Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einundzwanzigstes Kapitel

Glänzende, plötzliche Einführung in die fashionablen Kreise. Beweis, daß ich meiner Erhebung würdig bin.

————

»Ich bitte um Verzeihung, Newland«, sagte der Major, als er, strahlend von Ketten und Schmuck, aus dem Ankleidezimmer zurückkam; »aber ich muß Ihren Taufnamen wissen.«

»Der klingt seltsam, ich heiße Japhet.«

»Japhet! bei den unsterblichen Mächten, da würde ich meinen Paten und Patinnen den Prozeß machen; Sie müßten schweren Schadenersatz bekommen.«

»So darf ich annehmen«, versetzte ich mit einem durchdringenden Blick, »Sie möchten den Namen nicht für baare Zehntausend jährlich haben.«

»Halt! das ändert die Sache; es ist zum Erstaunen, wie sich ein Name gleich so hübsch in großen goldenen Lettern ausnimmt. Nun ja, da Sie der alte Ehrenmann, wer er auch gewesen sein mag, ganz artig entschädigt hat, so müssen Sie vergeben und vergessen. Wo gehen wir jetzt hin?«

»Mit Ihrer Erlaubnis – da bin ich nun in diesen Kleidern nach London gekommen, die mir ein deutscher Schneider gemacht hat, der Hofschneider eines Fürsten, aber kein Fürst der Schneider – ich wünschte, Sie führten mich zu dem Ihrigen; Ihr Anzug scheint mit sehr korrekt.«

»Sie zeigen Geschmack, Newland, er ist korrekt. Stulz wird entzückt sein, Ihren Namen in seinen Büchern zu haben und dieser Gestalt zu seinem Rechte zu verhelfen. Allons donc

Wir schlenderten St. Jamesstreet hinaus; bis wir zu Stulz kamen, war ich wenigstens zwanzig jungen Herren vorgestellt. Der Major gab die genauesten Anweisungen über alle Einzelheiten meines Anzugs, worin ich ihm, den ich aufs beste mit der Mode bekannt wußte, völlig freie Hand ließ. Als wir aus dem Laden gingen, sagte er: »Nun, mein lieber Newland, hab' ich Ihnen einen Beweis von Freundschaft gegeben, dessen sich kein anderer Mensch in England rühmen kann. Ihr Anzug wird ein non plus ultra werden. Es giebt kleine Geheimnisse, die nur der Eingeweihte kennt, und Stulz hat gemerkt, daß es mir diesmal Ernst war. Wie oft bin ich gebeten worden, das für andere zu thun! Ich stelle mich auch so an, aber ein Wink ist hinreichend, so daß Stulz es nicht wagt, ihnen die Vollendung zu geben. Brauchen Sie nicht etwas Bijouterie? oder haben Sie das zu Hause?«

»Ich könnte wohl ein paar Kleinigkeiten brauchen«, sagte ich.

Wir traten bei einem berühmten Juwelier ein, wo mir mein neuer Freund für etwa vierzig Pfund Schmuck aussuchte. »Das ist genug; kaufen Sie niemals viel, denn man muß wenigstens alle drei Monate wechseln. – Was kostet diese Kette?«

»Nur fünfzehn Guineen, Sir.«

»Gut, ich nehme sie«, sprach der Major, »aber vergessen Sie nicht! Ich sage es Ihnen ehrlich voraus, daß ich Sie nie bezahlen werde.«

Der Juwelier verbeugte sich lächelnd, der Major schlang die Kette um den Hals und wir verließen den Laden.

»Es scheint, Major, Ihr Wort gilt bei diesen Leuten nichts.«

»Mein lieber Junge, dann ist's ihr Fehler, nicht der meinige. Ich sage ihnen immer ehrlich, daß ich sie nie bezahlen würde, auch können sie sich darauf verlassen, daß es mir heiliger Ernst ist, mein Wort zu halten. Ich zahle keinen Menschen, und zwar aus dem einfachsten aller möglichen Gründe, nämlich, weil ich kein Geld habe. Dagegen leiste ich ihnen große Dienste: ich bringe sie in die Mode, und das wissen sie.«

»Was für Schulden bezahlen Sie denn eigentlich, Major?«

»Lassen Sie mich nachdenken, das verlangt Überlegung. – O ja, zum Beispiel, ich bezahle meine Wäscherin.«

»Zahlen Sie keine Ehrenschulden?«

»Ehrenschulden! Sehen Sie, Ihnen will ich die Wahrheit sagen, denn wir werden doch ein Paar zusammen abgeben. Wenn ich gewinne, so nehm' ich das Geld; wenn ich aber verliere – nun, so vergess' ich's eben zu bezahlen. Übrigens sage ich das den Leuten immer voraus, ehe ich mich an den Spieltisch setze. Wenn sie mir nicht glauben, so ist's nicht meine Schuld. Aber was ist die Uhr? Kommen Sie, ich muß ein paar Besuche machen, da will ich Sie zugleich einführen.«

Wir gingen nach Grosvenor-Square, einem großen, elegant ausgestatteten Hause zu, klopften, wurden eingelassen und gemeldet.

»Meine teure Lady Maelstrom, gönnen Sie mir die Ehre, Ihnen meinen besonderen Freund, Mr. Newland vorzustellen, den mir Lord Windermear während seiner Abwesenheit anvertraut hat. Er kommt eben vom Kontinent, von seiner großen Tour, zurück.«

Ihre Herrlichkeit beehrten mich mit einem Lächeln. »Da fällt mir eben ein, Major, – kommen Sie doch ein wenig ans Fenster. Entschuldigen Sie uns einen Augenblick, Mr. Newland.«

Der Major und Lady Maelstrom gingen zum Fenster, wechselten einige Worte und kamen wieder. »Versprechen Sie mir, es nicht zu vergessen«, sagte die Dame mit aufgehobenem Finger.

»Ihrer Herrlichkeit leiseste Wünsche sind mir strenge Befehle«, versetzte der Major, sich anmutig verbeugend.

Als wir uns nach einer viertelstündigen, lebhaften Unterhaltung beurlaubten, trat die Dame auf mich zu, reichte mir die Hand und sagte: »Mr. Newland, Lord Windermears Freundschaft und Major Carbonnells Empfehlung geben mir hinreichenden Grund, Ihren Namen auf meine Besuchsliste zu setzen. Ich hoffe, Sie recht oft zu sehen, wir müssen gute Freunde werden.«

Ich verbeugte mich bei dieser schmeichelhaften Einladung. Sobald wir das Haus verlassen hatten, begann der Major: »Wissen Sie, warum sie mich auf die Seite genommen hat? Um mich ›auszupumpen‹. Sie hat keine Töchter, aber an die fünfzig Nichten, und Kuppeln ist ihre Wonne. Ich gab ihr mein Wort zum Pfande, daß Sie zehntausend Pfund jährlich hätten; wie viel noch obendrein, könnt' ich ihr nicht sagen. Ich habe nicht fehlgeschossen, nicht wahr?

Ich lachte. »Was ich wert sein mag, Major, das kann ich wahrhaftig nicht sagen, aber der Erfolg, hoff' ich, wird zeigen, daß Sie nicht weit gefehlt haben. Nichts mehr davon, lieber Freund.«

»Ich verstehe, Sie sind noch nicht volljährig, noch nicht im Besitze Ihres Vermögens.«

»Getroffen, Major, das ist eben der Fall. Ich bin kaum mehr als neunzehn.«

»Sie sehen älter aus, aber freilich, die Testamentsexekutoren nehmen es ein wenig scharf mit dem Taufbuch. Sie müssen sich begnügen, Japhet, für die nächsten paar Jahre den Moses mit der Aussicht ins gelobte Land zu spielen.«

Wir machten noch zwei oder drei Besuche und kehrten dann in die St. Jamesstreet zurück. »Wohin jetzt?« sagte der Major; »ei, haben Sie nicht nötig, zu Ihrem Bankier zu gehen?«

»Wir könnten ja miteinander hinschlendern und sehen, ob etwas für mich eingezahlt worden ist«, erwiderte ich mit nachlässigem Tone.

Hierauf gingen wir zu Drummond, wo ich fragte, ob ein Kredit für Mr. Newland eröffnet sei.

»Ja, Sir«, erwiderte einer von den Schreibern; »gestern sind tausend Pfund eingezahlt worden.«

»Ganz gut«, sagte ich.

»Wie viel wollen Sie ziehen?« fragte der Major.

»Gar nichts«, war meine Antwort; »ich habe für den Augenblick mehr in meinem Schreibtisch, als ich eigentlich brauche.«

»Gut, so lassen Sie uns gehen und das Diner bestellen, – oder vielleicht streifen Sie gern noch ein wenig herum; dann will ich den Gang auf mich nehmen. Da kommt Harcourt, das trifft sich glücklich. Harcourt, mein lieber Junge, ich stelle Ihnen meinen besondern Freund, Mr. Newland, vor. Ich muß Euch jetzt verlassen; nehmen Sie ihn unter den Arm, Harcourt, auf ein halbes Stündchen, und dann speisen Sie mit uns in der Piazza.«

Mr. Harcourt war ein eleganter junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, witzig, sarkastisch und sehr gebildet. Wir gefielen uns gegenseitig und waren bald vertraut. Nach einer halbstündigen Unterhaltung fragte er mich, was ich von dem Major denke. Ich sah ihn an und lächelte.

»Dieser Blick«, sagte er, »verbürgt mir, daß Sie sich nicht werden von ihm düpieren lassen, sonst würde ich Sie gewarnt haben. Er ist ein merkwürdiger Charakter. Wenn Sie übrigens so viel Geld haben, um ihn unterhalten zu können, so giebt es keine bessere Wahl für Sie, denn er ist überall bekannt und hat überall Zutritt. Seine Verbindungen sind bedeutend. Früher besaß er ein hübsches Vermögen, – es ging aber bald drauf, so daß er genötigt war, seinen Rang in der Garde zu verkaufen. Jetzt lebt er von der Welt, die, mit Shakespeare zu reden, seine Auster ist, und es fehlt ihm nicht an Witz und Scharfsinn, um sie zu öffnen. Außerdem hat er einige Aussicht, eine Pairie zu erben. Diese, seine geselligen Talente und der Name des fashionabelsten Mannes in London sind die Mittel, die sein Haupt über Wasser halten. Ich glaube, Lord Windermear, der sein Vetter ist, hilft ihm manchmal heraus.«

»Lord Windermear ist es, dem ich seine Bekanntschaft verdanke.«

»Dann wird er Ihnen keinen Streich zu spielen wagen, außer, daß er sich Ihre Mahlzeiten schmecken läßt, Ihre Guineen borgt und sie heimzuzahlen vergißt.«

»Sie müssen aber zugestehen, er sagt es immer voraus, daß er nicht bezahlen werde.«

»Ja, das ist der einzige Punkt, worin er Wort hält«, versetzte Harcourt lachend; »aber sagen Sie mir, soll ich heute wirklich Ihr Gast sein?«

»Wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen.«

»Ich versichere Sie, ich bin entzückt über die Gelegenheit, Ihre nähere Bekanntschaft zu machen.«

»So lassen Sie uns unsere Schritte gegen die Piazza lenken, denn es ist schon spät.« – Und wir wandten uns nach dem Hotel.

*


 << zurück weiter >>