Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

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Eilftes Kapitel.

Am andern Tage brachte der Pascha seine Geschäfte in großer Eile zu Ende, denn Mustapha hatte ihm angedeutet, daß der Renegat seine fünfte Reise für die allerwunderbarste halte. Selim wurde wie früher eingeführt und begann die Erzählung.

Huckabacks fünfte Reise.

»Eure Hoheit mag sich wohl wundern, daß ich mich wieder auf den trügerischen Ocean hinauswagte, nachdem ich doch jetzt im Besitze von Reichthum, Rang und einer bezaubernden Gattin war. Indeß hat Eure Hoheit natürlich von der gräuelvollen Revolution gehört, die in Frankreich stattfand.«

 

»Frankreich? Ja, ich glaube, es gibt ein Land, das so heißt. Indeß kann ich nicht sagen, daß ich je etwas von der Revolution gehört hätte. Heiliger Prophet, was diese Leute nicht für seltsame Vorstellungen haben!« fuhr der Pascha gegen den Vezir fort. »Bilden sie sich ein, wir kümmerten uns um das, was in ihren barbarischen Ländern vorgeht! Du magst fortfahren, Huckaback.«

 

Es wird nöthig seyn, durchlauchtige Hoheit, einige Worte über den Gegenstand zu sagen; ich will mich jedoch so kurz wie möglich fassen. Eines Tages umgab ein Haufen Marseiller Bürger, die rothe Mützen auf den Köpfen trugen, ihre Hemdärmel aufgeschlagen hatten und mit verschiedenen Waffen ausgerüstet waren, mein Schloß und verlangten von mir eine unvorzügliche Erklärung, ob ich für die Einberufung der Generalstaaten sey. Ich antwortete: »von Herzen gerne, wenn sie es wünschten.« Sie brachten mir sodann ein Vivat und zogen weiter.

Bald nachher kamen sie wieder und wollten von nur wissen, ob ich für den National-Convent sey. Meine bejahende Antwort stellte sie zufrieden und sie verschwanden abermals. Zum dritten Male erschienen sie, um mich zu fragen, ob ich ein Republikaner sey, und ich fertigte sie auf's Neue mit einem Ja ab. Das vierte Mal wollten sie wissen, ob ich es mit den Girondisten halte. Ich erklärte mich für einen Angehörigen dieser Partei und hoffte, nunmehr mit keinen weiteren Fragen behelligt zu werden. Aber ehe zwei oder drei Monate abgelaufen waren, kam ein anderer Haufen, welcher sich überzeugen wollte, ob ich ein ächter Jakobiner sey, – eine Eigenschaft, zu der ich mich feierlich bekannte. Wieder einmal frugen sie mich, ob ich lieber Bürger heißen oder mir den Kopf abschlagen lassen wolle. Ich erklärte mich zu Gunsten des erstern und machte ihnen mit meinem Marquis-Titel ein Geschenk. Aber endlich umringten sie mein Haus unter lautem Geschrei, erklärten mich für einen Aristokraten und bestanden darauf, meinen Kopf auf einer Pike fortzutragen. Ich betrachtete dies für einen Punkt, gegen den ich Vorstellungen erheben müsse, und gab ihnen die Versicherung, daß ich, obschon ich das Eigenthum gekauft habe, kein Aristokrat, sondern im Gegentheil ein bürgerlicher Barbier von Marseille sey. Den Marquis-Titel, den ich mit dem Eigenthum erworben, habe ich aufgegeben, und es stünden mir deßhalb durchaus keine aristokratischen Ansprüche zu. Sie bestanden jedoch auf dem Beweise, befahlen einem Diener, die geeigneten Materialien herbeizubringen, und forderten mich auf, ein Dutzend aus ihrem Haufen zu rasiren. Ich schabte aus Leibeskräften darauf los und entledigte mich der Aufgabe so sehr zu ihrer Zufriedenheit, daß sie mich umarmten und schon wieder aufbrechen wollten, als mit einem Male eines der Weiber verlangte, daß ich zum Beweise meiner Aufrichtigkeit meine Gattin, deren aristokratische Herkunft bekannt war, ausliefern solle. Wir Alle haben unsere Augenblicke der Schwäche. Wäre ich klug genug gewesen, dem Ansinnen zu willfahren, so hätte Alles gut ablaufen können; aber, obgleich ich schon zwölf Jahre in der Ehe gelebt hatte, war ich doch thöricht genug, vor der Aussicht Anstand zu nehmen, daß der Kopf meiner bezaubernden Cerise auf einer Pike weggetragen werden sollte. Meine Gattin konnte sich nur von mir des Schutzes versehen und ich stellte den Eindringlingen vor, obgleich von adeliger Abkunft, habe sie sich doch auf eine Höhe mit mir gestellt, indem sie einen Bürger-Barbier heirathete. Nach kurzer Berathung kamen sie darin überein, daß sie genugsam herabgewürdigt sey, um am Leben bleiben zu dürfen, und nachdem sie meine Keller aufgebrochen hatten, um meine Gesundheit zu trinken, entfernten sie sich. Ich hatte jedoch bald Ursache, meine Thorheit zu bereuen. Cerise war eine schöne Frau, die im Unglück treu an mir gehangen hatte; aber der Wohlstand war sowohl ihr, als mein Verderben. Sie hatte bereits eine Affaire mit einem Grafen gehabt, und denselben letzter Zeit gegen einen schönen, jungen Abbé vertauscht. Indeß macht man sich in unserm Lande nicht viel aus solchen kleinen Egarements, und ich hatte weder Zeit noch Neigung, mich in ihre Angelegenheiten zu mischen. Mit ihrer aufrichtigen Freundschaft mich begnügend, konnte ich ihr wohl einige kleine Treulosigkeiten vergeben, und nichts hatte die Ruhe und die Heiterkeit unsers Hauswesens getrübt, bis ich mich zu dem unglücklichen Exposé genöthigt sah, in ihrer Gegenwart zu beweisen, daß ich ein Barbier gewesen sey. Ihr Stolz empörte sich über den Gedanken, einen solchen Bund eingegangen zu haben, und ihre Gefühle gegen mich wandelten sich in die des tödtlichsten Hasses um. Obgleich ich ihr Leben gerettet hatte, beschloß sie doch undankbarer Weise, das meine zu opfern. Dem kleinen Abbé war vor einigen Wochen der Kopf abgeschlagen worden, und sie bildete jetzt eine Liaison mit einem Jakobiner, welcher ihr seine Liebe dadurch beweisen sollte, daß er mich als einen Aristokraten anschwärzte.

Zum Glück erhielt ich noch in Zeiten Kunde, um nach Toulon entwischen zu können. Mein Weib und – was von noch größerer Bedeutung war – mein ganzes Eigenthum den Händen des Jakobiners überlassend, schloß ich mich dem Pöbel an. Ich gelobte Rache allen Aristokraten und wurde einer der ungestümsten Sansculotten-Führer. Zwei Monate später, als sich Toulons Thore der Armee öffneten und ich eben bei einer Noyade mithalf, hatte ich das Vergnügen, meinen jakobinischen Stellvertreter, welcher nun seinerseits verklagt worden war, Rücken an Rücken mit einem Frauenzimmer zusammengebunden zu sehen. Die Dame war meine angebetete Cerise. Ich hatte keine Zeit, sie anzureden, denn das Pärlein wurde an Bord des Schiffes geschleudert. Es versank mit ihnen und einigen hundert Andern. Das aufgelöste nußbraune Haar meiner Gattin schwamm noch ein paar Sekunden auf den Wellen, nachdem ihr Kopf bereits verschwunden war, und ich seufzte bei der Rückerinnerung an die vergängliche Wonne, die mir Wohlstand und Liebe eine Zeitlang an der Seite meiner bezaubernden Cerise gesichert hatten.

 

»Und sie ist jetzt wirklich todt, Huckaback?« fragte der Pascha.

»Ja, durchlauchtige Hoheit.«

»Allah Kerim – Gott ist höchst barmherzig. So wären wir doch endlich mit dem Weibsbild fertig, und die Geschichte kann nun ungestört fortgehen.«

 

Ich habe Grund zu glauben, daß ich wahrscheinlich eine bedeutende Person geworden wäre, wenn ich hätte in Frankreich bleiben können; doch ein abermaliger, thörichter Versuch von meiner Seite, das Leben des alten Advokaten zu Marseille zu retten, welcher mir zur Wiedererwerbung meines väterlichen Eigenthums verholfen hatte, machte mich verdächtig. Wohl wissend, daß zwischen Argwohn und Guillotine nur wenige Stunden lagen, stahl ich mich an Bord einer italienischen Brigg, welche durch das schlechte Wetter hereingetrieben worden war, und bewirkte so mein Entkommen. Das Schiff wollte in Nordamerika eine Ladung Salzfische holen, welche im nächsten Frühjahr verzehrt werden sollte, und hatte fünfzehn Mann Matrosen an Bord. Der Kapitän war bei der Ausfahrt sehr krank und schrieb die Schuld auf Rechnung eines Becher Weins, den seine Frau mit ihren Thränen gemischt und ihm beim Abschied zum Trinken gegeben hatte. Im Verlauf unserer Reise siechte er allmählig mehr und mehr dahin, bis er endlich sein Bette nicht mehr verlassen konnte, und da sich außer mir Niemand an Bord befand, welcher eine Schiffsgissung führen konnte, so wurde diese Obliegenheit auf mich übertragen.

Einige Tage vor seinem Tode ließ mich der Kapitän rufen.

»François,« sagte er, »mein Weib hat mich vergiftet, damit ich nicht wieder zurückkehre, um ein Verhältniß zu stören, das sie während meiner Anwesenheit angeknüpft hatte. Ich habe weder Kinder noch Verwandte, die sich je um mich gekümmert hatten, und da ich eben so gut Eigentümer der Ladung, als Kapitän dieses Schiffes bin, so ist meine Absicht, das Ganze Euch zu übermachen. Ihr habt die größten Ansprüche daran, denn es ist außer Euch Niemand an Bord, der das Fahrzeug schiffen könnte. Versteht mich wohl – ich wähle Euch nicht so fast aus besonderer Vorliebe zum Erben, sondern nur deßhalb, damit mein Eigenthum nicht in die Hände meines Weibes komme. Ihr habt daher mehr dem Himmel, als mir für Euer gutes Glück zu danken. Zur Erwiederung müßt Ihr mir nur Eines versprechen und es auch bei Eurer Ankunft in Italien treulich halten – laßt für meine Seele fünfhundert Messen lesen.«

Ich leistete bereitwillig das mir abverlangte Versprechen, worauf der Kapitän sein Testament aufsetzte und es der ganzen Schiffsmannschaft als Zeugen vorlas: es enthielt die Verfügung, daß Schiff und Ladung nach seinem Tode mir gehören sollten. Zwei Tage darauf verschied er. Wir nähten ihn in eine Hängematte und warfen ihn über Bord. Obgleich es damals ganz windstill war, trat doch unmittelbar nachher ein Sturm ein, der sich bis zu einem Orkan steigerte.

Wir mußten vor dem Winde segeln und lenseten mehrere Tage unter kahlen Stangen, bis ich endlich fand, daß wir mitten im atlantischen Ocean und außer der Fahrstraße aller Schiffe standen. Das Wetter wurde allmählig milder und wir breiteten wieder unser Tuch vor der Brise aus. Meiner Gissung zufolge waren wir viele hundert Stunden von was immer für einem Lande entfernt; aber zu meinem Erstaunen sah ich mehrere Wasservögel von einer Art, die sich nur selten weit von der Küste entfernt, das Schiff umschwirren. Ich sah ihnen bis Sonnenuntergang zu und bemerkte, daß sie ihren Flug nach Südosten nahmen. In der Hoffnung, ein bis jetzt noch nicht entdecktes Land aufzufinden, steuerte ich das Schiff die Nacht über in dieselbe Richtung, und am andern Morgen früh fanden wir uns in der Nähe einer sehr hohen, konisch geformten Insel, die ungefähr vier bis sechs Stunden lang seyn mochte und auf keiner Karte angezeigt war. Ich beschloß, sie zu untersuchen, und warf in einer kleinen Bai Anker. Einige Häuser, die in der Nähe des Ufers standen, verkündigten mir, daß sie bewohnt sey; indeß konnte ich weder Kanonen, noch Festungswerke unterscheiden. Wir hatten unsere Segel noch nicht beschlagen, als ein Boot von der Küste abschob und auf uns zuruderte. Es langte bald neben uns an und setzte uns eben so sehr durch die Eigentümlichkeit seines Baues, als durch das Aussehen der Leute, welche sich an Bord befanden, in Erstaunen.

Das Fahrzeug war ein weiter Kahn mit schönem Schnitzwerk und eingelegten Goldverzieruugen. Von einem im Stern aufgepflanzten Stabe wehte eine Flagge herunter, die in weißem Felde die Goldstickerei einer Fontaine zeigte. Die drei Männer, namentlich aber derjenige, welcher in den Sternschooten saß, trugen eine Kleidung, die reich mit Goldfäden verziert war. Am meisten setzte uns aber die Eigenthümlichkeit ihrer Farbe in Erstaunen; ihre Gesichter waren zwar gut geformt, aber vom schönsten Himmelblau; dabei hatten sie schwarze Augen und braune Haare.

Der Mann in den Sternschooten kam zu uns an Bord, redete mich in vortrefflichem Portugiesisch an und fragte mich, ob ich diese Sprache verstehe. Nachdem ich ihm mit Ja geantwortet hatte, bewillkommte er mich im Namen des Königs und erkundigte sich nach der Zahl meiner Mannschaft – ob ich Kranke an Bord hätte, und was dergleichen mehr war. Er schrieb sodann alle meine Angaben mit einem Stücke rothen Zinnobers auf goldene Täfelchen nieder.

Nachdem er mit seinen Fragen zu Ende war, theilte er mir folgende Einzelnheiten mit. Die ursprüngliche Bevölkerung dieser Insel stamme von einem der Schiffe her, welches zu Vasco de Gamas Geschwader gehörte; es habe, mit den Produkten des Ostens und Probe-Exemplaren der verschiedenen Einwohner aus den neu entdeckten Gebieten beladen, den Rückweg antreten wollen, sey aber verschlagen worden und gescheitert. Die sehr fruchtbare und wohl versehene Insel sey eine einzige Goldmine, deren Erzeugniß sie in Ermangelung anderer Metalle zu den gewöhnlichen Geräthschaften verwenden müßten. Die größte Merkwürdigkeit der Insel bestehe aber in einer Wasserquelle, die am Fuße des mittleren Berges entspringe; sie sey von schöner Farbe und bringe langes Leben allen denen, die daraus tränken; von ihr habe die Insel den Namen »Insel der goldenen Quelle« erhalten. Vor dreihundert Jahren hätten die ersten Ankömmlinge aus Männern und Weibern bestanden, die verschiedenen Nationen und Farben angehörten; das Clima aber und der Gebrauch des Wassers habe im Lauf der Zeit ihre Farbe in Blau umgewandelt. Man finde das gleiche Pigment bei allen Einwohnern, nur mit dem Unterschiede, daß die Weiber nicht so dunkel seyen, wie die Männer. Nur wenige Schiffe seyen je an der Insel angelangt, und die Mannschaft derselben habe es stets vorgezogen, an Ort und Stelle zu bleiben. Dies erkläre den Umstand, daß sie so ganz unbekannt sey. Der König habe eine große Vorliebe für Fremde und beherberge sie stets in seinem Palaste, welcher dicht neben der goldenen Quelle stehe. Er schloß mit der Bitte, daß ich ihn an's Land begleiten und dem König meine Aufwartung machen möchte, indem er zugleich andeutete, wenn ich nicht zu bleiben wünsche, werde mir Seine Majestät gestatten, mein Schiff mit so viel Gold zu beladen, als es führen könne, da dieses Metall, welches in andern Ländern so hoch geschätzt werde, auf der Insel nur wenig Werth habe.

Ich muß gestehen, daß ich über diese Erzählung höchlich erfreut war. Ich hielt mein Glück für gemacht und beeilte mich, den Gesandten zu begleiten, welcher mir bedeutete, der König werde nicht zufrieden seyn, wenn ich nicht dem größeren Theile meiner Schiffsmannschaft gestatte, mit nach dem Palaste zu kommen. Nach dem erhaltenen Berichte war es meinen Leuten gleichfalls sehr darum zu thun, an's Land zu gehen, und da mir meine Führer versicherten, die Bai liege auf der Leeseite der Insel und es stehe deßhalb von dem Winde für mein Schiff nichts zu besorgen, so willigte ich in ihre Wünsche, indem ich Allen, bis auf zwei, erlaubte, das Schiff zu verlassen.

Als wir bei dem Dorfe an's Land stiegen, waren wir nicht wenig überrascht, bemerken zu müssen, daß sogar die Schweinströge, die Pfosten, die Geländer – kurz alle Artikel, die in Metall ausgeführt werden konnten, aus gediegenem Golde bestanden. Indeß hatten wir keine Zeit zu weiterer Untersuchung, denn wir trafen auf mehrere Schleifen, die in der Nähe des Ufers auf uns warteten und mit kleinen Stieren bespannt waren.

Wir stiegen auf, und die Thiere eilten raschen Trabes einen glatten Weg hinan. In weniger als zwei Stunden erreichten wir den Palast des Königs, ein ausgedehntes Gebäude von nicht besondere merkwürdiger Architektur, das sich aber doch durch den ungewöhnlichen Anblick großer goldener Säulen auszeichnete, welche einen Portikus bildeten und sich von einer Seite zur anderen erstreckten. Aber wie erstaunten wir erst, als wir abgestiegen waren und durch den Portikus gingen über die wunderbar schönen Statuen, mit welchen er verziert war. Sie standen auf Gestellen von polirtem Gold und waren aus einer Art lichtblauen Chalcedons geschnitten, welcher ihnen in Vereinigung mit der meisterhaften Ausführung den Anschein des Lebens gab. Ich staunte jedoch sehr über die wunderlichen Haltungen, welche die Bildhauer gewählt hatten; denn sie waren mehr oder weniger verdreht, obschon das Ebenmaß der Figuren bewunderungswürdig genannt werden konnte. Einige sahen aus, als wären sie im Schlaf auf die Beine gestellt worden. Andere lachten oder weinten und ein paar Andere waren gar im Akte des Erbrechens dargestellt. In der ganzen Reihe konnte ich auch nicht ein einziges Bild bemerken, welches die menschliche Form in einer edlen oder anmuthigen Haltung darstellte, und es that mir wahrhaftig leid um den Geschmack derjenigen, welche so außerordentlich talentvolle Künstler veranlassen konnten, das Ebenbild ihres Schöpfers in so herabwürdigenden Stellungen auszuführen. Ich wollte eben gegen meinen Führer meine Ansicht aussprechen, wurde aber durch die Bemerkung daran gehindert, daß ich im Palaste eines Königs nicht aber in einem Museum sey; Könige hätten ihre Liebhabereien und seyen nicht geneigt, dieselben einer öffentlichen Kritik zu unterwerfen.

Als wir an dem Ende des Portikus anlangten, flogen zwei hohe Thüren auf, und das Erstaunen über die Pracht, die sich jetzt vor unsern Augen enthüllte, ließ unsere Lippen verstummen.

Der König saß auf einem herrlich ausgearbeiteten Throne. Das köstliche Metall war in allen Farben-Nüancen oxydirt und in wunderschöner Mosaik verarbeitet. Die Decke und die Wände waren gleichfalls mit Gold bedeckt, an einigen Stellen so blank polirt, daß man sich darin spiegeln konnte, an andern aber mit gemeiselten Verzierungen versehen, die sich eben so sehr durch ihre Eleganz, als durch ihre vortreffliche Arbeit auszeichneten. An jeder Seite des Thrones erstreckte sich bis zu der Thüre, durch welche wir eingetreten waren, eine Reihe von Damen, und hinter denselben stand auf einer zwei Fuß hohen Platform eine Reihe von Höflingen – alle in Goldstoff gekleidet, der in verschiedenen Farben Blumenstickereien enthielt, welche die Natur auf's Treueste nachahmten. Die Frauen waren in Vergleichung mit den Männern sehr schön, und ihre bläuliche Farbe machte sie durchaus nicht unangenehm, da ihre Haut dadurch eine gewisse Durchsichtigkeit gewann. Aber keine derselben konnte der Königstochter an die Seite gestellt werden: denn diese war fast weiß und zeigte in ihrem Antlitz sowohl, als in ihrer Form, das vollkommenste Edenmaß. Ihr braunes Haar fiel bis auf ihre Schleppe nieder und war mit kleinen Ketten polirten Stahles verziert, welche sich durch die Zöpfe schlangen. Sie saß zu den Füßen des Thrones in der Nähe des Königs, und ich war so erstaunt über ihre himmlische Gestalt, daß ich mich auf die Komplimente, die ich Seiner Majestät zugedacht hatte, gar nicht mehr besinnen konnte, sondern sprachlos stehen blieb.

Der König empfing uns sehr huldreich. Er stellte viele Fragen an mich und forderte, als er nach einer halben Stunde die Audienz schloß, einige der schönsten Damen auf, sie sollten sich je einen meiner Begleiter auslesen und für dessen Bequemlichkeit und Unterhaltung Sorge tragen. Jedes Land hat seine eigenen Gebräuche, und ich vergesse zu erwähnen, daß mir hierorts einer ganz besonders auffiel. Als ich nämlich den Ceremonienmeister fragte, welche Huldigung gewöhnlich dem König des Landes gezollt wurde, theilte er mir mit, man strecke gegen denselben in gleicher Höhe mit dem Gesichte die Hand aus und schnippe mit den Fingern nach ihm. Je lauter man schnalzen konnte, als desto eleganter und begabter wurde man betrachtet. Aber in meiner Verwirrung hatte ich diese Weisung ganz vergessen, die mir erst wieder in's Gedächtniß kam, als ich sämmtliche Damen, den Befehlen ihres Souverains gehorsam, die Finger schnippen sah. Ehe sich der König zurückzog, bedeutete er mir, er hoffe, wir würden für einige Tage in seinem Palaste Quartier nehmen; er wolle uns die Ehre erweisen, diesen Nachmittag mit uns zu tafeln.

Die ganze Gesellschaft trennte sich jetzt. Diejenigen, welche meine Begleiter in ihre Obhut genommen hatten, führten sie nach verschiedener Richtung ab und ließen mich mit der Princessin allein, die sich nun auf die Weisung ihres Vaters von ihrem Sitze erhob, um mich mit ihrer Sorgfalt zu beehren. Ich hätte vor ihr niederfallen und sie anbeten mögen. Unwillkürlich ließ ich mich auf das eine Knie nieder und sah zu ihrem Antlitz auf, als hätte ich einen himmlischen Besuch vor mir.

Sie lächelte und redete mich an:

»Es ist mir befohlen worden, für Eure Gemächlichkeit Sorge zu tragen, und ich gehorche den Geboten meines Vaters mit Vergnügen. Nur hoffe ich, daß Euer Glück dauernder seyn möge, als es gewöhnlich in dieser trügerischen Welt der Fall ist.«

Und sie seufzte tief.

Ich verblieb in meiner knieenden Stellung, und ergieng mich, durch ihre Leutseligkeit ermuthigt, in einen Strom von Lobpreisungen, die von vielen zwar für Complimente gehalten werden würden, ihr gegenüber aber blose Wahrheiten waren. Die Aufregung machte mich beredt, und da ich, wie ich Eurer Hoheit bereits bemerkte, keine üble Person war, so konnte ich aus ihrem Benehmen wohl ersehen, daß ihr meine Bemühungen, ihre Gunst zu erwerben, durchaus nicht unangenehm waren.

»Dieselbe Pflicht ist mir, wenn Fremde die Insel besuchten, mehr als einmal zugewiesen worden,« sagte sie; »aber ich wurde ihrer stets bald satt und mußte meine Frauen herbeirufen, daß sie mir Beistand leisteten. Nie zuvor habe ich Jemand gesehen, der Euch gliche; Ihr seyd sanft und ganz anders, als diejenigen, welche in der Regel als die Kapitäne der hier angelangten Schiffe vorgestellt wurden. Ich war dann gleichgültig, wo nicht gar froh, wenn meine Obliegenheit zu Ende ging; aber jetzt sind meine Gefühle anders.«

Und sie seufzte abermals.

»Wenn es nach mir und meinen Wünsche ginge, schöne Princessin, so fürchte ich, Ihr würdet die Dauer derselben, für sehr lästig halten. Nie habe ich ein so vollkommenes und schönes Wesen erblickt! O daß Eure Aufgabe kein Ende nähme während der ganzen Dauer meines Daseyns!«

»Das wäre möglich,« antwortete sie ernst; dann aber schien sie sich zu sammeln, nahm eine heitere Miene an und fuhr fort: »doch wir verlieren Zeit, die wir anders verwenden sollten. Erlaubt mir Herr, den Befehlen meines Vaters zu gehorchen. Ich will versuchen, Euch die Stunden zu verkürzen, indem ich zu Eurer Unterhaltung beitrage.« Sie bot mir ihre Hand, die ich achtungsvoll an meine Lippen erhob, führte mich durch den Palast und lenkte meine Aufmerksamkeit auf jeden Gegenstand, den sie für beachtenswerth hielt. So hatten wir zwei oder drei Stunden im Gespräch oder in Bemerkungen über unsere Umgebung verbracht, als ich noch den Wunsch ausdrückte, die merkwürdige Quelle zu sehen, von welcher die Insel ihren Namen führte.

»Ich werde Euch gehorchen,« versetzte sie, und ihr Antlitz nahm abermals einen Ausdruck von Trauer an.

Sie ging sodann nach einer Halle von schwarzem Marmor voran, in deren Mitte die Quelle ihr Wasser zwölf oder vierzehn Fuß weit in die Höhe sprudelte; es wurde von einem geräumigen Becken wieder aufgefangen. Das Wasser in Masse hatte alle Farben des Regensbogens, und die funkelnden Tropfen der Fontaine glänzten wie das reinste Gold.

»Wie schön!« rief ich nach einigen Minuten stummer Bewunderung. »Dies ist also das Wasser der langen Lebensdauer?«

»Und auch der Trunkenheit,« versetzte die Princessin. »Es wird bei der Bankette des Königs auf den Tisch kommen; aber seyd mäßig, Herr, sehr mäßig im Gebrauche desselben.«

Ich versprach ihr dies, und wir setzten unsern Spaziergang nach dem Portikus des Palastes fort, wo ich sie auf die Statuen aus blauem Chalcedon aufmerksam machte, indem ich sie bat, mir mitzutheilen von wem sie ausgeführt worden und warum sie sich in so grotesken und ungereimten Stellungen befänden.

»Auf diese Frage kann ich nicht weiter antworten, als daß sie auf der Insel gefertigt wurden. Wir müssen jetzt zurückkehren, denn das Bankett des Königs wird bereit seyn.«

Wir setzten uns an der Tafel des Königs nieder, das heißt ich und meine Gefährten; denn weder den Höflingen, noch den Hofdamen wurde dieselbe Ehre zu Theil. Jede Dame stand hinter der Person, welche ihrer Obhut anvertraut war, und besorgte die Aufwartung. Meine französische Galanterie fühlte sich schwer verletzt durch den Gedanken, daß meine bezaudernde Princessin die Pflicht eines Miethlings erfüllen sollte, und ich drückte meine Gesinnung in gedämpfter Stimme gegen sie aus. Sie schüttelte den Kopf, wie zum Verweise, und ich sagte nichts mehr. Nach Beendigung des Banketts ließ der König das Wasser der goldenen Quelle herbeibringen. Die Diener füllten unter lauter Erhebung seiner Tugenden für jeden Gast eine Schale, welche demselben durch seine aufwartende Dame überreicht wurde.

Wahrend die Princessin mir den Becher anbot, drückte sie mit einem ihrer Finger meine Hand, um mich an mein Versprechen zu erinnern. Ich trank nur sparsam, aber die Wirkung war augenblicklich – meine Lebensgeister hoben sich und ich fühlte eine Art geistiger Trunkenheit. Auf ein Zeichen des Königs nahmen nun die Damen ihre Sitze an unserer Seite, und ihre Aufmerksamkeiten und Liebkosungen steigerten das Verlangen nach dem Wasser, welches sie im Ueberflusse verabreichten. Ich muß gestehen, daß mir bei jedem Schlucke die Princessin, welche an meiner Seite Platz genommen hatte, meinen Augen liebenswürdiger erschien, und obschon sie mich wiederholt durch einen Druck ihrer Füße an mein Versprechen erinnerte, konnte ich doch dem Antriebe zu trinken, nicht widerstehen

Der Hochbootsmann und einer der Matrosen waren Trunkenbolde und hatten bald so viel von dem Wasser hinuntergegossen, daß sie ohne Bewußtseyn und Bewegungsfähigkeit von ihren Stühlen auf das Marmorpflaster niederfielen. Dies brachte mich wieder zur Besinnung, die mir rasch entschwinden wollte. Ich erhob mich von meinem Sitze, bemerkte meinen Begleitern, daß es sich schlecht ziemen würde, sich in der Gegenwart der Majestät zu berauschen und forderte sie auf, nicht nur nicht mehr zu trinken, sondern auch die Tafel zu verlassen, ehe sie unfähig wären, ihren schönen Führerinnen die gebührende Aufmerksamkeit zu erweisen. Das letztere Argument übte mehr Gewicht als das erste, und sie verließen die Tafel ungeachtet der Vorstellungen des Königs, welchem sehr viel daran gelegen zu seyn schien, daß sie blieben. Die beiden Betrunkenen wurden von einigen Höflingen weggetragen, und der König verließ augenscheinlich mißvergnügt die Halle. Ich war wieder mit meiner bezaubernden Prinzessin allein. Entzündet von dem aufregenden Trank den ich genossen, warf ich mich ihr zu Füßen und erklärte ihr meine ungestüme Leidenschaft nebst meinem Wunsche, die Insel nie zu verlassen, wenn sie mich mit ihrer Gegenliebe beglücken könne. Ich bemerkte daß ich Eindruck gemacht hatte, und bedrängte sie, die günstige Gelegenheit benützend, mit meinen Betheurungen, denen sie geduldig zuhörte, bis der Abend einbrach, der uns noch immer auf den Stufen des Thrones sitzend fand. Endlich stand sie auf und sagte:

»Ich weiß nicht, ob Ihr es mit Euren Worten aufrichtig meint, obschon ich es hoffe; denn ich würde mich in der That sehr elend fühlen, wenn sich das Gegentheil herausstellen sollte. Aber Ihr steht jetzt unter dem Einfluß des berauschenden Wassers und könntet Euch selbst täuschen. Kommt, es ist Zeit, daß ich Euch nach Eurem Gemache führe, wo Ihr die aufregende Wirkung der goldenen Quelle wegschlafen müßt. Wenn Ihr morgen früh derselben Ansicht seyd, so finde ich vielleicht Anlaß, Euch eine Entdeckung zu machen.«

Ich spürte am andern Morgen kein Kopfweh nach der Unmäßigkeit der vorangegangenen Nacht. Sobald ich das Gemach verließ, begegnete mir außen die Prinzessin.

»Ich bin noch immer desselben Sinnes, theure Prinzessin,« sagte ich, indem ich einen Kuß auf ihre Hand drückte. »Für Euch allein will ich leben – oder sterben, wenn ich nicht bei Euch bleiben kann!«

Sie lächelte und antwortete:

»So will ich denn auch für Euch Alles opfern, denn bis ich Euch erblickte, wußte ich nie, daß ich ein Herz hatte. Steht auf und folgt mir – Ihr sollt Alles erfahren.«

Wir gingen durch die große Halle, mit welcher sämmtliche Schlafgemächer in Verbindung standen, und sie führte mich durch einen großen Gang nach einem Saale, in welchem mehrere goldene Piedestale ohne Statuen standen. Am hintersten Ende bemerkte ich zu meinem Entsetzen, daß zwei derselben bereits mit den Gestalten des Hochbootsmanns und des Matrosen besetzt waren, die sich Abends zuvor betrunken hatten. Sie waren jetzt in denselben blauen Chalcedon umgewandelt, aus welchem die Statuen in dem Portikus bestanden.

»Erkennt Ihr diese Gestalten?« fragte die Prinzessin.

»Allerdings,« antwortete ich erstaunt.

»Dies sind die Wirkungen,« fuhr sie fort, »wenn man sich in dem Wasser der goldenen Quelle betrinkt. Es enthält eine so große Menge Kieselerde in sich aufgelöst, daß man nur ein einzigesmal seine Sinne durch wiederholte Züge zu betäuben braucht, um in wenigen Stunden am eigenen Körper die Wirkung zu erfahren, die Ihr hier vor Augen seht. Auf diese Weise hat mein Vater die verschiedenen Statuen gewonnen. Sie rühren sämmtlich von Leuten her, welche vordem in verschiedenen Schiffen die Insel besuchten, und nicht ein einziger Mann ist je davon zurückgekehrt. Das Wasser hat auch die Kraft, das Leben zu verlängern und die Herzen derjenigen zu versteinern, welche es in Masse genießen. Die Grausamkeit meines Vaters findet daher bei seinen Unterthanen keinen Anstoß; denn wenn diese eines schweren Verbrechens überwiesen werden, müssen sie von dem Wasser trinken und werden als Denkzeichen seines Zornes an verschiedenen Theilen der Insel aufgestellt. Ihr fragt mich, wie es komme, daß ich nicht ebenso verhärtet sey, wie die anderen Einwohner? Der Grund liegt darin, daß ich von Natur aus ein welches, wohlwollendes Herz besitze. Meine Mutter beklagte dies, weil sie fühlte, es werde nicht dazu beitragen, in dieser Welt voll Grausamkeit und Täuschung mein Glück zu erhöhen, und ließ sichs sehr angelegen seyn, mich zum Trinken des Wassers zu bewegen. Aber was uns in der Kindheit aufgedrungen wird, erfüllt uns in der Regel bei zunehmenden Jahren mit Abscheu. Die Folge davon war, daß ich seit ihrem Tode, der sich in meinem siebenten Lebensjahre zutrug, nie mehr von dem Wasser genoß. Hätte ich Euch nicht diese Enthüllung gemacht, so würdet Ihr und alle Eure Gefährten wahrscheinlich heute Abend das Opfer geworden seyn, denn dem Bankette wird wieder wie gestern das Wasser folgen. Meine Zuneigung zu Euch, ist, wie ich hoffe, das Mittel gewesen, das Leben derjenigen, welche noch übrig sind, zu retten.«

»Fluchwürdiger Verrath!« rief ich. »Aber was ist jetzt anzufangen?«

»Ihr müßt fliehen. Ermahnt Eure Leute, diesen Abend nicht zu trinken, und besinnt Euch auf einen Vorwand, um morgen Vormittag auf ein paar Stunden an Bord zu gehen. Was mich betrifft – –

»Ohne Euch, Prinzessin, kann und will ich nicht gehen. Entweder willigt Ihr ein, mich zu begleiten, oder ich bleibe hier und setze Alles aufs Spiel; denn ich will lieber als todte Statue in den Portikus Eures Palastes aufgestellt werden, als mit einem gebrochenen Herzen die Insel verlassen.«

»Dann ist er also treu. Es gibt wirklich in dieser Welt Einige, die gut und nicht trügerisch sind!« rief die Prinzessin, und fiel auf ihre Kniee nieder, während ihr die Thränen über die Wangen herunterträufelten. »Ich bin überzeugt, Ihr werdet mich freundlich behandeln,« fuhr sie fort, indem sie meine Hand in der ihrigen hielt; »wo nicht, so wird es mein Tod seyn.«

Ich drückte sie an meine Brust und gelobte ihr Liebe bis in den Tod. Wir eilten sodann nach meinem Gemache zurück, um daselbst unsere Vorbereitungen zu verabreden. Im Laufe des Vormittags fand ich Gelegenheit, meine Begleiter, bis auf einen einzigen, den ich nicht auffinden konnte, vor der ihnen bevorstehenden Gefahr zu warnen.

Abends setzten wir uns wieder zu dem Bankett nieder; das Wasser wurde aufgetragen und der Eine, den ich nicht warnen konnte, sank bald in betrunkenem Zustand von seinem Stuhle herunter. Ich nahm dieß zum Vorwande, weiteres Trinken zu untersagen. Einen zürnenden Ton gegen meine Begleiter erkünstelnd, entschuldigte ich mich gegen den König wegen ihrer Respektswidrigkeit gegen die Majestät und stand trotz aller königlichen Vorstellungen von der Tafel auf. Am andern Morgen drückte ich meinen Wunsch aus, für einige Stunden nach meinem Schiff zurückzukehren, um für den König ein Geschenk in Elfenbein zu holen, weil ich gehört hatte, daß dies günstige Aufnahme finden dürfte. Die Prinzessin erbot sich uns zu begleiten, und der König, dem eine derartige Aufsicht gelegen kam, willigte in unsere Abreise unter der Bedingung, daß wir nicht ermangeln würden, uns beim Bankett wieder einzufinden. Wir sagten dies zu. Während die Schleifen zugerüstet wurden, bat ich die Prinzessin, mir einige Flaschen des goldenen Wassers zu besorgen, damit ich sie als Merkwürdigkeit den gelehrten Gesellschaften Europas zum Geschenke machen könne. Sie entsprach meinem Wunsche, verbarg die Flaschen in ihrer eigenen Schleife und nahm auch sonst noch unterschiedliche Anzugsartikel mit, die sie nicht nur unbemerkt aus dem Palaste fortschaffte, sondern auch ohne Vorwissen meiner Begleiter mit an Bord brachte. Ich kappte jetzt unverweilt meine Kabeln und segelte eiligst aus der Bai, ohne auch nur im mindesten belästigt zu werden, da die Eingebornen nichts von meinen Absichten ahneten. Nie zuvor hatte ich mich so glücklich gefühlt, wie jetzt, als ich wieder einmal in Gesellschaft meiner schönen Prinzessin, deren liebevolles Wesen sie mir mit jedem Tage theurer machte, auf den Wellen schwamm.

Bei unsrer hastigen Flucht hatten wir unglücklicher Weise ganz vergessen, daß unsere Wasserfässer fast leer waren; denn wir sahen uns jetzt bald bis auf einen halben Schoppen für den Tag verkürzt. Um unsere Lage noch unseliger zu machen, wurde das Wetter übermäßig heiß, und allen meinen Gegenvorstellungen zum Trotze, wußten meine Leute doch jede Nacht einen Theil des noch nicht verbrauchten Wassers zu entwenden, so daß wir zuletzt in eine Windstille geriethen, ohne einen Tropfen Wassers am Bord zu haben.

Aber alle meine Besorgnisse wurden nun durch eine weit größere Angst aufgezehrt. Meine theure Prinzessin, welche an jeden Luxus und an ein schönes Klima gewöhnt war, konnte die dumpfe Gefangenschaft in einem Schiffe unter einer Tropensonne nicht ertragen und wurde von einem Fieber befallen. Trotz aller meiner Sorge und Aufmerksamkeit starb sie am dritten Tage ihrer Krankheit in meinen Armen, segnete mich für meine treue Liebe und bedauerte nur, aus der Welt gerufen zu werden, nachdem sie so kürzlich erst einen Gegenstand gefunden, durch den ihr das Leben werth geworden wäre. Ich warf mich auf – – – «

 

Der Renegat schien jetzt sehr ergriffen zu seyn. Er bedeckte sein Gesicht mit den weiten Aermel seines Unterkleides und schwieg eine Weile.

»Bei Gott und seinem Propheten! Diese Franken sind doch große Narren, wenn eine Weibsperson mit ins Spiel kömmt,« bemerkte der Pascha gegen Mustapha. »Gleichwohl muß ich zugeben, daß mir diese Prinzessin besser gefällt, als Cerise, und es thut mir leid, daß sie todt ist. Fahre fort, Huckaback – wohin warfst Du Dich?«

 

»Auf ihre Leiche,« fuhr der Renegat wehmüthig fort, »und blieb viele Stunden auf derselben liegen. Endlich steigerte sich meine Verzweiflung dermaßen, daß ich ganz gleichgültig war gegen Leben oder Tod. Ich begab mich aufs Deck, wo ich meine Mannschaft in demselben Zustande traf; denn der verzehrendste Durst sengte ihre Körper. Ich verhöhnte sie jedoch, lachte über die endlose Wasserfläche, die, so weit die Augen reichen konnten, auch nicht durch die leichteste Welle gekräuselt wurde, und blickte spottend nach der Sonne auf, welche ihre Licht- und Wärmestrahlen senkrecht niedergoß, als wolle sie uns Alle verzehren. Nur ein einziger Gegenstand schwebte meiner Seele vor – der Wunsch mich mit meiner angebeteten Freundin wieder zu verewigen. Plötzlich fielen mir die Flaschen mit dem goldenen Wasser ein, die ich bisher ganz vergessen hatte. Ich eilte in die Kajüte hinunter, fest entschlossen, mich zu berauschen und in dieser Weise aus einer Welt voll Täuschung und unverwirklichten Genusses zu scheiden. Als fürchtete ich, der Geist meiner geliebten Prinzessin sey mir schon zu weit nach den Gefilden des Segens vorangeeilt, daß ich nicht mehr im Stande sey, sie zu erkennen, wenn ich die Last eines irdischen Leibes abgeschüttelt habe und in der Lage sey, ihr zu folgen, ergriff ich eine Flasche und goß mir mit von Beklommenheit zitternder Hand ein Glas ein, welches ich austrank. Ich war eben im Begriff, es wieder zu füllen, als der gurgelnde Ton die Ohren meiner Gefährten traf. Sie stürzten herunter, gleich den hinsterbenden Thieren, wenn sie in der Wüste die Musik eines Quells hören, brachen tumultuarisch in die Kajüte, rissen mir trotz meiner Vorstellungen, daß sie mir doch so viel lassen möchten, als ich zu Erfüllung meines Wunsches brauche, die Flasche aus der Hand, griffen nach den übrigen und leerten sie in einigen Sekunden mit tiefen Zügen, worauf sie lachend und jubelnd nach dem Decke zurückkehrten.

Das Wasser, welches ich bereits getrunken hatte, brachte wenigstens eine gute Wirkung hervor; es verhärtete mein Herz für eine Weile und ich verfiel in eine Art stoischer Gleichgültigkeit, welche viele Stunden anhielt. Dann begab ich mich auf das Deck, wo ich alle meine Begleiter in blauen Chalcedon verwandelt sah – nicht einer davon war mehr am Leben. Auch der Himmel hatte sich geändert. Wolken verdunkelten die Sonne, der Wind hob sich und hin und wieder blies ein ächzender Windstoß durch das Takelwerk. Die Vögel kreischten und die Wasserlinie des dunklen Horizonts säumte sich mit Schaum. In der Ferne rollte der Donner und ich bemerkte, daß ein Aufruhr der Elemente nahe war. Die Segel waren gesetzt und ich vermochte nicht, sie ohne Beistand einzuziehen; aber mein Schicksal war mir gleichgültig. Die Blitze zuckten nun in allen Richtungen und große Regentropfen plätscherten auf das Deck nieder. Mit den Mitteln zur Erhaltung meines Daseyns kehrte auch der Wunsch zum Leben zurück. Ich breitete die ledigen Segel aus, und während das Wasser in Strömen niederschoß, füllte ich die leeren Fässer, so oft sich das Schiff, dem Winde gehorsam, seitwärts neigte. Ich dachte an nichts Anderes, bis mein Geschäft vollendet war. Sorglos schritt ich über die Leichen meiner Gefährten hin. Die Segel wurden von den Raaen geblasen, die Raaen selbst knackten ab, die Stengen gingen über Bord, und das Schiff flog auf den kochenden Wellen dahin. Aber ich achtete nicht darauf, sondern füllte die Fässer mit Wasser. Nachdem meine Arbeit beendigt war, trat eine Gegenwirkung ein und ich erinnerte mich meines erlittenen Verlustes. Ich stieg nach der Kajüte hinunter. Da lag sie in all' ihrer Schönheit. Ich küßte die kalten Wangen, hüllte ihren theuern Leib ein, trug ihn aufs Deck und ließ ihn in die Wellen nieder. Während die Leiche unter den tobenden Wassern verschwand, war es mir zu Muth, als wolle mein Herz die Bande seines Busens sprengen und in die erzürnte Fluth nachhüpfen, um sich mit ihr zu vereinigen. Von der Aufregung meiner Gefühle erschöpft, sank ich ohnmächtig nieder. Wie lange ich so liegen blieb, kann ich nicht sagen; aber es war fast dunkel, als ich meine Besinnung verlor, und wie ich wieder zu mir kam, stand die Sonne hoch am Himmel. Das Schiff flog noch immer vor dem Sturme dahin, welcher jetzt in wiederstandloser Wuth tobte. Die zerrissenen Segel flogen vor den untern Raaen her, wie Bänder und Wimpel, und die Wracke der Stengen tauchen zur Seite durch die schäumenden Wellen. Die versteinerten Körper meiner Gefährten lagen auf den Decken und wurden von dem Wasser bespült, welches in das Schiff herein schoß, so oft es von der einen Seite gegen die andere rollte; die Schanddecke schienen mit einander zu wetteifern, welches die meiste Flüssigkeit schöpfen könne.

»Bist du also deines Daseyns eben so müde, wie ich?« redete ich das Schiff an. »Hast du endlich entdeckt, daß du nur Schwierigkeiten und Gefahren zu erstehen hast, so lange du schwimmen kannst – daß die Einfahrt in den Hafen weiter nichts ist, als eine Erneuerung deiner Mühe, eine abermalige Umwandlung zum Lastthiere – daß du leer dich der leichtesten Brise beugen und beladen zum Besten Anderer stöhnen und arbeiten mußt? Hast du – –«

 

»Heiliger Prophet! Habe ich doch nie zuvor von Leuten gehört, die mit ihrem Schiffe redeten,« bemerkte der Pascha. »Nein, da steht mir der Verstand still. Laß Alles aus, was du zu dem Schiffe sagtest, und eben so das, was dir das Schiff antwortete – fahre fort in deiner Geschichte!«

 

Der Sturm hielt drei Tage an, und dann trat eben so plötzlich eine Windstille ein. Ich hatte aus dem Compaß bemerkt, daß wir ostwärts gelaufen waren, und vermuthete nun, das Schiff werde nicht mehr sehr weit von den Azoren stehen. Als ich die Leichen meiner Kameraden betrachtete, fiel mir ein, sie könnten in Italien als Kunstwerke einen großen Preis einbringen, weßhalb ich mir vornahm, sie als Werke von Menschenhänden zu verkaufen. Da ich nichts Anderes zu thun hatte, so holte ich die ledigen Planken aus dem Räume herauf und fertigte Packkisten für sie an. Nicht ohne Schwierigkeit gelang es mir, vermittelst der Tafeln sie in den Raum hinunterzulassen. Die Sache ging gut von Statten, einen einzigen Fall ausgenommen, in welchem das Ziehtau brach. Das Bild stürzte auf den Boden des Schiffes hinunter und splitterte, weil es sehr spröde war, in Stücke. Da es jetzt als Statue keinen Werth mehr hatte, so zerschlug ich es vollends, um es zu untersuchen, und ich kann Eure Hoheit versichern, daß es höchst wunderbar war, Zeuge zu seyn, wie jeder Theil des menschlichen Körpers in Kiesel von einer Farbe umgewandelt war, welche der des Organs im Leben entsprach. Das Herz war roth, und als ich in Italien anlangte, ließ ich mehrere Siegel daraus machen. Die Steinschneider erklärten das Mineral für den schönsten blutrothen Karniol. Ich bin noch jetzt im Besitze eines Stücks von dem dunkeln Steine, welcher vormals Leber war, und benütze ihn zum Feuerschlagen. Wie sich später herausstellte, war Alles sehr werthvoll; denn die Abwechslung von Fett und Mager bildete eine Varietät von schönen Onyxen, Sardonyren und Achaten, welche ich zu guten Preisen an die Cameen-Graveure verkaufte. Mein Packgeschäft nahm mich mehrere Tage in Anspruch; aber ich hatte reichlichen Mund – und Wasservorrath und hoffte von irgend einem Schiffe bemerkt zu werden, ehe Alles aufgebraucht wäre. So entschwanden drei Wochen, und als ich eines Morgens auf das Deck kam, bemerkte ich zu beiden Seiten Land. Ich erkannte augenblicklich den Fels von Gibraltar und die Meerenge, durch welche ich trifftete. Die Mannschaft eines spanischen Kanonenboots von Algesiras enterte mich, und da ich angab, alle meine Leute seyen vor zwei Monaten am gelben Fieber gestorben, so wurde ich einwärts getaut, vierzig Tage in die Quarantäne gesteckt, und durfte dann mein Schiff aufs Neue mit Matrosen versehen. Letzteres hatte keine Schwierigkeit; denn ich verkaufte zu diesem Zweck zwei von den Flaschen, in denen sich das Wasser befunden hatte und die, wie alle anderen Gerätschaften der Quelleninsel, aus lauterem Golde bestanden.

Ich hielt es nicht für räthlich, nach Livorno zu gehen, weil daselbst mein Schiff erkannt werden mußte und mir die Wittwe Ungelegenheiten bereiten konnte. Wenn man noch obendrein in den Statuen die mit dem Schiffe ausgefahrnen Matrosen entdeckte, so war es möglich, daß mich die Inquisition als einen Zauberer verbrannte. Demgemäß bildete ich meinen Curs nach Neapel, wo ich wohlbehalten anlangte. Nachdem ich meine metamorphosirte Mannschaft ausgeschifft hatte, miethete ich einen großen Saal, um sie zur Schau zu stellen, und hoffte nun eine bedeutende Summe dafür zu erlösen; aber da ich den Künstler nicht namhaft machen konnte und die Figuren nicht die Anmuth besaßen, welche die Italiener bewundern, so blieben sie in meinen Händen, um so mehr, da man auch allerlei Fehler in der Ausführung finden wollte. Zwei der am wenigsten einnehmenden verkaufte ich an einen sizilianischen Edelmann, welcher dem Vernehmen nach einen großen Landsitz mit lauter Monstrositäten dekorirt hatte; weil ich jedoch für die Stücke des Zerschlagenen einen guten Preis gelöst hatte, so beschloß ich, die übrigen gleichfalls zu zertrümmern und das Material in derselben Weise zu veräußern. Diese Maßregel hatte gute Wirkung, denn ich erhielt mehr Geld für die Bruchstücke, als ich für eine unverstümmelte Statue erlöst hatte. Die übrigen goldenen Flaschen brachten mir gleichfalls eine große Summe ein; ich stellte sie nach einander aus und verkaufte sie an englische Sammler als Geräthschaften, welche von den Arbeitern an den Ruinen von Pompeji stipitzt worden seyen. Ich hatte nun reichlich Geld und beschloß, nach meiner Vaterstadt zurückzukehren. Sobald sich mir Gelegenheit darbot, schiffte ich mich ein und langte wohlbehalten zu Marseille an.

»Habt Ihr dem italienischen Kapitän Wort gehalten und für seine Seele fünfhundert Messen lesen lassen?« fragte Mustapha.

»Bei meinem ewigen Heil, ich habe bis auf diesen Augenblick nie daran gedacht,« versetzte der Renegat.

 

»Dies, durchlauchtige Hoheit sind die Abenteuer meiner fünften Reise, und ich hoffe ihre Erzählung hat Euch Vergnügen gewährt.«

»Ja,« bemerkte der Pascha, indem er sich von seinem Sitze erhob, »das sah doch wenigstens wie eine Reise aus. Mustapha, gib ihm dreißig Goldstücke. Huckaback, wir wollen deine sechste Reise morgen hören.«

Der Pascha zog sich nun hinter den Schirm zurück und ging, wie gewöhnlich, nach dem Frauengemache.

»Sag einmal Selim, was ist in der Geschichte der Prinzessin Wahrheit? Anfangs meinte ich, es sey Alles nur Erfindung; aber als du weintest – – –«

»Das geschah um des Effektes willen,« antwortete der Renegat. »Wann ich in meinen Geschichten warm werde, arbeite ich mich oft so in dieselben hinein, daß ich sie fast selbst glaube.«

»Heiliger Prophet, welch' ein Talent!« erwiederte Mustapha. »Was für einen vortrefflichen Premierminister würdest Du nicht in Deinem eigenen Lande abgegeben haben! Hier ist Dein Geld; wird Deine nächste Reise eben so gut seyn?«

»Ich will's jedenfalls versuchen, denn ich finde, daß sich das Kapital mit dem Interesse vermehrt,« sagte der Renegat, indem er die Zecchinen in seiner Hand klimpern ließ. » Au revoir, wie wir in Frankreich sagen.«

Und der Renegat verließ den Divan.

»Allah – welch' ein Talent,« murmelte der Vezier vor sich hin, sobald der Renegat verschwunden war.

Nachdem am andern Tage die gewohnten Geschäfte des Divans abgethan waren, wurde der Renegat hereingeführt. Er nahm Platz und begann die Erzählung seiner sechsten Reise.

Huckabacks sechste Reise.

Möge sie Euer Hoheit Beifall finden.

Nach so oftigem haarscharfen Entkommen und so vielen merkwürdigen Abenteuern war ich Willens, ruhig am Land zu bleiben, fand aber Frankreich so verändert, daß mir die Heimath ganz zuwider war. Alles war umgestürzt. Die Edeln, die Reichen, die Talentvollen waren entweder ermordet, oder lebten, der größten Armuth preisgegeben, in anderen Ländern, während sich die niedrigen Klassen ihren Platz angemaßt hatten und das Land beherrschten. Der Hauptgrund jedoch, welcher mich bewog, wieder zur See zu gehen, bestand in den unausgesetzten Truppenaushebungen zur Rekrutirung der republikanischen Armeen, denn ich sah wohl ein, daß die Reihe bald an mich kommen werde, und ich nicht lange ruhig bleiben könne. Von zwei Uebeln wollte ich lieber das kleinste wählen, denn es war doch immerhin besser, mich den Gefahren der See auszusetzen, als zu Lande in einem Graben umzukommen. Ich kaufte ein großes Schiff und stattete es zu einer Spekulationsfahrt nach Lima in Süd-Amerika aus. Da die englischen Kreuzer die Meere bedeckten und ich mir vorgenommen hatte, mich durch kein kleines Schiff kapern zu lassen, so verstärkte ich meine Mannschaft auf vierzig Köpfe und nahm zwölf Kanonen an Bord. Wir kamen glücklich durch die Meerenge von Gibraltar und bildeten unsern Kurs nach dem Cap Horn, der südlichen Spitze von Amerika. Es trug sich nichts Merkwürdiges zu, bis wir das Land anthaten; aber jetzt erhob sich ein starker Gegenwind, welcher, nachdem wir vergeblich gegen ihn angekämpft hatten, die meisten unsrer Segel wegblies und uns zuletzt zwang, südöstlich vor ihm dahinzulaufen.

Durch die heftigen Anstrengungen des Schiffes waren die Decken so leck geworden, daß das Wasser aller Orte hereindrang. Unsere Mundvorräthe (namentlich das Brod) verdarben und mußten über Bord geworfen werden, so daß wir uns auf schmale Rationen herabgesetzt sahen. Da wir keine Hoffnung hatten, uns von den Ueberresten bis zu unsrer Ankunft in Lima zu ernähren, beschloß ich auf die nächste Insel zuzulaufen, um frische Vorräthe einzunehmen und unsern Versuch einer Umschiffung des Caps zu erneuern. Ich war zweifelhaft, wohin ich mich wenden sollte; aber nachdem wir vierzehn Tage nach Osten gelaufen waren, entdeckten wir auf dem Leebug Land, das ich für die unbewohnte Insel Neu-Georgia hielt. Wie wir uns übrigens näherten, glaubten wir am Gestade Leute zu bemerken, und als wir noch etwa zwei Stunden fern standen, konnten wir deutlich unterscheiden, daß es in Reih' und Glied aufgestellte, uniformirte Soldaten waren. Die Farbe ihrer Kleider ließ sich vermittelst des Glases nicht unterscheiden; indeß bemerkten wir deutlich die gelben Aufschläge, aus denen ich den Schluß zog, daß wir's hier mit unseren Feinden, den Engländern zu thun hatten. Pest! dachte ich, ist's möglich, daß diese gierigen Inselbewohner auf diesem Platze eine Niederlassung gegründet haben? Wie weit werden sie's wohl noch bringen? Die verschiedenen Compagnien schienen aus einem bis zwei Dutzend Mann zu bestehen. Bisweilen standen sie still, dann bewegten sie sich wieder an dem Ufer hin. Indeß behaupteten sie stets ihre Stellung in Reih' und Glied, und da ich keine Musketen an ihnen bemerken konnte, so vermuthete ich, daß sie sich bloß im Marschiren übten. Häuser oder Festungswerke ließen sich nicht unterscheiden, und ich beschloß, mein Schiff näher zu bringen, um die Bewegungen der Soldaten beobachten zu können. Nachdem ich keine Stunde mehr von der Insel entfernt war, vierte ich wieder, brachte mein Glas an's Auge und bemerkte nun zu meinem Erstaunen, daß ein ganzes Regiment in die Brandung eilte und an der Außenseite derselben in der Gestalt von Wasservögeln wieder zum Vorschein kam, welche in alle Richtungen schwammen und untertauchten. Ich begann nun zu vermuthen, daß es eine verzauberte Insel wäre, und da ich die Lehre der goldenen Quelle noch nicht vergessen hatte, so breitete ich alle meine Segel aus, so daß wir das Land bald in unserem Sterne außer Sicht verloren. Es wird hier am Orte seyn, Eurer Hoheit zu bemerken, daß ich diesen Umstand einmal gegen einen Engländer berührte, der sich mit dem Fange des Spermacet-Wallfisches abgab; dieser versicherte mich, es seyen wirkliche Vögel, welche patagonische Penguine hießen und auch Andere schon durch ihr kriegerisches Aussehen getäuscht hätten. Er gab an, sie hatten keine Flügel, sondern bloß Flapper, und stünden am Ufer stets so aufrecht, wie eine Soldatenkolonne; in dieser Haltung hatten sie ungefähr drei oder vier Fuß Höhe – auch seyen die Seiten ihrer Halse mit je zwei breiten gelben Streifen versehen. In wie weit diese Behauptungen richtig sind, weiß ich nicht, denn die Engländer, welche das Cap umschifft haben, halten sich für berechtigt, beliebige Lügen zu erzählen und denjenigen nieder zu schießen, der es wagt, Zweifel über ihre Wahrheitsliebe auszudrücken. Ich kann die Engländer hauptsächlich deßhalb nicht leiden, weil sie so abscheuliche Lügner sind.

Wir steuerten nun mehr nach dem Süden und entdeckten nach drei Tagen eine andere kleine Insel. Sie war augenscheinlich sehr waldig, aber nicht groß. Wir legten windwärts davon bei, und da wir keine Einwohner bemerkten, so ließen wir ein Boot nieder und schickten den ersten Maten zum Recognosciren an's Ufer. Er kehrte nach einer Stunde zurück und theilte mir mit, die Insel sey mit tragenden Cocosbäumen bedeckt; auch habe er mehrere wilde Schweine, aber keine Spur von Bewohnern bemerkt. Einen Ankerplatz habe er nicht entdecken können, denn das Ufer steige senkrecht, wie eine Mauer aus dem Ocean auf. Wir liefen daher nach dem Lee, und entdeckten nun, daß sich ein Riff von Korallenfelsen fast eine Stunde weit an dieser Seite der Insel hinzog. Die Boote wurden wieder ausgesetzt, und nach einigem Untersuchen meldete der Mate, durch die Mitte des Riffs führe eine Passage, die hinreichend Wasser für das Schiff biete; man gelange auf diesem Wege in eine kleine Bai, wo es vollkommen sicher liegen könne. Vor Einbruch der Nacht gewannen wir Ankergrund und beschlugen unsre Segel. Am andern Morgen ging ich an's Ufer, um zu recognosciren. Wir fanden eine Quelle frischen Wassers, Cocosnüsse nebst andern Bäumen im Ueberfluß, und gelegentliche Herden von wilden Schweinen, welche mit Ausnahme der Vögel die einzigen lebendigen Wesen zu seyn schienen, die auf der Insel existirten. Zufrieden, daß ich nun Gelegenheit hatte, mein Schiff wieder zu viktualisiren, zog ich die Segel ein, strich meine Marsstenge, wickelte mein laufendes Takelwerk auseinander und traf mit einem Worte jede Vorbereitung zu einem längeren Aufenthalte. Ich schickte dann Leute an's Land, um Zelte aufzurichten und die wilden Schweine zu schießen, und ließ am Ufer die Kessel aufstellen, um aus dem Seewasser Salz zu sieden, dessen wir für die Erhaltung des Fleisches bedurften. Auch grub ich am Wasserrande seichte Pfannen in den Fels, um vermittelst der Verdunstung möglichst viel Salz zu gewinnen. Im Laufe des Tages war Alles zubereitet. Der größere Theil meiner Schiffsmannschaft zog an's Land und schlief in den Zelten. Nach drei Tagen hatten wir mehrere Tonnen Schweinefleisch eingesalzen, und eine große Menge Cocosnüsse gesammelt.

Am vierten Morgen hörte ich einen Streit unter meinen Leuten, von denen einige schwuren, sie wollten nicht länger bleiben, und das Schiff müße augenblicklich wieder in die See stechen. Erstaunt über diese Bemerkungen, da die Matrosen früher so zufrieden gewesen, fragte ich nach dem Grunde. Sie antworteten, auf der Insel gehe es nicht mit rechten Dingen zu, und als ich eine Erklärung von ihnen verlangte, nahmen sie mich nach den Salzpfannen, die bei unsrer Ankunft, nur einen Fuß vom Wasserrande entfernt, in die Felsen eingehauen worden, nun aber um neun oder zehn Fuß vom Ufer zurückgewichen waren. Ich muß gestehen, daß mich die unerklärliche Erscheinung überraschte, fühlte mich aber doch nicht geneigt, die Insel zu verlassen, ohne zuvor die nöthigen Mundvorräthe eingenommen zu haben. Meinen Leuten bedeutete ich, der seltsame Umstand erscheine mir zwar unerklärlich – indeß hätten wir bis jetzt nichts gesehen und gehört, und da wir unfehlbar verhungern müßten, wenn wir mit so wenigen Lebensmitteln in die See stächen, so sey es doch auf alle Fälle besser, wenn wir blieben, bis wir uns mit genügendem Vorrath versehen hätten; außerdem sey es recht wohl möglich, daß das Wasser zurückgewichen, nicht aber die Insel vorgerückt sey. Die letzte Bemerkung schien sie zu beruhigen, obschon mir selbst die Unrichtigkeit derselben klar war, weil die Felsen in der Nähe des Ufers nicht höher aus dem Wasser standen, als zuvor. Die Matrosen hatten jedoch hierauf nicht geachtet, und ich hütete mich, sie darauf hinzuweisen. Sie theilten meine Vermuthung, daß das Wasser zurückgewichen sey, und sprachen nichts mehr von der Sache.

Wir blieben vierzehn Tage länger, während welcher Zeit dasselbe Phänomen sich fortsetzte, denn mit jedem Tage entfernten sich die Salzpfannen und Kessel weiter von dem Ufer. Endlich wurden die Matrosen, welche nunmehr bemerkten, daß die Felsen sich nicht höher aus dem Wasser erhoben, wieder unruhig und brachen in offene Meuterei aus. Mittlerweile hatte ich hinreichend Fleisch eingesalzen und machte keine weiteren Einwendungen mehr, denn ich muß gestehen, daß mir bei so übernatürlichen Dingen keineswegs wohl zu Muthe war. Wir schlugen unsre Zelte ab, schickten Alles an Bord, zogen das Takelwerk auf, setzten die Segel, und bereiteten uns zu unsrer Abreise. Bald nachher schifften wir uns ein. Mein Blick traf zufälligerweise auf die Lothlinie, welche von den Hauptputtingen hinunterhing und ganz schlaff aussah; wie ich sie nun aufholen ließ, fand ich zu meiner großen Ueberraschung, daß wir statt der fünf Faden Wasser, in welchen wir geankert hatten, auf nicht ganz drei lagen.

Anfangs kam mir der Gedanke, es möchte dieß wieder eine schwimmende Insel seyn, wie die, welche ich schon früher geschildert, und sie könnte sich allmählig an die Oberfläche gehoben haben, aber diese Idee befriedigte mich nicht. Ich warf die Lothlinie in das Boot, ruderte ab, sondirte in verschiedenen Richtungen und bemerkte nun zu meinem Verdrusse, daß sich in der Passage, durch welche das Schiff eingefahren war, nicht mehr hinreichend Wasser zur Ausfahrt befand, selbst wenn wir das Cargo ausluden. Der Grund dieses scheinbaren Geheimnisses wurde mir bald klar, denn bei der nähern Untersuchung der Pässe fand ich, daß an Theilen, die bei unserer Ankunft mehrere Faden Tiefe hatten, ganze Bäume und solide Massen von Korallen bis zur Höhe des Wasserspiegels gestiegen waren. Ich hatte oft gehört, daß die Inseln in jenen Meeren durch Korallen gebildet würden, ließ mir's aber nie einfallen, daß diese Landerzeugung so schnell von Statten gehe.

Euere Hoheit muß nämlich wissen, daß alle Zoophyten oder Thierpflanzen aus kleinen Weichthieren bestehen, welche zu Millionen unter dem Wasser fortarbeiten, bis sie dessen Spiegel erreichen. Dies war auch hier der Fall; die Bemühungen der winzigsten Geschöpfe hatten also in einem kurzen Zeitraum von drei Wochen mein Schiff so eingeschlossen, daß an ein Entkommen nicht zu denken war.

Ich kehrte an Bord zurück und erklärte meinen Matrosen die wahre Ursache der scheinbar übernatürlichen Wirkungen, deren Zeugen sie gewesen waren. Nachdem sie sich von der Richtigkeit meiner Behauptungen überzeugt hatten, schienen sie sich wenig mehr daraus zu machen, daß sie auf einer Insel bleiben sollten, welche ihnen die Mittel zu so behaglichem Unterhalte bot. Da für das Schiff nichts geschehen konnte, so gingen wir wieder an's Ufer, schlugen auf's Neue die Zelte auf und warteten ruhig, bis wir von irgend einem Schiffe aufgelesen würden, welches der Zufall in die Nähe unserer Insel führte.

Nach vierzehn Tagen saß das Schiff auf dem Grunde auf, und die Insel vergrößerte sich so rasch, daß es nach zwei Monaten, ungefähr eine halbe Meile vom Ufer ab hoch und trocken außerhalb des Wassers lag. Die Vegetation schien eben so schnell und regelmäßig fortzuschreiten, wie die Insel, und nach der Regenzeit waren die Bäume so hoch aufgeschossen, daß unsere Fahrzeuge vollständig in einem großen Walde verborgen stand; man konnte nur noch seine Masten über den Zweigen unterscheiden. Eine Zeitlang schienen die Matrosen völlig zufrieden zu seyn. Wir hatten in den Schiffen reichliche Vorräthe aller Art, denn das Cargo, welches ich an Bord genommen, bestand hauptsächlich aus Manufacturen; da uns ferner die Insel mit frischem Fleisch, Fischen und Früchten versah, so litten wir an nichts Mangel. Matrosen sind aber so veränderliche und unruhige Wesen, daß ich glaube, sie würden selbst des Paradieses bald satt seyn. Nach einem Aufenthalte von neun Monaten, während welcher Zeit sie vielleicht besser lebten, als je zuvor, begannen sie zu murren, und sie redeten davon, daß sie in einer oder der andern Weise fortkommen wollten. Da mein Cargo werthvoll war, so gab ich die Hoffnung nicht auf, daß ein Schiff die Insel besuchen und es an Bord nehmen werde. Ich machte ihnen deßhalb alle erdenklichen Vorstellungen, um sie zur längern Geduld zu bewegen; aber sie wollten mich nicht hören und trafen Vorbereitungen zur Erbauung eines Schiffes an der Luvseite der Insel, das Material, welches das Schiff bot, dazu verwendend. Der Grund, warum sie die Luvseite wählten, lag in dem Umstande, daß sie die Bemerkung gemacht hatten, die Insel vergrößere sich nur gegen das Lee hin; windwärts dagegen befand sich ein senkrechter Korallenfels, vor dem sich in hundert Faden Tiefe noch kein Grund finden ließ. Sie hatten schon eine geneigte Bahn in den Felsen gehauen und waren bereits im Begriffe, die Bolzen und Klammern des im Wald stehenden Schiffes loszubrechen, als wir eines Abends eine große Flotte von Kanoes bemerkten, die auf uns zukam. Ich wußte, daß wir nicht weit von den Sandwichsinseln entfernt seyn konnten, und erklärte augenblicklich, daß sie aus dieser Richtung kamen, eine Muthmaßung, die sich auch als richtig erwies, denn obschon die Insel nicht bewohnt war, kannten doch die Insulaner seit Jahren ihr Vorhandenseyn und kamen alljährlich, um die Cocosnüsse einzuheimsen. Ich rieth meinen Leuten, sich ruhig in den Wäldern zu halten, die Zelte abzuschlagen und jeden Gegenstand zu beseitigen, welcher auf unsere Anwesenheit hindeuten konnte; sie waren jedoch anderer Meinung, und da sie in letzter Zeit ein Mittel entdeckt hatten, den Toddy aus den Cocosnußbäumen zu sammeln und Arac zu destilliren, so waren sie stets betrunken und in meuterischer Stimmung, welcher sie nicht auf mein Ansehen achten ließ. Sie dachten, es sey weit leichter, den Insulanern die großen Kanoes abzunehmen und sie zum eigenen Gebrauch zu verwenden, als ein Schiff zu bauen, weßhalb sie gegen alle meine Vorstellungen auf ihrem Entschlusse bestanden und den Versuch auszuführen beabsichtigten.

Bei Annäherung der Kanoes, die alle sehr groß waren, konnten wir ihrer vierzehn zahlen; auch ließ mich mein Glas unterscheiden, daß jedes fünfzig oder sechzig Leute mit Einschluß der Weiber an Bord hatte. Ich machte die Matrosen darauf aufmerksam und bedeutete ihnen, daß in jedem Kahne nicht mehr als zehn Weiber zu seyn schienen, die Männer müßten daher gegen siebenhundert Köpfe stark seyn – jedenfalls eine zu große Macht, als daß sie bei ihrem übereilten Entschlusse nur entfernt auf Erfolg rechnen könnten. Aber meine Vorstellungen übten eher eine schlimme als eine gute Wirkung. Die Erwähnung der Weiber schien sie mit neuem Eifer zu beseelen, denn sie betheuerten, sie wollten sämmtliche Männer tödten und dann gerne mit den Weibern auf der Insel bleiben. Sie bewaffneten sich mit Musketen und zogen sich bei der Annäherung der Boote unter die Bäume zurück, weil sie fürchteten, die Insulaner möchten nicht landen, wenn sie Leute entdeckten. Die Kanoes liefen zwischen den Riffen durch, und nach einigen Minuten hatten sich sämmtliche Insulaner ausgeschifft, ohne daß sie es für nöthig hielten, Jemand anders als die Weiber in den Fahrzeugen zu lassen, da das Wasser so glatt war, wie ein Fischteich.

Die Maßregeln meiner Leute waren ohne Zweifel sehr gut getroffen. Sie gestatteten den Insulanern, nach den Zelten hinaufzukommen, die nun ziemlich weit von dem Ufer abstanden, rückten dann unter dem Schutz der Bäume nach dem Gestade hinunter, stürzten auf die Kähne zu, setzten in jeden derselben einen Mann mit Musketen und Munition, ruderten ab und befestigten die Fahrzeuge in einer Entfernung von 200 Ellen an den Korallenfelsen. Das Schreien der Weiber und das Abfahren der Kanoes beunruhigte die Männer, welche nun herbeieilten, um sich von der Ursache zu überzeugen. Sobald sie auf halbe Musketenschußweite herangekommen waren, gaben die Matrosen am Lande, welche sich auf fünf und zwanzig Mann beliefen, aus dem Gehölz heraus eine Salve, durch welche eine große Anzahl getödtet oder verwundet wurde. Die Insulaner zogen sich verwirrt zurück, sammelten sich aber bald wieder unter lautem Geschrei und rückten vor. Eine zweite Salve folgte und sie wichen abermals zurück, ihre Todten und Verwundeten mit forttragend. Jetzt hielten sie eine Berathung, welche damit endigte daß sie sich in zwei Haufen theilten, um ihre Feinde im Gehölz von zwei verschiedenen Punkten anzugreifen.

Mittlerweile waren mehrere von den Weibern über Bord gesprungen und ans Ufer geschwommen; auch hatten die Männer in den Booten so viel Noth, die anderen von einem gleichen Schritte abzuhalten, daß sie der Abtheilung im Gehölze keinen Beistand leisten konnten, obschon sie innerhalb Schußweite waren. Das Benehmen der Insulaner brachte meine Matrosen in Verlegenheit, und obgleich ich an dem mörderischen Angriff keinen Theil genommen hatte, hielt ich es jetzt doch für nöthig ihnen Beistand zu leisten, da mein eigenes Leben dabei auf dem Spiele stand. Ich rieth ihnen daher, sich nach dem Schiffe zurückzuziehen, von dem aus sie die Insulaner im Schach erhalten könnten. Mein Rath wurde befolgt. Wir krochen durch das dichte Unterholz, langten wohlbehalten bei dem Schiffe an und kletterten an der Strickleiter hinauf, welche wir angebracht hatten, um an Bord gehen und die Gegenstände, deren wir bedurften, holen zu können. Sofort zogen wir die Leiter nach und harrten auf den Ausgang. Nach einigen Minuten langte einer der Insulanerhaufen an, und als sie uns an Bord bemerkten, ließen sie unter lautem Zetergeschrei ihre Speere fliegen. Wir gaben eine Salve, welche viele unserer Feinde todt niederstreckte; aber sie hielten sich brav und setzten den Angriff fort, obschon wir zwanzig oder dreißigmal mit bestem Erfolge zum Schusse kamen.

Jetzt kam auch der andere Haufen heran, und der Kampf wurde fortgesetzt. Sie versuchten, unser Schiff am Stern und an den Seiten zu erklettern, wurden aber stets zurück geschlagen, und mit Einbruch der Nacht wichen sie zurück, ihre Todten und Verwundeten, welche wir zu zweihundert Mann rechneten, mit sich fortnehmend. Wir feuerten jetzt einige unserer großen Kanonen gegen die Abziehenden, einestheils um die Insulaner zu erschrecken, anderntheils um unsere Kameraden in den Kanoes wissen zu lassen wo wir wären.

Wir hielten scharfen Lugaus, bis es dunkel war, sahen aber nichts mehr von unseren Feinden. Ich machte nun meinen Leuten den Vorschlag, wir sollten einen Verkehr mit denen im Boot herzustellen suchen und dieselben auffordern, daß sie einige der Fahrzeuge, nachdem sie die Weiber herausgenommen, ans Ufer trifften ließen, weil die Insulaner dann wahrscheinlich abziehen würden. Aber meine Leute bemerkten ganz richtig, daß sich Niemand zu einem so gefährlichen Dienste hergeben werde, und wenn die Insulaner einige ihrer Kanoes gewonnen hätten, so würden sie die andern angreifen und die darin befindlichen Matrosen überwältigen. Mein Vorschlag wurde daher mit Recht überstimmt. Ich stellte nun den Antrag, es solle sich Einer ans Ufer hinunterstehlen, nach den Kähnen hinschwimmen und die Vierzehn ausfordern, alle Weiber in ein Kanoe zu bringen; sie könnten dann in der Nacht nach der Nordseite der Insel rudern und die übrigen Fahrzeuge den Insulanern zum Abzug überlassen. Dieser Plan wurde als sehr gut erfunden; aber Niemand wollte sich als Freiwilliger zu dem Dienste hergeben. und da ich ihn vorgeschlagen hatte, so hielt ich mich Ehren halber verpflichtet, selbst zu gehen, weil sonst in Zukunft die gute Meinung meiner Leute für mich verscherzt war. Ich kündigte ihnen daher meine Absicht an, nahm meine Muskete nebst Munition zu mir und ließ mich an einem Taue hinunter. Sobald ich auf meinen Beinen stand, bemerkte ich, daß etwas aus dem Gehölz auf das Schiff zukroch. Ich konnte nicht genau unterscheiden, was es war, und schlüpfte deßhalb unter das Heck des Schiffes, wo man mich in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Der Gegenstand kam naher, und ich entdeckte nun, daß es ein Insulaner mit einem Holzbündel auf dem Rücken war; er legte seine Last an der Seite des Schiffes ab und kroch dann wieder wie zuvor zurück. Bei näherer Untersuchung entdeckte ich, daß schon hundert solcher Bündel, welche im Laufe der Nacht von den Insulanern herbeigetragen worden, um das Schiff herlagen; denn obgleich der Mond schien, war doch mein Fahrzeug so von Bäumen umgeben, daß das Licht nicht durchdringen konnte. Es war also ihre Absicht, das Schiff in Brand zu stecken, und ich wollte eben meinen Kameraden an Bord Nachricht davon ertheilen, als wieder ein paar aus dem Holz krochen und ihre Bündel so nahe vor mich hinlegten, daß sie fast mit mir in Berührung kamen. Ich sah mich daher genöthigt, meine Gefährten ihrer eigenen Hülfe zu überlassen, und kroch, das Beispiel der Insulaner nachahmend, von dem Schiffe aus in das Buschholz, mein Gewehr hinter mir nachschleppend. Es war ein Glück für mich, daß ich diese Vorsichtsmaßregel beobachtet hatte, denn in dem Theile des Waldes, auf welchen ich zukroch, waren Dutzende mit Anfertigung von Reißbündeln beschäftigt. Das Unterholz stand übrigens zu dick, und es war zu dunkel, um etwas unterscheiden zu können, obgleich ich sie ganz in meiner Nähe die Zweige abbrechen hörte. Um einer Entdeckung vorzubeugen, that ich im Weitergehen dasselbe, bis ich vor ihnen vorbei war; dann aber setzte ich meinen Weg in die Richtung fort, wo ich die Kanoes zuletzt gesehen hatte. Ich langte wohlbehalten am Rande des Waldes in der Nähe des Ufers an und bemerkte, daß die Kanoes wie früher an den Felsen lagen; aber der Mond schien hell und ich trug Bedenken, mich ins Licht hinaus zu wagen, ehe ich mich überzeugt hatte, ob nicht Insulaner an dem Ufer wären. Wie ich so eine Weile in dem dunkeln Schatten der Bäume dicht neben einer frischen Wasserquelle wartete, hörte ich dicht neben mir ein Stöhnen, und als ich in die Richtung sah, aus welcher der Laut kam, bemerkte ich einen auf dem Boden liegenden Körper. Ich ging darauf zu und konnte nun deutlich unterscheiden, daß es eine von den ans Land geschwommenen Weibern war. Sie gab fast kein Lebenszeichen von sich, und da ich, wie es jeder Mensch sollte, Mitleid mit ihrer unglücklichen Lage fühlte, so kniete ich neben ihr nieder, um zu sehen, ob ich ihr keinen Beistand bieten könne. Sie hatte nur sehr wenig Kleider auf dem Leibe, und als ich mit meiner Hand über sie hinfuhr, entdeckte ich, daß sie mit einer Musketenkugel über dem Kniee verwundet und von Schmerzen sowohl, als dem Blutverluste ganz erschöpft war. Ich riß mein Halstuch und Hemd in Streifen, verband ihr Bein und holte dann in meinem Hute etwas Quellwasser von welchem ich ihr Gesicht besprengte. Sie schien wieder aufzuleben, und ich fühlte mich glücklich, daß ich mich doch wenigstens einigermaßen hatte nützlich machen können. Da ich keine Insulaner sah, so ging ich weiter nach dem Ufer hin, um nach den Kähnen zu schwimmen; aber wie ich aus dem Schatten vortrat, wurden von denen an Bord zwei oder drei Musketen abgefeuert. Dann folgten noch weitere Schüsse und lautes Gezeter von den Insulanern, welche zu Hunderten hinüber geschwommen waren und unsre Leute angriffen. Der Kampf währte nur kurze Zeit. Die Matrosen, welche ihre Musketen nicht schnell genug wieder laden konnten, wurden von den Insulanern überwältigt, und in einigen Minuten befanden sich sämmtliche Kanoes an dem Gestade.

Ich dachte es werde jetzt mit meinen Leuten am Bord des Schiffes Alles vorüber seyn, und so stellte sichs auch heraus; denn eine Stunde vor Tagesanbruch zündeten die Insulaner die Reisbündel an und machten zu gleicher Zeit einen wüthenden Angriff auf das Schiff. Das Feuer leckte höher und hoher, die Musketen knallten ohne Unterlaß, und das Geschrei währte ungefähr eine Stunde fort; dann hörte ich keine Schüsse mehr, und ich nahm es für ausgemacht an, daß meine Leute überwältigt waren. Wie ich später entdeckte, war dieß auch wirklich der Fall. Viele waren an Bord durch die Speerwürfe getödtet worden; Andere fanden in gleicher Weise ihr Ende, als sie aus dem Schiffe sprangen, um die Flammen zu vermeiden, und der Rest erstickte im Qualm des Feuers.

Als die Sonne sich über dem Horizont erhob, fand ein lautes Krachen Statt. Ich entnahm daraus, daß sich die Flammen den Pulvermagazinen mitgetheilt hätten, und daß das Schiff aufgeflogen war. Um eine Entdeckung zu vermeiden, verkroch ich mich ins Gebüsch, machte aber zuvor noch einen hastigen Besuch bei dem armen verwundeten Weibe, um zu sehen, wie es ihr gehe. Es war heller Tag, und ich fand, daß ich einem sehr schönen, jungen Mädchen von ungefähr sechzehn oder siebenzehn Jahren Beistand geleistet hatte. Da sie noch immer sehr schwach zu seyn schien, so brachte ich ihr wieder etwas Wasser, und sie drückte mir ihren Dank durch ihre Blicke aus. Ich untersuchte den Verband, der ein wenig auf die Seite geglitten war, machte ihn wieder zurecht und verkroch mich dann in das dichteste Unterholz. Wie ich mich geduckt vorwärts drängte, kam mein Kopf plötzlich mit etwas Hartem in Berührung. Ich schaute auf und fand, daß es der Kopf eines Insulaners war, der sich gleichfalls durch das Gebüsch Bahn brach. Er war ein großer, gewaltiger Mann und säumte keinen Augenblick, auf mich zuzuspringen und mich zu Boden zu schlagen. Mehrere Andere, die in seinem Gefolge waren, eilten nun zu seinem Beistand herzu, und so war aller Widerstand fruchtlos. Sie rissen von den kriechenden Weiden, welche in jenen Gegenden wachsen, Zweige ab, banden mir Hände und Füße und lasen dann einen Baum zu einer großen Stange aus, um mich daran zu befestigen und fortzutragen. An den Ufer angelangt, wurde ich auf den Rücken gelegt und sah mich nun der sengenden Sonnenglut preisgegeben. Ich rief mir jetzt Alles ins Gedächtniß, was ich von den Reisen und Fahrten Anderer gelesen hatte, und kam dadurch zu dem Schlusse, daß ich ohne Zweifel ihren Göttern zum Opfer gebracht werden sollte. Aber was war zu thun? Ich betete zum Himmel um Erbarmen und ergab mich in mein Schicksal, dem ich nicht zu entrinnen hoffen durfte.

Die Insulaner hatten sich nun in meiner Nähe am Ufer gesammelt. Die Leichen ihrer im Kampf gefallenen Kameraden und die Verwundeten wurden in die Kanoes gebracht. Sie bildeten um ein angezündetes Feuer einen Kreis, hielten mehrere Reden und führten dann einen Kriegestanz aus. Wie ich mich auf die Seite wandte, bemerkte ich zu meinen Entsetzen, daß sie alle Leichen meiner Begleiter gesammelt hatten und dieselben verzehrten. Was sie nicht gleich essen mochten, packten sie in Körbe und brachten es in die Kanoes. Ich sah einem gleichen Schicksale entgegen – für den Augenblick zwar nicht, da sie mehr hatten, als sie genießen konnten; aber wahrscheinlich wurde ich für eine Festlichkeit aufbewahrt, bei der ich, wenn sie in ihrem eigenen Lande angekommen waren, als Speise dienen sollte. Meine Vermuthung war auch durchaus nicht unrichtig. Sie sammelten alle Knochen, um sie mitzunehmen, brachten mich an Bord, hißten ihre Mattensegel auf und steuerten ihrer eigenen Insel zu.

Am dritten Tage langten wir an. Ich wurde ans Ufer gebracht und an einen Orte eingesperrt, der mir wie ein Begräbnißplatz vorkam. Sie stopften mich jeden Tag mit Schweinefleisch und anderen Viktualien, um mich am Leben und gut bei Leibe zu erhalten, ließen mich aber nie von der Stange los, an welche ich gebunden war. Ich hörte, wie sie Provisionen anstellten, jubelten und um die Todten klagten, konnte aber nichts sehen, denn ich war jetzt zu schwach, um mich auf die Seite zu wenden. Nachdem ich eine Woche also gefesselt war, steigerte sich der Schmerz der unter den dicht angezogenen Banden geschwollenen Gliedmassen so sehr, daß ich um den Tod betete, der mich meiner Leiden entheben sollte, und als mich die Männer wieder einmal auf ihre Schulter nahmen, sah ich der herannahenden Erfüllung meines Geschicks so ungeduldig entgegen, als ich unter andern Umstanden nach meiner Befreiung verlangt hätte. Meine Sinne erlagen allmälig dem Schmerze, welcher durch meine schwebende Haltung ungemein vergrößert wurde.

Ich entsinne mich noch, daß ich in einen großen Kreise auf den Boden gelegt wurde – es folgte darauf Geschrei der Weiber und ein wirres Getümmel. Als ich wieder zum Bewußtseyn kam, lag ich ungefesselt auf weichen Matten in einer Hütte, und meine Glieder waren in Umschläge gehüllt. Wie ich aber die Augen aufschlug, erblickte ich über mir mit einer Miene der zärtlichsten Besorgniß die schöne Wilde, welche ich verwundet gefunden und in der Nacht des Kampfes mit einem Verbande versehen hatte. Ich erfuhr später, sie habe in mir, als ich in den Kreis gebracht wurde, die Person erkannt, welche ihr Beistand geleistet hatte. Sie bat um mein Leben, deutete auf ihre Wunde und brachte die Bandagen herbei, mit denen ich sie verbunden hatte und die mit dem übrigen als ein Theil des Anzugs, den ich noch immer trug, erkannt wurden. Die Insulaner hielten nun eine Betrachtung und kamen zu dem Schlüsse, ich könne nicht beim Haufen im Schiff gewesen seyn, da ich in der Nähe des Gehölzes, wo das Mädchen lag, gefangen wurde. Nach vielem Für- und Widerreden fällten sie den Bescheid, daß mein Leben verschont bleiben und ich das Mädchen heirathen sollte, welche das Mittel zu meiner Erhaltung geworden war. Sie hatte mich nach ihrer Hütte gebracht und entrichtete mir nunmehr die Schuld der Dankbarkeit, welche sie gegen mich eingegangen hatte.

Unter ihrer unermüdlichen Pflege und Sorgfalt genas ich bald wieder, und ehe ich noch wußte, daß ich ihr zum Gatten bestimmt war, freiete ich um sie durch Zeichen und alle die kleinen Aufmerksamkeiten, welche mir Liebe und Dankbarkeit eingaben. Sobald man mich für hinreichend hergestellt hielt, wurde ich in einen großen Kreis der Insulaner eingeführt, um förmlich in ihre Gesellschaft aufgenommen zu werden. Ein ehrwürdiger, alter Mann hielt eine Rede, die wohl nicht sehr gut seyn mochte, weil sie ungemein lang war; dann ergriffen mich mehrere Männer, warfen mich, das Gesicht abwärts, auf den Boden, setzten sich rittlings auf mich und begannen den obern Theil meiner Dickbeine mit Nadeln zu stechen. Der Schmerz war übermäßig; da jedoch alle Insulaner um die Lenden tättowirt waren, so hielt ich das Ganze für eine Operation, der ich mich unterwerfen müsse, und ertrug sie mit Standhaftigkeit.

 

»Sag an, was versteht man unter Tättowiren?«

»Eure Hoheit halten zu Gnaden, das Tättowiren ist ein Punktiren der Haut mit Nadeln oder scharfen Spitzen – es wird dann indianische Tinte oder Schießpulver in die Wunde gerieben. Dieses Verfahren läßt unzerstörliche Spuren von tiefblauer Farbe zurück. Alle Insulaner in jenen Seen sind tättowirt und tragen oft sehr schöne Zeichnungen an ihrem Leibe.«

»Maschallah! Wie wunderbar ist Gott! Das möchte ich doch auch sehen,« versetzte der Pascha.

»Allah verhüte,« entgegnete der Renegat, »daß ich meine Person vor Eurer Hoheit entblöße. Da kenne ich meine Pflicht besser.«

»Ja, aber ich muß es sehen, mein Freund!« fuhr der Pascha ungeduldig fort. »Kümmre Dich nicht um meine Person, sondern gehorche meinen Befehlen.«

Der Renegat fühlte sich nicht wenig verlegen, da er sich der von ihm beschriebenen Operation nie unterzogen hatte. Indeß traf sich's doch zu Unterstützung der Wahrhaftigkeit seiner Geschichte glücklicher Weise, daß er auf einem seiner Piraten-Ausflüge aus langer Weile einem Kameraden gestattet hatte, eine kleine Meerjungfer auf seinen Arm zu tättowiren.

»Min Allah! Gott verhüte,« erwiederte der Renegat. »Mein Leben steht Eurer Hoheit zur Verfügung, und Ihr solltet es mir lieber nehmen, ehe ich Euer erhabenes Auge durch die fragliche Bloßstellung verletzen möchte. Glücklicher Weise kann ich übrigens Eurer Hoheit Neugierde zufrieden stellen, ohne den Anstand zu verletzen; denn nachdem die beschriebene Operation zu Ende war, zeichneten sie das Bild ihrer geachtetsten Gottheit auf meinen Arm.«

Der Renegat strich nun seinen Aermel zurück und zeigte die Gestalt einer Meerjungfer mit einem sich ringelnden Schwanze, welche in der einen Hand einen Spiegel und in der andern einen Kamm hielt.

»Eure Hoheit bemerkt hier ein Pröbchen von ihrer rohen Kunst. Dies ist das Bild ihrer Göttin Bo-gie. In der einen Hand hält sie einen eisernen Rechen, mit welchem sie die Guten tättowirt, und dieses Zeichen dient als Paß, wenn sie sich um Zulassung zu den Regionen des Segens melden. In der andern schwingt sie ein glühendes Bügeleisen, mit welchem sie diejenigen brandmarkt, welche verurtheilt sind, die Strafe ihrer Sünden zu erleiden.«

»Allah Kerim – Gott ist barmherzig! Und warum hat sie einen Fischschwanz?« fragte der Pascha.

»Die Leute, von denen ich gesprochen habe, bewohnen eine Inselgruppe, und sie braucht den Schwanz, um von einer zur andern schwimmen zu können, je nachdem ihre Anwesenheit erforderlich ist.«

»Ah, ganz recht,« bemerkte der Pascha. »Du kannst jetzt wieder in Deiner Geschichte fortfahren.«

 

Wie ich Eurer Hoheit mittheilte, tättowirten sie mich ohne Erbarmen. Die Operation dauerte eine Stunde, worauf ich wieder auf die Beine gestellt wurde. Es kam abermals eine Rede an die Reihe, von der ich so wenig als von der ersten verstand; dann überließen sie mich meinem Weibe, und die Ceremonie war zu Ende. Ich muß sagen, es wäre mir lieber gewesen, wenn man mich nicht an ein und demselben Tage naturalisirt und verheirathet hätte. In Folge des Tättowirens, war ich so geschwollen und steif, daß ich nur mit Mühe und unter dem Beistand meines Weibes nach meiner Hütte zurückgehen konnte. Die Heilmittel jedoch, welche unablässig in Anwendung kamen, stellten mich im Laufe von drei Tagen so weit her, daß ich durchaus keine Unbequemlichkeit mehr verspürte.

Ich meinte jetzt für den Rest meines Lebens heimisch geworden zu seyn. Meiner Nakapup (denn so hieß meine junge Frau) war ich leidenschaftlich zugethan, denn ich konnte trotz meiner französischen Erziehung nur anerkennen, daß ihr natürliches und ungekünsteltes Wesen weit anmuthiger und bezaubernder sey, als das studirte Benehmen meiner Landsmänninnen. Sie behauptete in ihrem Lande einen hohen Rang, da sie eine nahe Verwandte des Königs war, und zwei Jahre meines Lebens entschwanden mir in ununterbrochenem Glücke und Frieden. Aber ach! –«

 

Und der Renegat bedeckte sein Gesicht.

»Laß das, Huckaback; Du mußt nachgerade zu sehr daran gewöhnt worden seyn, Deine Weiber zu verlieren, um viel Wesens davon zu machen. Diese Franken sind wunderliche Leute,« bemerkte der Pascha gegen den Vezir. »Für jedes Weib haben sie eine Thräne bereit.«

Eure Hoheit muß mich entschuldigen – ich werde nicht wieder Anstoß geben, da dies meine letzte Heirath war. Meine bezaubernde Naka-pup starb im Kindbette, und die Insel wurde mir nun so verhaßt, daß ich sie zu verlassen beschloß. Gelegenheit dazu bot mir ein amerikanisches Schiff, welches mit einigen Missionären anlangte.

»Was sind Missionäre?« fragte der Pascha.

»Leute, welche kamen, um die Insulaner zu belehren, daß Bo-gie keine Göttin sey; sie suchten dieselben zu bereden, daß sie den wahren Glauben annehmen.«

»Ganz recht,« entgegnete der Pascha. »Es ist nur ein Gott und Mohamed ist sein Prophet. Fahre fort.«

 

Da ich beide Sprachen verstand, so versah ich den Dienst eines Dollmetschers; es war jedoch unmöglich, ihnen zu erklären, was die Missionare wollten, da die Sprache der Insel keine gleichbedeutenden Worte hatte. Es wurde eine Berathung gehalten und den Missionären folgende Antwort ertheilt:

»Ihr sagt uns, daß euer Gott die Guten belohne und die Bösen bestrafe – das thut Bo-gie auch. Wir sprechen eine Sprache, Ihr aber eine andere. Vielleicht heißt der Name eures Gottes in der unsrigen Bo-gie. Wir beten also denselben Gott nur unter verschiedenem Namen an. Es nützt nichts, weiter darüber zu sprechen. Verseht euch mit Schweinen und Jams und geht nach Hause.«

Die Missionäre ließen sich rathen, nahmen die Schweine sammt den Jams und zogen damit ab. Wir langten zu New-York an, und die Bibelgesellschaft zahlte mir auf mein Ansuchen meinen Sold aus, den ich als Dollmetscher der Missionäre von der Zeit ihrer Landung an bis zum Tage unserer Rückkehr anzusprechen hatte. Ich würde nie eine derartige Forderung gestellt haben, wenn mir nicht einer der Missionäre, welcher mich sehr lieb gewonnen, dazu gerathen hätte.

Mit dem Gelde zahlte ich meine Ueberfahrt in einem nach Genua bestimmten Schiffe, und ich langte wohlbehalten in dem Hafen an, ohne jedoch Mittel zu besitzen, um mich fortzubringen. Aber was sagt der Dichter? »Die Noth ist ein strenger Reiter und hat scharfe Sporen; sie veranlaßt die abgehetzte Mähre zu Leistungen, denen bisweilen das stärkste Pferd nicht gewachsen ist.« Da ich keine andere Hülfsquelle besaß, so beschloß ich noch einmal, mein Glück auf dem Ocean zu versuchen.

 

»Allah wakbar – Gott ist überall! Es war Dein Talleh – Deine Bestimmung, Huckaback.«

»Es war sein Kismet – sein Geschick, durchlauchtige Hoheit, versetzte Mustapha, »daß er so viele Gefahren erstehen mußte, um Eure Mußestunden zu erheitern.«

»Wallah Thaib – wohl gesprochen, bei Allah! Laß den Sklaven sich unserer Güte erfreuen. Gib ihm zehn Goldstücke; wir wollen morgen Unsere Ohren seiner nächsten Reise öffnen. Murakhas, Du bist entlassen.«

»Möge Euer erhabener Schatten nie geringer werden,« versetzte Huckaback, indem er sich vor dem Pascha bis auf den Boden verneigte.


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