Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

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Siebenzehntes Kapitel.

»Maschallah! Gott sey gepriesen! Sind wir doch endlich diesen Kerl und seine Zweifel los. Mustapha, als ich die Pfeife der Muthmaßung rauchte und dabei zu der Asche der Gewißheit gelangte, kam ich auf den Gedanken, ein Mann, der so viele Zweifel habe, könne unmöglich ein ächter Gläubiger seyn. Ich wollte, ich hätte ihn zu den Mollahs geschickt. Vielleicht wäre uns dann das Vergnügen geworden, daß sie ihn gespießt hätten; denn dies ist heutzutage ein seltenes Schauspiel.«

»Gott ist groß,« versetzte Mustapha, »und ein Pfahl ist ein kräftiges Argument, das wohl viele Zweifel zu beseitigen vermag. Aber ich habe einen Ungläubigen im Hofe, der gar seltsame Dinge erzählt. Man hat ihn wie eine wilde Bestie gefangen. Er ist ein fränkischer Galiongi und hat eben so weite Reisen gemacht, als jener Shitan's-Sohn Huckaback. Man fand ihn, überwältigt von dem verbotenen Safte, in den Straßen, nachdem er viele von Eurer Hoheit Unterthanen geschlagen hatte. Der Kadi wollte bei ihm den Bambus in Anwendung bringen, aber er geberdete sich wie ein Löwe und schleuderte die Sklaven wie Spreu umher, bis er fiel und sich nicht wieder erheben konnte. Ich habe ihn von dem Kadi mitgenommen und hieher gebracht. Er spricht zwar nur die fränkische Zunge; aber die Sonne, welche auf mich scheint, weiß, daß ich im Frankenlande gewesen bin, und, Inschallah – so es dem Herrn beliebt, kann ich seine Worte dolmetschen.«

»Was für eine Art Mensch mag er seyn, Mustapha?«

»Er ist ein Baj-Baj – ein Dickbauch – ein starker Kerl – ein Anhunkher – ein Eisenfresser. Er segelte in den Kriegsschiffen der Franken und hält in der einen Hand eine Flasche der verbotenen Flüssigkeit, während er in der andern gegen diejenigen, welche ihn examiniren wollen, einen dicken Knittel schwingt. In einer seiner Backen steckt eine Faust voll des köstlichen Krauts, das wir für unsere Pfeifen brauchen, und sein Haar hängt ihm hinten bis auf den Gürtel nieder, so dick zusammengerollt, wie der Arm Eures Sklaven.«

»Es ist gut, wir wollen ihn herein lassen; aber sorge dafür, daß bewaffnete Leute zur Hand seyen. Eine volle Pfeife für mich! Gott ist groß,« fuhr der Pascha fort, indem er sein Glas hinhielt, um es füllen zu lassen, und die Flasche beinahe leerte. »Stelle die Wachen aus und bringe den Ungläubigen herein.«

Einige Minuten nachher führten die Wachen einen derb gebauten englischen Matrosen in der gewöhnlichen Seemannstracht und mit einem Zopfe, der ihm hinten armsdick bis über den Gurt niederhing, vor den Pascha. Dem Matrosen schien diese Behandlung nicht zu behagen, denn er schleuderte gelegentlich Dolchblicke auf seine Führer, die an ihm schoben und zerrten. Er war nüchtern, obschon seine Augen noch die Spuren kürzlicher Trunkenheit blicken ließen, und sein männlich schönes Gesicht wurde durch einen ungeheuren Tabackspflock entstellt, welcher ihm die rechte Wange unförmlich auftrieb. Sobald er dem Pascha nahe genug stand, ließen ihn seine Begleiter los. Jack schüttelte seine Jacke, zog seine Hosen auf, warf ihnen einen wüthenden Blick zu und rief:

»Na, ihr Bettler, so seyd ihr endlich mit mir fertig?«

Mustapha redete den Matrosen Englisch an und bedeutete ihm, daß er vor Sr. Hoheit, dem Pascha, stehe.

»Wie, der alte Knasterbart, in Shawl und Pelzwerk eingehüllt – ist dies der Pascha? Ei, meinetwegen; ich mache mir nicht viel aus ihm.«

Und in gaffender Verwunderung ließ der Matrose seine Augen durch das Gemach gleiten, ohne sich auch nur entfernt einfallen zu lassen, wie nahe er einem Manne stund, der ihm mit einer einzigen Handbewegung nicht nur seinen Zopf, sondern auch den daran hängenden Kopf abschneiden lassen konnte.

»Was sagt der Franke, Mustapha?« fragte der Pascha.

»Das Erstaunen über die Pracht Eurer Hoheit und die Verwunderung über Alles, was er erblickt, hat ihn verstummen gemacht.«

»Wohlgesprochen, bei Allah!«

»Ich denke, ich kann just so gut hier vor einen Anker kommen,« sagte der Matrose, indem er den Worten die That folgen ließ und sich auf die Matte niedersetzte. »So,« fuhr er fort, während er seine Beine nach der Weise der Türken kreuzte, »wenn's hier zu Lande Mode ist, ein Kreuz in der Klüse zu vieren, so kann ich so gut wie ihr ein bischen den Tölpel machen. Es käme mir auch nicht darauf an, nach Eurem Beispiel eine Wolke hinaus zu blasen, mein alter Kegel.«

»Was sagt der Giaur? Welch' ein Hundesohn ist dies, in Unserer Gegenwart zu sitzen?« rief der Pascha.

»Er meint,« entgegnete Mustapha, »in seinem Lande dürfe es Niemand wagen, vor dem fränkischen Könige zu stehen, und von seiner Unterwürfigkeit überwältigt, versagen ihm die Beine den Dienst, so daß er vor Euch in den Staub sinken müsse. Es ist wirklich so, wie er sagt, denn ich reiste in seinem Lande, und es ist so der Brauch bei jener uncivilisirten Nation. Maschallah! Aber er lebt in Ehrfurcht und Zittern.«

»Bei dem Barte des Propheten, äußerlich zeigt er nichts davon,« entgegnete der Pascha. »Aber es mag vielleicht auch so Brauch seyn.«

» Be chesm, auf meine Augen komme es,« versetzte Mustapha, »Es ist ganz so. Franke,« fuhr er gegen den Matrosen fort, »der Pascha hat nach Dir geschickt, um von Dir einen Bericht über alle die Wanderungen zu hören, welche Du gesehen hast. Du mußt Lügen sagen und wirst dafür Geld erhalten.«

»Lügen sagen? Ah, das heißt man Garn spinnen. Na, das kann ich wohl thun. Aber mein Mund lechzet vor Durst, und ohne ein Tröpflein von etwas Starkem soll Euch auch nicht ein fingerlanges Stückchen Garn abgehaspelt werden! Das könnt Ihr immerhin dem alten Geisbart sagen.«

»Was sagt der Sohn von Shitan?« fragte der Pascha in ungeduldigem Aufbrausen.

»Der Ungläubige erklärt, der Schrecken von Eurer Hoheit Gegenwart habe ihm die Zunge an den Gaumen geleimt. Er lechzet nach Wasser, um sich wieder herzustellen, damit er zu sprechen im Stande sey.«

»So laß ihm das Nöthige reichen,« erwiederte der Pascha.

Aber Mustapha hatte genug gehört, um zu wissen, daß sich der Matrose nicht mit dem reinen Element begnügen würde, und fuhr daher fort:

»Euer Sklave muß Euch sagen, daß sie in ihrem Lande nichts als das Feuerwasser trinken, an welchem sich die wahren Gläubigen nur hin und wieder zu letzen erlauben.«

»Allah Acbar! Nichts als Feuerwasser? Was thun sie denn mit dem gewöhnlichen?«

»Sie haben kein anderes, als das, welches von dem Himmel fällt. Die Flüsse sind sammt und sonders von der gleichen Stärke.«

»Maschallah, wie wundervoll ist Gott – ich wollte, wir hätten gleichfalls einen solchen Fluß hier. So trage Sorge, daß seinen Bedürfnissen entsprochen werde, denn ich wünsche, seine Geschichte zu hören.«

Es wurde eine Flasche Branntwein beschickt und dem Matrosen übergeben, welcher sie an den Mund setzte und in einem Athem eine solche Quantität daraus abließ, daß der Pascha zu der vollen Ueberzeugung kam, Mustaphas Behauptung müsse wahr seyn.

»Na, das ist nicht so schlecht,« sagte der Matrose, die Flasche zwischen seine Beine steckend. »Und nun will ich meinem Worte Ehre machen und dem alten Knaster da ein Garn spinnen, so lang als das Vollen des großem Marses.«

»Was sagt der Giaur?« fiel der Pascha ein.

»Daß er im Begriffe sey, vor Eurer Hoheit die wunderbaren Ereignisse seines Lebens niederzulegen; er hoffe, sein Gesicht werde weiß seyn, ehe er sich aus Eurer durchlauchtigen Gegenwart entfernt. Franke, Du magst fortfahren.«

»Ich soll also lügen, bis mir das Gesicht schwarz wird? Na, wenn Ihr's wünscht, so sey's drum; aber ich heiße nicht Frank, alter Bursche. Zufälligerweise heiße ich Bill – nun, für einen Türken ist auch das Erstere nicht allzu schlecht gerathen; und da ich jetzt hier bin, möchte ich Euch just eine Frage vorlegen. Wir hatten letzthin, als wir in einer Fregatte bei den Dardanellen droben waren, so ein Stück von einem Hargument, Eure Religion betreffend. Jack Soames sagte, ihr wäret keine Christen, oder wenn ihr's wäret, so könntet ihr nur Katholiken seyn; aber ich kann mir nicht denken, wie er etwas davon wissen soll, sintemal er nicht länger als sieben Wochen an Bord eines Kriegsschiffes war. Wie verhält sich denn jetzt die Sache? – Wenn ich anders zu fragen so frei seyn darf.«

»Was spricht er?« fragte der Pascha ungeduldig.

»Er sagt,« antwortete Mustapha, »daß er nicht so glücklich gewesen sey, in dem Lande der wahren Gläubigen geboren zu werden; er sey ans Licht getreten auf einer Insel voll Dunst und Nebel, wo nie die Sonne scheine und die Kälte so übermäßig sey, daß das Wasser so hart und kalt wie eine Kiesel vom Himmel falle.«

»Dies erklärt mir den Umstand, daß sie es nicht trinken. Maschallah, Gott ist groß! Laß ihn fortfahren.«

»Der Pascha fordert mich auf, Dir zu sagen, unsere Religion bestehe in dem Lehrsatze, daß es nur einen Gott gebe und Mahomed sein Prophet sey; auch verlangt er, daß Du einmal mit Deiner Geschichte anfangen sollst.«

»Habe nie von diesem Kunden gehört – doch gleichviel – da ist Sägeholz. –«

Erzählung des englischen Matrosen.

Ich bin zu Shields geboren und zum Matrosen erzogen worden, diente meine Zeit aus in diesem Hafen und kriegte eine Stelle am Bord eines kleinen Schiffes, das zu Liverpool für den Sklavenhandel ausgestattet worden war. Wir thaten die Küste von Afrika an, statteten unsere Glasperlen, unseren Branntwein und unser Schießpulver aus und hatten bald eine ordentliche Ladung an Bord; aber schon am zweiten Tage unserer Fahrt nach der Havannah brach unter den Niggers die Ruhr aus – kein Wunder, wenn man in Betracht zog, wie die armen Teufel zusammengepackt waren, Kopf und Schwanz wie die Häringe in einer Tonne. Wir öffneten die Luken und brachten einen Theil davon auf das Deck; aber es nützte nichts, denn sie starben dahin, wie kranke Schaafe, und wir stießen täglich an dreißig über Bord. Viele Andere, die noch am Leben waren, sprangen ins Wasser und wurden augenblicklich von einem Haufen Hayfische verfolgt, welche plätschernd darauf losstürzten, untertauchten, die noch warmen Körper zerrissen und sich in dem blutigen Wasser gütlich thaten. Endlich waren sie Alle dahin, und wir kehrten nach der Küste zurück, um einen frischen Vorrath zu holen. Wir standen noch eine Tagfahrt vom Lande, als wir zwei Boote auf unserm Luvbuge bemerkten. Sie machten uns Signale, und da wir sie mit Leuten angefüllt fanden, so legten wir bei und nahmen sie an Bord. Nun erfuhren wir, daß sie zu einem französischen Sklavenschooner gehört hatten; eine Planke desselben war geborsten und das Schiff selber mit allen Niggers im Raume untergegangen, wie eine Kanonenkugel.

 

»Na, gebt dem alten Gentlemen einmal dies per Abschlag während ich mir ein wenig meinen Schnabel anfeuchte.«

Mustapha dolmetschte, und der Matrose, welcher inzwischen der Flasche zugesprochen hatte, fuhr endlich wieder fort:

 

Es war uns gar nicht lieb, diese französischen Bettler an Bord nehmen zu sollen, und zwar nicht ohne Grund, denn sie musterten eben so viele Köpfe als wir. Die allererste Nacht hörte ein Neger, der zu uns gehörte und französisch gelernt hatte, mit an, wie sie den Plan entwarfen, uns zu überwältigen und sich in Besitz des Schiffes zu setzen; aber als wir dies hörten, war auch ihr Schicksal besiegelt. Unsere Leute traten auf dem Decke an, setzten die Luken über einige der Franzosen, packten die auf dem Decke, und in einer halben Stunde waren sie sammt und sonders über die Planke spaziert.

 

»Ich verstehe nicht, was Du damit sagen willst,« sagte Mustapha.

Das kömmt daher, weil Ihr ein Landtölpel seyd. Das Lange und Kurze vom über die Plankespazieren besteht darin: wir legten eine breite Planke über das Schanddeck, schmierten sie am untern Ende gut ein, führten die Franzosen mit verbundenen Augen darauf und wünschten ihnen – just aus Höflichkeit – in ihrer eigenen Sprache » bon voyage«. Sie spazierten weiter, bis sie in die See purzelten, und die Hayfische verschmähten sie nicht, obschon sie einen Nigger allem Anderen vorziehen.

»Was sagt er, Mustapha?« unterbrach ihn der Pascha.

Mustapha dolmetschte.

»Gut; das hätte ich mitansehen mögen«, entgegnete der Pascha.

 

Sobald wir uns der Franzosen entledigt hatten, thaten wir unsern Hafen an und nahmen wieder ein Cargo an Bord. Dann fuhren wir nach der Havannah, wo wir wohlbehalten anlangten und unsere Sklaven verkauften. Dieser Dienst gefiel mir übrigens nicht sonderlich, weshalb ich den Schooner aufgab und im Sommer wieder nach England zurücksegelte. Da traf ich denn mit Betsey zusammen, und da sie sich als ein Kapital-Weibsstück erwies, so splißte ich sie mir an. Das war eine famose Hochzeit, und wir trieben's lustig, so lange noch ein Heller in der Tasche war; aber Schade, daß dies nicht sehr lange dauerte. Ich ging daher wieder zur See. Als ich nach meinem Ausfluge zurückkam, fand ich, daß sich Betsey nicht ganz so gut benommen hatte, als sie hätte sollen; ich schnitt daher meinen Stecken und überließ sie ihrem Schicksal.

 

»Warum hast Du sie nicht in einen Sack gesteckt?« fragte der Pascha, nachdem Mustapha die Erzählung des Matrosen übersetzt hatte.

»Ihr den Kopf in einen Sack stecken? Nein, so häßlich war sie im Grunde doch nicht,« versetzte der Matrose. »Indeß wir wollen darauf los wickeln.«

 

Ich ging auf eine Kaperbrigg, hatte nach drei Kreuzzügen ein hübsches Häuflein Geld beisammen und beschloß nun, mich wieder auf dem Lande umzuthun, um es mir in möglichster Bälde vom Hals zu schaffen. Dann las ich Sue auf und splißte sie mir wieder an; aber Gott behüt uns, sie wies sich als einen regelmäßig gebauten Tartaren aus – nichts als Gefecht um Gefecht, kratz, kratz, den lieben langen Tag, bis ich sie zu Meister Urian wünschte. Ich hatte sie satt, und da Sue eine Vorliebe zu einem anderen Burschen faßte, so sagte sie eines Tages:

»Da wir gleichen Sinnes sind, so kannst Du mich ja verkaufen, und wir trennen uns dann in einer achtbaren Manier.« Ich willigte ein, legte ihr einen Strick um den Hals und führte sie nach dem Marktplatze, während der Kaufliebhaber uns folgte.

»Wer bietet auf dieses Weib?« rufe ich.

»Ich,« sagt er.

»Was willst Du geben?«

»Eine halbe Krone,« sagte er.

»Willst Du dem Handel noch ein Glas Grog beifügen?«

»Ja,« sagt er.

»Dann gehört sie Dir und ich wünsche Dir viel Glück zu Deinem Kaufe.«

So händigte ich ihm den Strick aus und er führte sie fort.

 

»Für wieviel sagst du, daß er sein Weib verkauft habe?« entgegnete der Pascha seinem Vezier, nachdem derselbe diesen Theil der Geschichte wiederholt hatte.

»Für einen Piaster und für ein Glas Feuerwasser,« versetzte der Vezir.

»Frage ihn, ob sie schön war«, sagte der Pascha.

»Schön?« entgegnete der Matrose auf Mustaphas Frage; »ja sie war zum Ansehen ein so sauberes Fahrzeug, als Ihr nur je Eure Augen auf eins geklappt habt – schönes rundes Heck – sauber geschweift – schwellende Buge – einen guten Figurenkopf und Haar genug für eine Meerjungfer.«

»Was sagt er?« fragte der Pascha.

»Der Franke erklärt, ihre Augen seyen so hell gewesen, wie die der Gazelle, – ihre Augenbrauen hätten ausgesehen wie eine einzige – ihren Leib schildert er wie eine Cypresse – ihr Gesicht wie den vollen Mond; auch sagt er, sie sey so fett gewesen wie die Houris, welche der ächten Gläubigen harren.«

»Maschallah! Alles dies für einen Piaster! Frag ihn, Mustapha, ob in seinem Lande mehr dergleichen Weiber verkauft werden?«

»Mehr?« entgegnete der Matrose, als Antwort von Mustaphas Dolmetschung. »Zu jeder Stunde könnt Ihr ein ganzes Schiff voll haben. Es gibt in England manchen ehrlichen Kerl, der sich's noch eine hübsche Handvoll Geld kosten ließe, um nur sein Weib los zu werden.

»Wir müssen uns da weiter erkundigen und uns Einsicht in dieser Sache verschaffen, Mustapha. Meinst du nicht auch?«

»Eure Worte sind Weisheit,« erwiederte Mustapha. »Mein Herz brennt mir noch immer wie geröstetes Fleisch bei der Erinnerung an die Weiber jenes Landes, welche in der That, wie sie der Mann geschildert hat, den Houris gleich sehen. Fahre fort, Jaha Bibi mein Freund, und sage Seiner – – –«

»Jaha Bibi? Ich habe Euch schon gesagt, daß ich Bill heiße, nicht Bibi; und ich giere nie von meinem Kurs ab, obschon ich bisweilen beilege, um Provision einzunehmen, wie es zum Beispiel eben jetzt geschieht.«

Der Matrose that abermals einen Zug, wischte sich den Mund mit dem Handrücken und fuhr fort:

»Jetzt also an eine gute Lüge.«

 

Ich segelte in meiner Brigg nach Brasilien aus und gerieth in einen Sturm, dergleichen ich nie zuvor gesehen hatte. Wir mußten drei Mann neben den Kapitän stationiren, um ihm das Haar auf dem Kopf zu erhalten, und ein kleiner Knabe wurde über den Mond weggeblasen; er glitt an zwei oder drei Strahlen wieder herunter, bis er, ohne Schaden zu nehmen, sich an dem großen Stage halten konnte.

 

»Gut,« sagte Mustapha und begann dann seine Übertragung.

»Bei dem Bart des Propheten, das ist sehr wunderbar!« rief der Pascha.

 

Der Sturm währte eine Woche, bis wir endlich Nachts, als ich eben an dem Steuer war, auf die Felsen einer wüsten Insel geschleudert worden. Ich flog über die Berge weg und fiel auf der andern Seite der Insel ins Wasser, schwamm aber dann ans Land, und fand eine Höhle, wo ich mich zum Schlafen niederlegte. Am andern Morgen entdeckte ich, daß es auf der ganzen Insel nichts Eßbares gab, als Ratten, deren eine zahllose Menge vorhanden war; sie waren jedoch so hurtig, daß ich sie nicht fangen konnte. Ich wanderte umher und entdeckte endlich einen sehr großen Rattenhaufen bei einer Wasserquelle – wie ich später ausfindig machte, die einzige auf der ganzen Insel. Ratten können ohne Wasser nicht leben, und ich dachte, hier sey der Ort, wo ich sie erwischen könne. Ich füllte die Quelle auf und ließ nur ein Loch offen, das ich mit meinem Gesäße verdecken konnte. Wenn nun die Ratten kamen, so füllte ich meinen Mund mit Wasser und sperrte ihn weit auf. Sie sprangen an mir hinan und ich erwischte ihre Köpfe mit meinen Zähnen, also nach Herzensgelüsten mich mit Rattenfleisch versehend. »Aferin, vortrefflich!« rief der Pascha, sobald dies erklärt war. Endlich nahm mich ein Schiff wieder auf, und es that mir nicht leid, denn ungekochte Ratten sind keine sehr gute Kost. Ich ging wieder nach Hause, befand mich aber noch keine zwei Stunden am Lande, als ich mein erstes Weib Bet mit einem Rothbrüstlein im Schlepptau anziehen sah. »Das ist er!« sagte sie. Ich wehrte mich, wurde aber überwältigt und ins Käfig gesteckt, um wegen Biggery, wie sie es nennen, oder weil ich ein Weib zuviel hätte, vor Gericht gestellt zu werden.

 

»Wie meint er dies? Fordere ihn auf, daß er sich näher erkläre,« sagte der Pascha, nachdem ihm der Vezier die Worte des Matrosen übersetzt hatte.

Mustapha gehorchte.

»In unserem Lande gilt ein einziges Weib als die einem Mann zustehende Ration, und er darf nicht mehr nehmen. Ich hatte mich aber zweimal gesplißt, weßhalb ich verurtheilt und für Lebenszeit nach Botanybay geschickt wurde.«

Die Erklärung verblüffte den Pascha nicht wenig.

»Wie, – was für eine Art von Land muß das seyn, wenn der Mann nicht zwei Weiber haben soll? Inschallah! Gottlob, wir können Hunderte in unserem Harem haben! Oder lacht er uns vielleicht gar mit Lügen in den Bart und will uns Bären aufbinden?«

»Es ist so, wieder Franke sagt,« versetzte Mustapha. »Sogar der König des Landes kann nur eine einzige Frau nehmen. Be chesm – auf meine Augen komme es, wenn es nicht Wahrheit ist.«

»Nun, was sind sie auch anders, als Ungläubige?« erwiederte der Pascha. »Sie verdienen nicht mehr. Die Houris sind nur für die Gläubigen. Mögen die Gräber ihrer Väter verunreinigt seyn. Laß den Giaur fortfahren.«

 

Nun, wir brachen nach der andern Seite des Wassers auf und langten daselbst wohlbehalten genug an; hoffe nur, daß ich eines Tages bei so gutem Wind und Wetter in den Himmel einfahre. Aber es fiel mir nicht ein, ohne Lohn arbeiten zu wollen, und so entwich ich an einem schönen Morgen in die Wälder, wo ich mit drei oder vier Kameraden sechs Monate lang blieb. Wir nährten uns von Känguruhs und einem anderen seltsamen kleinen Thiere, und es erging uns ziemlich gut.

 

»Aus was mag wohl ein Gericht von Känguruhs bestehen?« fragte Mustapha, der Weisung des Paschas gehorsam.

»Aus was es besteht? Je nun, ein Gericht von Känguruhs ist natürlich aus Känguruhs gemacht.«

Aber ich will selbst zu einem Gerichte zerhackt werden, wenn ich von etwas Anderem sprach, als von dem Thiere, das uns zu tödten schwer genug wurde; denn es steht auf seinem dicken Schwanze und ficht mit allen vier Füßen. Es war auch noch außerdem ein sehr merkwürdiges Thier, denn seine Jungen sprangen ihm aus dem Magen heraus und wieder hinein – es war dort expreß ein Plätzchen für sie, just wie das große Loch am Bug eines Holzschiffes. Und was das andere kleine Thier betrifft, so schwimmt es in den Teichen, legt Eier und hat einen Entenschnabel; dennoch ist es aber ganz mit Haaren bedeckt, wie ein vierfüßiges Thier.

Der Vezier dolmetschte.

»Bei dem Propheten, der Mensch lacht uns in die Bärte!« rief der Pascha zornig. »Das sind einfältige Lügen.«

»Du mußt dem Pascha nicht solche thörichte Lügen mittheilen,« sagte Mustapha, »er wird sonst zornig. Wenn Du lügen willst, mußt Du gut lügen.«

»Tausend auch,« entgegnete der Matrose, »ich will verdammt seyn, wenn der alte Bettler nicht den einzigen wahren Theil in meinem ganzen Garn bezweifelt. Na, so will ichs ihm zu Gefallen mit was Anderem probiren.«

 

Nachdem ich ungefähr sechs Monate dort gewesen, hatte ich den Aufenthalt satt, und da nur zwanzig tausend Meilen zwischen diesem Lande und meinem eigenen lagen, so beschloß ich, zurück zu schwimmen.

 

»Maschallah! Zurückzuschwimmen – wie viele tausend Meilen?« rief Mustapha.

»Nur zwanzig tausend – ein wahres Nichts.«

So warf ich an einem schönen Morgen ein junges Känguruh auf meine Schulter und brach auf. Drei Monate lang schwamm ich Tag und Nacht fort, fühlte mich aber dann ein wenig müde und legte mich eine Weile auf den Rücken, um sodann meine Reise wieder fortzusetzen. Inzwischen hatten sich übrigens so viele Entenmuscheln an mir angesetzt, daß ich nur langsam vorwärts kam. Ich machte daher zu Ascension Halt, schabte und reinigte mich, zehrte etwa eine Woche an einer Schildkröte, nur um mir den Scharbock von den Gliedern fernzuhalten, und brach dann wieder auf. Wie ich nun durch die Meerenge hereinkam, dachte ich, ich könnte eben so gut hier einstellen, und so langte ich denn gestern um Glock drei in der Morgenwache, nach einer Reise von fünf Monaten und drei Tagen, in Cairo an.«

 

Nachdem Mustapha Alles dies dem Pascha übersetzt hatte, rief letzterer in größtem Erstaunen aus:

Allah Acbar! Gott ist überall. Hast Du je von einem solchen Schwimmer gehört? Zwanzig tausend Meilen – fünf Monate und drei Tage – das ist eine wunderbare Geschichte! Fülle ihm den Mund mit Gold.«

Mustapha bedeutete dem Matrosen in demselben Augenblicke, als er seine Flasche geleert hatte und sie bei Seite rollte, welch ein unerwartetes Compliment an ihm vollzogen werden sollte.

»Na,« sagte er, »das ist eine kuriose Manier, einen Mann zu bezahlen. Habe ich doch nie gehört, daß man den Mund eines ehrlichen Kerls zum Beutel gemacht habe. Ist übrigens all' eins. Nun, seht ihr, wenn ihr den Raum vollstauen wollt, so wird's gut seyn, die Unterlast wegzuschaffen.«

Der Matrose steckte darauf Daumen und Zeigefinger in die Backe und zog seinen ungeheuren Tabakpflock heraus.

»So, jetzt bin ich bereit. – Ihr dürft nicht sorgen, daß Ihr mich ersticken könnt.«

Einer von den Sklaven steckte nun dem Matrosen mehrere Goldstücke in den Mund. Er spie sie in seinen Hut, sprang auf, that einen Ruck mit seinem Kopf, schwenkte hinter dem Pascha den Fuß und erklärte, daß er der possirlichste und alte Bettler sey, mit dem er je zusammengetroffen. Dann nickte er Mustapha zu und eilte aus dem Divan.

»Maschallah! Aber er schwimmt gut,« sagte der Pascha, die Audienz abbrechend.


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