit, die ganz überraschend anzusehen war, und hörte nicht auf zu essen, bis er den ganzen Tisch abgeräumt hatte. Der Conditor war nicht wenig verwundert.

»Dieser Kerl,« dachte er, »hat schon zehn Schüsseln zu sich genommen, deren jede drei Vögel enthielt. Das ist ein Glück für mich! Was würde er erst angefangen haben, wenn er mit leerem Magen zu mir gekommen wäre? Nicht weniger, als ein mit Pimpernüssen gefüllter Ochse hätte ihn zufrieden stellen können. Wollte der Himmel, daß ich ihn wieder los hätte!«

Mittlerweile rührte sich Yussuf nicht und nahm seine ganze Bedeutsamkeit wieder an. Der Zuckerbäcker erkundigte sich, ob Seine Hoheit wohl so lange warten könne, bis ein Mittagessen für ihn zubereitet sey.

»In der That, Freund, es handelt sich um einen sehr wichtigen Gegenstand. Ich bin hieher gekommen, um Dich anzutreiben, damit Du unverweilt mit mir nach der Schatzkammer kommest, um daselbst die schuldigen fünftausend Dirhems zu bezahlen.«

»Ich bitte um kurze Geduld, mein Aga,« versetzte der Zuckerbäcker. »Ich bin in einer Minute wieder hier.«

Mallem Osman füllte sodann einen großen Beutel mit den auserlesensten Confitüren, wickelte dreißig Dirhems in ein Papier und näherte sich Yussuf mit den Worten:

»Mein Fürst, ich bitte demüthig, daß Du dieses kleine Geschenk von Confitüren und diese dreißig Dirhems zu einem Bade, dessen Du nach Deiner erschöpfenden Reise bedürfen könntest, annehmen wollest. Habe die Güte, mich Deines Schutzes zu würdigen. Das Gewerbe geht schlecht und das Geld will nicht fließen. In kurzer Zeit werde ich Alles bezahlen.

Yussuf, welcher wohl wußte, daß der Auftrag nur ertheilt worden war, um dem Zuckerbäcker einige Dirhems abzupressen, antwortete nun mit großer Höflichkeit:

»Ich rathe Dir, Mallem, heute Deine Thüre nicht zu verlassen – es hat keine so große Eile, 's ist auf morgen, in einer Woche, in einem Monate, ja sogar in einem Jahre nicht einmal nöthig. Du brauchst Dich eigentlich gar nicht zu bemühen, denn Du stehst unter meinem Schutze, und es wird deshalb nicht nöthig werden, daß Du überhaupt nach dem Palaste gehest.«

Die Sonne stand dem Untergange nahe, als diese Angelegenheit bereinigt war. Yussuf ging, seine beiden Hände voll von Geschenken, nach Hause und rief unterwegs:

»Ich bin Yussuf, und meine Versorgung kommt von Gott!«

Zu Hause angelangt, wechselte er im angenehmsten Vorgenusse seine Kleidung, nahm seinen Korb und seinen Krug heraus und kehrte mehr als gewöhnlich beladen zurück; denn da er zwei und vierzig Dirhems eingenommen hatte, so wollte er sich besonders gütlich thun.

»Bei Allah!« rief er, »ich will meine Ration verdoppeln und auf den Untergang dieser spitzbübischen Moussuler Kaufleute trinken, die so schlimme Propheten-Vögel sind.«

Demgemäß verdoppelte er seinen Aufwand, welcher denn auch seinen Wachskerzen und dem Oele zu Statten kam, so daß sein Haus ein eigentliches Lichtmeer war. Dann setzte er sich wie gewöhnlich zu seinem Festmahle nieder, um, glücklicher, als je, noch einmal so viel zu trinken und zweimal so laut zu singen, als er je zuvor gethan hatte.

Während wir ihn seiner einsamen Schwelgerei überlassen, müssen wir bemerken, daß der Kalif nicht versäumt hatte, sich die Ueberzeugung zu verschaffen, ob Yussuf seine Bastonade auch richtig erhalten. Er zweifelte nun nicht mehr, den Wasserträger ohne Mundvorrath und Wein zu treffen, und beschloß daher, ihm einen abermaligen Besuch zu machen.

»Ich denke, Giaffar, ich habe endlich diesen Schurken zum Lohn dafür, daß er mich einen Ungläubigen nannte, ohne Nachtessen zu Bett geschickt. Wir müssen hingehen und uns an seinem Zorne weiden, der natürlich nicht gemindert seyn wird durch den Schmerz der Schläge, welche er auf Befehl des Kadis erhielt.«

Vergeblich stellte Giaffar vor, daß ein derartiger Versuch dem Angriffe eines zürnenden, verwundeten Löwen in seiner Höhle gleichen würde; seine Wuth werde übermäßig seyn, und seine Kraft sey so ungeheuer, daß sie, im Falle sie sich seiner Thüre näherten, nichts weniger, als urplötzliche Vernichtung erwarten dürften.

»Das mag Alles wahr seyn,« versetzte der Kalif; »aber ich will auf jede Gefahr hingehen und ihn sehen.«

»Ich habe meinen Dolch bei mir, Beherrscher der Gläubigen,« bemerkte Meßrur, »und fürchte ihn nicht.«

»Du mußt keinen Gebrauch davon machen, Meßrur,« entgegnete der Kalif. »Halte die Anzüge bereit und laß uns aufbrechen.«

»Ich kann mir denken, daß wir diesmal kein Licht mehr sehen werden, eine einzelne Lampe vielleicht ausgenommen, bei welcher er seine wunden Füße badet.«

Sie zogen aus und waren nicht wenig erstaunt über den hellen Lichtstrahl, der aus Yussufs Hause hervorging. Auch sein Gesang war lärmender und er schien sehr betrunken zu seyn, denn er heulte zwischen seine Lieder hinein:

»Ich bin Yussuf! Hole der Henker alle Moussuler Kaufleute – mein Vertrauen steht auf Gott.«

»Bei dem Schwerte des Propheten!« rief der Kalif, »dieser Kerl vereitelt alle meine Anschläge. Habe ich nicht die ganze Stadt in Noth gebracht und Befehle erlassen, die von einem Tollhäusler ausgegangen zu seyn schienen, bloß um diesen Weinzapf zu züchtigen? – Und siehe da, er schlemmt nach- wie vorher! Ich bin es müde, mich weiter an ihm zu versuchen – indeß wollen wir doch sehen, ob wir nicht ausfindig machen können, durch welche Mittel er seine Tafel zu beschicken wußte. He da! Freund Yussuf, bist Du da? Deine Gäste sind hier, um sich über Dein gutes Glück zu freuen,« rief der Kalif von der Straße aus.

»Wie, schon wieder?« brüllte Yussuf. »Na, so mögt ihr Euch für die Folgen bei Euch selbst bedanken. Flieht oder Ihr seyd todte Leute. Ich habe bei Allah geschworen. Ihr sollet mir nicht nur nicht wieder zu meiner Thüre herein kommen, sondern ich wolle Euch auch mit dem Knittel bearbeiten, wo immer ich Euch treffe.«

»Nein, du Perle unter den Menschen, Du Ocean der guten Laune, erhebe Dich und laß uns ein. Es ist unsere Bestimmung, und wer kann dieser hindernd in den Weg treten.«

»Wohlan denn,« entgegnete Yussuf, mit seinem Prügel auf die Veranda herauskommend, »wenn es Eure Bestimmung ist, so liegt die Schuld nicht an mir.«

»So höre uns nur an, guter Yussuf,« erwiederte der Kalif. »Wir bitten Dich zum letztenmale um Einlaß. Du schimpfst über uns, als hätten wir Dir ein Leides gethan, während Du doch zugestehen mußt, daß Alles, wie unglücklich es auch Anfangs aussah, sich nur zu Deinem Vortheile wandte.«

»Das ist wahr,« sagte Yussuf; »aber dennoch wurde ich durch Eure unseligen Prophezeiungen gezwungen, jeden Tag mein Gewerbe zu ändern. Was wird wohl zunächst an mich kommen?«

»Steht nicht Dein Vertrauen auf Gott?« versetzte Giaffar, »Außerdem versprechen wir Dir getreulich, gegen Niemand ein Wort über die Sache zu sagen; auch soll es heute das letzte Mal seyn, daß wir Dich um Deine Gastfreundschaft angehen.«

»Gut,« entgegnete Yussuf, der nun sehr betrunken war; »so will ich Euch dann zum letzten Male die Thüre öffnen, da ich doch nicht gegen die Bestimmung ankämpfen kann.«

Mit diesen Worten taumelte er die Treppe hinunter und ließ sie ein.

Der Kalif fand Alles in außerordentlichem Uebermaße. Yussuf sang eine Weile, ohne auf seine Gäste zu achten, und sagte zuletzt:

»Ihr Moussuler Schurken, warum verlangt Ihr nicht, daß ich Euch erzähle, wie ich zu einem so guten Glückswurfe gekommen bin? Ich kann mir denken, daß Ihr von blassem Neide bersten möchtet; aber ihr sollt es dennoch hören, und wenn ihr Euch untersteht, wegzugehen, bis ich mit meiner Geschichte fertig bin, so soll es eine solche Menge Hiebe auf Eure Leichname niederregnen, daß Ihr Euch glücklich schätzen werdet, wenn ihr nur eine Bastonnade von fünfhundert erhalten hättet.«

»Wir sind ganz Gehorsam und Demuth, Du Erster der Menschen!« versetzte der Kalif.

Yussuf erzählte nun die Ereignisse des Tages und schloß mit den Worten:

»Ich bin Yussuf, und mein Vertrauen steht auf Gott! Als ein Bieldar will ich leben und als ein Bieldar will ich sterben, dem Kalifen und seinem Großvezier zum Trotze. Möge sie beide das Verderben ereilen!«

Er leerte dann eine Tasse Rakie, sank in einem Zustande betäubter Trunkenheit zurück und schlief ein.

Der Kalif und Giaffar bliesen die Lichter aus, öffneten selbst die Hausthüre und gewannen, sehr belustigt von Yussufs Abenteuern, wieder das geheime Pförtchen des Serails.

Als Yussuf am andern Morgen erwachte, fand er, daß es bereits spät war, weßhalb er sich beeilte, in seine besten Kleider zu kriechen. Während dieses Geschäftes sagte er zu sich selbst: »Ich bin ein Bieldar, und als ein Bieldar will ich sterben.« Dann kämmte er seinen Bart aus, drehte ihn martialischer, hängte seinen hölzernen Säbel um und verlor keine Zeit, sich nach dem Palast zu begeben, wo er seine Stellung wieder unter den diensttuenden Bieldaren einnahm, der getrosten Hoffnung lebend, der Anführer werde ihn wieder mit einem ähnlichen Auftrage, wie Tags zuvor, beehren. Bald nachher erschien der Kalif in dem Divan und erkannte augenblicklich Yussuf in seiner theilweisen Verkleidung.

»Siehst Du da unsern Freund Yussuf?« bemerkte er gegen Giaffar. »Endlich habe ich ihn, und ehe er mir entwischt, soll er mir in keine kleine Patsche kommen.«

Der Ober-Bieldar wurde aufgeboten, trat vor, und machte seine Verbeugung.

»Wie stark ist Eure Anzahl?« fragte der Kalif.

»Im Ganzen dreißig, höchster Herr, von denen jeden Tag zehn im Dienste stehen.«

»Ich will die Anwesenden mustern und jeden Mann besonders vornehmen,« entgegnete der Kalif.

Der Ober-Bieldar verbeugte sich tief, trat zu seinen Leuten zurück und rief mit lauter Stimme:

»Bieldare, der Beherrscher der Gläubigen hat befohlen, daß ihr vor ihm erscheinen sollt.«

Diesem Auftrage wurde augenblicklich Erfolge geleistet, und Yussuf sah sich genöthigt, mit den Uebrigen vor den Kalifen zu treten. Er gerieth darüber in nicht geringe Angst und sagte zu sich selbst:

»Was kann alles dies zu bedeuten haben? Es ist mein böser Glücksstern. Gestern schloß ich meine Rechnung mit dem Kadi und zahlte die Bilanz mit meinen Fersen; wenn es nun gar mit dem Kalifen etwas auszugleichen gibt, so kann ich von Glück sagen, wenn ich noch mit dem Kopfe davon komme.«

Inzwischen stellte der Kalif an die verschiedenen Bieldars einige Fragen, bis er zuletzt auch an Yussuf kam, der sich absichtlich im Hintergrunde aufgepflanzt hatte. Seine Geberdungen und seine Verlegenheit machten dem Kalifen und Giaffar so großes Vergnügen, daß sie sich kaum eines lauten Gelächters zu erwehren vermochten. Der letzte von den Bieldars war nun vorgenommen worden und zu den Andern auf die rechte Seite hinübergegangen, so daß Yussuf nur noch allein dastand. Er drehte sich hin und her, blickte bald nach der Thüre, bald nach dem Kalifen, und erwog bei sich, ob er nicht Fersengeld zahlen sollte; indeß fühlte er wohl, daß dies vergeblich war. Der Kalif mußte ihn drei Mal fragen, ehe ihm die Verwirrung eine Antwort gestattete, und der Ober-Bieldar erinnerte ihn durch mehrere Rippenstöße, weil er ihn für einen neu Eingetretenen hielt, der von einem seiner Collegen ohne sein Vorwissen aufgenommen worden wäre.

»Antworte dem Kalifen, du langer, großer Esel,« sagte er zu Yussuf, indem er ihn abermals mit dem Hefte seines Dolches zwischen die Rippen traf.

Aber Yussuf war die Zunge vor Angst wie an den Gaumen angeleimt und er stand zitternd da, ohne eine Antwort hervor zu bringen. Der Kalif wiederholte abermals die Fragen:

»Wie heißt Du – wie heißt Dein Vater – welchen Gehalt beziehst Du als Bieldar – und wie bist Du zu Deiner Anstellung gekommen?«

»Sprichst Du mit mir, großer Kalif?« stammelte endlich Yussuf heraus.

»Ja,« versetzte der Kalif mit Strenge.

Giaffar, welcher neben seinem Gebieter stand, rief nun:

»Ja, du memmenhafter Tropf von einem Bieldar. Antworte hurtig, oder der Säbel wird an Deinem Halse in Anwendung kommen.«

Yussuf murmelte vor sich hin: »so hoffe ich nur, daß es mein eigener Säbel seyn werde,« und antwortete sodann auf die Frage:

»Ja es ist alles Recht – mein Vater war ein Bieldar, und auch meine Mutter war's vor ihm.«

Ueber diese ungereimte Antwort konnten der Kalif und der ganze Hof ihrer Heiterkeit nicht länger Zwang anthun, und Yussuf faßte wieder einigermaßen Muth.

»So scheint es also,« sagte Harun, »daß Du ein Bieldar und der Sohn eines Bieldars bist – ferner, daß Du jährlich zehn Dinars und täglich fünf Pfund Schöpsenfleisch erhältst?«

»Ja, hoher Herr,« versetzt Yussuf, »ich glaube, so ist es. Mein Vertrauen steht auf Gott.«

»Das ist recht. Wohlan, Yussuf, nimm drei andere Bieldare mit dir nach dem Blutkerker und bring die vier Räuber her, welche wegen ihrer mannigfachen Verbrechen zum Tode verurtheilt wurden.«

Jetzt ergriff Giaffar das Wort und bemerkte gegen den Kalifen, ob es nicht besser seyn dürfte, wenn sie der Kerkermeister herbeibringe. Harun genehmigte diesen Vorschlag, und der gedachte Beamte erschien unverweilt mit den vier gebundenen baarhäuptigen Verbrechern. Nun befahl der Kalif unsren Yussuf nebst drei andern Bieldars, sie sollten je einen Gefangenen greifen, ihm die Augen verbinden, sein Obergewand zurückschlagen, ihre Säbel ziehen und des Commando-Wortes gewärtig seyn. Die drei Bieldars machten ihre Verbeugung und gehorchten, indem sie die Verbrecher in eine knieende Lage brachten, die Augen derselben verbanden und ihre Hälse entblößten; aber während sie also bereit standen, befand sich Yussuf in der schrecklichsten Verlegenheit.

»Da ist kein Entkommen möglich,« sagte er zu sich selbst. »Wenn nur diese Moussuler Kaufleute in der Hölle wären. Sie konnten wohl sagen, daß sie nicht mehr kommen wollten, denn in einigen Minuten habe ich aufgehört, zu seyn, was ich jetzt bin.«

»He, Du Bursche – Du bist einer von den aufgebotenen Bieldars – kennst Du Deine Pflicht nicht?« rief Giaffar. »Warum führst Du den Verbrecher nicht heraus, wie Deine Kameraden gethan haben?«

Yussuf, der sich nun zum Gehorsam genöthigt sah, ergriff den vierten Gefangenen, bedeckte dessen Augen, entblößte ihm den Hals und trat hinter ihn, ohne jedoch seinen Säbel zu ziehen.

»Nein, über dies komme ich nicht weg,« dachte Yussuf. »In einigen Sekunden stellt sich 's heraus, daß mein Säbel nur ein Stück Palmholz ist, und die Leute werden hohnlachen, während mein eigener Kopf fällt. Doch mein Vertrauen steht auf Gott – zum Shitan mit allen Moussuler Kaufleuten!«

Er nahm übrigens seine Scheide nebst dem hölzernen Säbel aus seinem Gürtel und erhob Beides über seine Schulter.

Der Kalif, welcher ihm genau zusah, war höchlich belustigt über dieses Manöver.

»He, Bieldar, warum ziehst Du Deinen Säbel nicht?« fragte er ihn.

»Mein Säbel,« versetzte Yussuf, »ist von der Art, daß er nicht allzu lange vor den Augen des Beherrschers der Gläubigen blinken darf.«

Der Kalif schien zufrieden zu seyn und wandte sich nun an den ersten Bieldar, mit dem Befehle, den Hieb zu führen. Im Nu lag der Kopf des Räubers auf dem Boden.

»Schön und wacker ausgeführt,« sagte der Kalif. »Man belohne diesen Mann.«

Dann ertheilte er Befehl zur Hinrichtung des zweiten Gefangenen. Der Säbel schwirrte durch die Luft, und mit Einem Streiche war der Kopf des Räubers eine Strecke weit geflogen. Der dritte Verbrecher wurde mit derselben Geschicklichkeit abgefertigt.

»Schlag auch Du Deinem Verbrecher den Kopf ab, Bieldar,« sagte der Kalif zu Yussuf, »und empfange dann die gleiche Belohnung für Deine Geschicklichkeit.«

Yussuf hatte inzwischen bis zu einem gewissen Grade seine Geistesgegenwart wieder gewonnen; seine Ideen waren zwar noch nicht geordnet, schwammen aber doch unbestimmt durch sein Gehirn. »Wohlan, Eure Hoheit erlaube mir ein paar Worte zu dem Verbrecher zu sprechen,« sagte Yussuf, um Zeit zu gewinnen.

»Sey es so,« versetzte der Kalif, indem er sich sein Kleid in den Mund stopfte, um das Gelächter zu verhindern.

»Der Kalif hat befohlen, daß Dir der Kopf abgeschlagen werden solle. Wenn Du das Bekenntniß des wahren Glaubens aussprechen willst, so ist jetzt die Zeit dazu vorhanden, Räuber, denn Du hast nur noch kurze Zeit zu leben.«

Der Verbrecher rief augenblicklich aus:

»Es ist nur Ein Gott, und Mahomed ist sein Prophet.«

Yussuf entblößte sodann seinen muskeligen Arm, rollte wild seine Augen und ging drei Mal um den Gefangenen herum.

»Erkläre jetzt die Gerechtigkeit Deines Geschicks,« rief er laut, flüsterte ihm aber zu gleicher Zeit zu – »schwöre, Du seyest unschuldig – sage, ist Dein Urtheil nicht gerecht?«

»Nein – nein,« entgegnete der Mann mit lauter Stimme: »ich bin unschuldig.«

Der Kalif, welcher sorgfältig auf Alles, was vorging, achtete, war nicht wenig über Yussuf's Verfahren ergötzt und wunderte sich, was wohl zunächst kommen werde. Yussuf ging dann auf den Kalifen zu und warf sich vor ihm zu Boden.

»O Kalif, Stadthalter des Propheten, würdige Deinen getreuen Bieldar eines gnädigen Gehörs, und erlaube ihm, Dir ein seltsames Abenteuer zu erzählen, welches ihm in den letzten Tagen begegnet ist.«

»So sprich, Bieldar – wir sind ganz aufmerksam; aber nimm Dich in Acht, und laß Deine Worte Worte der Wahrheit seyn.«

»An dem Abende, ehe Deine Hoheit den Befehl erließ, daß der Bazar nicht mit Wasser vom Tigris versehen werden dürfe, saß ich in meinem Hause, verrichtete meine Andacht und studirte im Koran, welchen ich eben in lauter Stimme las, als mir drei Kaufleute von Moussul zuriefen und mich um meine Gastfreundschaft ersuchten. Der Koran hat die Gastfreundschaft als eine Tugend bezeichnet, deren ein wahrer Gläubiger nicht entbehren dürfe, und ich eilte, meine Thüre zu öffnen und sie zu empfangen.«

»Wirklich?« versetzte der Kalif, Giaffar ansehend. »So sag' an, Bieldar, wie sahen denn diese Moussuler Kaufleute aus?«

»In hohem Grade von der Natur verwahrlost. Der eine war ein krugbäuchiger, schurkisch aussehender Kerl mit einem großen Barte; man hätte glauben mögen, daß er vom Galgen hergekommen sey. (Der Kalif blinzelte seinem Vezier zu, als wollte er sagen: ›das ist Dein Porträt‹) Der andere war ein schwarzbärtiger, finsterer, spitzbübischer Galgenhund (Giaffar verbeugte sich gegen den Kalifen) und der dritte ein dicklippiges, dünngesichtiges Skelett von einem Neger. (Meßrur legte mit Ungeduld die Hand an seinen Dolch.) Kurz ich kann gegen Deine Hoheit wohl behaupten, daß die drei Verbrecher, welche eben erst der Gerechtigkeit verfielen, hinsichtlich ihres Aeußern ehrliche Männer waren in Vergleichung mit den drei Moussuler Kaufleuten. Dennoch nahm ich sie pflichtlich auf, gab ihnen Obdach, und deckte vor ihnen einen Tisch mit dem Besten. Sie ließen sich die Kabobs schmecken, und da sie Wein und Rakie verlangten, welche ich, weil sie vom Gesetz verboten sind, nie koste, so ging ich aus, und kaufte für sie ein. Sie aßen und tranken bis zum Tagesanbruch, und entfernten sich dann.«

»Wirklich?« entgegnete der Kalif.

»Am nächsten Abend störten sie mich wieder zu meinem großen Aerger in meiner Andacht. Meine Vorräthe verschwanden unter ihren Anforderungen, und nachdem sie sich Speis und Trank hatten schmecken lassen, bis sie betrunken waren, gingen sie fort. Ich hoffte, sie nicht wieder zu sehen, da sie in ihren Bemerkungen über den neuen Befehl, welchen Deine Hoheit in Betreff der Bäder erlassen hatte, durchaus nicht schonsam waren.«

»Fahre fort, guter Yussuf.«

»In der dritten Nacht kamen sie wieder. Ich hatte kein Geld mehr übrig, und es war mir durchaus nicht lieb, daß sie mein Haus zu einer Schenke machen wollten, weßhalb ich hoffte, sie würden fortan ausbleiben; aber auch in der vierten Nacht stellten sie sich ein, benahmen sich höchst unanständig, sangen Zotenlieder und riefen so lange nach Wein und Rakie, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Ich erklärte ihnen daher, daß ich ihnen nicht länger Aufnahme gestatten werde. Der Fettwanst, dessen ich bereits Erwähnung gethan habe, stand dann auf und sagte:

»Yussuf, wir haben Deine Gastfreundschaft genossen und danken Dir. Niemand würde drei so ungezogene Personen aufgenommen und um der Liebe Gottes willen bewirthet haben, wie Du es thatest. Wir wollen Dich übrigens dafür belohnen. Du bist ein Bieldar des Palastes und wir machen Dir jetzt ein Geschenk mit dem Schwerte der Gerechtigkeit, das seit den Tagen des großen Salomo verloren ging. Nimm es, und beurtheile es nicht nach dem äußeren Anschein. Wenn Du Befehl erhältst, einem Verbrecher den Kopf abzuschlagen, so wird, wenn er schuldig ist, das Schwert wie Feuer blitzen und nie fehlen; sollte er aber unschuldig seyn, so wird es sich zu einer harmlosen Holzlatte umwandeln.«

»Ich nahm das Geschenk an, und wollte eben meinen Dank ausdrücken, als die garstig aussehenden Moussuler Kaufleute allmählig die Gestalt von himmlischen Wesen annahmen und verschwanden.«

»Das ist wahrhaftig eine wunderbare Geschichte – wie, der dickbäuchige Kerl sah also wie ein Engel aus?«

»Wie ein Engel des Lichtes, o Kalif.«

»Und wie machte sich der schmalgesichtige Neger?«

»Wie eine Houri, o Kalif.«

»Wohlan denn,« entgegnete Harun, »so sollst Du jetzt die Kraft dieses wunderbaren Schwertes versuchen, Yussuf; schlage diesem Verbrecher den Kopf ab.«

Yussuf kehrte zu dem Räuber zurück, der noch immer auf den Knieen da lag, ging um ihn herum und rief mit lauter Stimme:

»O Schwert, wenn dieser Mann schuldig ist, so thue deine Pflicht; ist er aber, wie er in seinen letzten Augenblicken erklärt hat, unschuldig, so werde harmlos.«

Mit diesen Worten zog Yussuf seine Waffe, und männiglich bekam nun die Palmholzlatte zu Gesicht.

»Er ist unschuldig, o Kalif; dieser Mann, der ungerecht verurtheilt wurde, sollte in Freiheit gesetzt werden.«

»Zuverläßig,« versetzte der Kalif über Yussuf's Manöver sehr ergötzt; »man setze den Mann in Freiheit. Ober-Bieldar, wir können uns nicht von einem Mann trennen, der, wie Yussuf, eine so merkwürdige Waffe besitzt. Thue daher noch zehn weitere Bieldars ein und laß Yussuf das Commando über sie führen. Gehalt und sonstige Emolumente bezieht er wie die übrigen Ober-Bieldars.«

Hochentzückt über sein gutes Glück warf sich Yussuf vor den Kalifen nieder und rief, als er sich entfernte:

»Ich bin Yussuf – mein Vertrauen steht auf Gott. Allah erhalte die drei Moussuler Kaufleute.«

Es stund nicht lange an, als der Kalif, Giaffar und Meßrur sich wieder in der Eigenschaft von Kaufleuten vor Yussuf zeigten, und sich nicht wenig an der Verwirrung des Bieldars ergötzten, als dieser endlich entdeckte, mit welchen Personen er es zu thun gehabt hatte. Dennoch erfreute sich Yussuf der Gunst Haruns bis ans Ende seines Lebens und war glücklicher, als Giaffar und Andere, welche nur ein einziges Mal dem Zorne und dem Argwohn des allgewaltigen Kalifen anheim fielen.

 

»Dies, o Pascha, ist die Geschichte von Yussuf dem Wasserträger.«

»Ja, und 's ist obendrein eine sehr gute Geschichte. Weißt Du keine andere mehr, Menouni?«

»Durchlauchtige Hoheit,« versetzte Mustapha, »die Karavane wird mit Tagesanbruch sich auf den Weg machen, und Menouni hat nur noch drei Stunden übrig, um sich vorzubereiten. Sie kann nicht länger aufgehalten werden, ohne daß der Führer einen Bericht an die Behörden machte, und der Vorgang dürfte wohl nicht aufs Günstigste aufgenommen werden.«

»So sey es denn,« erwiederte der Pascha. »Gieb Menouni seine Belohnung – wir wollen sehen, ob wir bis zu seiner Rückkehr von der Pilgerfahrt nicht einen anderen Geschichtenerzähler auffinden können.«


 << zurück weiter >>