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Ein neuer, nicht eben willkommener Charakter taucht auf, welchem ich mich jedoch wegen seiner Gefährlichkeit anschließe.
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Ich nahm mit gefaßterem Gemüte Abschied und begab mich am folgenden Tage zu Lady De Clare. Sie empfing mich freundlich, ja mehr als freundlich, sie empfing mich zärtlich und mütterlich, und Cäcilie begrüßte mich wie einen geliebten Bruder; aber bald wurden sie meine Schwermut gewahr, und nachdem sie mich wegen meines langen Ausbleibens gescholten hatten, fragten sie nach der Ursache derselben. Da ich Lady De Clare bereits mit meinen früheren Schicksalen bekannt gemacht, so hatte ich kein Geheimnis vor ihr und Cäcilie, vielmehr war es mir ein Trost, ihnen meine Klagen anzuvertrauen. Der Lord stand zu hoch über mir, Herr Masterton war zu sehr Geschäftsmann, Timothy blieb denn doch untergeordnet, auch waren sie alle Männer; deshalb that mir die sanfte weibliche Berührung besonders wohl, und nach einem Aufenthalt von drei Tagen beurlaubte ich mich mit ausgerichtetem Gemüte.
Bei meiner Zurückkunft besuchte ich Herrn Masterton. Er sagte mir, der Lord wünsche dringend etwas für mich zu thun. Er sei bereit, seinen Einfluß auf jede Art, die meinen Gesinnungen entspreche, zu verwenden. Er wolle mir eine Stelle bei der Armee oder ein Amt in Indien verschaffen, oder, falls ich das vorziehe, könne ich unter seiner eigenen (Mr. Mastertons) Leitung die Rechte studieren. Wenn mir keiner von diesen Vorschlägen gefalle, so möchte ich nur angeben, was mir am liebsten sei, und, soweit sein Einfluß und seine Geldmittel zu meiner Unterstützung reichen, mich ganz auf ihn verlassen. »Nun denn, Japhet, gehen Sie heim, und denken Sie ernstlich über diese Anerbietungen nach. Wenn Sie sich entschieden haben, welchen Kurs Sie steuern wollen, so dürfen Sie mich's nur wissen lassen.«
Ich drückte Herrn Masterton meinen Dank aus und bat ihn, Seine Herrlichkeit von meinen innigen Gefühlen in Kenntnis zu setzen. Bei meinem Nachhausegehen traf ich auf einen gewissen Kapitän Atkinson, einen Mann von sehr zweideutigem Charakter, den ich auf Carbonnells Rat beständig in gemessener Entfernung erhalten hatte. Nach dem Verlust eines bedeutenden Vermögens durch das Spiel war er, wie es gewöhnlich geht, aus der gerupften Taube ein Rabe geworden. Er war ein fashionabler Mann von gutem Äußern, guter Familie, auch in der Gesellschaft wohlgelitten, da er sich von der Notwendigkeit überzeugt hatte, seine Stellung mit bewaffneter Hand aufrecht zu halten. Dies that er als berüchtigter Duellant; er hatte schon drei oder vier Gegner getötet, und ein einziges unumwundenes Wort der Abstoßung gab ihm hinreichenden Grund, dem Beleidiger einen Freund zuzuschicken. Jedermann war höflich gegen ihn, weil niemand Händel mit ihm zu haben wünschte.
»Mein lieber Mr. Newland«, sagte er, seine Hand darbietend, »ich bin erfreut, Sie zu sehen; ich habe von Ihrem Mißgeschick in den Clubs gehört, wo zugleich einige freie Bemerkungen über Sie fielen. Es macht mir großes Vergnügen, Ihnen sagen zu können, daß ich denselben augenblicklich Einhalt that, indem ich erklärte, wenn etwas Derartiges in meiner Gegenwart wiederholt würde, so müßte ich es für eine persönliche Beleidigung nehmen.«
Wäre ich drei Monate vorher mit Kapitän Atkinson zusammengetroffen, so würde ich seine Artigkeit mit studierter Höflichkeit erwidert und ihn dann verlassen haben; aber wie sehr waren meine Gesinnungen verändert! Ich ergriff seine Hand und drückte sie mit Wärme. »Mein werter Sir«, erwiderte ich, »ich bin Ihnen aufrichtig verpflichtet für Ihr freundliches und rücksichtsvolles Betragen. Es giebt mehr Menschen, welche zur Verleumdung, als solche, die zur Verteidigung geneigt sind.«
»So wird es immer sein in dieser Welt, Mr. Newland; aber ich habe Mitgefühl. Ich weiß noch recht gut, mit welchen Schmeicheleien man mich empfing, da ich als ein junger Mann von Vermögen eingeführt wurde, und wie man mich verließ und vernachlässigte, als ich ausgefegt war. Ich weiß jetzt, warum Sie so höflich gegen mich sind, und ich schätze diese Höflichkeit nach ihrem wahren Wert. Wollen Sie meinen Arm annehmen? Ich gehe denselben Weg wie Sie.«
Ich konnte seine Begleitung nicht ablehnen, aber ich errötete, als ich sie annahm, denn ich fühlte, daß es meinen Ruf eben nicht sehr verbessern würde, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden. Übrigens fühlte ich noch etwas, nämlich daß dieser Umstand, obgleich er meinen Ruf nicht verbesserte, mich doch eher vor Beleidigungen schützen, daß dieselbe Ursache, welche die Leute so höflich gegen ihn machte, vielleicht auch mir zu gut kommen würde, wenn sie mich mit ihm verbündet sähen. Wohlan, dachte ich, so will ich mir beim Höflichkeit erzwingen.
Wir schlenderten Bondstreet hinab, wo wir einem in den fashionablen Kreisen wohlbekannten jungen Manne begegneten, der, einst einer meiner eifrigsten Anhänger, meine Bekanntschaft aufgegeben hatte. Atkinson trat ihm unter die Augen: »Guten Morgen, Mr. Oxberry.«
»Guten Morgen, Kapitän Atkinson«, erwiderte Mr. Oxberry.
»Ich glaubte, Sie kennten meinen Freund Mr. Newland«, bemerkte Atkinson mit ziemlich scharfem Tone.
»O vollkommen – ich hatte ganz – ich bitte um Verzeihung. Guten Morgen, Mr. Newland, Sie waren lange abwesend. Ich habe Sie gestern Abend nicht bei Lady Maelström gesehen.«
»Nein«, erwiderte ich nachlässig, »auch wird es nicht mehr geschehen. Wenn Sie wieder zu Ihrer Herrlichkeit kommen, so empfehlen Sie mich und fragen Sie sie doch, ob sie seitdem wieder ihre Krämpfe gehabt habe.«
»Ich werde Ihren Auftrag mit dem größten Vergnügen ausrichten, Mr. Newland; guten Morgen.«
»Jetzt rennt der Narr durch die ganze Stadt«, bemerkte Atkinson. »Sie werden bald die Folgen davon sehen.«
Wir begegneten noch ein paar andern, welche Atkinson mit derselben Frage anredete: »Ich glaubte, Sie kennten meinen Freund Mr. Newland?« – Endlich, als wir eben bei meinem Hause in St. Jamesstreet anlangten, mußten wir gerade auf Harcourt stoßen. Er erblickte mich auf der Stelle und verbeugte sich im Vorübergehen so, daß es beiden gelten konnte; aber Atkinson hielt ihn an. »Ich muß Sie um Verzeihung bitten, Harcourt, daß ich Sie einen Augenblick verweile, aber wie stehen die Wetten auf den kleinen Vestris für das Derby-Rennen?«
»Auf mein Wort, Kapitän Atkinson, man sagte mir's, aber ich habe es vergessen.«
»Sie scheinen ein schlechtes Gedächtnis zu besitzen; denn Sie haben auch Ihren alten Freund, Mr. Newland, vergessen.«
»Ich bitte um Verzeihung, Newland.«
»Sie haben keine Ursache, mich um Verzeihung zu bitten, Mr. Harcourt«, unterbrach ich ihn, »denn ich sage Ihnen offen, daß ich Sie viel zu sehr verachte, um irgendwie Ihre Bekanntschaft zu wünschen. Sie werden mich verbinden, Sir, wenn Sie sich niemals wieder herausnehmen, den Hut vor mir zu ziehen oder sonst ein Zeichen der Bekanntschaft zu geben.«
Harcourt errötete und trat zurück. »Diese Sprache, Mr. Newland –«
»Haben Sie verdient: fragen Sie Ihr eigenes Gewissen. Verlassen Sie uns, Sir!« Nach diesen Worten ging ich mit Atkinson hinweg.
»Sie haben wohl gethan, Newland«, bemerkte dieser; »er kann sich eine solche Sprache nicht gefallen lassen. Aus einem Duell werden Sie sich natürlich nichts machen, es muß Ihnen von unermeßlichem Nutzen sein.«
»Es ist mir ganz willkommen«, erwiderte ich; »denn wenn irgend ein Mensch für sein Benehmen gegen mich eine Strafe verdient, so ist es Harcourt. Wollen Sie mit mir heraufkommen, Kapitän Atkinson, um, falls Sie nicht etwas Besseres vorhaben, ein bescheidenes Mittagessen und eine Flasche Wein mit mir zu verzehren?«
Unser Gespräch bei Tische war oberflächlich, aber nach der ersten Flasche wurde der Kapitän mitteilend. Er erzählte mir seine Lebensgeschichte, die mir nicht allein günstigere Gesinnung für ihn einflößte, sondern auch im Einklang mit Carbonnells Schicksalen bewies, wie oft gerade die guten Menschen zuerst ausgeplündert und dann durch die Herzlosigkeit der Welt zur Verzweiflung getrieben werden. Übrigens waren die beiden Beispiele darin verschieden, daß Carbonnell beständig seinen Ruf zu erhalten gewußt hatte, während Atkinsons guter Name ruiniert und nicht wieder herzustellen war. Wir hatten eben unsere Flasche getrunken, als ein Billet von Harcourt kam, der mich benachrichtigte, daß er morgen einen Freund senden werde, um eine Erklärung meines Benehmens zu verlangen. Ich reichte es dem Kapitän. »Mein werter Sir, ich bin zu Ihren Diensten«, sagte er, »wenn Sie nicht etwa einen andern Bekannten vorziehen sollten.«
»Ich nehme Ihr Anerbieten mit Dank an, Kapitän Atkinson«, erwiderte ich; »ich könnte nicht in besseren Händen sein.«
»Das wäre denn abgemacht, und wohin gehen wir jetzt?«
»Wohin Sie wollen.«
»Dann will ich versuchen, ob ich diesen Abend nicht ein wenig Geld gewinnen kann. Wenn Sie mitgehen wollen, so brauchen Sie nicht zu spielen; Sie können zusehen. Auf jeden Fall wird Sie das zerstreuen.«
Ich wünschte so sehnlich, meinen Gedanken zu entgehen, daß ich auf der Stelle seinen Vorschlag annahm. Nach wenigen Minuten befanden wir uns in einem wohlerleuchteten Zimmer vor der mit Gold und Banknoten bedeckten Rouge- et Noir-Tafel. Atkinson begann sein Spiel nicht sogleich, sondern punktierte sich die Chancen, wie sie fielen, auf ein Kartenblatt. Nach einer halben Stunde legte er seine Sätze aus und war glücklich. Ich konnte der Versuchung nicht länger widerstehen, sondern spielte ihm nach; in weniger als einer Stunde hatten wir beträchtlich gewonnen.
»Das ist genug«, sagte er zu mir, sein Geld einstreichend; »wir dürfen die unbeständige Dame nicht allzulange auf die Probe setzen.«
Ich folgte seinem Beispiele, und bald darauf verließen wir das Haus.
»Ich will Sie heimbegleiten, Newland«, sagte der Kapitän. »Sie müssen, wenn Sie es vermeiden können, niemals, am wenigsten nachdem Sie gewonnen haben, allein aus einem Spielhause gehen.«
Als wir an meinem Hause waren, lud ich ihn ein, mit mir herauszukommen. Er that es, und wir taxierten unsern Gewinn. »Ich kenne den meinigen«, sagte er, »bis auf zwanzig Pfund, denn ich höre immer bei einem gewissen Punkte auf. Ich habe dreihundert Pfund und noch etwas darüber.«
Er hatte dreihundertfünfundzwanzig Pfund gewonnen. Mein Gewinn betrug neunzig. Bei einem Glase Grog fragte ich ihn, ob er immer glücklich sei. »Nein, das natürlich nicht«, erwiderte er, »aber im ganzen gewinne ich das Jahr hindurch genug, um mich damit durchzubringen.«
»Giebt es irgend eine Regel, an die man sich beim Spielen hält? Ich bemerkte mehrere, die am Tische saßen, die die Chancen mit großer Sorgfalt punktierten und dann von Zeit zu Zeit ihre Sätze machten.«
» Rouge et noir«, versetzte Atkinson, »ist wohl das günstigste von allen Spielen; allein, wo es einmal einen unablöslichen Abzug zu Gunsten der Bank giebt, so mag man gewinnen oder verlieren, der Vorteil bleibt immer auf Seiten der Bank. Wenn einer das ganze Jahr in einem fortspielte, der könnte am Ende so viel verlieren, als die Nationalschuld beträgt. Was diese Berechnungen betrifft, womit Sie die Leute so beschäftigt sahen, so sind sie samt und sonders wertlos. Ich habe alles das versucht und nur eine glückliche Methode gefunden, aber dann darf man kein Spieler sein.«
»Kein Spieler?« fragte ich verwundert.
»Das heißt kein Hazardierer; man darf sich nicht von der Aufregung des Spiels hinreißen lassen, sonst wird man unfehlbar verlieren. Dazu bedarf es jedoch einer Seelenstärke, wie sie freilich nur wenige haben, oder man ist in kurzem ausgebeutelt.«
»Sie sagten aber, daß Sie im ganzen gewinnen. Haben Sie keine Regel, die Sie dabei leitet?«
»Allerdings, die habe ich; so wunderlich die Chancen ausfallen mögen, so bin ich dennoch so sehr an ihren Gang gewöhnt, daß ich in der Regel auf die rechte Karte setze. Wenn ich einmal in einem glücklichen Zuge bin, so folge ich einer ganz eigenen Methode, die ich mit Worten nicht zu benennen weiß. Nur so viel kann ich sagen, daß ich nicht von ihr abgehen darf, wenn ich nicht ganz bestimmt mein Geld verlieren will. Aber das können Sie Glück nennen, oder wie Sie sonst wollen – eine Regel ist es nicht.«
»Worin bestehen denn Ihre Regeln?«
»Einfach in zwei Dingen. Das erste ist leicht zu befolgen: ich mache mir's zum Gesetze, wenn ich mit unglücklichen Sätzen anfange, niemals mehr als eine gewisse Summe zu verlieren; nehmen Sie zwanzig Sätze an, der Betrag des Satzes mag sein, welcher er will. Dies ist, wie gesagt leicht durchzuführen, indem man nicht mehr Geld mitbringt; und ich bin keiner von denen, welchen der Croupier Geld leihen wird. Die zweite Regel ist schwieriger und läßt unterscheiden, ob jemand ein leidenschaftlicher Spieler ist oder nicht. Ich mache mir's immer zum Gesetze, aufzuhören, wenn ich eine gewisse Summe gewonnen habe, ja selbst noch früher, wenn meine Chancen ins Schwanken kommen. Hierin liegt nun die Schwierigkeit. Es scheint sehr thöricht, sein Glück nicht zu verfolgen, aber Fortuna ist so launenhaft, daß man ihr nicht länger als eine Stunde trauen darf, wenn man nicht von ihr betrogen werden will. Dies ist meine Art zu spielen, und bei mir schlägt sie an; daraus folgt aber nicht, daß sie auch bei einem andern anschlagen müsse. Doch es ist sehr spät oder vielmehr sehr früh; ich wünsche Ihnen gute Nacht.«
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