Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

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Viertes Kapitel.

Am andern Tage wurde der spanische Sklave vorgerufen, damit er seine Erzählung fortsetze.

»Eure durchlauchtige Hoheit erinnert sich natürlich, wo ich gestern Abend aufgehört habe,« begann der Sklave.

»Vollkommen,« versetzte der Pascha. »Du brachst ab bei dem Beginn deiner Geschichte; aber ich hoffe, Du wirst diesen Abend fertig werden, da ich bereits einen großen Theil von dem, was Du sagtest, wieder vergessen habe.«

»Eure Hoheit erinnert sich, daß ich Platz genommen hatte – –«

»Ja, in unser Gegenwart,« unterbrach ihn der Pascha. »So herablassend benehmen wir uns gegen einen Giaur. Aber jetzt fahre fort in Deiner Geschichte.«

»Mit gebührender Ehrerbietigkeit gegen Eure Hoheit – ich hatte Platz genommen auf dem Sopha zwischen meiner Mutter Donna Celia und meiner Geliebten Donna Clara.«

»Ja, ja – ich entsinne mich jetzt.«

»Jede der Damen hielt eine meiner Hände fest.«

»Das wissen wir schon,« erwiederte der Pascha ungeduldig.

»Und ich war im Begriffe, meine Mährchen von eigener Erfindung zu erzählen, um die alte Dame, meine Mutter, zu täuschen.«

»Anna Senna! Fluch über deine Mutter!« rief der Pascha in zornigem Tone. »Setz Dich nieder und spinne Deine Geschichte fort. Gilt Dir ein Pascha für nichts? Soll sich der Esel an dem Löwen reiben dürfen? Wallah el Nebi! bei Gott und dem Propheten – lachst Du uns in den Bart? Die Geschichte!«

»Die Geschichte, welche Eure Hoheit zu hören wünscht,« erwiederte der Sklave mit großer Gelassenheit, »begann in folgenden Worten:«

Fortsetzung der Erzählung des Mönches.

Auf die Geschichte meiner frühesten Kindheit kann ich mich nicht mehr erinnern, theuerste Mutter. Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, fand ich mich in der Gesellschaft vieler anderen Kinder, von dem schreienden Windelkinde an bis zu den Knaben meines eigenen Alters. Ich erinnere mich auch, daß wir nur sehr spärliche Kost erhielten und strengen Züchtigungen ausgesetzt wurden.

»Das arme Kind!« rief Donna Celia, indem sie meine Hand drückte, welche sie noch immer in der ihrigen festhielt.

»Da blieb ich nun bis in mein zehntes Jahr, als eine alte Dame nach dem Findelhause kam, die eine Vorliebe zu mir faßte; denn ich hörte oft sagen, daß ich ein sehr schöner Knabe sey, obschon ich in der letzten Zeit an gutem Aussehen verloren habe, Clara.«

Nun wurde meine andere Hand gedrückt, und ein verneinendes Lächeln bildete die Antwort.

»Ich fuhr fort:

»Die alte Dame, Donna Isabella, welche der edlen Familie der Guzmans angehörte, bedurfte eines Pagen und hatte im Sinne, mir in dieser Eigenschaft weitere Erziehung angedeihen zu lassen. Sie nahm mich nach ihrem Hause und ließ mich nach ihren Geschmacke kleiden. Ich pflegte an ihrer Seite auf dem Teppich zu sitzen und besorgte ihre Aufträge: kurz, ich war eine Art menschlicher Klingel, welche Jedermann herbeirufen und Alles, was man brauchte, holen mußte. Indeß wurde ich gut genährt, und ich bildete mir nicht wenig ein auf den kleinen Dolch, den ich in meinen Gürtel trug. Der einzige Theil meiner Erziehung, der mir nicht gefallen wollte, war, daß ich von einem Priester, der in der Familie heimisch war, lesen und schreiben lernen sollte, um so mehr, da derselbe eine eben so große Abneigung gegen das Lehren hatte, als ich gegen das Lernen. Wäre die Sache blos auf uns angekommen, so würden wir sie zur Zufriedenheit beider Partieen bereinigt haben; da jedoch die alte Dame meine Fortschritte dadurch auf die Probe setzen wollte, daß ich ihr, während sie strickte, vorlesen sollte, so sahen wir uns genöthigt, unsere Obliegenheiten zu erfüllen. Durch Schreien und Schläge wurde ich endlich hinreichend erleuchtet, um meiner Gebieterin einen Roman vorlesen oder in ihrem Namen ein Einladungs-Billet bejahet oder verneinend beantworten zu können. Donna Isabella hatte zwei Nichten, die bei ihr wohnten, und zur Zeit meines Eintrittes in die Familie beinahe erwachsen waren. Sie machten sich das Vergnügen, mich im Tanzen und in vielen anderen Dingen zu unterrichten; überhaupt gewann ich viel von ihnen, sogar im Lesen und Schreiben. Obgleich ich noch ein Kind war, machte es mir doch Freude, von zwei hübschen Mädchen unterrichtet zu werden. Es ist jedoch nöthig, daß ich diese jungen Damen ausführlicher schildere. Die älteste davon, welche Donna Emilia hieß, war von verständigem, gesetztem Charakter, zwar stets heiter, aber nie geräuschvoll; sie lächelte stets, obschon sie nur selten oder vielleicht nie lachte. Die jüngere, Donna Theresa, war ganz anders – ein frohsinniges, leichtherziges Wesen von offenen, vertrauensvollem und edelmüthigem Charakter: ihre Fehler bestanden blos in einem Untermaß in allen ihren Gefühlen, da sie gerne in Extreme überging. Nie hatte sich ein Schwesternpaar mehr geliebt, und es schien, als ob die Verschiedenheit ihrer Charaktere nur die gegenseitige Zuneigung erhöhe. Der Ernst der älteren wurde durch die Lebhaftigkeit der jüngeren bis zur Heiterkeit umgewandelt, und die Ausgelassenheit der jüngeren durch die Klugheit der älteren in Schranken erhalten. Als Kind liebte ich zwar Donna Emilia, aber für Donna Theresa wäre ich durch's Feuer gegangen.

Ich hatte mich drei Jahre in dieser Stellung befunden, als eine Rechtsangelegenheit Donna Isabella nach Madrid führte. Die jungen Damen, die sehr schön waren und in ihren Aeußern große Aehnlichkeit mit einander hatten, wurden von den Cavalieren sehr bewundert. Zwei derselben gewannen ihren Nebenbuhlern den Vorrang ab. Don Perez war der begünstigte Anbeter von Donna Emilia, während sich Don Florez rühmen konnte, die Fesseln der lebhaften Theresa zu tragen. Donna Isabella hatte jedoch nicht die Absicht, ihre Nichten so bald von sich zu lassen, und da sie aus den Serenaden, welche jede Nacht statt fanden, entnahm, daß die Mädchen Anbeter hatten, so eilte sie früher, als sie beabsichtigt, nach Sevilla zurück.

Obgleich ich in das Vertrauen der jungen Damen nicht eingeweiht war, begriff ich doch einigermaßen, was vorging; aber klüger als die meisten Knaben meines Alters, machte ich weder gegen meine Gebieterin, noch gegen die Mädchen Bemerkungen darüber. Wir befanden uns wieder einen Monat in Sevilla, als mich Donna Emilia bei Seite rief und zu mir sagte:

»Pedro kannst Du ein Geheimniß bewahren?«

»Ja, wenn ich dafür bezahlt werde,« – lautete meine Antwort.

»Und was willst Du dafür haben, Du kleiner Geizhals?«

»Von Euch nur einen Kuß,« – erwiederte ich.

Sie nannte mich einen kleinen Schelm, gab mir den Kuß und sagte mir dann, daß sich ein wenig nach der Vesperglocke ein Cavalier unter dem Fenster einfinden würde, dem ich das Billet das sie mir in die Hand drückte, übergeben müßte. Da ich zum Voraus meine Bezahlung erhalten hatte, so willigte ich natürlich ein. Um die erwähnte Zeit sah ich zum Thore hinaus, und da ich ein Cavalier unter den Fenster bemerkte, so redete ich ihn an:

»Seyd Ihr es, Sennor; der etwas von einer schönen Dame erwartet?«

»Ja, mein kleiner Page; ich erwarte ein Billet,« versetzte er.

»So nehmt es,« entgegnete ich, indem ich es aus meiner Weste heraus holte.

Er drückte mir eine Dublone in die Hand und verschwand augenblicklich.

Das Gold gefiel mir sehr wohl, aber die andere Bezahlung war mir noch lieber. Ich steckte das Geld in meine Tasche und kehrte in das Haus zurück. Kaum hatte ich die Halle wieder erreicht als mich Donna Therese anredete:

»Pedro, ich habe mich nach dir umgesehen – kannst du ein Geheimniß bewahren?«

»Ja, wenn ich dafür bezahlt werde,« versetzte ich wie zuvor.

»Und was willst du haben, damit deine kleine Plapperzunge im Zaume gehalten werde?«

»Von Euch muß es ein Kuß seyn,« versetzte ich.

»O du kleines Aeffchen – ich will dir zwanzig geben.«

Und sie küßte mich bis mir fast der Athem verging. »Und nun,« sagte sie, »mußt du einem Sennor, der unten wartet, ein Billet bringen.«

Ich nahm das Billet, und als ich an das Thor kam, fand ich daselbst, wie sie gesagt hatte, einen Cavalier.

»Auf was wartet Ihr, Sennor?« fragte ich. »Vielleicht auf ein Billet doux von einer holden Dame?«

»Ja, mein hübscher Knabe,« antwortete er.

»Vielleicht macht Euch dieses Freude,« versetzte ich, indem ich ihm das Billet hinbot.

Er riß es aus meiner Hand und wollte sich entfernen.

»Sennor,« sagte ich, »ich kann nicht dulden, daß meine Gebieterin gekränkt werde. Ihre Gunstbezeugungen sind zwar unschätzbar, aber dennoch muß stets Gold dabei in Rede kommen. Wenn ihr so arm seyd, so ist hier ein Stück für Euch, damit Ihr den Ueberbringer des Billets belohnen könnt.«

Und ich bot ihm die Dublone an, die ich von dem andern Cavalier erhalten hatte.

»Du bist ein witziger Knabe, versetzte er, und hast meine Nachläßigkeit verbessert – denn ich versichre dich, weiter war es nicht. Thue dies zu dem andern.«

Er drückte mir eine Viertelsdublone in die Hand und verschwand.

Ich kehrte nach dem Hause zurück, und da ich schon einige Zeit von der alten Dame fern gewesen war, so begab ich mir in den Salon, wo ich sie allein antraf.

»Pedro, komm hierher Kind; du weißt, wie gütig ich gegen dich gewesen bin und wie sorgfältig ich dich erzogen habe. Sage mir jetzt, kannst du ein Geheimniß bewahren?«

»Ja, Madame,« versetzte ich; »die eurigen wohl, denn es ist meine Pflicht.«

»Du bist ein gutes Kind. Wohlan denn, es kommt mir vor, als ob meine beiden Nichten von einigen Cavalieren belagert werden, welche sie zu Madrid kennen gelernt haben, und ich wünsche, du möchtest mir ausfindig machen, ob es wahr ist. – Verstehst du mich?«

»O ja, Madame,« versetzte ich; »vollkommen.«

»Gut; so gib Acht – und da hast du zwei Realen, Pedro, um dir dafür Zuckerpflaumen zu kaufen.«

So wurde ich an einem Tage in die eigentliche Beschäftigung eines Pagen eingeführt. Ich fügte die beiden Realen dem Golde bei, und Ihr könnt Euch denken, daß ich mir vornahm, je nach der geleisteten Bezahlung meine Dienste einzurichten. Ich fand jedoch nachher, daß ich in Betreff der Billets einen argen Irrthum begangen hatte. Das der Donna Emilia hatte ich dem Don Florez, Donna Theresas Anbeter, übergeben, und des der Donna Theresa hatte Don Perez erhalten, welcher Donna Emilia liebte. Es wird hier am Ort seyn, zu erklären, was mir erst nach der Lösung des Knotens zur Kunde kam. Don Perez, der Liebhaber Emiliens, war ein junger Mann, welcher nach dem Tode eines Onkels, dessen Fideikommißerbe er war, ein großes Vermögen zu erwarten hatte; Don Florez dagegen war schon vorderhand im Besitz eines großen Reichthums und konnte für sich selbst wählen. Aus Furcht vor Entdeckung waren beide Billets mit verstellter Hand geschrieben und nicht mit den Taufnamen der Mädchen unterzeichnet worden. Das der Donna Emilia lautete folgendermaaßen:

»Ich habe Euer Billet an dem angedeuteten Orte gefunden; aber meine Tante nahm den Schlüssel zu dem Parke an sich und hegt, glaube ich, Argwohn. – Warum drängt Ihr so sehr? – Ich hoffe, Eure Liebe wird sich, wie die meinige, durch die Zögerung nur erhöhen. Unmöglich kann ich heute Nacht mit Euch zusammentreffen; aber ich habe meinen Pagen für unsere Dienst gewonnen und will Euch bald schreiben.«

Das Billet der Donna Theresa, welches in die Hände des Don Perez gerieth, lautete also:

»Ich kann Euren Bitten um eine Zusammenkunft nicht länger Wiederstand leisten. Meine Tante hat zwar den Park verschlossen, aber wenn Ihr Muth genug habt, über die Gartenmauer zu steigen, so will ich Euch in dem Salon treffen, welcher gegen den Garten hinausgeht. Laut sprechen dürfen wir nicht, da die Dienerschaft stets an der Thüre vorbeigehe auch können wir kein Licht haben – ich muß mich daher ganz auf Eure Ehre verlassen.«

Don Perez war hoch entzückt, daß Donna Emilia endlich in seine Bitten, ihm eine Zusammenkunft zu gestatten, gewilligt hatte, und Don Florez, der sich über das rückhaltige Benehmen seiner Geliebten sehr ärgerte, klagte sie in Nachhausegehen der Koketterie an. Zu der anberaumten Stunde traf Don Perez seine vermeintliche Geliebte in dem Salon. Die beiden Schwestern waren Vertraute, und da ich in ihr Geheimniß eingeweiht war, so trugen sie kein Bedenken, vor mir zu sprechen. Als am andern Tage die Tante das Zimmer verlassen hatte, begannen sie, sich über die persönlichen Vorzüge ihrer Cavaliere zu besprechen, und beriefen sich nach einem humoristischen Streite auf mich.

»Komm, Pedro,« sagte Theresa; »du sollst entscheiden. – Welchen hältst du für den schönsten Cavalier?«

»Je nun,« antwortete ich, »ich glaube, Euer Sennor ist für einen blonden Mann der schönste, den ich je gesehen habe – aber die schönen schwarzen Augen, welche Donna Emilias Cavalier besitzt, sind nicht minder einnehmend.«

»Ei, Pedro, du hast dich in den beiden geirrt,« sagte Emilia. »Der Blonde, Don Perez, ist mein Anbeter; der dunkle Sennor, Don Florez, macht meiner Schwester den Hof.«

Ich bemerkte, daß bei Überlieferung der Billete ein Irrthum stattgefunden hatte, und Theresa erröthete. Aber ich hatte Verstand genug zu antworten:

»Sehr wahr, Fräulein, Ihr habt Recht; ich erinnere mich jetzt, daß ich die beiden verwechselte.«

Bald nachher kam die Tante in das Zimmer, und Theresa winkte mir, ihr zu folgen. Sobald ich mit ihr draußen angelangt war, begann sie:

»Sage mir die Wahrheit, Pedro, hast du dich wirklich nicht versehen, oder überliefertest du mein Billet an den blonden Cavalier, Don Perez?«

Ich antwortete, das letztere sey allerdings geschehen, den ich habe Emilias Billet bereits an den dunkeln Gentleman abgegeben gehabt. Donna Theresa hielt nun ihre Hand vor das Gesicht und weinte bitterlich.

»Pedro,« sagte sie, »du mußt dieses Geheimniß bewahren, denn es ist von der größten Wichtigkeit – mein Gott, was wird aus mir werden?« rief sie, eine Zeitlang sich der größten Betrübniß hingebend. Endlich wischte sie ihre Augen, holte nach vieler Ueberlegung Papier und schrieb ein Billet.

»Pedro, überliefere dies an die Adresse; merke dir aber wohl, daß es dem dunkeln Cavalier zugedacht ist.«

Therese hatte Emiliens Billet an Don Perez, welches in die Hände des Don Florez gekommen war, gelesen, und das ihrige lautete deßhalb folgendermaßen;

»Ihr mögt mich vielleicht für hart halten, weil ich Euch gestern Nacht eine Zusammenkunft verweigerte, aber ich fürchtete mich. Glaubt ja nicht, daß ich mit Euern Gefühlen spielen wolle; Ihr werdet mich in dem nach den Garten führenden Salon treffen, der gestern Nacht besetzt war. Kommt um zehn Uhr.«

Ich entfernte mich mit den Billet und übergab es Don Florez.

»Mein lieber Knabe,« erwiederte er, »sage Donna Theresa, ich werde nicht ermangeln. Ich weiß jetzt, warum sie mich gestern Nacht nicht empfangen konnte, und hoffe nun, gleichfalls so glücklich zu seyn, wie Don Perez.«

Er drückte mir eine Dublone in die Hand, und ich entfernte mich. Kaum hatte ich jedoch seine Straße verlassen, als mir Don Perez begegnete.

»Ah, mein kleiner Page, daß trifft sich ja recht glücklich. Komm auf einen Augenblick mit mir, damit ich Donna Emilia ein Billet schreibe.«

Ich folgte ihm, und er gab mir wie früher eine Viertels- Dublone.

»Ich danke Euch Sennor,« versetzte ich. »Mit den Dublonen des Don Perez und Euren Viertels-Dublonen werde ich bald ein reicher Mann seyn.«

»Wie sagst du? entgegnete er. »Don Florez gibt dir Dublonen? – Dann verderbt er den Markt. Aber ich darf nicht zugeben, daß er dich besser bezahle, als ich, sonst werde ich weniger treu bedient werden. Da hast du noch anderthalb Dublonen, welche mit dem, was du bereits erhalten hast, den Betrag gleichstellen.«

Ich machte meine Verbeugung und entfernte mich unter vielen Dankesäußerungen.

So jung ich auch war, dachte ich mir doch, daß bei der Zusammenkunft der letzten Nacht etwas vorgefallen seyn müsse, was Donna Theresa ernstlich berühre. Da ich sie mehr liebte, als ihre Schwester, so beschloß ich, Emilia das Billet des Don Perez nicht zu überliefern, bis ich zuvor Donna Theresa darüber befragt hätte. Bei meiner Rückkehr winckte ich ihr nach ihrem Gemache und überlieferte ihr die Antwort ihres Liebhabers, nebst dessen Bemerkung, daß er hoffe, er werde so glücklich sehn, wie Don Perez in der letzten Nacht. Sie erröthete vor Schaam und Aerger; dann sagte ich ihr, wie ich Don Perez getroffen und was sich weiter zugetragen hatte. Ich gab ihr das Billet und fragte sie, ob ich es überliefern solle oder nicht. Sie riß es hastig auf – es lautet also:

»Wie kann ich Euch, meine angebetete Emilia, genügend meinen Dank ausdrücken für die Güte, die Ihr mir in der letzten Nacht erwiesen habt? Sagt mir, mein theuerster Engel, wann Ihr mir abermals die Wonne bereiten wollt, Euch wieder in dem Salon zu sehen? Mein Leben ist eine Oede, so lange ich mich nach der Erneuerung Eurer Gunst nur sehnen muß.«

»Pedro,« sagte sie, »du hast mir in der That einen großen Dienst geleistet – bist mein Retter gewesen. Wie kann ich dich je belohnen?«

»Gebt mir dießmal eine doppelte Portion Küsse,« versetzte ich.

»Du sollst Tausend haben,« antwortete sie, mich küßend und segnend, während ihr Thränen die Wangen herunterliefen. Dann nahm sie Papier, ahmte die Handschrift nach und schrieb:

»Ich muß mich Euren Wünschen unterwerfen, Donna Emilia, und mich der Strenge Eures Charakters fügen, während Eure Schwester Don Florez beglückt. Dennoch hoffe ich, daß Ihr Euch erweichen lassen werdet. Ich bin sehr elend; schreibt mir, wenn Ihr anders noch ein Fünkchen Liebe bergt für Euren Verehrer – –                 Perez.

»Bring dies Emilia, mein liebes Kind. – Wie kann ich dich belohnen?«

»Ihr müßt für mein Geld Sorge tragen« sagte ich, »denn wenn die gnädige Frau dahinter kommt, werde ich nicht sagen können, wie ich es erhalten habe.«

Sie lächelte wehmüthig, während sie meine Dublonen in Empfang nahm, und schloß sie in ihr Geschmeide-Etuis ein.

»Ich will auch meine Beiträge zu Vergrößerung deines Reichthums geben, Pedro,« sagte sie.

»Nein, antwortete ich; »von Euch nur Küsse.«

Ich sagte ihr nun, warum mir ihre Tante die beiden Realen gegeben hatte, und wir trennten uns. Ich übergab sodann das Billet an Donna Emilia, welche mir Nachmittags ihre Antwort einhändigte; aber ich wollte nichts ohne Donna Theresas Vorwissen thun, da hiedurch vielleicht das Unheil wieder gut gemacht werden konnte, welches durch meinen Irrthum herbeigeführt worden war. Ich brachte daher das Billet der Donna Emilia ihrer Schwester und theilte ihr meine Gedanken mit.

»Mein theurer Pedro, du bist in der That ein Schatz für mich,« versetzte Theresa.

Sie öffnete Emilias Schreiben, welches folgendermaßen lautete: –

»Ihr beschuldigt mich der Lieblosigkeit, ohne daß ich diesen Vorwurf verdiene. Der Himmel weiß, daß mein Herz nur zu nachgiebig ist. Ich will Euch, sobald es möglicherweise geschehen kann, zu einer Zusammenkunst Anlaß geben; aber wie bereits gesagt, meine Tante ist argwöhnisch, und ich kann mich nicht wie Theresa entschließen, auf die Gefahr einer Entdeckung hin einen derartigen Schritt zu wagen.«

Theresa zerriß dieses Billet und schrieb folgende Antwort:

»Wenn ein Mädchen das Unglück gehabt hat, dem Drängen eines Liebhabers allzuviel nachzugeben, so wird er anmaßend und fordert als Recht, was er nur als Gunst aufnehmen sollte. Das, was in der Dunkelheit vorging, sollte als ein Geheimniß tief in der Brust bewahrt bleiben und nie durch die Zunge laut werden. Ich sage Euch daher unverhohlen, daß ich es als eine Kränkung betrachten werde, wenn Ihr je wieder auf die Zusammenkunft der letzten Nacht anspielt, und um Euch dafür zu strafen, daß Ihr anmaßender Weise eine zweite fordert, werde ich Euch mit derselben Zurückhaltung wie früher behandeln. Vergeßt nicht – die mindeste Hindeutung darauf, wie privatim sie auch geschehen mag, wird das Signal Eurer Entlassung seyn. Ich erwarte in Betreff dieses Befehls unbedingten Gehorsam, und in solcher Voraussetzung werde ich Euch nicht weiter strafen, im Falle Ihr nicht durch eine neue Kränkung dazu Anlaß gebt. Wenn ich mich geneigt fühle, Euch zu sehen, will ich es Euch wissen lassen. Bis dahin – – die Eurige u. s. w.«

Ich brachte dieses Billet Don Perez welchen ich in seiner Wohnung mit Don Florez, vor dem er keine Geheimnisse hatte, bei der Weinflasche traf. Perez öffnete das Bittet und war augenscheinlich erstaunt.

»Lies dies, Florez,« sagte er, »und sage mir, ob die Weiber nicht ein wahres Räthsel sind.«

»Ihr Geist gefällt mir,« versetzte Florez. »Manche Mädchen würden wohl vor Angst sterben, daß man sie verlassen könnte; sie aber scheint im Gegentheil anzunehmen, daß Du unter einer größeren Verpflichtung stehest, als vorher, und behauptet ihre Herrschaft. Ich empfehle dir, ihren Einschärfungen zu entsprechen, wenn du dir anders ihre Liebe zu bewahren wünschest.«

»Ich glaube, du hast Recht, Florez; und da wir nach der Hochzeit Herrn und Meister sind, so ist es nur billig, daß sie vor derselben den Scepter schwingen. Ich bin ihr mehr als je zugethan, und wenn sie den Tyrannen spielen will, so sey's darum. Sie zeigt damit ihren guten Verstand, denn der einzige Weg, uns fest zu ködern, besteht darin, daß man uns fern hält.«

Ich kehrte nach Hause zurück, übergab ein Billet von Don Perez an Emilia, in welchem der Cavalier seine Absicht ausdrückte, sich in ihre Wünsche zu fügen, und theilte Donna Theresa Alles mit, was zwischen den beiden Freunden vorgegangen war.

»Dank sey es deiner Klugheit und deinem Scharfsinn, mein lieber kleiner Pedro – es steht jetzt Alles gut; aber doch wäre eine Entdeckung möglich, denn ich will dir nur vertrauen, daß die Zärtlichkeit der letzten Nacht, welche Don Florez zugedacht war, durch deinen Irrthum, durch die Dunkelheit und durch das bei der Zusammenkunft nöthige Schweigen, an den Verehrer meiner Schwester verschwendet wurde. Ich hoffe übrigens, daß Alles noch gut gehen werde und das unabsichtliche Unglück mir nicht zu Schaden komme.«

Am selben Abend wurde Don Florez von Theresa in dem Salon empfangen. Als ich am andern Morgen wie gewöhnlich bei meiner Gebieterin war, stellte sie die Frage an mich:

»Wie steht's Pedro – hast du keine Entdeckung gemacht?«

»Ja, gnädige Frau,« versetzte ich.

»Und worin bestände sie, Kind?«

»Ein Herr hat mich aufgefordert, einen Brief zu überbringen; aber ich wollte nicht.«

»An wen, mein Kind?«

»Ich weiß nicht, gnädige Frau; denn ich weigerte mich, ihn in die Hand zu nehmen.«

»Du hast Recht daran gethan, Pedro; aber wenn man dir das nächstemal wieder einen Brief anbietet, so nimmst du ihn, um ihn mir zu bringen.«

»Gut, gnädige Frau,« entgegnete ich.

»Da hast du zwei Realen, Kind – hast du diejenigen, welche ich dir letzthin gab, schon verbraucht?«

Ich verließ das Gemach. Außen begegnete mir Donna Emilia und übergab mir ein Bittet für Don Perez, das ich zuerst meiner Freundin Theresa brachte. Sie öffnete es und las:

»Endlich hat meine Liebe über meinen Entschluß den Sieg davon getragen, und ich will Euch einen Besuch gestatten. Es ist kein anderes Mittel dazu vorhanden, als der Salon. Nehmet Euch in Acht, mich zu kränken, oder es ist das letzte Mal.«

»Dieß mag angehen,« Pedro sagte Teresa. »im Vorbeigehn machst du auch einen Besuch in der Wohnung des Don Florez.«

Ich überlieferte das Billet an Don Perez, und noch ehe er es ausgelesen hatte, trat Don Florez in das Zimmer.

»Wünsche mir Glück, mein lieber Freund,« sagte er, »ich wurde so gütig empfangen, als ich nur wünschen konnte.«

»Und meine Schöne ist bald wieder weicher geworden,« antwortete Perez, »denn sie bestellt mich auf diesen Abend. Pedro, sage deiner Gebieterin, daß ich nicht schreiben wolle; aber ich segne sie für ihre Güte und werde nicht ermangeln, mich einzufinden. – Verstehst du? – Nun, auf was wartest du, – ah du kleiner Schelm, ich begreife.« Und er warf mir eine Dublone zu. – »Florez, du gibst dem Knaben zu viel Geld, und ich muß nun das Gleiche thun.«

Florez lachte und ich entfernte mich.

So dauerte mein Zwischenträgergeschäft einige Zeit fort, bis die alte Dame krank wurde und starb. Sie theilte ihr Vermögen zwischen ihren beiden Nichten, und da sie jetzt unabhängig waren, heiratheten sie ihre Liebhaber. Die alte Frau vergaß jedoch, meiner in ihrem Testamente Erwähnung zu thun, und so wäre ich denn in die Welt hinausgeschleudert worden, wenn mich nicht Donna Teresa alsbald in ihre eigenen Dienste genommen hätte. Ich war so glücklich wie zuvor, obgleich nach der Hochzeit keine Dublonen mehr in meine Hände fielen. Don Perez mußte sich wohl sehr gefürchtet haben, Donna Emilia Anstoß zu geben, denn er sprach vor der Hochzeit nie von der Zusammenkunft, die er im Salon mit ihr gehabt zu haben wähnte; dann aber lachte er sie über den Gegenstand aus. Donna Emilia war höchlich erstaunt und erklärte auf's Bestimmteste, daß nichts dergleichen stattgefunden habe. Er machte sich jedoch anfangs über ihr Abläugnen lustig, berief sich auf ihre Billete, die er noch in seinem Besitze habe, brachte sie herbei und zeigte ihr dasjenige, in welchem sie ihm verbot, von der Sache zu sprechen. Donna Emilia betheuerte, daß sie dies nicht geschrieben habe, und war über das augenscheinliche Geheimniß nicht wenig betroffen. Sie gab an, Teresa habe Don Florez zugesagt, selbige Nacht im Salon mit ihm zusammen zu treffen.

»Im Gegentheil,« versetzte Don Perez; »er erhielt zur selbigen Zeit, um welche ich dieses Bittet von Euch erhielt, von Donna Teresa eine Verweigerung des Rendez-vous

Donna Emilia brach in Thränen aus.

»Ich sehe, wie es steht,« versetzte sie. »Der Page hat irrthümlicher Weise das Bittet, welches ich schrieb, Don Florez gegeben, und das meiner Schwester ist in Eure Hände gefallen. Ihr habt von dem Umstand unwürdigen Vortheil gezogen, denn Ihr werdet mich doch nicht glauben machen wollen, Don Perez, daß Ihr das Versehen nicht bemerktet, als Euch Teresa in dem Salon empfing, – oder, daß sie Euch nicht von Don Florez unterscheiden konnte. Grausame Schwester, – mußtest du mir so mein Glück rauben! Verräterischer Don Perez, konntet Ihr also Eueren Freund und mich verrathen!«

Don Perez bot allen seinen Kräften auf, um seine Gattin zu beschwichtigen, aber vergeblich. Ihre Eifersucht, ihr Stolz und ihre Gewissensbedenken wurden mit einemmale rege, und sie wollte weder auf Vorstellungen, noch auf Betheurungen hören. Obschon er sich fest überzeugt fühlte, die Sache müsse sich so verhalten, wie seine Gattin angebe, beschloß er doch, der größeren Sicherheit wegen auch mich zu befragen. Er kam in die Wohnung des Don Florez und blieb eine Weile bei seinem Freunde und dessen Gattin, benahm sich aber während seines Besuches so unruhig, daß sie ihn fragten, ob er unwohl sey; er entfernte sich jedoch bald und bedeutete mir durch ein Zeichen, daß ich ihm folgen möchte. Er ging dann auf alle Einzelnheiten ein und befragte mich in Betreff der Ueberlieferung jener Billete. Ich nahm es für ausgemacht an, daß zwischen ihm und seiner Gattin eine Erklärung stattgefunden habe; indeß hatte ich mir's zur vornehmlichsten Aufgabe gesetzt, Donna Teresa zu retten.

»Ich weiß nicht, Sennor, was an Donna Emilia's Aussage wahr seyn mag,« versetzte ich; »aber daß nicht Donna Teresa mit Euch zusammentraf, kann ich mit Gewißheit behaupten, – denn ich war selbige Nacht, bis sie zu Bette ging, auf ihrem Zimmer und spielte mit ihr Piquet um Zuckerbohnen.«

»Wer kann es dann gewesen seyn?« bemerkte er.

»Ich weiß es nicht, Sennor. Ich ging nicht nach dem Stocke hinunter, wo die gnädige Frau wohnte, weil sie mich zu Bette geschickt hatte und ich wohl wußte, daß sie mich schmälen würde, wenn sie mich noch auffände. Ich kann daher nicht sagen, ob Donna Emilia bei Euch war, oder nicht.«

Don Perez dachte eine Weile nach und kam endlich zu dem Schlusse, seine Gattin schäme sich ihrer Nachsicht gegen ihn in einem unbewachten Augenblicke und wolle dieselbe nicht zugestehen. Dennoch war er weit entfernt, zufrieden zu seyn. Er kehrte nach Hause zurück, um seiner Gattin mitzutheilen, was er erfahren, hörte aber, sie habe vor einiger Zeit die Wohnung verlassen, ohne anzugeben, wohin sie gegangen sey. Sobald Don Perez fort war, eilte ich zu meiner Gebieterin, um ihr das Vorgefallene mitzutheilen.

»Ich danke dir für deine wohlmeinende Absicht, Pedro, fürchte aber, daß jetzt Alles an den Tag kommen wird. Es ist ein Gericht, das mich wegen meiner Thorheit und Unbesonnenheit treffen mußte.«

Inzwischen hatte Donna Emilia ihre Zuflucht zu einem benachbarten Kloster genommen und beschied daselbst Don Florez zu sich. Er fand sie in Thränen aufgelöst. Durch ihre Eifersucht überzeugt, daß zwischen ihrer Schwester und Don Perez ein wechselseitiges Liebesverständniß stattgefunden habe, theilte sie Don Florez alle Umstände mit, sagte ihm, wie verräterisch sie beide behandelt worden seyen, und erklärte ihm ihre Absicht, sich aus der Welt zurückzuziehen.

Diese Kunde brachte Don Florez bis zum Wahnsinne auf.

»Deßhalb also,« rief er, »hat sie mich in jener Nacht abgewiesen und war in der nächstfolgenden so freundlich gegen mich. Verwünschter Pinsel, der ich war! Aber dem Himmel sey Dank, es ist nicht zu spät, Rache zu nehmen. Don Perez, Du sollst mir theuer dafür bezahlen.«

Mit diesen Worten verließ er Donna Emilia, ohne zu wissen, ob er seine Rache zuerst an Don Perez oder an seiner Gattin auslassen sollte. Dieser Punkt kam jedoch bald zur Entscheidung, denn am Klosterthor begegnete er dem Ersteren, welcher inzwischen Nachrichten erhalten hatte, wo er seine Gattin zu suchen habe.

»Ah, Don Perez – gerade Ihr seyd die Person, die ich zu sehen verlangte. Verräterischer, ehrloser Schurke.«

»Nicht doch, Don Florez. Ich bin ein unglücklicher Mann, den ein grausamer Irrthum, welcher vorgefallen ist, fast in Wahnsinn hetzt. Ruft Eure Worte zurück, denn sie sind ungerecht.«

»Ich gedenke nicht, irgend etwas zurückzunehmen, sondern will die Wahrheit mit der Spitze meines Degens behaupten. Wenn Ihr nicht eben so sehr Memme, als Schurke seyd, so folgt mir.«

»Eine solche Sprache läßt keine weitere Gegenrede zu – ich stehe zu Diensten,« erwiederte Don Perez.

Die beiden Schwäger gingen nun schweigend weiter, bis sie ein nahe gelegenes Feld erreicht hatten, wo sie ihre Mäntel abwarfen und mit dämonischer Wuth gegen einander kämpften. Der Sieg entschied sich zu Gunsten des Don Perez, dessen Degen das Herz des Gegners durchdrang, so daß dieser lautlos zusammenbrach. Don Perez betrachtete die Leiche mit wehmüthigem Gesichte, wischte die Klinge ab, nahm seinen Mantel wieder auf und begab sich geraden Weges nach dem Hause des Gefallenen.

»Donna Teresa,« sagte er in meinem Beiseyn, »wenn Ihr am Tage des Gerichts Rettung hofft, so fordere ich Euch auf, mir die Wahrheit zu sagen. Seyd Ihr's gewesen, mit der ich in Folge eines unseligen Irrthums jene einzige Nacht in dem Salon zusammenkam, – und waren die Liebkosungen, welche ich genoß, Don Florez zugedacht?«

Seine Miene verrieth eine Wildheit, welche Donna Teresa einschüchterte. Endlich aber stammelte sie:

»Ach, ich arme Sünderin, es ist wahr; aber Ihr wißt zu gut, daß mein Herz nie ungetreu war, obschon ich meine Unbesonnenheit zu verbergen suchte, sobald ich meinen Irrthum entdeckt hatte.«

»Wärt Ihr so tugendhaft gewesen, wie Eure Schwester, Madame, so hättet Ihr uns allen dieses Unglück erspart, und Euer Gatte läge jetzt nicht als Leiche da, erschlagen von der Hand seines Schwagers.«

Donna Teresa wurde auf diese Nachricht hin ohnmächtig, und Don Perez verließ augenblicklich das Haus. Ich eilte ihr zu Hülfe, und es gelang mir, sie wieder in's Leben zu rufen.

»Es ist nur zu wahr,« rief sie weheklagend; »das Verbrechen findet stets seine Strafe – in dieser oder in der nächsten Welt. Meine allzu große Liebe gegen meinen Gatten, welche mich die Gebote der Tugend mißachten ließ, hat ihn ermordet. O Gott! Ich bin seine Mörderin und habe noch zwei anderen Wesen das Leben eben so sehr zur Last gemacht, wie mir selber. Meine liebe, arme Schwester, – wo ist sie?«

Ich bot allen meinen Kräften auf, sie zu trösten, aber vergeblich. Sie verlangte blos von wir, ich solle ausfindig machen, wo ihre Schwester sey, und ihr die Kunde überbringen. Ich trat diesen traurigen Auftrag an und begegnete auf meinem Wege den Leuten, welche die Leiche des Don Florez herbeibrachten. Ich schauderte, wenn ich bedachte, welche Hauptrolle ich in der Tragödie gespielt hatte. Bald hatte ich erfahren, was ich zu erforschen ausgesandt war, und kehrte zu Donna Teresa zurück. Sie kleidete sich in tiefe Trauer, forderte mich auf, ihr zu folgen, klopfte an das Klosterthor und wurde auf ihre Erklärung, daß sie die Priorin zu sprechen wünsche, eingelassen. Letztere kam aus dem Sprechzimmer heraus, um sie zu empfangen, denn sie wollte Niemand einlassen, so lange sich Donna Emilia in einem solchen Zustand von Verzweiflung befand.

»Ich will zu meiner Schwester, gnädige Frau, und lasse mich nicht zurückweisen. Führt mich zu ihr, – Ihr mögt, wenn Ihr wollt, Zeugin unserer Begegnung seyn.«

Die Priorin, welche nicht wußte, daß Emilia ihre Schwester zurückgewiesen haben würde, ging voran, und wir wurden Emilia vorgeführt, welche sich voll Abscheu abwandte, als sie Donna Teresa eintreten sah.

»Emilia,« rief meine Gebieterin, »wir haben unter demselben Herzen gelegen und sind als Kinder mit einander aufgewachsen; nie zuvor hatten wir ein Geheimniß vor einander, bis dieser unglückselige Irrthum stattfand. Auf meinen Knieen bitte ich Dich, mich anzuhören und meinen Worten Glauben zu schenken.«

»Mache die Sache mit deinem Gatten aus, Teresa; es ist nöthiger, ihn zufrieden zu stellen, als mich.«

»Ach! ich habe keinen Gatten mehr, Emilia; er hat nun vor Gott seine eigene Sache auszumachen, – denn er ist gefallen durch das Schwerdt des Deinigen.«

Donna Emilia fuhr zurück.

»Ja, Emilia – liebe, theure Schwester, es ist nur zu wahr, – und noch wahrer, daß Du seinen Tod herbeigeführt hast. Tödte mich nicht gleichfalls Emilia, indem Du Dich weigerst, mir Glauben zu schenken, wenn ich Dir bei meiner Hoffnung. auf die ewige Seligkeit erkläre, daß ich nichts von dem Irrthume ahnete, bis mir der Knabe Tags darauf denselben enthüllte. Wenn du wüßtest, wie mich Schaam, Reue und die Furcht vor Entdeckung von dem Augenblicke an folterte, als ich die unglückselige Ueberzeugung gewonnen hatte, so würdest du mir vergeben, daß ich es versuchte, einen Fehltritt zu verbergen, dessen Kundwerdung Andere eben so unglücklich gemacht hätte, wie mich. Sage, daß du mir glaubest, – sage, daß du mir verzeihest, Emilia. O Emilia, kannst du deiner Schwester nicht vergeben?«

Emilia antwortete nicht, und Teresa umklammerte ihre Kniee mit krampfhaftem Schluchzen. In diesem Augenblicke trat Don Perez ein, dem man den Besuch seiner Gattin nicht verweigert hatte, näherte sich der Stelle, wo sich die beiden unglücklichen Damen sich in der gedachten Haltung befanden, und sagte:

»Obschon Ihr die Grundursache dieser unglücklichen Angelegenheit seyd, Teresa, so will ich Euch doch keinen Vorwurf mehr machen; denn die Strafe, die Euch ereilt hat, ist größer, als Euer Verbrechen. An Euch muß ich mich jetzt wenden, Madame, die Ihr, weil Ihr den Worten der Wahrheit keinen Glauben schenktet, mich bewogen habt, meinen theuersten Freund und Bruder zu erschlagen. Ja, ich hatte ihn, ohne es zu wissen, im zartesten Punkte verletzt und mußte nun die Unbill dadurch noch erhöhen, daß ich ihm das Leben nahm. Seyd Ihr jetzt zufrieden, Madame? Macht es Euch glücklich, daß Ihr meine Tage durch Eure Ungerechtigkeit und Euren unwürdigen Argwohn verbittert habt, – daß Ihr Eure unglückliche und nicht einmal schuldige Schwester zu einer trostlosen, verlassenen Wittwe machtet, die jetzt vergeblich zu Euren Füßen um Verzeihung steht, – daß Ihr zu dem Tode Eures Schwagers, ihres Gatten und meines Freundes, Anlaß gabt? Sprecht, Madame; seyd Ihr jetzt zufrieden, oder fordert Euer Unglaube noch mehr Opfer?«

Emilia antwortete nicht, sondern hielt noch immer ihr Antlitz abgewandt.

»So sey es denn, Madame,« versetzte Perez, und hatte, ehe Jemand seine Absicht ahnete, seinen Degen gezogen, in welchen er sich stürzte »So sey denn das Opfer meines Lebens Euch ein Beweis meiner Aufrichtigkeit, Emilia. So wahr ich auf die Vergebung meines Schöpfers hoffe, ich habe Euch die Wahrheit gesagt.«

Mit diesen Worten drehte er sich auf den Rucken und war todt.

Bei seinem Falle fuhr Emilia auf und warf sich mit Entsetzen und Staunen an seiner Seite nieder. Der Nebel der Leidenschaft, welcher ihr Auge getrübt hatte, war entfernt, und sie sah jetzt die letzten traurigen Folgen ihres Unglaubens. Wie Don Perez zu sprechen aufgehört hatte, warf sie sich im bittersten Schmerze über ihn hin.

»O ich glaube, ich glaube – Perez. ich schenke Dir ja herzlich gerne Glauben! – Sprich mit mir, Perez! – O Gott, er stirbt! – Schwester, Teresa – komm, mit Dir wird er sprechen, – mit Dir zürnt er nicht! – Schwester, Schwester, so rede doch – o Gott! o Gott!« kreischte die unglückliche Frau; »er ist todt – und ich habe ihn ermordet!«

Sie zerstieß jetzt ihre Stirne an dem Boden. Teresa eilte zu ihrer Schwester und umschlang sie mit ihren Armen, während ihre Thränen reichlich entströmten. Es stund einige Zeit an, ehe Emilias Vernunft wieder zurückkehrte; endlich aber erschöpfte sich das Ungestüm ihrer Gefühle, und sie fand in einem reichlichen Weinen Erleichterung.

»Wer ist dieß? – O bist du's Teresa, – meine gütige Schwester, die ich so übel behandelt habe, – ich glaube Dir, – ich glaube Dir, Teresa! Möge mir Gott vergeben! Küsse mich, Schwester, und sage mir, daß Du mir verzeihest, – denn bin ich nicht schrecklich gestraft?«

»Die Schuld liegt ganz auf mir,« antwortete Teresa in Thränen ausbrechend; »oh, wie sündhaft, wie thöricht bin ich gewesen!«

»Nicht doch, Schwester; Dein Vergehen ist klein in Begleichung mit dem meinigen. Du ließest dich durch die Leidenschaft überwältigen; aber sie entsprang aus einem Uebermaße der Liebe, aus dem besten Gefühle unsrer Natur, – dem einzigen Ueberreste des Himmels, der uns nach unserem Falle geblieben ist. Auch ich habe mich der Leidenschaft hingegeben; aber aus was entsprang die meinige? – Aus dem Hasse und der Eifersucht, – aus Empfindungen, welche die Hölle, wo sie herrschen, erzeugt und eingepflanzt hat. Aber es ist geschehen, und die Reue kommt jetzt zu spät.«

Die unglücklichen Schwestern umarmten einander und verwischten ihre Thränen. Ich brauche kaum zu sagen, daß die Frau Aebtissin und ich unserer innigen Theilnahme an der rührenden Scene keine Zügel anlegen konnten. Als der Abend einbrach, trennten sie sich, um in ihren verschiedenen Wohnungen dem gleichen traurigen Dienste obzuliegen, – nämlich bei der Leiche ihres Gatten zu wachen und sie mit Thränen zu bethauen. Einige Tage nachher fand die Beerdigung statt. Emilia schickte nach ihrer Schwester verabschiedete sich auf's Zärtlichste von ihr und nahm den Schleier, ihr ganzes Eigenthum an die Kirche vergebend. Donna Teresa ging nicht in's Kloster, sondern gab sich den thätigeren Pflichten der Barmherzigkeit und des Wohlwollens hin; aber sie zehrte sich allmählig ab, denn ihr Herz war gebrochen. Ich blieb noch drei Jahre, das heißt bis zu ihrem Tode bei ihr, und ihr Testament bedachte mich mit einer beträchtlichen Summe, während der Rest ihres großen Vermögens auf wohlthätige Anstalten verwendet wurde. Sie starb vor ungefähr fünf Jahren, und ich lebte während dieser Zeit von ihrem Vermächtnisse, das übrigens jetzt fast ganz erschöpft ist. Das Brandmal meiner Geburt war das Einzige, was schwer auf meiner Seele lastete. Doch Gott sey Dank, die Vorsehung hat es endlich beseitigt, und ich hoffe, ich werde der Mutter, welche mich so wohlwollend anerkannt hat, oder dem theuren Mädchen, das meine arme Person mit seiner Zuneigung beehrte, nichts zur Schande gereichen.«

Meine Mutter und Clara dankten mir, nachdem ich meine Erzählung zu Ende gebracht hatte, und wir blieben bis in die späte Nacht hinein beisammen, um unsere Familienangelegenheiten zu besprechen und für die Zukunft Pläne zu entwerfen. Meine Mutter theilte mir mit, sie beziehe von ihren Gütern die Renten nur auf Lebensdauer, da sie Fideicommiß seyen und auf einen Cousin übergehen müßten; indeß habe sie eine beträchtliche Summe erspart, die sie vor ihrem Tode noch zu vergrößern hoffe und meiner Clara als Morgengabe zu übermachen gedenke. Da es mir darum zu thun war, von Sevilla fortzukommen, wo ich mit jedem Tag entdeckt zu werden befürchtete, so machte ich den Vorschlag, wir sollten uns auf die Güter in der Nähe von Carthagena begeben, da hiedurch nicht nur ein beträchtlicher Aufwand erspart würde, sondern ich mich auch ihrer und Claras Gesellschaft ganz hingeben könne. Meine Mutter und meine Zukünftige gingen mit Freuden auf meinen Antrag ein, weil ihnen einerseits die obigen Gründe einleuchteten, und außerdem die Fragen, welche um meinetwillen gestellt werden konnten, ihren Ruf beeinträchtigen mußten. In weniger als vierzehn Tagen war der Haushalt zu Sevilla aufgegeben, und wir verfügten uns auf's Land, wo ich mich im Besitze meiner Clara glücklich fühlte. Ich hielt mich jetzt vor jeder Entdeckung sicher und hatte mir fest vorgenommen, durch künftiges gutes Verhalten die Vergangenheit wieder gut zu machen. Mochte nun Donna Celia meine Mutter seyn, oder nicht – mein Herz betrachtete sie als solche, und die Gewohnheit ließ mich zuletzt keinen Zweifel mehr in die Thatsache sitzen. Meine Clara war das freundlichste, liebevollste Wesen, und fünf Jahre lang erfreute ich mich eines Glückes, wie ich es nur wünschen konnte. Aber so sollte es nicht fortdauern, und ich wurde für meinen Betrug gestraft. Meine Heirath mit Clara und das Geheimniß, das sich an meine Geburt heftete, hatte den Erben der Güter aufgebracht; denn es lag in seinem Plane, Clara selbst zu heirathen, um sich auf diese Weise sowohl das persönliche, als das Grundeigenthum zu sichern. Wir trafen hin und wieder zusammen, aber stets nur mit grollendem Herzen, da mich sein Benehmen empfindlich berührte. Aus Furcht vor Entdeckung hatte ich seit meiner Heirath nie der Musik Aufmerksamkeit geschenkt und stets dergleichen gethan, als ob ich nicht singen könne. Sogar meine Gattin wußte nichts von meinem Talente, und obgleich ich in der letzten Zeit nichts mehr fürchtete, mochte ich doch meine Gabe nicht zur Schau stellen – denn da ich sie bisher verheimlicht hatte, so konnte ich den Grund eines solchen Benehmens nicht einmal meiner Gattin und Mutter erklären, ohne die Täuschung einzugestehen, der ich mich schuldig gemacht hatte.

Eines Abends befand ich mich in großer Gesellschaft bei meinem Cousin, dem Erben des Fideicommisses. Wir waren sehr vergnügt und hatten mehr als gewöhnlich getrunken. Der Wein übte an den meisten von uns seine Wirkung, und während der Abend in fröhlichem Gesang verbracht wurde, stellten sich allmählig noch mehr Gäste ein. Mein Cousin fühlte sich durch den Wein aufgeregt und erlaubte sich gegen mich mehrere boshafte Bemerkungen, von denen ich anfangs keine Notiz nahm; da er aber fortfuhr, so beantwortete ich sie endlich in einer Weise, welche seine Entrüstung wecken mußte. Auch mir kochte das Blut; aber die Vermittlung wechselseitiger Freunde beschwichtigte uns für eine Weile, und wir griffen wieder zur Flasche. Mein Cousin wurde um ein Lied angegangen; er hatte eine schöne Stimme, sang mit Geschmack und fand vielen Beifall.

»Vielleicht wird jetzt Don Pedro die Gesellschaft mit seiner Kunstfertigkeit erfreuen,« sagte er in ironischem Tone, »obgleich er ihr am Ende den größten Gefallen damit erweist, daß er nicht versucht, wessen er nicht fähig ist.«

Von diesem Sarkasmus gereizt und vom Weine erhitzt, ließ ich alle Klugheit außer Acht. Ich entriß ihm die Guitarre und begann nach einem Vorspiel, welches das Erstaunen aller Anwesenden weckte, eine meiner erfolgreichsten Arien. Ich sang in meinem besten Style, und die ganze Gesellschaft fühlte sich elektrisirt. Lauter Jubel verkündigte meinen Sieg und die Niederlage meines Verwandten. Einige umarmten mich in ihrer Begeisterung, und Alle riefen laut Da Capo; aber sobald ein augenblickliches Schweigen eintrat, hörte ich eine Stimme hinter mir bemerken:

»Diese Stimme gehört entweder dem Mönch Anselmo oder dem Teufel.«

Ich stutzte über diese Worte und wandte mich nach dem Sprecher um; dieser aber hatte sich in dem Gedränge verloren, und ich konnte nicht entdecken, wer es gewesen war. Ich bemerkte, daß mein Verwandter ihm folgte, und verwünschte jetzt meine Unklugheit. Sobald es mir möglich wurde, verließ ich die Gesellschaft und kehrte nach Hause zurück. Wie ich nachher vernahm, hatte mein Cousin augenblicklich mit der Person, welche die verhängnißvollen Worte geäußert, Rücksprache genommen. Sie war einer von den Priestern, welche mich zu Sevilla gekannt hatten. Aus dieser Quelle nun schöpfte mein Vetter die Kunde, Bruder Anselmo habe vor fünf Jahren sein Kloster verlassen und sey nicht mehr dahin zurückgekehrt, weßhalb man angenommen, daß ihm ein Unfall zugestoßen sey. Seitdem habe man aber eine Entdeckung gemacht, welche auf die Vermuthung führe, daß Bruder Anselmo eine Zeitlang ein System von Täuschung fortgeführt habe. Ihr erinnert Euch vielleicht, daß ich, als ich mich weltlich kleidete, um mich der Donna Celia als Sohn vorzustellen, in meiner Wohnung den Anzug wechselte. Ich schloß meine Mönchskutte und die falsche Tonsur in den Koffer, um beides, wenn ich zurückkehrte, zerstören zu können, hatte aber ganz darauf vergessen und, als ich Sevilla verließ, den Schlüssel zu meiner Wohnung mitgenommen. Der Hauswirth wartete, bis seine Miethe fällig war, und da er nichts weiter von mir hörte, so ließ er die Thüre aufbrechen und fand den Koffer. Als er denselben öffnete, fand er die falsche Tonsur und die Kutte. Er kannte den Orden, welchem die Tracht angehörte, und da er Unfug witterte, so brachte er das Gewand in unser Kloster, wo es augenblicklich erkannt wurde, weil die Mönchskutten innen numerirt waren. Die falsche Tonsur verrieth, daß ich wahrscheinlich die Regeln meines Ordens gebrochen habe, und es wurden geraume Zeit die sorgfältigsten Nachforschungen nach mir angestellt, die jedoch zu keinem Erfolge führten. In Folge dieser Mittheilungen begab sich mein rachsüchtiger Cousin nach Sevilla, um sich über die Zeit meines Entweichens aus dem Kloster zu unterrichten, und fand bei dieser Gelegenheit, daß sie ungefähr vierzehn Tage vor die Periode fiel, in welcher Donna Celia abgereist war. Er verfügte sich sodann zu meinem vormaligen Hausherrn, um weitere Auskunft einzuholen. Dieser gab an, das Quartier sey von einem Mönch für dessen Bruder gemiethet worden, der es einige Zeit bewohnt habe. Seine Beschreibung dieses angeblichen Bruders paßte genau auf mich, und mein Cousin gewann nun die Ueberzeugung, daß der Mönch Anselmo und Don Pedro ein und dieselbe Person seyen. Er machte augenblicklich der Inquisition die Anzeige. Inzwischen befand ich mich in der größten Bestürzung. Ich fühlte, daß mir Entdeckung bevorstand, und stellte Erwägungen an, wie ich mich benehmen sollte. Ich hatte in der letzten Zeit allem Betruge abgeschworen und mit jedem Tage einen Schritt weiter auf dem Pfade der Tugend gewonnen; jetzt mußte ich aber mit Bitterkeit empfinden, daß ich Alles, was mich bedrohte, wohl verdient hatte, und daß die Sünde früh oder spät ihren Lohn finde. Hätte ich Donna Celia meine Lage gleich anfangs mitgetheilt, so würde sie, da sie mich für ihren Sohn hielt, Einfluß genug besessen haben, eine Lösung meiner Gelübde zu erwirken. Dann hätte ich kühn vor die Welt hintreten können – aber ein einziger Akt des Truges bedurfte zu seiner Unterstützung noch anderer, und so hatte ich mich in meiner eigenen Schlinge verstrickt, die sich endlich über mir zusammenzog. Aber um mich selbst kümmerte ich mich nicht so sehr, sondern vielmehr um meine Gattin, die ich anbetete – um meine Mutter, (oder vermeintliche Mutter) welche die Aufklärung mit der Bitterkeit des Todes erfüllen mußte. Der Gedanke, Andere ebenso elend zu machen, wie ich selbst war, trieb mich zur Verzweiflung, und ich wußte nicht, wie ich handeln sollte.

Nach vieler Erwägung beschloß ich als letzte Zuflucht, mich an den Edelmuth meines Gegners zu wenden; denn obschon er mein Feind war, stand er doch als spanischer Cavalier im besten Rufe. Ich traf Maßregeln, daß mir augenblicklich seine Rückkehr gemeldet werde, und als die Nachricht einkam, begab ich mich unverweilt nach seinem Hause, ihn um Gehör bitten lassend. Man wies mich zu Don Alvarez (denn so hieß er), der mich folgendermaßen anredete.

»Ihr wünscht mich zu sprechen, Don Pedro – es sind jetzt Andere in Eurem Hause, die Euch zu sprechen wünschen.«

Ich konnte mir wohl denken, daß er die Beamten der Inquisition meinte, that aber dergleichen, als verstehe ich die Bemerkung nicht, und antwortete ihm:

»Don Alvarez, die Feindschaft die Ihr stets gegen mich an den Tag legtet, rührt ohne Zweifel von dem Umstande her, daß Ihr Eure edle Familie für beschimpft haltet, weil Eure Cousine eine Verbindung mit einem Manne einging, dessen Herkunft unbekannt war. Ich habe lange Eure Verunglimpfungen getragen, aus Achtung für die Dame, welche mir das Leben gab; aber jetzt muß ich mich an Euren Edelmuth wenden, und wenn ich Euch mittheile, daß ich der unglückliche Sprößling einer früheren Liebe der Donna Celia bin, von welcher Ihr wahrscheinlich gehört habt, so wird mir der Umstand, daß wenigstens Einiges von demselben edlen Blut in meinen Adern rinnt, Anspruch an Euer Mitleid, wo nicht an Eure Freundschaft verleihen.«

»Das habe ich in der That nicht gewußt,« versetzte Don Alvarez in großer Aufregung, »und wollte der Himmel, daß Ihr mir früher vertraut hättet.«

»Vielleicht wäre es besser,« entgegnete ich; »aber erlaubt mir, meine Behauptungen zu beweisen.«

Ich gab dann zu, daß ich früher der Mönch Anselmo gewesen, und theilte ihm mit, wie ich durch Zufall Kunde von meiner Geburt erhalten und welche Schritte ich eingeschlagen habe.

»Ich weiß zwar wohl,« fuhr ich fort, »daß ich sehr zu tadeln bin; aber meine Liebe zu Donna Clara ließ mich alle Folgen außer Acht setzen. Eure unglückliche Feindschaft bewog mich, mir in einem unbewachten Augenblicke eine Blöße zu geben, die wahrscheinlich mit meinem Untergange enden wird.«

»Ich gebe zu, daß Eure Bemerkung wahr ist und keine Macht Euch retten kann. Ich beklage es, Don Pedro, aber was geschehen ist, läßt sich nicht ungeschehen machen. In diesem Augenblicke sind die Beamten der Inquisition in Eurem Hause.«

Während er diese Worte sprach, kündigte ein lautes Klopfen an der Thüre an, daß sie mir gefolgt waren.

»Nein, das darf nicht geschehen, Don Pedro,« sagte Don Alvarez. »Verbergt Euch hier.«

Er öffnete eine geheime Thüre in der Wand und hieß mich hinein gehen; er hatte jedoch kaum Zeit gehabt, sie wieder zu schließen, als die Beamten in das Zimmer traten.

»Ihr habt ihn hier, Don Alvarez, oder nicht?« fragte der Führer.

»Leider nein,« versetzte er. »Ich versuchte ihn aufzuhalten; aber da er eine Entdeckung vermuthete, so erzwang er sich den Abzug mit dem Degen in der Hand und entfernte sich, ohne daß ich die Richtung, welche er eingeschlagen, anzugeben wüßte. Indeß kann er nicht weit seyn. Laßt alle Pferde in meinem Stalle satteln und verfolgt den kirchenschänderischen Elenden. Ich wollte die Hälfte meines Vermögens opfern, um mir meine Rache zu sichern.

Da Don Alvarez der Angeber war und er diese Worte in grimmigem Tone ausstieß, so hegten die Inquisitionsbeamten keinen Argwohn, sondern beeilten sich, um seiner Aufforderung zu entsprechen. Sobald sie sich entfernt hatten, öffnete er die Thüre wieder und ließ mich heraus.

»Soweit habe ich Euch bewiesen, Don Pedro, daß es mir mit meiner Versicherung Ernst ist. Aber was bleibt jetzt zu thun?«

»Nur Eines, Don Alvarez – die Wahrheit vor meiner armen Gattin und meiner Mutter zu verbergen. Wären sie nicht, so könnte ich Alles mit Standhaftigkeit über mich ergehen lassen.«

Ich sank auf das Sopha und brach in Thränen aus. Don Alvarez war sehr ergriffen.

»O Don Pedro, es ist jetzt zu spät, sonst würde ich Euch sagen: laßt es Euch stets zur Warnung dienen, daß Ehrlichkeit am längsten wahre. Hättet Ihr mir das Geheimniß Eurer Geburt vertraut, so wäre dieß nie vorgefallen; denn Ihr hättet dann statt eines Verfolgers einen Freund in mir gewonnen. – Was kann ich thun?«

»Tödtet mich, Don Alverez,« versetzte ich, indem ich meine Brust entblößte, »und ich will Euch segnen für diese That. Mein Tod wird sie wohl schmerzen, aber sie werden sich bald wieder von ihrem Gram erholen. Wenn sie jedoch entdecken müssen, ich sey als ein kirchenschänderischer Betrüger von der Inquisition ermordet worden, so wird Scham und Schande sie in die Grube bringen.«

»Eure Bemerkung ist richtig, aber tödten kann ich Euch nicht. In sofern will ich übrigens Euren Wünschen willfahren, daß ich die Kunde von Eurem Tode ausstreuen und den Haß Eurer Angehörigen auf mich laden will, damit nur die Familie nicht beschimpft werde.«

Er ging dann an sein Pult und nahm einen Beutel mit tausend Pistolen heraus.

»Dies ist alles Geld, das ich im Augenblick bei Händen habe – es wird Euch für einige Zeit Dienste leisten. Steckt Euch in den Anzug eines meiner Diener – ich will Euch dann nach einem Seehafen begleiten und für Euch Sorge tragen, bis ich Euch sicher weiß. Ich gebe dann an, Ihr seyet in einem ehrlichen Duell gefallen und will die Beamten der Inquisition bestechen, daß sie über die Umstände, welche ich ihnen mitgetheilt habe, reinen Mund halten.

Der Rath war gut, und ich ging mit Freuden darauf ein. Ihm als Diener folgend, langte ich wohlbehalten zu Carthagena an, wo ich mich nach Neu-Spanien einschiffte. Wir segelten aus, und ehe wir nach die Meerenge von Gibraltar im Rücken hatten, wurden wir von einem Kreuzer angegriffen. Wir fochten verzweifelt, wurden aber durch die Mehrzahl überwältigt, die uns kaperte, nachdem wir mehr als die Hälfte unserer Mannschaft verloren hatten. Die Gefangenen wurden in diesen Hafen gebracht und ich nebst den übrigen in die Sklaverei verkauft.

 

Dies ist meine Geschichte,« schloß der Spanier »und ich hoffe, daß sie Eurer durchlauchtigen Hoheit einiges Vergnügen gewährt hat.«

Die Antwort des Pascha bestand blos in einem lauten Gähnen.

»Schukur Allah! Gottlob daß Du einmal fertig bist! Ich habe nicht viel davon verstanden,« fuhr der Pascha fort, indem er sich an Mustapha wendete, »aber wie läßt sich auch von einem ungläubigen Christenhunde eine gute Geschichte erwarten!«

»Wallah Thaib! Wohl gesprochen, bei Gott!« versetzte Mustapha. »Wer war Lokman, daß man von seiner Weisheit sprechen mag? Sind nicht diese Worte mehr werth, als Perlenschnüre?

»Wie heißt das Land, aus welchem dieser Sklave gekommen ist?« fragte der Pascha.

»Spanien, durchlauchtige Hoheit. Die ungläubigen Stämme, denen Ihr dort zu bleiben gestattet, beschäftigen sich mit der Cultur des Oelbaums zum Besten wahrer Gläubigen.«

»Sehr wahr,« entgegnete der Pascha; »ich erinnere mich jetzt«. Laß dem Kafir einen Beweis meiner Freigebigkeit zu gute kommen. Gib ihm zwei Goldstücke, und laß ihn gehen.«

»Möge der Schatten Eurer durchlauchtigen Hoheit nie kleiner werden!« sagte der Spanier. Ich habe hier ein Manuskript, das mir ein alter Mönch unsres Ordens auf dem Sterbebette anvertraute. Als unser Schiff in die Hände der Feinde gerieth, wurde es bei Seite geworfen, und ich habe es als Merkwürdigkeit aufbewahrt. Es bezieht sich auf die erste Entdeckung einer Insel. Da Eure Hoheit an Geschichten Gefallen findet, so dürfte es sich wohl der Mühe einer Uebersetzung verlohnen.«

Der Dominikaner zog dann aus seiner Brust ein mißfarbiges Stück Pergament hervor.

»Sehr gut,« versetzte der Pascha, indem er aufstand. »Mustapha, laß es durch den griechischen Sklaven ins Arabische übersetzen, damit er es uns eines Abends, wenn wir keine Geschichten zu erzählen haben, vorlesen könne.«

»Be Chesm, es möge auf meine Augen kommen,« versetzte Mustapha, mit einer tiefen Verbeugung, während sich der Pascha nach seinem Harem begab.


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