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Würde der Frau im Drama Lienhards

 

St. Odilia

Schutzpatronin des Elsasses

Ihr Herz war eine Sonne.
Ihre Augen tot und grau,
Und von der klaren Stirne
Der wunderschönen Frau
Flossen die goldnen Haare
In einer reichen Flut –
O heil'ge Frau von Odilien,
Mach' du mich fromm und gut!

In einen Brunnen am Berge
Tat sie die weiße Hand
Und wusch sich die blinden Augen:
Da sah sie ihr Alsa-Land
In leuchtender Maienblüte
Vor ihren Augen stehn –
O heil'ge Frau von Odilien.
Lehr' du mich also sehn!

Im Kloster läuten die Glocken,
Im Nebel ertrank die Welt –
Doch sieh, hell flammen die Sterne
Vom Sommernachts-Himmelszelt.
Doch sieh, hell leuchtet Straßburg
Herüber zu unsren Höhn –

O heil'ge Frau von Odilien,
Elsaß ist wunderschön!

Lebensfrucht

 

Aus der Legende Odilia

Adelbert (höflich, ruhig und ernst)

Komm' ich dir unliebsam? Verzeih mir. Jungfrau.

Odilia (freundlich und unbefangen)

Von Herzen mir willkommen, Adelbert.

Adelbert (verwundert)

Du kennst mich? Hast du jemals mich gesehen?

Odilia

Mit diesen Erdenaugen nicht, doch jüngst
Im Traume sah ich dich und sprach mit dir.

Adelbert

Im Traume Menschenseelen zu besuchen.
Hast du die Gabe? Kann dein Geist sich lösen?
Ich sah dich heut' von fern, als ich im Walde
Auf stillem, sand'gem Weg vorüberritt.
Du standest einsam, unter alten Buchen,
In weißem Kleid, umspielt von Tannenlichtern,
Und Fink und Amsel flatterten um dich,
Das Eichhorn lauschte von dem tiefsten Aste.
Und eine Turteltaube – oder irrt' ich? –
Saß auf der Hand dir. von dem Munde nippend
Die Speise, die du lächelnd botest. Ringsum
War edler Sommerfriede, nur durchbrochen
Von meines Rosses leisem Hufschlag, als ich
Von meiner Stadt nach dieser Waldburg zog.

Odilia (lächelnd)

Elsaß ist wunderschön. Ich hab' die Heimat.
Die lang mir unbekannte, herzlich lieb;
Mit Waldvöglein und Blumen schloß ich Freundschaft.
Und willst auch du, Graf Adelbert, mir Freund sein?

Adelbert Nicht Freund nur: Bruder dir, du Anmutreiche!

Odilia Mein Helfer sollst du sein, Graf Adelbert.
Vernimm, was Großes mir im Traum erschien:
Es soll ein Königreich wie eine Lilie
Aus diesem Lande blühen – morgen schon,
So sah ich es, ist dieses Reiches Anfang.
Und du, der vor mir steht, Graf Adelbert,
Sollst erster König sein, des Reiches Schirmherr!

Adelbert (erstaunt)

Seltsam, bei Gott! Gab dir dein Vater Kunde,
Was er und ich verschwiegen planen? – Seltsam!
Ein Reich, vielleicht ein Königreich, wer weiß,
Ist unser dunkler Plan. Die Merowinger
Sind morsch und alt, wir hier im Wald sind stark;
Zerspalten ist das wirre Frankreich.
Doch mächtig Eticho und Adelbert.
Nun denn – begreife wohl – wenn nun wir beiden
Uns eng verknüpfen, uns verschwistern, uns – –

Jungfrau, ich bin ein Mann von graden Worten,
Vernimm: mit deines Vaters Willen werb' ich
Um deine Hand – Odilia, sei mein Weib!

(Läßt sich auf ein Knie nieder)

Gib mir dein Herz, du unbegreiflich Holde,
Die wie ein Engel kam in unsre Rauheit!
Ich weiß, unwürdig bin ich dein! Doch lange
Trug ich ein Herz voll unerfüllter Sehnsucht
Nach edler Minne durch die Welt! Ach, keine
Auf diesem Erdkreis schien mir liebenswert,
Sie waren kleiner als das Himmelsbild
Der Liebe, das ich tief im Kerzen trug – –
Nun sah ich dich, und meiner Sehnsucht Bild
Zerrinnt, denn du bist schöner als mein Traum!

Odilia (mild und freundlich, die Hand auf sein Haupt legend)

Mein irrer Freund, was sprichst du da zu mir!
Gott hob die Hand, und wie ein Sonnenwölkchen
Kam ich herab, herschwebend auf die Erde,
Weil eine Sendung mich hierherberief.
Nicht ich, nicht diese Hände, nicht dies Antlitz,
Du Mann der Sehnsucht, stillen dir die Seele:
Ich bin ja nur ein Ton auf Gottes Harfe,
Von fern in euer rauhes Land verweht,
Heimweh zu wecken nach dem ew'gen Licht.
Dein Wunsch hat sich verlaufen: bitte du,
Daß wir der Well gemeinsam Sonne bringen,
Dann bist du mein, und ich bin dein, denn beide
Sind wir des Herrn, zu dessen Preis wir wirken.

 

Adelbert (erhebt sich, innig, ihre Hand fassend)

Ja. Gute, ja, zu Gottes Ehren wirken.
Doch als dein Gatte! Sieh, ich unterliege,
Wenn ich allein bin – Süße, sei mein Weib!
Du träumst aus deiner reichen Seele Gutes,
Ich bin der Mann und zieh' mein redlich Schwert
Und schaffe Geltung dem, was du geträumt!
Wo ist ein Königspaar im Frankenland,
Das so zu Gottes Ehre Segen schafft?

Odilia

Ich muß dir weh tun, trauter Adelbert.
Nie darf des Mannes Lippe mich berühren:
Ich muß den Unsichtbaren Gattin sein.
Und steig ich nieder von der reinen Höhe,
So will ich dennoch frei sein von dem Werktag:
Nur Botin, die dem Tale Gutes bringt –
Doch nicht als Gattin, mit dem Körper nicht
Mich bannen in die Sünde! Mein Beruf
Ist dieser: Höhenlicht hinabzutragen
In dieses Volk der Roheit und der Laster. –
Zürnst du mir, Adelbert? – Du muß nicht zürnen.

Adelbert (traurig)

Du nimmst mir alles. Du, ein Herz voll Güte,
Und ich, der dich so treulich hegen möchte –
Und tust mir lächelnd weh, unsagbar weh –- –
O fremdes Mädchen, ich versteh' dich nicht. –

 

Gottfried von Straßburg

Zweiter Aufzug.

Gottfried. Maria.

Gottfried (sich verneigend, einfach)

Ich bin's.

Maria (ernst und streng)

Mit meiner Magd im Zwiegespräch?
Um solche Stunde?

Gottfried Ja. Das Mädchen sollte
Mir Pforte sein zum Zwiegespräch mit Euch.

Maria (immer kühl)

Das Kind sprach mir davon. Ein kecker Wunsch!
Ich weiß nicht, soll ich zürnen oder staunen.
Und was sie nicht mir sagte, kündet längst,
Herr Schreiber, Euer sonderlich Gebaren.
Wohlan, Herr, laßt uns offen sein; es freut mich,
Daß ich Euch sprechen kann und unbelauscht.
Denn Klage muß ich führen. Herr Magister!
Mißachtet Ihr denn ganz, daß eine Braut,
Vor Zeugen einem andren längst verlobt,
Daß eine Braut, geschützt durch Gottes Auge,
Dem alles Bündnis dreimal heilig ist,
Daß eine Braut vor Euren Wünschen steht,

Unheil'ger Mann, der mich so keck verfolgt?!
Und dennoch schafft Ihr meinem Bräut'gam Kummer
Und weckt Verdacht bei meinen Nachbarn, bringt mich
Auf jedem Fest in ärgerlich Gerede
Durch unachtsame Blicke – ei, Kerr Gottfried,
Unfrieden stiftet Ihr, nicht Gottesfrieden!

Gottfried einfach, mit Anmut und Herzlichkeit)

In Wahrheit? Tu ich das? – Ich weiß es nicht.
Mit Willen trat ich niemals Euch zu nahe.
Tat ich Euch weh? Vergebt mir, holde Herrin.
Ich will die Augen niederschlagen, will
Die Feste meiden, die auch Ihr besucht,
Und seh ich Euch von weitem, will ich rasch
In eine Gasse flüchten, niemals soll Euch
Mein Anblick wieder weh tun! ... Eins nur, Jungfrau,
Laßt mich in dieser Sommernacht Euch sagen:
Laßt mich Euch herzlich danken, holde Herrin!

Maria (verwundert)

Danken? Wofür?

Gottfried

Kennt Ihr die Liebesmär
Von Riwalin und Blancheflur?

Maria Das wißt Ihr.

Gottfried

Und liebt Ihr dieses Lied?

Maria

Das wißt Ihr gleichfalls.

Gottfried

Ihr aber wißt nicht, wer der Sänger ist!
Und wißt nicht, daß er Euch sein Lied verdankt!

(Läßt sich auf die Knie nieder)

Ja, Herrin, diese Mondnacht mußt' ich bitten,
Daß sie mich schütze, daß ich danken könne
Der Einzigen, die eine Welt mir gab!
Staunt nicht, Maria! Laute gabt Ihr mir,
So liebesinnig – Weihnachtswinterglocken,
Fernher aus einem tiefverschneiten Wald,
Unwiderstehlich wie des Frühlings Wasser,
So leicht und lieblich wie ein Halmeraunen,
Wenn eine Waldfrau durch die Lichtung geht!
Wildsüße Laute, die mich längst verfolgt,
Ein Schwarm gebannter Geister, bis der Sänger Das Wort gesprochen, das die Schar erlöste!

(Steht auf, einfach, warm)

Dafür nehmt meinen Dank! (verneigt sich) Ich, Herrin, sang
Das Lied von Riwalin und Blancheflur.

Maria

Ihr habt das Lied von – –?

Gottfried

Liebt Ihr nicht das Lied?

Maria

Ob ich es liebe?

Gottfried

Und Ihr haßt den Sänger?

Maria

Ich haß' Euch nicht, Herr Gottfried – Ihr ein Dichter?

Gottfried

(zieht sie neben sich auf die Bank)

Nur Dichter? Nein, ein König, edle Maid!
König des Wasgaus! König der Welt, Maria!
Der Sterne, aller Ewigkeiten König!
Du kröntest mich – und du verargst mir, Holde.
Wenn dir so innig meine Blicke danken?

Maria

Ich hätt' Euch – ach, ich bin ja selbst so arm.
Nur voller Sehnsucht, die sich nie erfüllt.
Nur glücklich, wenn ich träumen darf – wie hätt' ich.
Ein töricht Mädchen, Euch beschenkt?

Gottfried

Dornröschen
Lag tief im Heckenschloß und schlief: war das
Besondrer Reichtum? Um ihr flutend Haar
Glühten die roten Rosen; wunderschön,
Im Rosenmeer ertrunken, schlief die Maid,
Die andren sahn nur Hecken, dick und dornig:
Doch als der Prinz kam, fragt' er nicht bedachtsam,
Ob Tod, ob Leben. Dornen oder Rosen –
Er sprang ins Blütenmeer, fand sie und küßte,
Küßte das Schloß lebendig, Koch und König!
Dornröschen, so hast du aus toten Hecken
Lieder geweckt, und mit des Liedes Rosen
Hast du gesegnet mich und alle Welt!

Maria

Schön fließen Euch die Worte – – aber sag! doch,
Warum verschweigt Ihr Eure edle Gabe?

Gottfried

Willkommne Nacht war mir die Einsamkeit:
Ich lebte drin mit dir und meinen Geistern.
Doch früh genug muß ich hinaus! Denn sieh,
Schon weiß des Kaisers erster Sohn –

Maria

Prinz Heinrich?

Gottfried

Von meinem Lied und hat's mit Lust gelesen.
Jawohl, Prinz Heinrich, selber Minnesänger,
Der jetzt zu Hagenau mit Kaiser Rotbart
Hof hält.

Maria

Doch gibt es denn in Kaisers Landen
Solch eine Maid wie Blancheflur, und gibt es
Solch eine Liebe? Ach, das muß wohl weit sein!
Wir hier in Straßburg sehnen nur und träumen ...

Gottfried Wie könnt' ich singen, was ich nicht geschaut?

Maria Wo ist dies Land?

Gottfried (mit unbestimmter Handbewegung)

Tief in der Einsamkeit.

Maria

Im Wasgenwald?

Gottfried

Viel näher und viel weiter.
Darf ich den Weg dir weisen, trautes Mädchen?
Darf ich dir sagen, was ich heute schrieb?
Denn dieser Sang ist erst ein Leichenlied,
Vorfrühling, gar gering, – doch blühen soll
Ein ganzer Mai dem hell verjüngten Elsaß!
Mit Tau und Perlen soll sie ganz verschütten
Mein Sommerlied von Tristan und Isolde!
So heißt mein Werk! Darf ich dir davon plaudern?

Maria Ich hör' Euch gerne sprechen, Gottfried ...

Gottfried

Sieh:

Held Tristan fährt mit König Markes Braut
Fern über Irlands schaumbewegte See,

Heim bringt er sie zu seinem greisen Herrn.
Doch tief im Herzen wühlt, so ihm wie ihr,
Geheimer Minne wonnesames Weh.
Wer nun bekennt, durchbrechend Zwang und Sitte,
Dem anderen zuerst das süße Leid?
Damals, Maria, glühten wilde Herzen
Voll Minnekraft an Irlands Märchenküsten,
Und sie, Isolde war es, die begann:...
»Was ich weiß, das tut mir weh.
Mich mühet Himmel und wilde See,
Leib und Leben beschweren mich!«
Da stützte sie und lehnte sich
Mit ihrem Ellenbogen an ihn:
Das war der Kühnheit ein Beginn.
Ihre Augen, die spiegelhellen,
Ihr Herz begann zu quellen,
Ihr süßer Mund zu schwellen –
Schwer sank ihr Haupt hernieder ...
Da begann auch er hinwieder,

(Legt den Arm um Maria)

Die Holde zu umpfahen
Und sittig ihr zu nahen,
Doch nur in Gastes Weise.
Er sprach süß und leise:
»Ei, schöne Süße, saget mir,
Was wirret Euch, was klaget Ihr?«
Der Minne Federspiel Isot:
»Lamêr«, sprach sie, »ist meine Not.

Lamêr beschweret mir den Mut,
Lamêr ist's, was mir wehe tut.«
Da sie das Wort so oftmals sprach.
So bedachte er allgemach
Hin und her und wieder hin
Der Worts Lamêr geheimen Sinn.
Sacht begann er sich zu entsinnen,
Lamêr das hieße Minnen,
Lamêr – Bitternis, Lamêr – das Meer,
Der Deutung deucht' ihm ein ganzes Heer!
Doch klug verschwieg er von den drei'n
Das eine erst und frug nach zwei'n:
»Ich wähne,« sprach er, »schöne Isot,
Meer und Bitternis sind Eure Not.
Euch quälet Meer und Nebelwind,
Ich wähne, daß die Euch bitter sind«.
»Ach, nein, Herr, nein! Was saget ihr?
Keins von diesen beschweret mir
Das Herz, nicht Luft noch See:
Lamêr alleine tut mir weh.«
Nun, da er des Suchens zu Ende kam
Und süße Minne im Wort vernahm,
Sprach er gar inniglich zu ihr:
»Wahrlich, Schöne, so ist auch mir!
Lamêr und Ihr seid meine Not!
Herzensfrau, liebe Isot,
Ihr allein und Eure Minne,

zieht Maria eng an sich, heißer)

Ihr habt mir alle meine Sinne
Ganz verkehret und benommen,
Ich bin aus Weg und Pfad gekommen,
So weitab, ach, verirrt so sehr,
Den Heimweg find' ich nimmermehr« ...
Da mich all Scheu und Fremde hin –
Er küßte sie – sie küßte ihn – –

(Hebt Marias Kopf, der an seiner Schulter lehnt, und küßt lang ihren Mund.)

Gottfried

Isolde –

Maria (willenlos)

Nicht – Ich darf dich ja nicht lieben –

Gottfried

Das Bitterkräutlein »darf nicht« kenn' ich nicht,
Wächst nicht in Irlands meerumspülten Gärten.

Maria

Berauschend schön ist deine Welt – ach Gottfried,
Du Reicher, darf ich denn in deine Welt?

Gottfried

Du bist ja Königin in meiner Welt!
Von den Millionen Menschen du allein!
Als ich zuerst dich sah, weißt du, am Wasgau?
Da sprang in mir der Dichtung Quell, und dir
Sang ich den ersten Vers, den Weihevers:
Du Rosenblüte, du Lilienblatt,

Du Königin in ferner Stadt,
Maria, hoch und hehre!
Du Herzelieb für alles Leid.
Du süße Freud' in Bitterkeit.
Dir sei geweiht
All mein Gesang zu Lob und Ehre!

(Sinkt zu ihren Füßen, glutvoll und leidenschaftlich)

Nicht mein Gesang nur, heißgeliebte Waid –
Nimm, was ich bin und hab'! O du, verzweifelt
Hab' ich gesucht durch diese ganze Welt,
Mit heitrem Wort des Herzens Brand verbergend, –
Doch diese Welt war meiner Glut zu klein!
Dir, Weib, zum erstenmal, dir, dir allein,
Unmännlich dir zu Füßen, öffn' ich jetzt
Die letzten Tiefen meiner scheuen Seele –
Nimm mich und laß mich sterben, du Geliebte!

Maria

(sich zu ihm neigend und Ihn zu sich emporziehend)

Ich hab' dich lieb –

König Arthur

Fünfter Aufzug, Zweite Szene.

König. Königin.

Ginevra (steht erst bang abseits, in schwerem Kampfe. Dann geht sie langsam auf daß Lager des Königs zu, läßt sich neben ihm in die Knie sinken und fängt leise an)

Mein Herr und Gemahl...

König (fassungslos)

Du bist hier. Ginevra ...

Ginevra (nach einer Pause)

Mein Gemahl ... kommt keine Hilfe von den Zügeln meiner Heimat?

König (wie vorhin)

Der Wald von Kelidon, der mir mein Weib gab, steht schwarz und stumm.

Ginevra

Ich würde beten, herzlicher Arthur. Aber ich kann nicht beten. Mir bebt der Leib unter der Last meiner Sünde. Mir ist todbange, Arthur. Sage mir, o mein Gemahl, daß du mir meine Schuld vergibst.

König (immer regungslos und tonlos)

Einer hat nur das Recht, Sünden zu vergeben. Wenn der
Abendwind um diese Zügel weint, stehen wir alle vor dem
ewigen Richter.

(Pause. Sie steht seufzent auf und geht durchs Zelt) Ginevra (wieder kniend, qualvoll)

Mein König ...

König (nach einer kleinen Pause)

Sprachst du zu mir?

Ginevra (stöhnend)

Vergib deiner Königin!

König (wie oben)

Was soll ich meiner Königin vergeben?

Ginevra (nach kurzem Kampfe)

Die Sünde, deren mein Schleier Zeuge war im Wald von Kelidon – (springt auf, wild herauzstoßend) töte mich! – (hinhauchend) du verachtest mich – ich trage deine Verachtung nicht! –

(sinkt vor seine Knien nieder) (kleine Pause)

König (betrachtet wehmütig nickend die Daliegende. Dann sag er, in milder, wie weltentrückter Todesstimmung)

Du verwehte Blume, gebrochen im glücklichen Hochland ...

Ginevra (leidenschaftlich)

Nicht dem Mitleid will ich! Um deine Achtung laß mich mit dir kämpfen! Zwei schwere Tage nun stehst du in hoffnungsloser Schlacht wider Sachsen und Angeln und Mordreds Sippe, und jeden Abend kehrst du blutig und matt auf diesen Hügel zurück, auf dem ich bebend deiner warte. Und keine Handreichung gestattest du mir, schweigend liegst du hier auf deinem einsamen Lager – und sprichst du einmal, so sprichst du nur Worte verletzender Güte zu mir, deren Untreue Britannien vernichtet! (weint) Töte mich – aber verachte mich nicht, Arthur mein Gatte!

(liegt weinend an seinen Knien)

König (ihren Kopf streichelnd, gütig, in wehmütig erhabener Stimmung)

Ich bin hart. Vergib mir! Ich bin ohne Recht hart wider dich. Ihr Kinder des Hochlands, mich allein laßt alle Schuld willig tragen – wenn in so wirrem Geflecht die armen Worte Schuld und Unschuld ausreichen. (Erhebt sich, seine ganze Empfindung entlastend.) So trug kein König, wie ich geduldet habe! Der ehrenvollste König des Nordlands – und dulde Unehre im eigenen Hause, um des Reiches willen! Sachsentum und Römertum und Christentum und Mordreds Sippe – Feind über Feind! Ich bin in makelloser Offenheit 60 Jahre durch sie hingegangen: adeln wollt' ich diese morschen Menschen, indem ich sie als adelig achtete. Ich habe in schlaflosen Nächten erkannt: diese Lehre aus Südland, diese Wikinge aus Osten sind stärker als wir! Und ich griff zur letzten Waffe: mit Lächeln, als Gastherr, hieß ich Feinde willkommen, durch Bündnis und Freundschaft dacht' ich unsere Schwäche zu verbergen, dacht' ich unsere Ohnmacht unvermerkt in Sieg zu wandeln. Es war unnütz. Der unbekannte Gott, der über Britanniern und Mönchen und Sachsen thront, mit dem meine Seele manch' heimliche Zwiesprache hielt, ist kein Gott der Falschheit: er verwarf den Prahler Arthur. Und nur ein Edelgeschenk gönnte er dem verlorenen König: – dies Schlachtfeld. (Zu Ginevra:) Ich will dir Schlimmeres bekennen als du mir, du Weib des raschen Blutes: ich sah Mordreds Tat und duldete sie wissend! Doch war es nicht Furcht nur vor Bürgerkrieg und Untergang, auch war meine Güte nicht Heuchelei noch Verstellung – es war noch ein anderes, das ihr alle nicht begreift. Tief hinein, mit einem neuen Blick, sah ich Schuld und Unschuld, sah ich Wirkung und ihre Ursache, sah ich die Art der Menschen und Völker – weh diesem Blick! Er tötet die Tat... (geht hin und her, bleibt stehen). Sollt' ich dir zürnen, weil dein junger Leib dem jungen Mordred erlag? Sollt' ich Mordred töten, der mir manches Gute getan? Sollt' ich mich selber anklagen, weil mein Bund mit dir Sünde war wider die Natur? – Und doch: es ist über alle Maßen schmachvoll! Mich zu verraten! (Setzt sich und verbirgt stöhnend das Gesicht in den Händen) Mich zu verraten!

Ginevra (hat ihm zugehört, komm! nun und wirft sich zerknirscht hin)

Töte mich, o mein Held und Gatte! (Weint.)

König (wieder gütig, nimmt ihr Gesicht zwischen beide Hände)

Rede ich hart? Vergib mir! Du bist schuldlos, du Kind mit den Augen des Rehes! Lauf du hin: die Hügel nach Norden sind offen, unter Blätterfall lauf du hin durch den goldenen Herbst, oder nimm deinen Wagen, nimm Lona und Enid. fahre mit wehendem Gewand wie Titania heim in deinen Bergwald! Dort bist du sicher: denn nie wird Schottland den Sachsen erliegen!

Ginevra (flehend)

Scheuche mich nicht hinweg, o bitte! Ich konnte ja fliehen, alle Wege waren ja offen, aber ich bin bei dir geblieben, ich will sein, wo du sein wirst! Ich will – (Feurig), Einmal laß dir zeigen, daß Merlin dennoch recht hatte, als er in mir Britanniens berufene Königin sah! Einmal endlich laß mich deine Königin sein: auf das Schlachtfeld will ich mit dir hinab, im Getümmel der Sachsen will ich Schwert und Messer schwingen, anfeuernd deine letzten Getreuen: – so will ich wahrhaft deine Königin sein! Darf ich, Arthur, darf ich?! (ist aufgesprungen)

König (etwas verwundert und halb bewegt)

Ginevra – spricht aus dir Verzweiflung, oder zwingt dich dein Gewissen zu solcher Bitte?

Ginevra (wieder vor ihn hinsinkend)

Nur mein Herz spricht mit heißem Drang zu deinem Herzen! Mit einer seltenen Liebe, o du heiliger Held, hab' ich dich lieb wie die Götter meiner Heimat!

König

Sage mir offen: Blieb noch ein Funke deiner Seele bei – – Mordred?

Ginevra

(leidenschaftlich)

Ich hasse ihn!... Alle Dinge, die ich erlebt, alle Menschen, die ich geliebt – sie sind weitab wie ein verhallter Ton. Nur einer, von meinem tiefsten Kerzen mit Tränen verehrt, steht wie ein Gott des Lichtes vor meiner Sünde: Du, mein Gemahl und Herr, du, König Arthur!

König

(steht und zieht sie bewegt an seine Brust empor)

Ginevra. meine Gattin!

Ginevra

Arthur, mein Gatte! (Küssen sich innig. Unter Tränen an seinem Halse) Hab' Dank, hab' Dank! Darf ich nun mit dir hinab?

König

Ja, königlich zu sterben, – diesen ehrenvollsten Gang aus einem Leben, das nicht mehr zu tragen war, hat uns Gott gelassen! Hab' Dank: Königin! (Ferne Sachsenhörner.) Die Sachsen rufen.

Vignette

 

Heinrich von Ofterdingen

1. Aufzug. Dritte Szene.

Es ist fast Nacht. Fahler Schimmer um die Wartburg. Ofterdingen und Gotelinde sind gelagert. Ein Feuer glimmt in der Nähe, über dem ein kleiner Kessel hängt.

Ofterdingen

Noch diesen Kuß – und diesen – und noch den –
Nein, her da, noch einmal! O Feuerlippen! ...
Ein Urwaldrauschen bist du. Wellenstoß
Ist deine Leidenschaft, du Donaunixe! ...
Doch kehr' nun heim! Mein Knecht bringt dich zurück.
Ihr bleibt im Dorf zu Nacht – ich muß zu Hofe!

Gotelinde

Ich darf ja nicht zurück, hab' ja kein Haus mehr,
Hab' keinen Vater mehr, ich hab' nur dich!

Ofterdingen

Ich muß wohl, Lieb –

Gotelinde

Mußt? Freie müssen nicht!
Ich bin schon Wochen bei dir: hindert's dich,
Dein Lied zu harfen und ein Herr zu sein
Im Tagesdorf, im Saal der Nacht – wenn nur
Ein Bröckchen, ach, wenn nur die Länge eines
Alleinz'gen Kusses für mich übrig bleibt?
Du weißt, ich lief in meiner Qual und Liebe
Dem starren Vater nächtlich aus der Halle –
Weil ich dich lieb hab', dich, dich ganz allein!

Ofterdingen

Ich weiß es, Gotelind', Gewittersturmnacht,
Walküre du, aus Schlünden der Natur,
Du Flamme der Erde, Ätnas Feueratem –
Mit Weh scheid' ich von dir, wildsüße Braut!

Gotelinde

Bin ich das alles, was jagst du mich fort?
Ich will ja abseits bleiben, sieh, ich will
Im Volke stehn und zusehn, wenn du singst!

Ofterdingen (düster) Laß sein! Das ist und bleibt, wie ich beschlossen. (steht auf)

Gotelinde

Warum denn, sag' doch nur ein Wort: Warum? (Ganz ferne Nachthörner hallen noch einmal leise her)

Ofterdingen

Dort ist die Wartburg! Hörst du ihre Hörner?
So nahe sind wir Eisenach! Soll ich.
Dem Volk zur Lust, beweibt zur Stadt einziehn?
Ich hab' vergessen, daß ich Ritter bin
Und Herr und Sänger! ... Hier ist noch ein Duft
Von Festgewändern ... die den weißen Leib
Vornehmer Frauen seidensanft umrauschen ...
Der Rasen ist zertreten – schwingt die Luft nicht
Von Adelsworten und von spitzen Küssen? ...

Und hier: – (nimmt Irmgards welkes Kränzchen vom Zweig) ein Kränzlein, das ein Kind vergaß! (Hält es hoch; deutlich! Du erstes Gastgeschenk, das mir die Wartburg
Zum Willkomm beut – was wird mein letztes sein?
(Wirft es weg. Mit finstrem Blick auf Gotelinde)
Und ich, der Spätling – so zieh' ich heran! ...
(Kreuzt die Arme düster)
Zum Unheil dir und mir sah ich die Donau
Und euren Bauernhof. Gesittet wollt' ich
Zur Wartburg ziehn, wie Klingsor mich entlassen –
Doch nun, als Räuber fahr' ich durch das Land,
Der einem Edeling sein Kind verschleppt.
Ein übler Anfang! Unter hohe Frauen
So einzuziehn – mit dir –

Gotelinde (springt zornig auf)

Ich bin die Tochter
Des schöffenfreien Bauern – schmähst du mich?!
Mein Vater geht zum Thing, der deine nicht!
Mein Hof ist reich und alt, der deine nicht!
Ein Dutzend Knechte dient dem Hof – dir nicht!
Wie jene Burgfrau'n bin ich freilich gar nicht,
Da sagst du recht: denn ich bin mehr als sie!

Ofterdingen

Wildstolz – heia, so lieb' ich dich!
(Umarmt sie)

Gotelinde (wieder innig) Nicht zürnen!
Du kennst ja meinen Vater nicht! Der schlüge
Mich mit der Faust tot. käm' ich zu ihm heim!
Ich hab' nur dich, ich habe jetzt nur dich!

Ofterdingen Mein Weib!

Gotelinde Dein Weib! – Gib mir den Tod, mein Gatte,
So sterb ich lachend, denn er kommt von dir!

Ofterdingen 0 Liebe!

Gotelinde Nenn' es Treue! Viele hast du
Geliebt, du fahrender Gesell – doch treu
War eine nur, und die heißt Gotelinde!

Ofterdingen (sinnend)

Treue –! Schwerwuchtig Wort! Nicht viele kennen
Die Heldengabe. trotzig-treu zu sein.
Auch ich nicht, bislang nicht ... Jetzt, langsam erst.
In dich verwachsen wie der Baum in Felsen,
Ahn' ich von ferne, daß zwar heiße Minne
Ein Hohes sei, das Höchste aber Treue.

Gotelinde Behältst du mich?

Ofterdingen

Ja. Weib! Willst du so stark.
So treu und kühn, so wild-walkürenschön
Mitfahren durch die Welt?

Gotelinde Geliebter Mann!

Ofterdingen (düster)

Ich hab' nicht viel, die treu sind. Hab' nur Klingsor,
Und der ist ausgereist und mir voraus.
Ich lebe ungestümer als die andren
Und werde meteorhaft wieder hingehn.
So lang bleib treu mir, ungetraut Gemahl!
Und sterb' ich irgendwo im fremden Walde,
So leg mein Haupt an deine weiche Brust
Und laß die Trauerweide deines Haares
Herfallen auf mein bleich Gesicht! Sing mir
Ein leises Scheidelied – und dann begrab mich ...
Ich hab' die Menschen nie geliebt. Um einen,
Den Herzog, meinen Herrn von Österreich,
Und um der Hohenstaufen Adlerflug –
Wein' ich zwei Tränen, doch die andren – – laß sie!...

Gotelinde

Mein Trautgesell, erst laß uns leben, leben!
Und Ehren holen auf der Wartburg! Nicht wahr?

Ofterdingen (Hell und frisch)

Ist wahr! (Ruft.) Knecht, die geht mit nach Eisenach!
Doch daß mir keiner dieser Stallgebornen,
Wenn ich zu Hofe zieh', mein Weib bedränge,
Zieht sie den Kittel eines Knappen an
Und ist mein treuer Knecht! Der Knecht heißt – –

Gotelinde (lachend)

Dankwart! So heißt zu Haus der beste Knecht!

Ofterdingen (heiter)

Hoi. Dankwart! Dankwart, fort mit dir, du Racker.
Und zieh dich schicklich an! Was?! Läufst du da
In Frauenkleidern durch den Wartburgwald?!

(Scheucht die Lachende, in die Hände klatschend, nach hinten)

Mach rasch, es gibt ein Wetter! Haltet Umschau
In meinem Bündel! Morgen hilft ein Schneider!
(Kleine Pause. Es wetterleuchtet)
Hätt' ich ein Lied! Ich möcht' als Alraunmann
Den Wald durchtappen und an Bäume klopfen:
»He, Bäume, tut euch auf! Gebt mir ein Lied!« ...
Es wetterleuchtet. Breite Schwerter schmiedet
Wieland der Schmied, der aus der Höhle flog.
Die Heidengöller schaun herab aus Wartburg
Und werfen Feuerwürfel, wer gewinne ...

Ihr alten Götter, helft mir! In mein Wort
Gießt solche Schmiedekraft, daß ich das Tändeln
Der Minnesänger in den Boden schmettre
Wie Siegfrieds Amboß! Flammen des Himmels, her!

Zweiter Aufzug. Zweite Szene.

Waldlichtung unweit der Wartburg (Osten), deren stattliche Breite (Sängersaal) in die beginnende Mondnacht ragt. Ferne Musik aus dem erleuchteten Saal. An einem Steinkreuz kniet Mechthild betend.

Mechthild

Mit leisen Worten komm' ich – leis genug,
Durch Nachtigallenlaut und Abendhauch
Dir meiner Brust geheimes Weh zu klagen.
Nicht tief genug ist mir das tiefste Leid.
Nicht heiß genug ist mir der Menschen Minne,
Nicht zart genug sogar der Schwester Ohr –
Ich bin hier fremd, o, ruf mich heim zu dir!
Soll ich denn heucheln, soll ihr Treiben loben
Und Beifall lächeln, wenn vor wilder Not
Die wogend volle Brust das Mieder sprengt
Im Ungestüm nach einer großen Minne,
Gewaltig wie die deine, reinste Jungfrau,
Die du dem Heiligsten das Leben gabst?!
Ach, nur zum Schein hat mich die strenge Sitte
Gebändigt – doch mein Sündenherz stöhnt auf
In irren Worten heimlichen Begehrens!
O, ruf mich heim ins Land der ew'gen Liebe,
Ich bin hier fremd! O Jungfrau, ruf mich heim!

(Sie weint) Ofterdingen tritt ruhig aus dem Gebüsch und steht schweigend. Sie springt auf. – Kleine Pause

Ofterdingen (äußerlich sehr ruhig und tiefernst, spricht leise und zart)

Vergebt ... Es kam ein Weinen durch den Wald.
Als hätte sich ein müdes Kind verlaufen ...

Mechthild (die erschrocken war, mit stolzer Haltung, die Tapfere spielend)

Ihr seht jetzt, daß Ihr irrt. Was weilt Ihr noch

Ofterdingen (äußerlich sehr gemessen)

Der rohe Lärm der Schenke scheuchte mich
In Eure heil'ge Stille, sanfte Frau.
Ich trete ein zu dem Marienbildnis,
Das dort in Stein und hier lebendig steht,
Und neige mich mit «Ave, seid gegrüßt!«

Mechthild

An dieser Stätte pfleg' ich stille Andacht.

Ofterdingen

Der Ort ist heilig –

Mechthild

Ja, der Ort ist heilig.
Mein greiser Gatte starb hier, den sein Pferd
Auf einer Jagd an diesen Stein geworfen.
Ihr steht auf seinem Blutfleck. Hättet Ihr
Die Augen, in die andre Welt zu schauen:
Ihr schautet seinen Geist am Kreuze stehn.
Wir sind zu dreien hier. Das, Herr, bedenkt!

Ofterdingen

Ich achte diesen Ort – ich achte Euch –

Mechthild

Und tretet ein, als wär' ich eine Magd,
Zu der man scherzend an den Brunnen tritt?

Ofterdingen

Ich trete ein zur schönsten Edelfrau –

Mechthild

Wo ist der Page, der Euch angemeldet?

Ofterdingen

Ich könnte sagen, wenn ich tändeln wollte:
Der Page war ein Blick, den ich entsandt,
Als ich im Wartburgsaale vor Euch stand.
Doch sag ich nur: Ich sah Euch hierher wandeln,
Als ich die Burg umritt – und bin nun hier,
Denn Euer Weinen tat mir innig weh.

Mechthild

Ich muß Euch herzlich bitten: Geht!

(Mit wieder durchbrechender Güte)

Habt Ihr Besondre Sorge: Redet – doch dann geht!

Ofterdingen

Besondre Sorge? Ja, sei's denn bekannt!

Er sinnt einen Augenblick. Die ferne Festmusik schweigt, nur eine einzelne Harfe ist während des Folgenden noch vernehmbar)

Ein ungewisses Suchen treibt mich her,
Mir selbst befremdlich ... Tast' ich nun nach Worten,
Warum ich schamhaft just zu Euch geflüchtet.
So fürcht' ich, daß Ihr's als ein Werben faßt –

Doch ist's kein Werben, glaubt mir, hohe Frau!
Ich möchte mehr noch, mehr von Eurem Wesen
Recht rasch noch lernen vor dem Sängerkrieg.
Denn ein Ton fehlt mir, und der Ton seid Ihr.

Mechthild

Verargt mir's nicht – ich –

Ofterdingen

Ihr versteht mich nicht.
O, recken möcht' ich mich, vom Blütenbaum
Des Sternenhimmels Bilder mir zu pflücken!
Seht, als mich Walther rief, da sprach er viel,
Wie hier ein heil'ger Hain sei, drin die Worte
In Samt und Seide gingen, Sonntagsworte.
Ich kannte bisher nur den derben Werktag.
Bis ich die Wartburg sah, die frohen Menschen.
Die Edelfrauen – und darunter Euch.

(Mechthild will gehen)

Geht nicht, ich bitt' Euch! Diese Worte sollen
Kein plump vertraulich Werben sein – ich schwöre!
Zerreißt nicht meine sehnlichen Gedanken,
Die ihre Fäden um die Wartburg spinnen ...
Ich werd' mich morgen meiner vielen Gegner
Sehr mühsam wehren, denn ich habe mich
Mit keinem Hauch bereitet, gut zu singen:
Ich bin in meinem Ton verwirrt – durch Euch!

Mechthild Durch mich?

(Will gehen)

 

Ofterdingen

Ermeßt doch, Frau, daß vierzig Jahre
Bettelnd vor Euren zwanzig Lenzen stehn!
Ihr seid mir nur – versteht das! – ein Beweis nur,
Daß Wartburg-Art mehr sei als Tändelei.
Und dies verwirrt mich.

Mechthild

Sehr viel anders seid Ihr.
Als man Euch malt – Ihr seid mir unbegreiflich –

Ofterdingen

Gern tauscht' ich meinen Namen. Denn bis jetzt
Wuchs in mir nur die eine zähe Kraft
Trotzigen Weltbegehrens. Die zerrinnt jetzt.
Es will ein Neues werden. Wenn sie morgen
Wildwasser von mir heischen: Seht, so rauscht
Statt dessen, allen zur Verwunderung,
Aus meiner Seele klarer, milder Wein,
Wie aus dem Brunnen eines Königsfestes.

Mechthild

Und Euer Dorflied singt Ihr nicht? Was singt Ihr?

Ofterdingen

Ich singe, wie sich Schönheit mit höchster Tugend eint
In einer, die wie Frührot aus trüben Wolken scheint,
Die, wie der Mond, voranzieht der lichten Sternenschar –
Euch, Königin der Wartburg, bring' ich mein Preislied morgen dar!

 

Mechthild

Der Ton mag schön sein –

Ofterdingen (sofort beleidigt)

Er gefällt Euch nicht?

Mechthild

Wie sollt' er nicht! Nur mein ich – Ihr kommt weit her,
Ihr lebt in einer rauhen, wilden Welt –
Die Leute sagen's – zu bedenken wär's,
Ob Ihr nicht leichter über andre siegt,
Wenn Ihr aus eigner Welt den eignen Ton singt –

Ofterdingen (düster)

Mit kurzem Wort: Spiel deinen Dorftanz weiter!
Pack' dich aus unsrem höfischen Ton! Du kannst nichts!

Mechthild

O Ritter! – Da Ihr sorgend zu mir kam't,
So mein' ich nur und rate gern das eine:
Singt, was Ihr seid! Singt Euren eignen Ton!
Wie Wolfram seinen Ton singt – oder Walther –

Ofterdingen (kann sich nicht mehr beherrschen)

Wolfram liebt Euch! Ich sah's mit raschem Blick!
Und Ihr liebt Wolfram! Und Herr Wolfram wird –
Das weiß ich – morgen siegen!

 

Mechthild (in Angst)

Frauen! Knappe! (Ab. Der ferne Harfenklang bricht ab.)

Ofterdingen (allein. In großer Erregung)

Verspielt! ... Frau Holles Gast, geh heim! ... Denn diese
Liebt Wolfram von Eschenbach, den Tugendsinger,
Den zieren Ritter, der mit welschen Wörtlein
Sein Lied durchflickt! Doch mich verachtet siel

(Zum Marienbild)

Jungfrau aus Stein, da jene mich nicht hört,
Hör' du mich an! Ich will nicht mehr mein Dorflied!
Ich will nicht in der wilden Schenke sitzen!
Ich will hinauf zu jenen reinen Frauen!
Ich will! Ich will! Und wär's der Turm von Akkon!
Ich stürme dich, du Turm von Akkon – Wartburg!

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