Jonas Lie
Der Dreimaster »Zukunft«
Jonas Lie

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Vierzehntes Kapitel.

Die Reise durch Lappland. Silber-Sara.

Nach einer mehrtägigen, anstrengenden Fußwanderung traf Morten eines Abends als Gast im Zelte Mathis Nuttos ein. Geld hatte er nur wenig bei sich, da das meiste zur Betreibung des Geschäftes verwandt werden mußte, auch hoffte er ungefähr zu Weihnachten wieder zu Hause zu sein, um dann das Nötige selbst zu ordnen.

Für sein Vorhaben hoffte er in Mathis Nutto eine Stütze zu gewinnen und in Lymas Mann in Karasuando eine andere ebenso einflußreiche. Verkauften ihm die beiden Familien ihre Pelzwaren, so würden diesem Beispiele viele folgen und Finnäs ein Stapelort werden.

Der Zug mit den zwölfhundert Renntieren und den vielen buntgekleideten Menschen, die zu den vier Haushaltungen der Familie Nutto gehörten, ging in Herbstnebel und feuchter Witterung erst immer das Thal entlang und dann, nach und nach, über die einsame Gebirgswüste.

Draußen auf diesem unendlichen Steinmeere richtet sich der Lappe mit seinem wunderbaren Instinkte nach seinen alten von Kindesbeinen an bekannten Kennzeichen, nach dem Vorkommen des Mooses, das stets auf der Südseite der Steine wächst, und nach den Sternen. »Die Nordnadel«, »die Jungfernschar«, »die Bogen« und »das Schiff« sind seine Namen für den Nordstern, das Siebengestirn, den großen Bären und den Orion. Nebst dem Morgen- und dem Abendstern bilden diese die leuchtenden Punkte auf seiner blauen Himmelskarte.

Der wellenförmige Granitberg hat auf seiner Spitze bisweilen einen oder den anderen auffallend geformten Stein, den die Lappländer nach den vielen umherliegenden Renntierhörnern zu schließen angebetet haben müssen. Ein solcher, an dem sie schweigend vorüberzogen, erhielt denn auch, von Morten ungesehn, heimlich seinen Tribut von Mathis Nutto, der, obgleich Christ, doch die Verehrung des Lappengottes nicht unterließ und die Sitte der Väter treu befolgte. Eine alte, seltsame Frau, die sich dem Zug bei der Wanderung durch das Thal angeschlossen hatte und eine sonderbare Tracht mit allerlei silbernem und messingnem Besatze trug, – um die Hüfte hatte sie einen breiten Silbergürtel – kniete in weiter Entfernung vor dem Steine nieder, dem sie sich als Frau nach altem heidnischen Glauben nicht nähern durfte und trieb ihr Gebärdenspiel schon weit offener. Sie wurde Silber-Sara genannt, wanderte fast immer umher und wurde als Wahrsagerin betrachtet, die sich auf allerlei Künste verstand; weshalb sie auch von vielen im geheimen um Rat gefragt und allgemein gefürchtet wurde.

Der Zug ging weit über das Gebirge. Es galt nämlich Weideplätze zu finden, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren nicht abgeweidet waren. Denn so viel Zeit gebraucht das Moos, um wieder zu wachsen, und in jeder solchen Gegend rastete man gern mehrere Tage. Hin und wieder öffnete sich dann ganz unvermutet ein tiefes Thal, welches man erst, wenn man bis an dessen Rand gekommen, hatte sehen können – eine riesige Spalte in der Fläche des Hochgebirges. Unter ihren Füßen standen Zwergbirken zwischen dem Farrenkraut auf den Berghalden, mit den von der Mittagssonne zerteilten, herbstlichen Nebeln zwischen sich, während ihre hochstämmigen Schwestern in der Tiefe an dem stillen, klaren Herbsttage ihre gelbgewordenen Laubkronen in dem stillen, hellen See spiegelten, dessen Fläche sich nur kräuselte, wenn ein Fisch emporschnellte, oder ein Gebirgsvogel, von dem Lärmen und dem Rufen des herankommenden Zuges, oder von einer Lappenflinte erschreckt, dicht über ihn hinflog.

In dieser späten Jahreszeit pflegt dem Lappländer seine Wanderung durch das Gebirge wegen häufigen Schneetreibens sauer und beschwerlich zu werden. Trotzdem sieht er gern, daß sich diese einstellen, damit sich der Schnee so früh wie möglich als warme Decke über die Moosfelder legen kann, bevor der Frost sie mit einer so dicken Eislage überzieht, daß die schaufelförmigen Hörner der Renntiere, mit denen sie den Schnee beiseite schieben, nicht durchzudringen, oder ihre Vorderfüße das Moos für sich und ihre Kälber nicht aufzuscharren vermögen.

Diesmal schien leider ein solches Mißjahr eintreten zu sollen. Die bisher milde, wenn auch unbeständige Witterung hatte sich verändert. Nach den hellen, himmelblauen Tagen folgten kalte, stille Nächte, mit einem flimmernden Sternengewölbe und einem nur schwachen Nordlichtsaume über der endlosen Felswüste, durch welche sich der Zug jetzt Tag für Tag, in immer größerer Eile, bewegte. Wie kalt es des Nachts war, zeigte sich an den Sumpflöchern, die immer fester zufroren, und an dem dichten Reif, der über die Steine und die feinen Moosfäden seinen tausendfachen Farbenschimmer ergoß. Die Abend- und Morgenröte nimmt zu dieser Jahreszeit einen großen Teil des Tages mit ihren seltsamen, goldrändigen Wolken ein und verleiht allen Gegenständen ein eigenes, künstlerisches Kolorit. Unten in den Gebirgsthälern glänzten die Birken in der matten, tiefen Mittagssonne. Das Hindurchdrängen des Renntieres, eine zufällige Berührung beim Vorüberschreiten seines Herrn, oder bei dem Auffliegen eines Schneehuhns nahm den weißen Zweigen den letzten Rest ihrer welken Blätter.

In diesen bedenklichen Tagen schien Mathis Nutto in weniger guter Laune; es sah aus, als ob Silber-Sara augenblicklich bei ihm nicht in höchster Gunst stände. Er erzählte Morten eines Tages, seine verstorbene Frau hätte »Wetter machen« und in Nebel und Schneetreiben, wenn sich selbst der beste Gebirgslappe nicht zu helfen gewußt, den Weg zeigen können.

Silber-Sara sah in dieser Zeit fast hexenartig wild aus, wenn sie in ihrer weiten Jacke mit den grauen Haarbüscheln um das gelbe eingefallene Gesicht, aus dem die Augen glühend hervortraten, gebückt auf den Stab gestützt, einherschritt.

Sie hielt sich von den anderen zurück und konnte stundenlang vor sich hinsingen und murmeln. Selbstverständlich ahnte sie, was man jetzt von ihr erwartete, und daß ihr Ansehn sehr gefährdet wäre.

Morten vermochte nicht klar zu erkennen, ob sie ihn eigentlich mit günstigen Augen betrachte.

Am ersten Tage hatte sie freundlich geäußert, er wäre so offen und fröhlich, daß Glück auf seinem Gesichte geschrieben stände; aber jetzt zog sie sich von ihm zurück, und wie ihm einer von Mathis Nuttos Schwiegersöhnen mitteilte, hatte sie die Äußerung fallen lassen, der Fremdling würde der Reise nicht zum Heile gereichen. Er fing zu befürchten an, daß man ihm, wenn die Witterung anhielt, die Schuld an dem Eintritt des Frostes zuschreiben möchte.

Eines Nachmittags hatte sie mit einemmale vor der Zeltthür des alten Mathis seltsame Gebärden gemacht; sie hatte den Runenstab in der Hand gehabt und einen baldigen Witterungswechsel vorausgesagt. Zugleich schien sie sehr aufgebracht gegen Mathis, der, wie sie behauptete, irgend einem Gebirgsgeist eine zu geringe Ehrfurcht erwiesen hätte. Am Abend wurden dann in Mathis Zelt einige Ceremonien vorgenommen, bei denen weder die Bewohner der anderen Zelte noch Morten Jonsen zugegen sein durften. Darauf wurde von sämtlichen Mitgliedern der Familie im Hauptzelte bis zum Schlafengehen Branntwein getrunken und gesungen. Der Branntwein unterließ nicht, auf die im Halbkreise um das Feuer Sitzenden seine Wirkung auszuüben; sie waren sehr lustig und Morten hatte den Eindruck, als ob ein Freudenfest gefeiert werde, über dessen eigentlichen Charakter man sich selber nicht recht klar war.

Der alte Mathis saß die ganze Zeit über auf seinem gewöhnlichen Platze, von den andern etwas abgesondert, am Feuer und kaute an seinem kurzen Pfeifenrohre. Was für ein listiger Scharfsinn lag nicht in diesem echten Lappengesicht mit der breiten, niedrigen Stirn, den tiefen, braunen Augen, den vorstehenden Backenknochen und dem spitzen Kinne! Bei der Abendmahlzeit gab es außer dem Renntierfleisch und der gewöhnlichen Speise diesmal noch Extragerichte und Leckereien, die von den Schwiegertöchtern zubereitet wurden.

Silber-Saras Aktien waren sichtlich wieder gestiegen, nachdem sie einen Witterungswechsel vorhergesagt.

Indessen sah es am folgenden Tage, der ebenso kalt und hell wie der vorige war, nicht nach einem solchen aus. Auch war Silber-Sara in ihrem Wesen eigentümlich gereizt und unruhig, während die Gesichter der anderen offenbar von gespannter Erwartung belebt waren. Am Nachmittage schien sie jedoch wieder ruhiger und ihrer Sache sicherer.

Am Abende, als einige der Leute, die nicht auf Renntierwache waren, sich um das Feuer lagerten und plauderten, lenkte Mathis das Gespräch auf den erwähnten großen Lars, den er auf der Insel Skorpen gekannt hatte. Bei dieser Gelegenheit erzählte Morten, wie dieser bei seinen Eltern gelebt hätte und daß derselbe der Genosse seiner Jugend gewesen wäre. Auf besondere Aufforderung erzählte er noch zuletzt das Nähere über seinen Tod.

Seltsam war es zu sehen, wie Silber-Sara, die bis dahin im Hintergrunde im Schatten gesessen hatte, unwillkürlich, auf ihren Stab gestützt, Schritt für Schritt näher an den Redner herantrat, darauf atemlos dastand und ihm zuhörte. Noch lange, nachdem er geschlossen, stand sie so da.

Morten konnte sich des eigentümlichen Eindruckes, den dies auf ihn machte, nicht erwehren.

Bis tief in die Nacht hinein lag er schlaflos da. Matt leuchtend hing die Lampe mit dem Renntierfett, worin eine Binse den Docht abgab, oben in den Dachsparren über dem halberloschenen Feuer, um das Kleider und Schuhe zum trocknen hingen, während in dessen warmer Asche jetzt dieser oder jener der müden Hunde leise im Schlafe bellte. Der gewöhnliche dichte Rauch war nach der Zeltdecke emporgestiegen. Die Mitglieder der Familie lagen teils im Lichtscheine, teils im Dunkeln auf ihren verschiedenen Lagern von Renntierfellen, die über Reisigbündel als Unterlage gebreitet waren.

Da kam es ihm vor, als sähe er von der Seite des Zeltes, wo Silber-Saras Platz war, einen Schatten sich aufrichten und im Kreise der Schlafenden verschwinden, bis er wieder näher an das Fußende seines eigenen Lagers herantrat. Dort kauerte die Gestalt eine Zeitlang wie ein Mensch, der sich der Länge nach mit der Stirn auf die Erde beugt, und er glaubte, einige beklommene Seufzer zu hören, worauf sich der Schatten wieder aufrichtete und in die Dunkelheit hin verschwand.

Dieses geheimnisvolle Benehmen der Silber-Sara – denn kein anderer konnte es sein – in der einsamen Nachtstunde, setzte seine Phantasie lebhaft in Bewegung. Im Traume sah er ihre Gestalt in der sonderbarsten Weise. Sie wuchs riesenhaft und stand mitten im Kreise, worin die anderen lachten und jubelten, mit vielen Gebärden und aufgelöstem Haar da und »beschwor das Wetter«. Wie ein Sturmwind brauste es um ihre Gestalt, während sie mit dem Stocke drohte und ihre lappländischen Gottheiten anrief.

Er erwachte infolge eines großen Lärmes und Geschreis; – der Traum schien noch immer fortgesetzt zu werden, denn er fühlte in der Finsternis, wie ihn ein kalter Wind umbrauste.

In der kalten Nacht hatte sich ein Schneesturm erhoben und die eine Zeltwand fortgerissen. Mathis Nutto sah sich genötigt, die Zelte im Schutze einer Felswand aufzuschlagen, wohin sich die Tiere schon ganz von selbst durch das Schneetreiben geflüchtet hatten. Dort wurden sie von dem Unwetter zwei düstere Tage lang aufgehalten, in denen das orkanartige Unwetter ungeheuere Schneemassen bald zusammenjagte, bald wieder auseinandertrieb.

Durch diese Begebenheit war Silber-Saras Ansehn wieder befestigt worden; denn da der Witterungswechsel unerwartet und unmittelbar nach ihrer Prophezeiung eingetreten war, so bezweifelte niemand, daß sie ihn bewirkt hätte. Sie nahm die vielen Beweise der ihr gezollten Anerkennung mit zurückhaltender Würde an. Daß sie gewisse, den andern unbekannte Zeichen des Witterungswechsels bemerkt habe, oder ihn vielleicht in ihrem gichtischen Körper vorausgefühlt habe, war allerdings eine prosaische Auslegung Mortens, die er jedoch weislich für sich behielt.

Eine größere Verwunderung erregte es bei ihm, daß Silber-Sara seit jenem Abend, an dem er von Groß-Lars erzählt hatte, auffallend freundlich gegen ihn geworden war. Ihr Wesen hatte etwas fast demütig Hingebendes angenommen. Sie saß abends am Feuer und schmierte seine lappländischen Schuhe, eine zweckmäßige Fußbekleidung, welche auch die Norweger auf solchen Fahrten gern gebrauchen, und füllte sie mit frischem Grase. Eines Abends betrachtete er sie im stillen, als sie am Feuer mit dieser Arbeit beschäftigt war. Er bemerkte, daß sie den Schuh, ehe sie ihn wieder fortsetzte, an die Lippen drückte. Dieses unbegreifliche Benehmen der Silber-Sara beschäftigte ihn nicht wenig; auch bemerkte er, daß ihm ihre Freundschaft unter den Lappländern zu großem Nutzen gereiche.

Man war jetzt über die eigentliche Hochwüste des Gebirges hinweggekommen und hatte allmählich das Hügelland jenseits der schwedischen Grenze erreicht, wo die Seen beginnen, und der Charakter der bemoosten Felsspitzen gemildert erscheint. Die schwachgefrorenen Sümpfe konnten die Tiere noch nicht tragen, und der Zug hielt sich deshalb so viel wie möglich auf dem Gebirgsrücken. Die malerischen Sommertrachten mit dem Schnitzmesser im Gürtel waren oben auf dem Gebirge in Schnee und Kälte mit der roteingefaßten Pelzjacke und der ebenso besetzten viereckigen Ledermütze, die bequem über die Ohren gezogen werden konnte, vertauscht. Der Lappe trug jetzt Schneeschuhe, – einen kurzen und einen langen, und Pelzstiefel.

Es war Winter und der Schnee lag hoch, als sie endlich das Lappendorf erreichten, wo einige, zum Teil schon bewohnte Erdhütten, um welche der Schnee festgetreten war, dicht zusammenstanden. In ihren vier eigenen Hütten, von denen nur die schneebedeckten Dächer hervorragten, wurde jetzt das Feuer auf dem Herde angezündet.

Die Lappländer nahmen nun wieder auf einige Monate feste Wohnsitze ein, während die Renntiere höher hinauf im Gebirge weideten, wo sie das Moos unter dem Schnee suchten.

In diesen ruhigen Wintermonaten macht es sich der Gebirgslappe so angenehm als möglich. Er sorgt sehr für Reinlichkeit. – Die Füße zu waschen ist nach alter Sitte die gewöhnliche Beschäftigung der Frauen.

Kindtaufen, Konfirmation und Trauungen fanden in dieser Zeit in der nur eine gute Tagesreise entfernten Kirche statt, und diese Feste brachten wieder einen besonderen Verkehr zwischen den verschiedenen Familien hervor.

Groß war Lymas Überraschung, den Freund ihrer Kindheit wiederzusehen. Bei dem Lappländer liegen Herz und Lippe nicht weit voneinander, und sie hörte nicht auf, ihre Verwunderung darüber auszusprechen, daß er ein so kräftiger und schöner Mann geworden wäre. Er seinerseits fand allerdings, daß die Jahre der lieblichen Lyma etwas genommen hätten: – hatte sie doch seit jener Zeit fünf Kinder bekommen, von denen das jüngste jetzt getauft werden sollte. Aber die dunklen Augen, in denen das ganze warme Lappenherz glühte, und das kindliche, anmutige Wesen hatte sich erhalten. Das zeigte sich deutlich genug in allen ihren eifrigen Fragen nach Marina, in ihrer unzweideutigen Freude über die Geschenke und in ihrem muntren Lachen bei den Erinnerungen aus alten Tagen, die ihr nach und nach wieder einfielen.

Ihr Mann, Isaak Pelto, lachte mit, die Freude seiner Frau schien sich ihm mitzuteilen, und er beruhigte sich nicht eher, als bis Morten sich bereit erklärte, aus Mathis Nuttos Hütte in seine überzusiedeln.

In den folgenden Tagen weihte er sie in die Ursachen seines Erscheinens und zuletzt auch in seinen Plan hinsichtlich der Gründung eines Handelsplatzes in Finkrogen ein. Seine Zukunft hänge davon ab, daß es gelänge, und so bat er sie um ihre Hilfe, so weit es in ihren Kräften stände.

Bei letzterem nahm Lymas Gesicht einen bekümmerten Ausdruck an, als ob sie es nicht über das Herz bringen könnte, ihre Meinung frei auszusprechen. Noch sehr gut erinnerte sie sich all des Haders, der aus demselben Grunde gegen Stuwitz entbrannt war und wie hartnäckig sich Mathis Nutto dabei gezeigt hatte. Nicht einmal ihr Mann wäre damals dafür gewesen; »aber man könnte ihn jetzt ja zu Rate ziehen,« fügte sie etwas schalkhaft lächelnd hinzu. Wenn alle Stränge rissen, wäre Silber-Sara, deren Morten bewiesene Gunst sie mit Verwunderung vernommen hatte, diejenige, die hier vielleicht am besten zu helfen vermöchte; es käme nur darauf an, ob man sich ihr anvertrauen dürfte. Bei dem Stuwitz geleisteten Widerstande wäre sie die Seele gewesen. Schließlich riet ihm Lyma inständig, seine Absicht zu verschweigen, bis sie das Terrain weiter rekognosziert und Zeit erhalten hätte, ihren Mann für die Sache zu gewinnen.

Inzwischen kaufte er eine nicht unbedeutende Anzahl kostbarer Bären-, Zobel- und Hermelinfelle, nicht bloß von Mathis Nutto und seinen Söhnen, sowie von Isaak Pelto, sondern auch von anderen Finnen, und er fühlte, daß er bei ihnen auf dem besten Wege war, Zutrauen und Gunst zu erlangen. Wie verabredet, sollte einer von Mathis Nuttos Söhnen im Frühling das Pelzwerk nach einer Stelle in dem nordländischen Thalwege bringen, von wo er sie abholen konnte. Was er von anderen aufkaufte, gedachte er nämlich selbst mit sich zu nehmen. Sein Kummer bestand nur darin, daß schon zu viel Zeit verstrichen war. Die Weihnachtszeit rückte heran und im Laden mußten die Waren nach seiner Berechnung schon zu fehlen beginnen. Ihm blieb nur die schwere Wahl, entweder unverrichteter Sache und nach nur halb abgeschlossenem Geschäft wieder nach Hause zu reisen oder in dem Ladenverkehr Stockungen eintreten zu lassen. Mit schwerem Herzen entschied er sich für das letzte.

An den gewöhnlichen Wochentagen belustigten sich die Männer damit, im Schlitten nach verschiedenen, teilweise weit entlegenen Lappendörfern zu fahren, wie es meistenteils hieß, »um nach entlaufenen Renntieren zu suchen«. Aber oft waren diese Fahrten nur ein Vorwand, um sich mit Branntwein und Kaffee bewirten zu lassen und angenehm zu plaudern.

Auf solchen Ausflügen bald mit dem einen, bald mit dem andern war es Morten geglückt, Bekanntschaften anzuknüpfen und eine Menge Geschäfte abzuschließen. Doch auch hier zeigten sich nach und nach Schwierigkeiten, die ihm Silber-Sara eines Tages mitteilte, und die von einigen Aufkäufern herrührten, welche über die hohen Preise, die er zahlte, erbittert waren.

Er hatte Lyma versprochen, bei ihrem Sohne, der den nächsten Sonntag getauft werden sollte, die Patenstelle zu übernehmen. Sie hatte das Kind nach ihm und seiner Mutter genannt und demselben durch eine Zusammensetzung von Morten und Marina den Namen Martin gegeben.

Nach dem Gottesdienst fand dann daselbst eine Art Messe statt.

Am Sonnabend fuhr mancher Zug (Raide) in ihren Schlitten (Pulk) den schneebedeckten Thalweg nach der Kirche hinab. Während der Fahrt hält der Lappe den Schlitten mit seinem Körper im Gleichgewicht, indem er sich mit seiner mit einem Fausthandschuh von Renntierleder bedeckten Hand dann und wann auf die festgefrorene Schneedecke stützt. Wird das angespannte Renntier müde und ungeduldig, so wendet es sich – wie bekannt – bisweilen gegen seinen Herrn. Dann kehrt derselbe blitzschnell den Schlitten über sich, während das rasende Renntier dessen Boden mit Hörnern und Vorderfüßen bearbeitet. Sobald der Anfall vorüber, richtet der Lappe den Schlitten munter wieder in die Höhe und setzt die Fahrt fort, bis er es für angemessen hält, es mit dem Reserve-Renntiere zu vertauschen, das lose angebunden dem Schlitten folgt.

Aus den Seitenthälern kamen nach und nach andere Kirchenbesucher, die sich reihenweise der übrigen Gesellschaft anschlossen. Diese zog sich dann mit ihren roten Mützen über die weiße Landschaft wie eine lange bunte Kette von lebhaften Farben hin, bald zwischen den Birken verschwindend, bald wieder auf den steilen Flußufern erscheinend. Unten auf dem Flusse, der durch keine Wasserfälle gestörten Heerstraße des Lappländers, nahm der Zug immer mehr zu.

Als man spät am Nachmittage auf einer kleinen Insel in einem der zugefrorenen und mit einer Schneedecke überzogenen Seen Halt machte, war daselbst der größte Teil der auf der Kirchfahrt begriffenen Gemeinde versammelt.

Nach einiger Unruhe, weil einige Schlitten bei der Auffahrt über das Ziehseil über Kreuz gefahren waren, trat auf dem Halteplatze wieder Ordnung ein. Die langen Schneeschuhe, die auf denselben Schlitten, wo sich der Proviant befand, lagen, wurden als Pfähle in den Schnee gesteckt. An diese wurden die Renntiere gebunden und ihnen weißes Moos (Jägill) hingestreut, während sie scharrend im Schnee standen, um sich mehr Futter zu suchen. Aus den Schlitten nahmen die Frauen Renntierfleisch, Renntierzungen, Käse und andere Sachen, welche sie mitbrachten, während die Männer die Branntweinflaschen aus den Brusttaschen ihrer Jacke (Päsk), wo sie der Kälte wegen aufgehoben wurden, hervorholten.

Es machte einen feierlichen Eindruck, wenn diese ganze Schar an dem kalten, hellen Nachmittag auf der öden Schneeinsel nach lappländischer Sitte die Mützen vom Kopfe nahm und kniend das Tischgebet sprach. Morten fühlte sich wie in einer Kirche, größer als irgend eine, in der er bisher gewesen.

Später ging es übrigens lustig genug zu; man brach erst nach mehrstündigem Aufenthalte wieder auf, als der Mond bereits aufgegangen war. Einige Renntiere hatten sich losgerissen und mußten erst eingefangen werden. Wenn der Herr den Ausreißer aufspürt, fährt der Lasso plötzlich wie ein schwarzer Schatten über den Schnee. Das Tier fühlt das Seil um die Hörner und richtet sich auf den Hinterbeinen auf, während der Lappe es zu sich hinzieht. Zuletzt schlägt der Vorderfuß des wütenden Tieres ihn auf den dicken Kragen seiner Jacke, der ihn aber, zumal wenn er von Bärenfell ist, den Schlag nur wenig fühlen läßt.

Man hatte darauf gerechnet, bis zwei, drei Uhr morgens die Hütten bei der Kirche zu erreichen; allein ein dichter Nebel, der sie draußen auf einem der größeren Seen überfiel, zwang die Gesellschaft wieder zu rasten, da es sich herausstellte, daß man eine Stunde lang im Kreise umhergefahren und jetzt nach derselben Stelle zurückgekommen war.

Die hölzerne Kirche liegt auf dem hohen Flußufer mit der Aussicht über das Thal, voll von Sandhügeln und Bänken, die der Fluß aufgeschwemmt hat. Auf dem Kirchhof befindet sich ein kleiner Birkenhain. Die Nordseite des Pfarrhauses, gegen welche der Wind beständig gerichtet ist, liegt im Winter in der Regel bis zur Dachspitze zugeschneit, während die Fenster und Thüren, teilweise durch Fortschaufeln des Schnees, frei gehalten werden.

Bei den Hütten an der Kirche herrschte am Sonntagvormittag lautes Leben, das erst unterbrochen wurde, als der Gottesdienst begann und die Gemeinde in die Kirche strömte. Mit Ausnahme der Pfarrerfamilie, die zur Seite des Schulzen und des halb lappländisch gekleideten Küsters auf der Bank neben der Kanzel saß, bestand die ganze Gemeinde nur aus Gebirgslappen, welche die Predigt mit großer Andacht anhörten. Lymas Kind wurde mit mehreren andern Kleinen zugleich getauft, und zuletzt wurde eine Trauung vorgenommen.

Die Trauung geschah nach schwedischer Sitte, indem einige junge Männer ein seidenes Tuch (Pelle) über die Braut hielten, die in ihrer schönen lappländischen Tracht mit der Krone auf dem Haupte dastand, während der Bräutigam eine weiße Schärpe kreuzweise über die Brust und um den Leib gebunden hatte.

In ihrer rot eingefaßten Jacke mit dem Bärenkragen und den Glasperlen zum Schmuck auf der Brust, in der schönverbrämten, helmförmigen Mütze, von der rotseidene Bänder herabflatterten – und mit den feinen, schmalen, weißen Schuhen (Komager) an den Füßen, deren Knöchel Troddeln zierten – war die Braut, als sie auf Schneeschuhen mit dem Stabe in der Hand und mit ihrem vom Winde frischen Gesichte nach der Kirche hinabkam, eine wirkliche Schönheit.

Bei den Hütten an der Kirche fielen indessen später verschiedene lärmende Auftritte vor, sowohl infolge des eifrigen Meinungsaustausches über einen »Volksprediger«, als auch vielleicht dadurch veranlaßt, daß der Branntweinhändler, trotz des Sonntags und der Gefahr, deshalb zur Strafe gezogen zu werden, heimlich Branntwein verkaufte. Bekannte begrüßten einander mit den gewöhnlichen halben Umarmungen und dem Gruße: »Burist« und reichten einander dann die Flasche. Einige Truppen standen, die eine um einen langbärtigen, russischen Kaufmann von der Ostseite des weißen Meeres, die andere um einen jungen Kaufmann aus Gamwik, der in lappländischem Pelze und norwegischer Pelzmütze reisefertig dastand und für seinen Prinzipal Handelsgeschäfte abschloß.

Ein dritter, der Mortens Aufmerksamkeit mehr als die beiden andern auf sich zog, war ein langer, brutal aussehender Mann in Pelzmütze, einem fast bis auf die Fußspitzen reichenden Friesrock und sonst so ziemlich in schwedischer Volkstracht. Es war ein Kaufmann, der einige Meilen südlich wohnte und bis zu der letzten Zeit, bevor sich Fremde auf den Markt einzudrängen suchten, so ziemlich den ganzen Pelzhandel in Händen gehabt hatte. Dieser war es, den ihm Silber-Sara oben im Lappendorfe schon früher als seinen Widersacher bezeichnet hatte, und er merkte denn auch mehrfach, daß sich derselbe an diesem Tage außerordentlich eifrig mit seiner Person beschäftigte. Einigemal war der Mann, der sonst immer mit einer Branntweinflasche dastand und der Schar seiner Kunden einschenkte, an ihm vorübergekommen und hatte ihn dann jedesmal anscheinend unabsichtlich aber ziemlich heftig gestoßen, ohne ihn in der Eile um Entschuldigung zu bitten. Aus dem Kreise, der ihn umgab, hörte Motten hin und wieder, wenn er vorbeiging, Bemerkungen, die ihm durchaus nicht zusagten, da sie auf ihn anspielten, und einige derselben wurden von den Umstehenden mit lautem Gelächter aufgenommen.

Auch Lyma hatte von ihrem etwas entfernten Platze aus die Lage vollständig begriffen. Eilig ging sie zu ihm hin und forderte ihn auf, ihr zu folgen, da sie alle zur Abreise bereit wären. Morten bat sie, noch eine kurze Zeit auf ihn zu warten, damit er erst noch das letzte Geschäft, welches er eingeleitet hätte, vollenden könnte. Er sah so ruhig aus, daß sie wieder unbesorgt wurde, bemerkte jedoch später mit großer Beklommenheit, wie er langsam in die feindliche Gruppe hineintrat und dort, als ob es gar nichts zu bedeuten hätte, um einige Häute zu handeln begann. Dem schwedischen Kaufmann, der wie früher mit der altmodischen blauen Branntweinflasche in der Hand dastand und schwatzte, aber jetzt weniger laut und nicht gerade von ihm, wandte er halb den Rücken zu. Als dieser den hohen Preis hörte, den Morten Jonsen bar bezahlte – es war so ziemlich sein letztes Geld – konnte er sich eines zornigen, höhnischen Ausrufes nicht erwehren. Aber in demselben Augenblicke stand Morten dicht vor ihm und mit einem Ausdruck in den Augen, daß jener unwillkürlich einige Schritte zurückwich, legte ihm Morten die Hand auf die Schulter und sagte kalt:

»Du hast mich heut' zweimal heftig auf die Seite gestoßen und beidemal vergessen, um Verzeihung zu bitten; das wolltest du doch?«

Der Mann sah etwas ungewiß aus, – es war eine hohe, kräftige Person; – aber gleichwohl lag etwas in Mortens Wesen, was ihn zwang, die Augen niederzuschlagen und zu erklären, daß er ihn nicht hätte beleidigen wollen.

»Das konnte ich mir auch denken,« – sagte Morten gelassen, – »aber ich glaubte, es könnte nichts schaden, mich selbst danach zu erkundigen.«

Er hatte erreicht, was er wollte, nämlich den Mann unter seinen eigenen Anhängern zur Rede zu stellen und er bat einen, den er kurz vorher hatte lachen sehn, ihm die Häute nach dem Schlitten zu tragen.

Man machte sich sofort wieder auf den Heimweg, und auf dem Tauffeste bei Isaak Pelto rückte Morten endlich mit der Sprache über den Handelsplatz in Finkrogen heraus. Diese wichtige Angelegenheit fiel nach vielen Unterhandlungen endlich zu seiner Zufriedenheit aus, indem er sich verpflichtete, den Renntierweg, der dort seit alter Zeit bestanden hatte, zu achten. Es wurde hierüber eine Urkunde aufgesetzt mit den Unterschriften der Betreffenden. Zu dem glücklichen Ausfalle trug doch vielleicht am meisten bei, daß ihn Mathis Nutto als Stuwitzens Feind betrachtet hatte.

Einige Tage nach Abschluß dieses Vertrages band ihm Lyma nach der Sitte der lappländischen Gastfreiheit unter Thränen seine Reiseschuhe an die Füße und wünschte ihm in der Zeltthür »Gottes Frieden«. Ihr Mann sollte ihn bis nach einem etwas höher im Lande gelegenen Lappendorfe begleiten, wo er seine letzten Geschäfte abzumachen und den Rest von Häuten, die er über das Gebirge mit nach Hause nehmen wollte, zu erhalten gedachte. Dort traf er wieder mit Silber-Sara zusammen, die in der Winterzeit in allen Lappendörfern umherstreifte.

Bald entdeckte er, daß ihm die Stimmung hier nicht mehr so ganz günstig war. Mit Ausnahme des Mannes, dessen Gastfreiheit ihm Isaak Pelto anempfohlen hatte und der ihm auch sofort seinen ganzen Bestand von Häuten verkaufte, fand er die Leute auffallend widerwillig in ihrem Wesen. Sie waren offenbar gegen ihn aufgehetzt, und wahrscheinlich von jenem schwedischen Kaufmann. Man hatte gehört, er hätte sich von der Familie Nutto das »Recht auf den Lappenboden« erkauft und sich sogar »einen Brief darüber ausstellen lassen«, und dieses Gerücht hatte einige Erbitterung erregt. Trotz dieser schwierigen Umstände beschloß Morten doch, bis zur Beendigung seiner Geschäfte hier zu bleiben.

Einmal fand er, als er einen seiner festzusammengeschnürten Ballen Häute öffnete, in dem Pelzwerke eine Menge haarlose Stellen, und nach näherer Untersuchung lagen darin kleine Stücke einer getrockneten, vermutlich ätzenden Pflanze zwischen die Häute gestreut. Auf seiner breiten Stirn schwoll eine blaue Ader auf, während er schweigend einen Ballen nach dem andern aufband und auf dem Schnee ausbreitete, um zu sehen, wie groß der Schaden wäre, und die Häute bestens zu reinigen. Verdorben waren gottlob doch nur ganz wenige Stücke des kostbaren Pelzwerkes. Er fand es jedoch nicht klug, sich weiter über die Sache zu äußern, aber sein Argwohn war gegen den Mann in dem Nachbarzelte geweckt, einen kleinen, vierschrötigen Lappen mit rohen Gesichtszügen, der täglich in das Zelt kam und nur wenig verstanden hatte, seine unfreundliche Gesinnung zu verbergen. Er hieß Josias Umek und war unter den Lappen der dortigen Gegend eine Art Aufkäufer für jenen schwedischen Kaufmann. Er gab in seinem Zelte öfter Branntwein zum Besten und sprach stets sehr aufreizend, wobei jene Gerüchte beständig benutzt wurden.

Der Vorfall, der zuerst Mortens Argwohn gegen ihn erregt hatte, ereignete sich eines Tages unmittelbar nach seiner Ankunft, als sich dieser Mann erboten hatte, als Wegweiser (Vappus) mit nach dem nächsten Lappendorfe zu kommen. Während er mit einem unlenksamen Renntiere durch einen dichten Erlenwald mit größter Geschwindigkeit fuhr, schleuderte der Schlitten plötzlich auf eine offene, gefährliche Stelle. Durch seine Geistesgegenwart entging er zwar der augenscheinlichen Lebensgefahr, verwundete sich aber bedeutend. Der Zugriemen war halb durchgeschnitten gewesen und hatte, als der Schlitten ins Schleudern geriet, die Last nicht auszuhalten vermocht. Bei seiner Rückkehr forderte Silber-Sara ihn dringend auf, sich keinem andern Wegweiser anzuvertrauen als den Söhnen des Mannes, in dessen Zelte er als Gast wohne.

Die Entdeckung jenes neuen Unternehmens gegen die Häute stellte Mortens Selbstbeherrschung auf eine harte Probe; aber sein Verstand sagte ihm, daß ein offenbarer Bruch nur seinen Feinden dienen könnte; es kam nur darauf an auszuhalten. Er bemerkte, daß sein Wirt oft recht nachdenkend dasaß und sich in dieser Zeit fast immer zu Hause hielt, während seine beiden Söhne in der Regel abwesend waren. Ihr Benehmen gegen ihn war ausweichend und zurückhaltend.

Eines Nachmittags ging es vor den Zelten lebhafter als gewöhnlich zu. Man hatte die Tiere zusammengetrieben, um einige fremde Renntiere, nach denen gesucht wurde, auszuscheiden, – und unter Tausenden kennt jeder Gebirgslappe sein eigenes Tier heraus. Die Jacken lagen in der strengen Kälte weiß bereift über den Schnee geworfen, während die Besitzer in ihren vorn auf der Brust offenen Westen, rotwangig und erhitzt, mit den ledernen Zäumen über den Schultern unter den unruhigen Tieren umhersuchten.

Als Morten Jonsen vor der Zeltthür stand und das Schauspiel betrachtete, traf der Hieb einer Lederpeitsche, an deren Ende sich sicherlich eine Bleikugel befunden haben mußte, von hinten so heftig gegen die Zeltstange dicht an seinem Kopfe, daß das Holz zerspalten wurde. Sein Auge empfand zugleich einen scharfen Luftdruck, als ob eine Gewehrkugel vorbeigeflogen wäre.

Josias Umek kam eben vorbei, die Peitsche von neuem über seinem Kopfe schwingend, als ob er sich einen Wurf einüben wollte und Morten nicht bemerkt hätte; aber seinen zornigen Augen und seinem ganzen Äußern fehlte vollkommen das Gepräge der Unschuld.

Mortens Unwille über diesen unvermuteten Angriff ließ ihm nicht Zeit zur Selbstbeherrschung. Mit einem Sprunge stürzte er sich auf den Thäter, der nicht Zeit behielt ihm auszuweichen. Morten empfand eine wahre Erquickung, daß er sich endlich im offenen Kampfe befände.

Es dauerte eine Minute, in der sein Widersacher infolge des heftigen Falles Tausende von Sternen vor seinen Augen verworren flimmern sah, während die andern regungslos dastanden, ohne zu wissen, was sie thun sollten. Diese Minute genügte Morten, um Luft zu bekommen – sich zu besinnen. Plötzlich ließ er den Mann los und ging nach dem Zelte zurück, indem er erzählte, Josias hätte ihn zu treffen versucht, und die Spuren des Schlages auf der Zeltstange zeigte.

Es entstand ein Auflauf. Alle schrien durcheinander und nahmen die Miene an, als ob sie es mit Josias halten wollten, der sich drohend und über den Überfall klagend in seine Hütte zurückzog. Er hatte die Hand seines Feindes gefühlt und trug kein Verlangen nach einem neuen Zusammenstoß.

Jetzt, da der Bruch unglücklicherweise geschehen und die Feindschaft offenbar geworden war, sah Morten ein, daß sein Aufenthalt nichts weniger als sicher wäre. Die Mienen seines Wirts zeigten auch diesen jetzt ernstlich bekümmert. Was ihm hier auf dem einsamen, gesetzlosen Gebirge widerfahren konnte, davon hatte er schon Proben genug gesehen; hinter jedem Schneehaufen konnte eine Gefahr auf ihn lauern. Andererseits wieder wollte er nur in der alleräußersten Not seine mühsam erworbenen Waren im Stiche lassen. Er saß eine Weile da und überlegte. – Es konnte ebenso gefährlich sein zu flüchten wie zu bleiben, und unter allen Umständen gewann er nichts, wenn er seinen Feinden ahnen ließ, daß er Furcht empfände. Er besuchte deshalb alle Hütten und plauderte am Abend mit den Mitgliedern der Familie, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Diese schienen jedoch äußerst beklommen. Im Grunde sah Morten nicht einmal sein Leben in der nächsten Nacht für sicher an, aber er schlief scheinbar so ruhig wie gewöhnlich, – in Wahrheit lag er aber da und sann auf Auswege, bis ihn der Schlaf überwältigte.

Ungefähr eine Stunde nach Ablösung der ersten Renntierwache erwachte er dadurch, daß ihm eine Hand behutsam auf die Schulter klopfte. Augenblicklich war er vollkommen wach und bereit, der Gefahr, die er ahnte, entgegenzutreten. Es war sein Wirt, Jens Ibmel, der ihn flüsternd bat, sich anzukleiden. Draußen ständen schon die Renntiere mit seinen Häuten auf den Schlitten bereit, so wie jemand, der ihn über das Gebirge begleiten sollte. Hier wäre er nicht mehr in Sicherheit, sagte Jens Ibmel ernst, und es wäre am besten, die Flucht zu ergreifen, ehe jemand auf den Gedanken käme, daß er sie beabsichtigte.

Morten wurde von einem Argwohn ergriffen, als er die ganze Familie wach sah und doch niemand von ihnen aus Furcht vor den andern Lappen wagte, ihn zu begleiten oder an seiner Flucht teilzunehmen, während es ihnen andererseits die Gastfreiheit zur Pflicht machte, dafür zu sorgen, daß ihm nichts Böses zustieße.

Er hörte jetzt, daß man namentlich einer Urkunde nachstellte – jener, die ihm Mathis Nutto ausgestellt hatte, – und durch welche diese Menschen, die am Finkrog übrigens gar kein Interesse hatten, das »Lappenrecht« verletzt glaubten. Leise sagte er seinem Wirte, der ihm einige Schlitten (Kjärris) für die Waren und den Proviant sowie für die zum Umtausch nötigen Waren überlassen hatte, ein herzliches Lebewohl. Zu seiner Verwunderung sah er, daß Silber-Sara die Person war, welche ihn führen sollte. Sie saß schon in ihrem Pulk und hatte ihren Hund neben sich. Er erfuhr später, daß gerade sie Jens Ibmel angetrieben hatte, die Flucht so schnell zur Ausführung zu bringen.

Ein Peitschenschlag, dann blitzschnell in den Pulk hinein, und nun ging es vorwärts von dem einsamen Lappendorf in die kalte helle Nacht hinein, über den gefrorenen Schnee. Die große, runde Mondscheibe mitten in dem blauen Sternenfelde schien an den Berggipfeln vorüber zu eilen, während das elektrisch knisternde rote, grüne, violette und blaue Flammenmeer des Nordlichtes mit seinen in diesen Gegenden merkwürdigen Lichterscheinungen bald verschwand, bald sich wieder wie ein rötlich wogendes Meer über den Himmel ausbreitete. Die Feuerzungen schienen bisweilen fast die Schneehügel zu berühren, und die ganze weiße Mondscheinlandschaft wurde dann eine Zeitlang wunderbar schattenlos.

In diesen Augenblicken, in denen es so hell wurde, daß man fast eine Nadel auf dem Schnee sehen konnte, und in der Silber-Saras Pulk und Renntier vor ihm eigentümlich einsam hervortrat, gingen die schon an sich großartigen Naturumgebungen Morten gegenüber in eine riesenhafte, geheimnisvoll drohende Stille über, von der sich sein Gemüt erleichtert fühlte, so oft die Mondschatten wieder das Übergewicht erhielten und die Umrisse sich wieder natürlich abzeichneten. Es war ihm halb zu Mute, als ob er allein mit einer Hexe in die Nacht hinausführe.

Unter den mystischen Flammen des Nordlichtes stellt sich der Lappe die Seele seiner Verstorbenen vor. Er weiß, daß sich das Nordlicht bis auf die Schneeberge hinabziehen läßt, sobald er mit einem weißen Laken winkt, und daß es durch gewisse Töne zurückgescheucht werden kann, und in solchen seltsamen Nächten sieht er, wie die Unterirdischen mit ihren Renntierherden, die leuchtende Hörner haben, vor dem Nordlichte flüchten, als ob es sie mit seinen Feuerzungen verfolgte.

Ununterbrochen ging der Zug durch das Gebirge, wobei Silber-Saras Hund unermüdlich bellend vorauslief und den Weg zeigte. So fuhren sie die ganze Nacht hindurch und bis zur Mittagszeit des folgenden Tages, wo sie eine kurze Zeit bei einer verlassenen Hütte rasteten, um etwas Renntierfleisch zu sich zu nehmen. Aus ihrer Miene und wenigen Worten begriff er, daß sie befürchtete, Josias Umek und seine Kameraden könnten ihnen am Morgen nachgesetzt sein. Die Reserve-Renntiere wurden angespannt, und man eilte den ganzen Nachmittag und Abend weiter, bis sie endlich spät in der Nacht bei einer anderen verlassenen Erdhütte Halt machten. Hier gönnten sie sich und den Tieren eine mehrstündige Ruhe, bis sie bei beginnendem Tage wieder aufbrachen. Erst als sie nach einer dritthalbtägigen Fahrt den Gebirgsrücken erreicht hatten, verstand sich Silber-Sara zu längeren Rasten und schien nach und nach ruhiger zu werden. Sie sagte, sie gebrauchten noch eine sechstägige Reise bis zu dem Thale, wo er selbst den Weg erkenne, und sie ihn verlassen könnte.

Eines Abends wurden sie hoch oben im Gebirge von einem gewaltigen Schneesturme überfallen. Eine Zeitlang untersuchte Silber-Sara mühsam die Stellung des Mooses und andere Merkmale, um den Weg zu finden, aber endlich mußte sie alle Hoffnung aufgeben und Halt machen. Ihr Auftreten hielt indessen seinen Mut aufrecht. Ruhig stellte sie die Schlitten und Renntiere zusammen und bereitete alles, um sich und ihn einschneien zu lassen. Abwechselnd mußten sie den Schneeschuhstab drehen, um das Luftloch in dem Schnee vor ihrer warmen Kammer offen zu erhalten.

Der Sturm hielt auch den folgenden Tag an. Er bemerkte, daß Silber-Sara oft in Nachsinnen versank und es schien ihm, als ob die Alte etwas auf dem Herzen hätte. Ihr Gesicht mußte trotz der vielen Runzeln und des oft bitteren Ausdruckes in der Jugend einmal schön gewesen sein. Wenn er sie so ansah, während sie im stillen nachdachte, beschäftigte ihn der Gedanke, was dieses seltsame und in seinem Wesen so gehässige Weib wohl bewogen haben könnte, sich für ihn so aufzuopfern. Silber-Sara mußte etwas von dieser Verwunderung in seinem Gesichte lesen; denn als es bald darauf zu dämmern begann, fing sie an mit ihm in gedämpftem Tone zu sprechen. Sie saß da, das Gesicht mit den Händen bedeckt, und Morten begriff bald, daß sie von Groß-Lars redete und ihm ihren Herzenskummer ausschütten wollte. Ihr von den Jahren verknöchertes Äußere geriet in Bewegung, ihr unter Kummer und Erbitterung verzweifeltes Herz machte sich in Thränen Luft, und ihre Stimme wurde zuletzt fast unhörbar.

Sie war jenes Kwänenmädchen, welches Groß-Lars geliebt hatte, und das auf Wassilieffs Kutter gelockt worden war. »Es ist schon länger als zwei Jahrzehnte her,« sagte sie, »und Gott hat mich länger leben lassen, als ich wünschte.

»Wassilieff hatte mich zu heiraten gelobt, hielt aber sein Versprechen nicht. Als ich darauf mit dem Kinde auf dem Rücken zu Fuß aus Rußland über das Gebirge zog, wäre ich leicht eine Beute der Bären und Wölfe geworden, so gleichgültig war mir das Leben; denn ich hielt es für unmöglich, wieder zu Lars zu kommen, und doch trieb mich meine Sehnsucht unaufhörlich fort. Willenlos schritt ich wie im Nebel dahin und entsinne mich nur soviel, daß ich mich von Multebeeren ernährte und in den Erdhütten für das Kind Milch erbat, nachdem dieselbe sich bei mir verloren hatte. Auf dem Gehöft bei Olswaag, welches damals der alte Korporal Stuwitz besaß, traf mich sein Sohn. Ich wurde bei ihm Dienstmagd und war ihm gehorsam wie ein Hund. Als mein Kind starb, sagte er, ich sollte mich darüber freuen; ich begrub es auf dem Gebirge. Oftmals habe ich es seitdem dort oben rufen hören. Als Stuwitz zu Brögelmann in Köllefjord kam, verschaffte er mir einen Dienst bei dem Gebirgslappen Jakob Nutto, welcher ein Bruder des Mathis Nutto war. Mit ihm hatte er viel Geschäfte, die nicht alle lobenswert waren; denn Jakob hatte ihm geholfen, die Waren aus einem Fahrzeug, das sie auf der See ausgeplündert hatten, bei sich zu verwahren. Es hatte auch eine Untersuchung darüber stattgefunden, und ich hätte ganz gut angeben können, wo die Waren zu finden wären. Aber Stuwitz verließ sich auf mich, denn er wußte, daß ich ihm in jeder Beziehung gehorsam war, und ich half ihm das Papiergeld, das er unter dem Fußboden in Olswaag versteckt hatte, im Norden wie im Süden gegen Silber umzuwechseln.

»In einem Sommer besuchte ich meine Mutter und lag krank bei ihr. Sie erzählte mir, Stuwitz hätte Wassilieff beigestanden, mich an Bord des Kutters zu bringen. – Da kam Lars eines Tages herein und sprach mit mir; er sah sehr leidend aus; – aber ich vermochte ihm nicht zu antworten und redete irre. In der Nacht flüchtete ich mich nach Olswaag hinüber, das eine Tagesreise entfernt war.

»Ich merkte, daß ich armer zertretener Wurm mich doch rächen könnte, und als Stuwitz wieder einmal in Olswaag erschien, war sein Silbergeld verschwunden. Ich weiß, daß es ihm sehr schwer zu Herzen ging, aber er durfte doch keine weitere Nachfrage danach machen. Mit den Thalern kam ich eines Tages zu Jakob Nutto und sagte, ich hätte Maderakka im Gebirge gefragt. Von der Zeit an nannte man mich Silber-Sara und wurde immer mehr überzeugt, daß ich weissagen und allerlei Zauber machen könnte. Ich ließ sie in dem Glauben und glaubte es manchmal selbst, weil ich Gott und alle Menschen haßte und es mir vorkam, als ob mich böse Geister begleiteten. Seit jenen Tagen habe ich das ganze Finmarken durchstreift und stets ein fremdes Dach über meinem Haupte gehabt; – nur hütete ich mich dahin zu kommen, wo sich Lars, wie ich wußte, aufhielt. Oft sehe ich ihn im Traume, und dann fragt er mich stets, was ich mit dem Kinde angefangen habe; aber heut' Nacht fragte er mich, ob ich nicht bald wieder aus Rußland nach Hause käme.«

Als Morten mit tiefem Ernst bemerkte, daß Groß-Lars gesagt hätte, er hoffte einst mit ihr an einer bessern Stätte zusammenzutreffen, versank sie wieder in Gedanken und brach plötzlich, als sie zusammengebeugt dasaß, in schmerzliches Weinen aus, ohne jedoch ein Wort zu sprechen.

Am nächsten Morgen wurde wieder aufgebrochen; nur verhielt sie sich den ganzen Tag über schweigend. Eine Stelle glaubte Morten wiederzuerkennen. Sie fuhren nämlich an jenem Opfersteine vorüber, vor dem Mathis Nutto im geheimen seinen Tribut niedergelegt hatte. Dieser menschenähnliche Kopf stand jetzt mit einer dicken Schneeschicht bedeckt, welche über die Stirne hing, und ein blaugrüner Eiszapfen bildete den Bart: – die rätselvolle Sphinx der Gebirgswüste.

Silber-Sara machte hier einen Augenblick Halt und saß still in ihrem Schlitten, als ob sie einen innern Kampf zu bestehen hätte, schlug aber dann plötzlich mit dem Zaume auf ihr Renntier. Bald lag die Stätte weit hinter ihnen. Noch einen Tag ging die Reise mit nur kurzer Nachtruhe weiter. Am nächsten Vormittag kamen sie zu einer Abdachung, von der aus sich eine weite Aussicht über das Thal nach Norden zu öffnete. Hier machten sie Halt. Sie streute den Renntieren Moos vor und beschrieb Morten, unter Bezeichnung deutlicher Merkmale, den Weg nach dem nächsten bewohnten Orte; denn hier sollten sie sich trennen.

Morten bemühte sich vergebens, sie zur Annahme einer Entschädigung zu bewegen, es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich bei der alten Frau herzlich zu bedanken. Schon stand sie im Schlitten, als sie plötzlich wieder ausstieg, zu ihm hinging und, nachdem sie über den Stab gebeugt eine kurze Zeit überlegt hatte, ihn mit nassen Augen fragte:

»Glaubst du, daß der Pfarrer in K–waag« – sie meinte den Probst Müller – »eine arme Sünderin wie mich zum Abendmahle zuläßt?«

Als Morten dies in vollem Ernste bekräftigte, strahlte aus ihrem alten Antlitz ein so seelenfroher Ausdruck, daß er einsah, es wäre ihm unerwartet geglückt, ihr seinen Dank auf die richtige Weise abzustatten.

Morten fuhr jetzt einsam in das Thal hinab. Als er im Schlitten über die zurückgelegte Fahrt nachdachte, kam sie ihm wie ein erlebtes Märchen vor.

Alles, was er von Stuwitz wußte, zog sich in seinen Gedanken allmählich wie eine Gewitterwolke zusammen. Nach einigem Nachdenken sagte ihm jedoch sein praktischer Verstand, daß alle diese nur halbklaren Fäden keine entsprechenden juridischen Beweise gegen jenen abgäben. Was er über die Geburt seiner Mutter erfahren hatte, schrieb sich nur von einem einfachen, jetzt verstorbenen Manne her, ihrem Pflegevater, dem alten Seelappen Isaak Lövö; und was ihm Silber-Sara über jene Geldscheine erzählt hatte, die nur von einem Diebstahle auf dem Wracke herrühren oder damit in Verbindung stehen konnten, war, alles in allem gerechnet, doch nur eine alte, längst vergessene Geschichte, deren eigentlicher Zusammenhang sich nur in dem schuldbeladenen Gewissen des alten Stuwitz finden konnte. – Viel Bitterkeit lag für ihn in dieser Betrachtung. Aber wie stand es denn mit seinen eigenen Angelegenheiten? Wie mit dem wahrscheinlichen Stillstande seines Geschäfts?

Als er mit beklommenem Herzen eines Vormittags im Winter bei dem Kwänen über den Sund setzte, mochte er sich bei denen, die ihn ruderten, danach nicht erkundigen. Es war im Februar, gerade am Anfang der Fischereien, und er wunderte sich einigermaßen, – wenn er daran auch keine Hoffnung zu knüpfen wagte – über die vielen Leute, die am Ufer standen, und die Menge Boote, die an das Land gezogen waren. Schnell eilte er von dem Boote nach dem Laden hin und erblickte dort einen größeren, angebauten Schuppen, in dem sein Bruder Eilert mit einer dichten Schar Fischer, die sich mit Mühe an den Ladentisch herandrängten, lebhaft handelte, während sein Vater einen Ballen nach dem Laden trug.

Eilert nahm ihn zuerst wahr, sein Gesicht rötete sich vor Freude, aber er that, als ob nichts vorgefallen wäre und setzte mit dem Kunden, den er vor sich hatte, ruhig das Geschäft fort. In dem Blick, den er von ihm erhielt, lag, daß alles in Ordnung wäre, und der Laden schien auch reichlich versehen.

Auf dem Heimwege erhielt er von seinem Vater die Erklärung dieses Rätsels. Als der Laden zur Weihnachtszeit beinahe ausverkauft war, hatten sie miteinander überlegt, was zu thun wäre. Aber Eilert hatte eines Tages einen Entschluß gefaßt, hatte alles bare Geld genommen und war auf einer nach Süden fahrenden Jacht bis Drontheim gereist. Dort hatte er den Kaufmann bezahlt und im Namen seines Bruders neue Waren bestellt. Infolge der pünktlichen Zahlung war ihm voller und reichlicher Kredit zu teil geworden, sodaß sie jetzt bis weit über die Fischzeit hinaus versehen wären. Morten sah ein, daß er in seinem Bruder bereits einen guten Vertreter hatte und war ihm im Herzen äußerst dankbar.

Bei der Heimkunft erzählte er seinen Eltern den in jeder Beziehung so glücklichen Erfolg seiner Reise. Aber der Zweifel schwand doch erst aus dem Gesichte des alten John Zachariasen, als er ihm die Urkunde über das Recht auf den Boden vorzeigte. Er sah froh bewegt aus, und Marina setzte sich still zu ihm hin. Die beiden Eltern sahen jetzt eine Zukunft vor sich, auf die sie, da sie das Leben gelehrt hatte, alles im trüben Lichte zu sehen, nicht zu hoffen gewagt hatten.



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