Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

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Zweites Kapitel.

Der Pascha ließ sich Kaffee reichen und zog einige Minuten nachher wieder, von Mustapha und dem bewaffneten Sklaven begleitet, durch die Stadt, um einen Geschichtenerzähler aufzusuchen. Das Glück begünstigte ihn abermals, denn er war kaum eine halbe Stunde gegangen, als er einen lauten Streit hörte. Er rührte von zwei Männern her, welche an der Thüre eines kleinen, von den in der Stadt lebenden Griechen und Franken häufig besuchten Weinhauses standen, nach welchem man manchen Sklaven schleichen und mit einem vollen Kruge für die Abendunterhaltung seines türkischen Gebieters zurückkehren sehen konnte; denn es gab unter den Gläubigen Viele, welche eben so gut, wie ihre Herrscher, heimlich die Gebote des Korans verletzten.

Der Pascha machte Halt, um zu lauschen, und einer der Streitenden rief nun: »Ich sage dir, Anselmo, es ist das schnödeste Gemisch, welches nur jemals getrunken wurde, und ich denke ich muß es wohl wissen, nachdem ich die Essenz eines Aethiopiers, eines Juden und eines Türken destillirt habe.«

»Ich kümmre mich wenig um deine Destillate, Charis,« versetzte der Andere, »und betrachte mich als einen weit bessern Sachverständigen, als Du bist. Ich bin nicht fünfzehn Jahre Dominikaner-Mönch gewesen, ohne den Werth aller Arten von Weinen kennen zu lernen.«

»Ich möchte doch wissen, was der Kerl mit dem Destilliren von Leuten meint, bemerkte der Pascha, »und warum ein Dominikanermönch sich besser auf Weine verstehen soll, als andere Personen. Mustapha, du mußt diese zwei Männer zu mir bringen.«

Am andern Morgen wurden sie vorgestellt, und der Pascha verlangte eine Aufklärung von dem, der zuerst gesprochen hatte. Der Mann warf sich vor der durchlauchtigen Hoheit nieder, berührte mit dem Kopf den Boden des Divans und sagte:

»Durchlauchtige Hoheit, versprecht mir zuerst, bei dem Schwerte des Propheten, daß mir nichts Leides geschehen soll, wenn ich Eurem Befehle willfahre, und dann will ich Euch mit Vergnügen gehorchen.«

»Maschallah! Vor was fürchtet sich der Kafir? Welche Verbrechen hat er begangen, daß er Begnadigung verlangt, ehe er seine Geschichte erzählt?« sagte der Pascha zu Mustapha.

»Kein Verbrechen gegen Euren Staat, durchlauchtige Hoheit; aber in einem andern Lande bin ich unglücklich gewesen,« fuhr der Mann fort. – »Ich kann meine Geschichte nicht erzählen, wenn sich Eure Hoheit nicht herabläßt, mir das Versprechen zu geben.«

»Eure Hoheit mag es immerhin thun,« bemerkte Mustapha, »da er behauptet, sein Verbrechen sey in einem andern Staate begangen worden. Vielleicht ist es schwer, und ich vermuthe fast, daß sich's um einen Mord handelt. Aber obgleich wir die Blumen beschützen, welche unsere Gärten ziehen, und diejenigen bestrafen, welche sie knicken, so kümmern wir uns doch nicht darum, wer unsere Nachbarn belästigt und beraubt. Ein gleiches Verhältnis trifft meiner Ansicht nach bei den Staaten zu, durchlauchtige Hoheit, und es genügt für die Herrscher, wenn sie über das Leben ihrer eigenen Unterthanen wachen.«

»Sehr wahr Mustapha,« erwiederte der Pascha. »Ausserdem möchten wir die Geschichte nicht gerne verlieren. Kafir, du hast unser Versprechen und magst fortfahren.«

Der griechische Sklave (denn dies war er) stand sodann auf und erzählte seine Geschichte in folgenden Worten:

Geschichte des griechischen Sklaven

Ich bin ein Grieche von Geburt, und meine Eltern waren arme Leute, die zu Smyrna wohnten. Als einziger Sohn wurde ich zu dem Gewerbe meines Vaters, der ein Küfer war, erzogen. Als ich zwanzig Jahre zählte, hatte ich bereits meine Eltern begraben, und ich mußte nun für mich selbst sorgen. Eine Zeitlang stand ich im Dienste eines jüdischen Weinhändlers und blieb bei demselben drei Jahre nach meines Vaters Tode, bis sich ein Umstand zutrug, der zu meinem spätern Wohlstand und meiner nunmehrigen Herabwürdigung führte.

Um die Zeit, von der ich spreche, hatte ich durch Fleiß und Nüchternheit so sehr das Vertrauen meines Brodherrn gewonnen, daß er mich zu seinem Obergehülfen machte, und obgleich ich noch immer die Aufsicht führte und hin und wieder auf dem Küfergewerke arbeitete, wurde mir doch vorzugsweise das Abziehen und Verfeinern der Weine, um sie für den Markt vorzubereiten, überlassen. Wir hatten einen äthiopischen Sklaven im Hause, der unter mir arbeitete, – einen kräftigen, breitschulterigen und höchst boshaften Kerl, den mein Herr fast unmöglich zu bändigen wußte; denn er lachte über die Bastonade wie über jede andern Züchtigung und wurde hintendrein nur unzufriedener und starrsinniger als je. Wenn ich seiner Nachlässigkeit auf den Sprung kam, so leuchtete aus seinen Augen ein so drohendes Feuer, daß ich jeden Tag von ihm ermordet zu werden erwartete, und ich lag meinem Herrn wiederholt an, er möchte ihn aus dem Hause schaffen. Aber der Aethiopier war ein sehr kräftiger Mensch und konnte, wenn er wollte, ein Pipe Wein ohne Beistand weiter tragen, weßhalb sich der geizige Jude nicht bewegen ließ, meinen vielen Bitten Gehör zu schenken.

Eines Morgens trat ich in die Küferei und fand den Aethiopier an der Seite eines Fasses eingeschlafen, das ich schon seit einiger Zeit brauchte und bereit zu finden hoffte. Da ich mich scheute, ihn selber zur Strafe zu ziehen, so holte ich meinen Herrn herbei, damit er Zeuge des ungebührlichen Benehmens sey. Der Jude, über seine Trägheit erbost, schlug ihn mit einer der Dauben auf den Kopf. Der Aethiopier sprang wüthend auf; als er jedoch seinen Gebieter mit der Daube in der Hand dastehen sah, so begnügte er sich, vor sich hinzumurmeln, daß er sich nicht in dieser Weise schlagen lasse, und nahm seine Arbeit auf. Sobald mein Herr die Küferei verlassen hatte, ergoß der Aethiopier seinen Grimm gegen mich, weil ich ihn angegeben hätte, ergriff eine Daube und stürzte auf mich zu, um mir das Gehirn einzuschlagen. Ich schlüpfte hinter das Faß: er folgte mir, und ich hatte eben zu meiner Selbstverteidigung nach einem Dächsel gegriffen, als er über den Schemel fiel, der ihm in dem Wege lag. Er sprang wieder auf, um den Angriff zu erneuern, und nun versetzte ich ihm mit dem Dächsel einen Schlag, der ihm den Schädel zerschmetterte und ihn todt zu meinen Füßen hinstreckte.

Ich erschrack sehr über den Vorfall; denn obgleich ich nur aus Nothwehr gehandelt hatte, wußte ich doch wohl, daß der Herr über den Verlust des Sklaven sehr zürnen würde, und da keine Zeugen zugegen gewesen waren, so konnte es mir schlimm ergehen, wenn ich vor den Kadi gebracht wurde. Nach einiger Ueberlegung entsann ich mich der Worte des Sklaven, daß er sich nicht so schlagen lasse, und beschloß, die Leiche zu verbergen und meinen Herrn auf den Glauben zu bringen, daß er entlaufen sey. Freilich war dies einen große Schwierigkeit, da ich ihn nicht unbemerkt aus der Küferei fortschaffen konnte. Nach einigem Ueberlegen kam ich auf den Gedanken, ihn in das Faß zu stecken und dasselbe wieder aufzustellen. Ich mußte zwar aller meiner Kraft aufbieten, um die Leiche hineinzubringen, aber endlich gelang es mir doch. Nachdem ich den Deckel aufgesetzt und die Reife hinab gehämmert hatte, rollte ich das Faß in das Magazin, wo es für das Bedürfniß des nächsten Jahres mit Wein gefüllt werden sollte. Sobald es dort stand, pumpte ich den Wein aus der Kufe, füllte das Faß und schlug den Spund ein. Es war mir damit eine schwere Last von der Seele genommen, denn ich hatte jetzt wenigstens keine augenblickliche Entdeckung zu befürchten.

Kaum war mein Geschäft abgethan, als mein Herr hereinkam, und nach dem Sklaven fragte. Ich antwortete ihm, er habe die Küferei verlassen und hoch und theuer geschworen, daß er nicht mehr arbeiten wolle. Der Jude, welcher ihn zu verlieren fürchtete, beeilte sich, den Behörden Nachricht zu geben, damit man ihn wieder aufgriffe; aber da man geraume Zeit nichts mehr von dem vermeintlich Entlaufenen hörte, so glaubte man, er habe sich aus Trotz ersäuft, und Niemand dachte mehr an ihn. Mittlerweile fuhr ich fort, wie zuvor zu arbeiten, und da mir die Obhut über Alles vertraut war, so zweifelte ich nicht, zu gelegener Zeit die Mittel zu finden, um die Belästigung ruhig bei Seite zu bringen.

Im nächsten Frühjahr war ich eben beschäftigt, nach unserem Brauch Wein aus einem Fasse in das andere zu pumpen, als der Janitscharen Aga hereinkam. Er war ein großer Weinkenner und einer unserer besten Kunden. Da man seine sämmtliche Dienerschaft kannte, so ließ er den Wein nicht durch sie holen, sondern kam selbst in das Magazin, um sich ein Fäßchen auszulesen. Dies wurde dann von acht starken Sklaven in einer Sänfte, deren Vorhänge niedergelassen waren, fortgeschafft, damit man meinen sollte, er habe einen neuen Ankauf zu Vergrößerung seines Harems gemacht. Mein Herr zeigte ihm die Fässer, welche für den Markt desselben Jahres vorbereitet worden waren und in zwei Reihen dastanden; ich brauche kaum zu bemerken, daß das, welches den Aethiopier enthielt, nicht in die vorderste gehörte. Nachdem der Aga ein paar Pröbchen gekostet hatte, die ihm nicht zuzusagen schienen, bemerkte er: »Freund Issaschar, Dein Stamm will stets wo möglich die schlechtste Waare zuerst absetzen, und ich glaube daher, daß Du die besseren Sorten in der zweiten Reihe, nicht aber in der hast, welche Du mir da empfehlen willst. Laß Deinen Griechen den Heber in dieses Faß setzen,« fuhr er fort, indem er auf dasselbe deutete, in welches ich den schwarzen Sklaven gesteckt hatte. In der Ueberzeugung, er werde, den Inhalt sobald er ihn gekostet habe, wieder ausspeien, zögerte ich nicht, von dem Weine abzulassen und ihm ein Glasvoll anzubieten. Er kostete davon, hielt ihn ans Licht, kostete wieder, schmatzte mit den Lippen und wandte sich dann mit dem Ausruf an meinen Herrn: »Du Hund von einem Juden – willst mir da Dein elendes Gedresche anhängen, während Du doch hier einen Wein hast, wie ihn die Huris in Paradies nicht besser trinken können.«

Der Jude berief sich auf mich, ob der Wein nicht ganz von derselben Qualität sey, und ich bestätigte seine Behauptung.

»So koste ihn,« versetzte der Aga, »und koste dann den, welchen Du mir zuerst empfohlen hast.«

Mein Herr that es und gerieth in großes Erstaunen.

»Er hat freilich mehr Körper,« versetzte er; »aber wie es zugeht, kann ich mir nie erklären. Da koste einmal, Charis.«

Ich hielt das Glas an meine Lippen, hätte aber um keine Welt den Inhalt versuchen mögen. Ich begnügte mich, die Ansicht meines Meisters, wie ich es auch gewissenhaft thun konnte, zu bekräftigen, indem ich sagte, »daß er mehr Körper habe, als die übrigen.

Der Aga war über den Wein so vergnügt, daß er zwei oder drei weitere Fässer in der hintern Reihe probirte, ob er nicht weiteren Wein von ähnlicher Qualität finde, weil er sich wahrscheinlich einen großen Vorrath davon einzulegen gedachte. Da sich aber kein Stoff mit dergleichen Blume vorfand, so befahl er seinen Sklaven, das eine Faß, welches die Leiche enthielt, in die Sänfte zu rollen und es nach seinem Hause zu bringen.

 

»Halt einen Augenblick, Du lügenhafter Kafir!« rief der Pascha, »Willst Du uns wirklich weiß machen, daß der Wein besser gewesen sey als der übrige?«

»Warum sollte ich Eurer durchlauchtigen Hoheit eine Lüge sagen? Bin ich nicht ein Wurm, den Ihr erdrücken könnt? Aber wie ich zuvor bemerkte, ich habe ihn nicht gekostet.«

 

Nachdem sich der Aga entfernt hatte, drückte mein Gebieter seine Ueberraschung über die Vortrefflichkeit des Weines aus, welchen er für besser erklärte, als irgend etwas, was er je gekostet hatte, und es that ihm nur leid, daß der Aga das Faß mit fortgenommen hatte, weil es ihm dadurch unmöglich wurde, die Ursache zu erforschen. Aber eines Tages erzählte ich den Umstand hierorts einem Franken, welcher sich gar nicht darüber wunderte, daß der Wein besser geworden sey. Er war in England Weinhändler gewesen und theilte mir mit, es sey dort Brauch, große Stücke rohen Ochsenfleisches in den Wein zu werfen, um ihn damit zu nähren; gewisse Weinsorten würden dadurch sehr veredelt.

 

»Allah Kebur! Gott ist groß!« rief der Pascha. »Dann muß es wohl so seyn – ich habe gehört, daß die Engländer große Freunde von Ochsenfleisch sind. Nun, so fahre fort in Deiner Geschichte.«

 

»Eure Hoheit kann sich den Schrecken denken, den ich fühlte, als das Faß von den Sklaven des Aga fortgenommen wurde. Ich hielt mich für einen verlorenen Mann und beschloß, augenblicklich von Smyrna zu entfliehen. Ich berechnete die Zeit, die der Aga wohl zum Trinken des Weines brauchen konnte, und traf demgemäß meine Vorbereitungen. Meinem Herrn, sagte ich, daß ich ihn zu verlassen beabsichtige, weil mir ein Erbieten gemacht worden sey, in das Geschäft eines Verwandten zu Zante einzutreten. Mein Herr, der mich nicht gut entbehren konnte, bat mich, zu bleiben; aber ich beharrte auf meinem Entschlusse, selbst als er mir einen Antheil seines Geschäftes abtreten wollte. Bei jedem Klopfen an der Thüre meinte ich, der Aga werde mit seinen Janitscharen kommen, um mich zu holen. Ich beschleunigte meine Abreise, die ich für den folgenden Tag festsetzte, als Abends mein Herr mit einem Papier in der Hand nach dem Magazine kam.

»Charis,« sagte er, »vielleicht hast Du geglaubt, ich wolle Dich nur täuschen, indem ich mich erbot, Dich als Associé in mein Geschäft aufzunehmen. Um Dir das Gegentheil zu beweisen, habe ich hier eine Urkunde aufsetzen lassen, vermöge welcher Du Theilnehmer bist und ein Anrecht an ein Drittel des künftigen Gewinns hast. Sieh das Blatt an, und Du wirst finden, daß es in gebührende Form vor dem Kadi ausgestellt wurde.«

Er hatte mir das Papier in die Hand gedrückt, und ich wollte es eben mit einer Weigerung zurückgeben, als ein lautes Klopfen an der Thüre uns beide erschreckte. Es war ein Janitscharenhaufen, welchen der Aga abgeschickt hatte, um uns beide auf der Stelle zu ihm zu bringen. Ich wußte wohl, um was es sich handelte, und verwünschte meine Thorheit, daß ich so lange gezögert hatte. Indeß war der Wein dem Gaumen des Aga so lieblich geworden, daß er ihn viel schneller als gewöhnlich trank, und außerdem nahm die Leiche des Sklaven wenigstens ein Drittheil Platz weg, so daß also der Inhalt in demselben Verhältniß gemindert wurde. Es half keine Gegenrede, keine Ausflucht. Mein Herr, der von Allem nichts wußte, war durchaus nicht unruhig, sondern folgte den Soldaten bereitwillig; ich dagegen war vor Angst halb todt.

Als wir anlangten, brach der Aga gegen meinen Herrn in die ungestümsten Schimpfreden aus.

»Du Schurke von einem Juden!« sagte er. »Meinst Du, Du könnest einen wahren Gläubiger also betrügen, indem Du ihm eine Pipe Wein verkaufst, die nur zu zwei Drittheilen voll ist, und den Rest mit irgend einer Schmiererei auffüllst? Sage mir, was ist so Schweres in dem jetzt leeren Fasse?«

Der Jude betheuerte seine Unwissenheit und berief sich auf mich, während ich natürlich auch dergleichen that, als könne ich mir die Sache nicht erklären.

»Na, wir werden bald sehen,« versetzte der Aga. »Laß Deinen Griechen seinen Werkzeug holen und das Faß in meiner Gegenwart öffnen; dann wirst Du wahrscheinlich Deine eigene Spitzbuberei anerkennen müssen.«

Ich wurde mit zwei Janitscharen abgeschickt, um den Werkzeug zu holen, und dann aufgefordert, den Deckel des Fasses abzunehmen. Jetzt hielt ich meinen Tod für gewiß – nur das Einzige gab mir noch Hoffnung, daß der Zorn des Aga mehr gegen meinen Herrn, als gegen mich gerichtet war. Aber dennoch dachte ich, wenn das Faß geöffnet sey, müsse man den schwarzen Sklaven augenblicklich erkennen, und das Zeugniß des Meisters werde den Mord auf mich wälzen.

Mit zitternder Hand gehorchte ich dem Befehle des Aga. Der Deckel wurde abgenommen, und zum Entsetzen aller Anwesenden sah man die Leiche in dem Fasse liegen. Aber statt schwarz zu seyn, war sie während der langen Zeit ihrer Eintauchung weiß geworden. Ich ermuthigte mich ein wenig bei diesem Umstande, denn so weit war wenigstens der Argwohn beseitigt.

»Heiliger Abraham!« rief meine Herr, »was seh ich da! – ein todter Körper, so wahr mir Gott helfe! Aber ich weiß nichts davon – weißt Du's, Charis?«

Ich betheuerte, daß mir die Sache ebenso räthselhaft sey, und rief gleichfalls den Patriarchen auf, die Wahrheit meiner Behauptung zu bezeugen. Doch während wir uns in solchen Versicherungen ergingen, heftete der Aga einen tödlich starren Blick der Entrüstung, in welchem sich ganze Bände aussprachen auf meinen Herrn. Die übrigen Anwesenden bleiben zwar stumm, schienen aber doch gute Lust zu haben, ihn in Stücke zerreißen.

»Verfluchter Ungläubiger! donnerte zuletzt der Türke. »So also bereitest Du den Wein zu für die Anhänger des Propheten?«

»Heiliger Vater Abraham! Ich weiß ebenso wenig, als Ihr, Aga, wie die Leiche da hineingekommen ist. Aber ich will das Faß mit Vergnügen auswechseln und Euch ein anderes schicken.«

»Sey es so,« versetzte der Aga. »Meine Sklaven sollen es sogleich holen.«

Er gab demgemäß seine Weisungen, und bald erschien die Sänfte mit einem andern Fasse Wein.

»Es ist freilich ein schwerer Verlust für einen armen Juden – ein ganzes Faß guten Weins,« bemerkte mein Herr, als es aus der Sänfte gerollt wurde. Dann nahm er seinen Hut auf, um sich zu entfernen.

»Halt,« rief der Aga; es fällt mir nicht ein, Dich Deines Weins zu berauben.«

»Ah so – Ihr wollt mich also dafür bezahlen,« entgegnete mein Herr. »Ihr seyd ein sehr verständiger, billig denkender Mann, Aga.«

»Das sollst Du sehen,« erwiederte der Aga, welcher nun seinem Sklaven Befehl ertheilte, den Wein im Gefässe abzuziehen.«

Sobald das Faß leer war, forderte er mich auf, den Deckel herauszunehmen. Ich gehorchte und nun befahl er den Janitscharen, meinen Herrn hineinzustecken. In einer Minute war er geknebelt, gebunden und hineingestoßen. Jetzt erging der Befehl an mich, den Deckel wieder aufzusetzen. Ich gehorchte nur ungern, denn ich hatte keinen Grund, mich über meinen Herrn zu beschweren, und wußte, daß er wegen des Fehlers gestraft wurde, dessen ich mich schuldig gemacht hatte. Aber es handelte sich dabei um Leben oder Tod, und die Tage der Selbstaufopferung sind in unsrem Lande längst entschwunden. Außerdem hatte ich die Urkunde in meiner Tasche, welche mich zum Associé in dem Geschäft machte, und da mein Herr keine Erben hatte, so blühte mir die Schönste Aussicht, in den Besitz seines ganzen Vermögens zu kommen. Dazu –«

»Ich will nichts von Deinen Gründen,« bemerkte der Pascha. »Du hast also den Deckel über ihm eingesetzt – fahre fort«

»Ja, durchlauchtige Hoheit; aber obgleich ich es nicht wagte, ungehorsam zu seyn, so versichere ich Euch doch, daß es mit schwerem Herzen geschah – um so mehr da ich nicht wußte, welches Geschick mir selbst vorbehalten war.

Sobald der Deckel aufgesetzt und die Reife hinabgetrieben waren, befahl der Aga seinen Sklaven, das Faß wieder mit dem Weine zu füllen und so ging mein alter Herr elend zu Grunde.

»Schlage den Spund ein, Grieche.« befahl der Aga in strengem Tone.

Ich gehorchte und blieb zitternd vor ihm stehen.

»Sprich, was weißt Du von dieser Geschichte?«

Ich glaubte, da der Aga meinem Herrn bereits das Leben genommen hatte, so könne es ihm nichts schaden, wenn ich ihm ein bischen von seinem Rufe nähme. Meine Antwort lautete, daß ich in der That nichts wisse, als daß eines Tages ein schwarzer Sklave in sehr verdächtiger Weise verschwunden sey; mein Herr habe nur wenig nach ihm gefragt, und ich vermuthe jetzt sehr, daß der Neger wohl das gleiche Schicksal erlitten habe. Ich fügte bei, mein Herr habe sehr bedauert, daß Seine Hoheit das Faß fortgenommen, weil er es noch länger habe aufbewahren wollen.

»Der verfluchte Jude!« entgegnete der Aga. »Ich zweifle nicht, daß er ein ganzes Dutzend in dieser Weise ermordet hat.«

»Ich fürchte selbst auch, Sir,« erwiederte ich, »und argwöhne, daß er mich zu seinem nächsten Opfer ausersehen hatte; denn als ich ihn verlassen wollte, beredete er mich, zu bleiben, und gab mir dieses Papier, durch welches ich sein Associé und Theilhaber an einen Drittel des Gewinnes werden sollte. Ich vermuthe, daß ich mich dessen nicht lange zu erfreuen gehabt hätte.«

»Gut, Grieche,« bemerkte der Aga; »das ist ein Glück für Dich, da Du unter gewissen Bedingungen nun zu dem ganzen Vermögen kommen kannst. Eine davon ist, daß Du dieses Faß mit dem schuftigen Juden aufbewahrest, denn ich möchte das Vergnügen haben, mich hin und wieder an meiner Rache zu waiden. Auch dieses hier mit der andern Leiche bewahre auf, damit es meinen Zorn rege erhalte. Und schließlich wirst Du mich mit Wein von bester Qualität versehen, soviel ich brauche, ohne daß Du mir dafür eine Anrechnung machst. Willst Du auf diese Bedingungen eingehen, oder soll ich Dich als Theilhaber an diesem schändlichen Handel traktiren?«

Ich brauche kaum zu bemerken, daß ich mit Freuden auf diese Vorschläge einging. Eure Hoheit muß nämlich wissen, daß sich Niemand viel aus einem Juden macht. Als ich über sein Verschwinden befragt wurde, zuckte ich die Achseln und theilte den Neugierigen im Vertrauen mit, der Janitscharen-Aga habe ihn in's Gefängniß gesetzt und ich führe das Geschäft bis zu seiner Befreiung fort.

In Gemäßheit der Wünsche des Aga wurden die beiden Fässer, welche den Juden und den äthiopischen Sklaven bargen, in die Mitte des Vorrathskellers auf zwei höhere Widerlager gesetzt. Er pflegte Abends zu kommen und über dasjenige, welches meinen vormaligen Herrn enthielt, wohl stundenlange zu spötteln, während er dabei so viel Wein trank, daß er nicht selten bis zum nächsten Morgen im Hause bleiben mußte. Eure Hoheit darf übrigens nicht glauben, daß ich versäumte, die Eigenthümlichkeit des Weins, welchen jene Fässer enthielten, für mich auszubeuten – natürlich ohne daß der Aga etwas davon wußte. Ich hatte sie unten angebohrt und ließ beständig den Wein ablaufen, während ich oben wieder nachgoß. In kurzer Zeit war nicht eine Gallone mehr in meinem Besitz, welche nicht entweder von dem Aethiopier oder von dem Juden ein Gefährte führte. Meine Weine verbesserten sich dadurch sosehr, daß ich sie reißend verkaufte und bald reich wurde. Drei Jahre ging alles glücklich von statten, als mit einemmale der Aga, welcher während dieser Zeit mein beharrlicher Gast gewesen war, und sich wenigstens dreimal wöchentlich in meinem Hause betrunken hatte, den Befehl erhielt, sich mit seinen Truppen der Armee des Sultans anzuschließen. In seiner Gesellschaft hatte auch ich den Wein sehr liebgewonnen, obschon ich mich nie betrank. Den Tag vor dem Abmarsch der Truppen machte der Aga vor meiner Thüre Halt, stieg von seinem Araber, aber befahl seinen Leuten weiter zu ziehen, da er ihnen bald nachfolgen werde, und kam herein, um noch ein Abschiedsgläschen zu holen. Ein Glas kam um's andere, und die Zeit entschwand rasch. Der Abend brach herein und der Aga war wie gewöhnlich betrunken. In diesem Zustande wollte er noch einmal in den Keller hinunter gehen, und zu guter Letzt seine Witzeleien über das Faß zu machen, welches die Leiche des Juden enthielt. Wir standen längst auf dem freundlichsten Fuße, und da wir an jenem Abend mehr als gewöhnlich getrunken hatten, so war ich unvorsichtig genug, zu sagen:

»Bitte, Aga, spottet nicht mehr über meinen armen Meister, denn er hat mein Glück gemacht. Ehe Ihr abreist, will ich ein Geheimniß vertrauen – es ist nicht ein Tropfen Wein in meinem Keller, der nicht entweder durch ihn oder durch den Sklaven im andern Faß gewürzt worden wäre. Dies ist der Grund, warum er um soviel besser schmeckt, als der von andern Weinhändlern.«

»Wie!« rief der Aga, der nun nur noch lallen konnte. »Ganz gut, schurkischer Grieche! Du sollst sterben wie Dein Meister. Heiliger Prophet! Welch' ein Zustand für einen Muselmann, in's Paradies einzugehen – geschwängert mit der Essenz eines verfluchten Juden! Elender! Du sollst sterben – Du sollst sterben!«

Er griff nach mir, aber sein Fuß glitt aus, und er fiel in seiner Trunkenheit zu Boden, ohne wieder aufstehen zu können. Ich wußte, er würde, wenn er wieder nüchtern wäre, nicht vergessen, was stattgefunden hatte, und mich seiner Rache zum Opfer bringen. Die Furcht vor dem Tode und der Wein, den ich getrunken hatte, bewogen mich zum Handeln. Ich schleppte ihn nach einem leeren Fasse, steckte ihn hinein, setzte den Deckel auf, schlug die Reife nieder und rollte das Faß in die Reihe, wo ich es mit Wein füllte. So rächte ich meinen armen Herrn und befreite mich von allen weitern Belästigungen, die mir der Aga zufügen konnte.«

 

»Wie!« rief der Pascha in Wuth, »Du hast einen wahren Gläubigen ersäuft – einen Janitscharen Aga? Du Hund von einem Kafir – Du Sohn von Shitan – und Du wagst es noch, es einzugestehen! Ruft den Henker herein!«

»Erbarmen, durchlauchtige Hoheit – Erbarmen!« rief der Grieche. »Habe ich nicht Euer Versprechen bei'm Schwerte des Propheten? Außerdem war er kein wahrer Gläubiger, sonst würde er nicht dem Gesetz ungehorsam gewesen seyn. Ein guter Muselmann wird nie einen Tropfen Wein anrühren.«

»Ich habe versprochen, Dir den Mord des schwarzen Sklaven zu vergeben und vergab Dir auch; aber ein Janitscharen Aga – ist das nicht etwas ganz Anderes?« wandte sich der Pascha an Mustapha.

»Eure Hoheit ist mit vollem Rechte entrüstet – der Kafir verdient gespießt zu werden. Indeß gibt es doch zwei Rücksichten, auf die Euer Sklave Eure erhabene Weisheit aufmerksam zu machen sich erlaubt. Erstlich hat Eure Hoheit ein unbedingtes Versprechen gegeben und bei dem Schwerte des Propheten geschworen.«

»Staffir Allah, was kümmere ich mich um dies? Wenn ich den Eid einem wahren Gläubiger geleistet hatte, so wäre es etwas Anderes.«

»Und dann ist der Sklave mit seiner Geschichte noch nicht zu Ende, die sehr interessant zu werden scheint.«

»Wallah! Das ist wahr. Er soll in seiner Geschichte fortfahren.«

Aber der Grieche blieb mit dem Gesichte auf dem Boden liegen und richtete sich nicht wieder auf, bis ihm der Pascha das Versprechen erneuert und dasselbe bei der heiligen Fahne, welche aus dem Unterkleide des Propheten gemacht war, beschworen hatte. Seine Hoheit war wieder zu guter Laune gekommen und sehnte sich nach dem Schluß der Geschichte; so fuhr denn der Grieche folgendermaßen fort: –

 

Nachdem ich das Faß zugespundet hatte, ging ich nach dem Hof hinunter, wo das Pferd des Aga stand, versetzte demselben eine schwere Wunde und ließ es los, damit es nach Hause galopiren möchte. Der Hufschlag des armen Thieres mitten in der Nacht weckte seine Familie, und als sie entdeckten, daß es verwundet und ohne seinen Reiter angelangt sey, meinten sie, der Aga sey, als er seinen Truppen nachfolgte, von Banditen angegriffen und ermordet worden. Sie schickten zu mir, um zu fragen, um welche Zeit er mein Haus verlassen habe, und ich erwiederte, er sey eine Stunde nach Dunkel in schwerer Betrunkenheit aufgebrochen und habe seinen Säbel bei mir gelassen, den ich zurückgab. Niemand beargwöhnte den wirklichen Thatbestand, und so glaubte man, er sey auf dem Wege umgekommen.

Ich war nun meiner gefährlichen Bekanntschaft los, und obschon er mir viel Wein weggetrunken hatte, so gewann ich doch den Werth desselben mit Interessen aus der Blume, die ich von seiner Leiche erzielte und meinen übrigen Vorräthen mittheilte. Ich stellte seinen Behälter neben den beiden andern Fässern auf. Mein Handel wurde einträglicher, und meine Weine standen in größerem Rufe als je.

Eines Tages aber kam der Kadi, welcher meinen Wein hatte loben hören, heimlich nach meinem Hause. Ich beugte mich bis zur Erde über die Ehre, die er mir erwies, denn ich hatte längst gewünscht, ihn unter meine Kundschaft zu zählen. Einiges von meinem Besten ablassend, sagte ich zu ihm, als ich ihm das Glas anbot :

»Dieser Saft, Euer Gestrengen, nenne ich meinen Aga-Wein, weil ihn der verstorbene Aga so sehr liebte. Er pflegte jedesmal ein ganzes Faß zu kaufen und ließ es in einer Sänfte nach seinem Hause bringen.«

»Kein übler Einfall,« versetzte der Kadi. »Viel besser, als wenn man einen Sklaven mit einem Krug schickt, denn dies gibt immer Anlaß zu Bemerkungen. Ich will das Gleiche thun, aber zuerst laßt mich Alles kosten, was Ihr habt.«

Er versuchte den Inhalt mehrerer Fässer, aber kein Wein wollte ihm so gut behagen, als derjenige, welchen ich ihm zuerst empfohlen hatte. Endlich fielen seine Blicke auf die drei Fässer, welche höher als die andern da lagen.

»Und was ist dies?« fragte er.

»Leere Fässer,« versetzte ich.

Aber er hatte seinen Stock in der Hand und stieß an eines derselben an.

»Grieche, Du sagst mir, diese Fässer seyen leer, aber sie klingen nicht darnach. Wahrscheinlich ist darin noch besserer Wein als ich gekostet habe. Lasse mir augenblicklich davon ab.«

Ich mußte willfahren – er kostete – erklärte den Wein für ausgesucht und wollte das Ganze kaufen. Ich entgegnete, daß der Wein in diesen Fässern als Würze für den übrigen gebraucht werde und stehe so hoch im Preise, daß er wahrscheinlich nicht so viel dafür bezahlen wolle. Er fragte, wie hoch er zu stehen komme, und ich forderte viermal den Preis der andern Weine.

»Es gilt,« sagte der Kadi. »Zwar ist er theuer – aber man kann keinen guten Wein haben, ohne dafür zu bezahlen. Der Handel ist geschlossen.«

Ich wurde nun sehr unruhig und erwiederte, daß ich diese Fässer nicht ablassen könne, denn ich sey außer Stande, mein Geschäft mit Reputation fortzuführen, wenn ich die Mittel verliere, meine Weine zu würzen. Aber vergeblich. Er sagte, ich habe einen Preis gefordert, und er sey darauf eingegangen, ihn zu bezahlen. Sofort befahl er seinen Sklaven, eine Sänfte zu bringen und wich nicht aus dem Keller, bis alle drei Fässer fortgeschafft waren. In dieser Weise verlor ich mit einemale meinen Aethiopier, meinen Juden und meinen Aga.

Ich konnte mir wohl denken, daß das Geheimniß bald entdeckt werden mußte, und traf deßhalb schon am nächsten Tage meine Vorbereitungen zur Abreise. Der Kadi zahlte mir mein Geld, und ich gab ihm meine Absicht zu erkennen, die Gegend zu verlassen; denn da er mich genöthigt habe, ihm diese Weine zu verkaufen, so könne ich nicht länger hoffen, mein Geschäft mit Erfolg fortzuführen. Abermals bat ich ihn, mir die Fässer zurückzugeben und bot ihm dafür drei andere als Geschenk an, aber vergeblich. Ich miethete ein Schiff, auf das ich meine übrigen Vorrathe lud, nahm all mein Geld mit mir und segelte, ehe eine Entdeckung stattgefunden hatte, nach Corfu aus. Wir wurden jedoch von einem Sturme befallen, der uns nach vierzehn Tagen, während welcher Zeit wir vergeblich gegen ihn ankämpften, wieder nach Smyrna zurücktrieb. Als sich das Wetter gemäßigt hatte, ertheilte ich dem Capitän die Weisung das Schiff in die äußere Rhede zu nehmen, damit ich sobald wie möglich wieder aussegeln könne. Wir hatten aber noch keine fünf Minuten geankert, als ich ein Boot vom Ufer abstoßen sah, in welchem sich der Kadi und die Diener der Gerechtigkeit befanden.

Dies gab mir die Ueberzeugung, daß ich verrathen sey, und ich wußte nicht, was ich anfangen sollte. Endlich kam mir der Gedanke, meinen eigenen Leib in einem Fasse zu verbergen, wie ich es früher mit denen von anderen gehalten hatte. Ich rief den Capitän in die Cajüte herunter, theilte ihm mit, daß ich Grund zu haben glaube, der Kadi wolle mir ans Leben, und bot ihm einen großen Theil der Ladung an, wenn er mir beistehen wolle.

Der Kapitän, welcher zum Unglück für mich eine Grieche war, sagte zu. Wir gingen in den Raum hinunter, ließen eines der Fäßer ab und nahmen der Deckel heraus. Dann kroch ich hinein und die Reife wurden wieder niedergeschlagen.

Unmittelbar darauf kam der Kadi an Bord und fragte nach mir. Der Kapitän gab an, ich sey in dem Sturme über Bord gefallen und er deßhalb wieder umgekehrt, weil das Schiff an kein Haus in Corfu addressirt gewesen sey.

»So ist denn dieser verfluchte Schurke meiner Rache entkommen!« rief der Kadi – »der Mörder, der seine Weine mit den Körpern seiner Nebenmenschen raffinirte. Aber Du könntest mich täuschen, Grieche; wir wollen das Schiff durchsuchen.«

Die Schergen, welche den Kadi begleiteten, durchsuchten nun jeden Theil des Schiffes auf's Sorgfältigste. Da sie mich nicht auffinden konnten, so schenkte man dem griechischen Kapitän Glauben, und der Kadi entfernte sich mit seinen Leuten, indem er tausend Verwünschungen über meine Seele ausschüttete.

Ich athmete nun freier, obschon ich fast berauscht war von der Weinhefe, die an dem Holze des Fasses hing, und sehnte mich danach, wieder in Freiheit gesetzt zu werden. Aber der türkische Kapitän dachte nicht entfernt daran und kam nie in meine Nähe. In der Nacht lichtete er den Anker und segelte aus. Ich hörte das Gespräch zweier Matrosen mit an und entnahm daraus dessen Absichten; er wollte mich nähmlich während der Fahrt über Bord werfen und mein Eigenthum in Besitz nehmen. Ich rief diesen Leuten durch das Spundloch zu und schrie um Erbarmen; aber vergeblich. Einer derselben antwortete mir, ich habe Andere umgebracht und in Fässer gesteckt – deßhalb müsse ich in derselben Weise behandelt werden.

Ich mußte im Geiste die Gerechtigkeit meiner Strafe anerkennen und ergab mich in mein Schicksal, indem ich jetzt nur noch wünschte, schnell über Bord geworfen und so meines Elends enthoben zu werden; denn die Furcht vor dem Tode schien mir weit schrecklicher zu seyn, als die Wirklichkeit. Es war jedoch anders beschlossen. Ein Sturm, der mit aller Gewalt losbrach, nahm den Kapitän und die Mannschaft ausschließlich in Anspruch, und ich wurde entweder vergessen, oder sollte bei passenderer Gelegenheit mein Urtheil erleiden.

Am dritten Tage hörte ich die Matrosen sagen, mit einem solchen Bösewicht an Bord, wie ich sey, müsse das Schiff unvermeidlich zu Grunde gehen. Es wurden nun die Lucken geöffnet; man hißte mich herauf und warf mich in die tobende See. Der Spund des Fasses war herausgenommen; aber ich stopfte, wenn das Loch unter Wasser war, mein Schnupftuch hinein und hinderte so, daß sich mein Behälter füllte; befand sich die Oeffnung oben, so nahm ich es wieder heraus, um einige Augenblick frische Luft zu gewinnen. Von dem beständigen Rollen auf den sturmbewegten Wellen wurde ich furchtbar zerbeult, und die Schmerzen sowohl, als die Erschöpfung bewogen mich zu dem Entschlusse, das Wasser hereinzulassen und so meinem Leben ein Ende zu machen. Da fing mit einemmale das Faß mit furchtbarer Geschwindigkeit an zu rollen, und nach etlichen Umwälzungen fand ich, daß es von einer Brandung ans Ufer geworfen worden war. Einen Augenblick nachher hörte ich Stimmen. Leute kamen zu dem Fasse herauf und rollten mich fort. Ich wollte nicht sprechen, um die Personen nicht also zu erschrecken, daß sie mich am Ufer liegen ließen, wo mich die Wellen hätten wieder erfassen können; aber sobald sie Halt machten, rief ich mit matter Stimme durch das Spundloch und bat sie um die Barmherzigkeit, mich hinauszulassen.

Anfangs schienen sie zu erschrecken; aber auf meine wiederholten Bitten und auf meine Angabe, daß ich der Eigenthümer des in der Nähe liegenden Schiffes sey, den Kapitän und Mannschaft meuterischer Weise über Bord geworfen hatten, brachten sie Werkzeug herzu und setzten mich in Freiheit.

Der erste Anblick, welcher nach meiner Befreiung meinen Blicken begegnete, war mein als Wrack daliegendes Schiff, welches von jeder Welle weiter an dem Ufer heraufgetrieben und mehr in Stücke zerschellt wurde. Es war bereits in der Mitte aus einander gebrochen, und in der schäumenden weißen Brandung schwammen Weinfässer, die, sobald sie das Ufer berührten, von den Leuten, welche mich erlöst hatten, aufwärts gerollt wurden. Ich war so erschöpft, daß ich an der Stelle, wo ich lag, ohnmächtig wurde. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer Höhle auf einem Bündel alten Kleider und in meiner Nähe saßen vierzig oder fünfzig Männer um ein großes Feuer her, welche sich bei meinen Weinfässern gütlich thaten. Sobald sie bemerkten, daß ich wieder zur Besinnung gekommen war, gossen sie mir etwas Wein ein, der mich wieder kräftigte. Nun befahl mir einer aus dem Haufen, welcher der Häuptling zu sehn schien, hereinzukommen.

»Die Männer, welche wir von dem Wrack gerettet haben, erzählten mir seltsame Geschichten von Deinen ungeheuren Verbrechen. Setz' Dich nieder und erzähle mir die Wahrheit – wenn ich Dir glauben kann, so soll Dir Gerechtigkeit werden. Ich bin hier Kadi – Du bist hier auf der Insel Ischia – und wenn Du wissen willst, in was für Gesellschaft Du Dich befindest, so magst Du erfahren, daß wir von einfältigen Leuten Seeräuber genannt werden. Jetzt sprich die Wahrheit.«

Ich dachte, bei Seeräubern könne meine Geschichte eine weit bessere Aufnahme finden, als bei andern Leuten, und erzählte sie daher in denselben Worten, wie ich es jetzt vor Eurer Hoheit gethan habe. Nachdem ich zu Ende gekommen war, bemerkte der Kapitän der Bande:

»Wohlan denn – da Du zugibst, Du habest einen Sklaven getödtet, bei dem Morde eines Juden Beistand geleistet und einen Aga ertränkt, so verdienst Du zuverlässig den Tod; aber in Rücksicht auf die Vortrefflichkeit des Weines und auf das Geheimniß, das Du uns mitgetheilt hast, will ich Dein Urtheil umwandeln. Der Kapitän und die Matrosen haben sich des Verraths und Raubs auf hoher See schuldig gemacht – ein sehr schlimmes Verbrechen, das augenscheinlich Tod verdient; aber da wir durch ihre Vermittlung in den Besitz dieses Weines gekommen sind, so will ich mild gegen sie seyn. Ich verurtheile euch alle zu harter Arbeit für Lebenszeit. Ihr sollt als Sklaven nach Kairo verkauft werden, während wir das Geld einstecken und Euern Wein trinken.

Die Piraten zollten der Gerechtigkeit einer Entscheidung, welche ihnen so vorteilhaft war, lauten Beifall und wiesen alle Appellation von unserer Seite zurück. Sobald das Wetter besser wurde, brachte man uns an Bord einer kleinen Schebecke, und nach unserer Ankunft in diesem Hafen wurden wir auf dem Markt ausgestellt und verkauft.

 

Dies ist die Geschichte, Pascha, welche mich zu der Aeußerung veranlaßte, deren Erklärung Ihr wünschtet. Ich hoffe, Ihr werdet mir zugestehen, daß ich mehr unglücklich, als schuldig war, da ich bei jeder Gelegenheit, in welcher ich einem Andern das Leben nahm, nur zwischen dem seinigen und meinem eigenen die Wahl hatte.«

»Das ist eine wundersame Geschichte,« bemerkte der Pascha; »aber dennoch – wenn mein Versprechen nicht wäre, so würde ich Dir zuverlässig den Kopf abschlagen lassen, weil Du den Aga ertränkt hast. Es ist doch die Unverschämtheit zu weit getrieben, wenn ein ungläubiger Grieche meint, sein Leben sey von demselben Werthe, wie das eines Janitscharen Agas und Prophetenanhängers. Wie dem übrigens seyn mag, Du hast mein Versprechen und magst gehen.«

»Die Weisheit Eurer Hoheit ist glänzender, als die Sterne des Himmels,« bemerkte Mustapha. »Soll der Sklave noch weiter mit Eurer Güte beehrt werden?«

»Maschallah! Güte? Ich lasse ihm das Leben, und da er es für werthvoller hält, als das eines Agas, so glaube ich, daß er ein schönes Geschenk davon trägt. Ja wohl da, einen Aga zu ersäufen!« fuhr der Pascha fort, indem er aufstand. »Aber es ist gewiß eine sehr merkwürdige Geschichte. Laß sie aufschreiben, Mustapha. Wir wollen morgen den andern Mann anhören.«


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