Jonas Lie
Der Dreimaster »Zukunft«
Jonas Lie

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

Finkrogen.

Jon Zachariasens nächste Nachbarn wohnten auf Finnäs unten in Finkrogen. Die laubbekleidete, überall unzugängliche innere Seite von Skorpen stößt hier mit ihrem engen und tiefen Sunde an die nackte, schwarze Felswand des festen Landes. Auf einer kleinen Landspitze der Insel Skorpen, Namens Finnäs, stand damals nur ein kleines, von einem Finländer bewohntes Gehöft. Der abschüssige, steinige Rasenhügel daselbst war überhaupt die einzige Stelle am Sunde, wo die Errichtung von Häusern denkbar war.

Der Finländer, (dort Kwäne genannt) saß in einer kleinen Erdhütte. Einige Stangen bildeten das Bindwerk des Daches; der Rauch zog durch dasselbe und bräunte die dahinterliegende Felswand; unten am Strande aber waren einige Querhölzer zur Befestigung der Boote angebracht. Seine Frau war eine Finnin (Lappin), und wenn ihre Familie im Sommer auf ihren jährlichen Zügen nach und von Schweden die Renntiere über den Sund schwimmen ließ, um auf der Insel zu weiden, kletterten diese am Strande, dicht an der Hütte des Kwänen vorbei, die steilen Pfade empor, die auf die Hochfläche im Innern der Insel Skorpen hinaufführten. Als der natürliche Übergangspunkt war hier bei der Hütte des Kwänen ein beliebter Ruhepunkt, wo die Finnen während der wenigen Wochen, die sie auf der Insel Skorpen zubrachten, in sechs, acht Reisezelten wohnten. Seit alter Zeit trägt diese Stelle deshalb den Namen »Finkrogen«. Der Gebrauch, hier auf Finnäs zu rasten, hat sich auch erhalten, nachdem die Erdhütte verlassen und der Platz anders bebaut ist.

Der Kwäne, ein kräftiger, flinker Mann mit hellblondem Haar und blauen Augen konnte bei dem Leben unter den Finnen, aus deren Mitte er sich seine Frau genommen, auf die Länge nicht gedeihen. Auf einer seiner Fahrten mit ihnen hatte er hier eine gut gelegene Stelle gefunden, um sich als Ansiedler (Bumand) niederzulassen. Im Sommer fischte er zu Hause, im Winter fuhr er auf die große Fischerei. Einige Kartoffeln, sowie Futter für ein paar Schafe und eine Kuh lieferte das Land rings um den Platz. Zur Aushilfe wurde von den Sträuchern oben auf der Felswand Laub gepflückt; für die Kuh aber schnitt seine Frau im Winter auf den Schärmen Tang. So oft die Schwiegereltern kamen, ließen sie zum Dank für den Aufenthalt auch wohl ein Renntier zum Schlachten zurück, einige Felle zu Winterjacken und Schuhen, getrocknete Renntierschinken, einige Knäuel Zwirn von Renntiersehnen und anderes, was nach ihrer Meinung im Hause willkommen sein konnte.

Der Tag im Sommer, wenn Musti (der Schwarze), ihr echter lappischer Hund mit spitzen Ohren, plötzlich die Höhe hinaufrannte und unaufhörlich schnaufend von dort wieder zur Hütte und so immer hin- und herlief, oben dann einen Augenblick unter lautem Geheul still stand, – war deshalb auch ein Festtag für die Familie, ein doppelter aber für die Tochter des Finnen, welche an der Sehnsucht nach ihrem eigenen Volke im geheimen litt.

Man sah dann, wie sie aus der Kluft Morkuäs auf der anderen Seite des Sundes herabzogen. Der Kwäne setzte sofort mit dem Boote zur Überfahrt hinüber, und Musti, der zurückgehalten werden mußte, um nicht hinauszuschwimmen und die Renntierherde zu früh zu erschrecken, half, närrisch vor Freude, seinem Kameraden »Sjorris« und den anderen lappländischen Hunden, die Renntiere drüben am Strande hüten. Und in dem Dankgruße »Gott gebe,« den die Frau des Kwänen nach finnischer Sitte ihren Eltern auf deren »Guten Tag« bot, lag das Heimweh eines ganzen Jahres.

Zuerst wurden die großen männlichen Renntiere abgeladen, die – von dem alten Finnen selbst, seiner Frau und seiner ältesten Tochter geführt – die Zelte, das Hausgerät und die Tragkörbe trugen, in denen, in Häute gewickelt, einige Enkel und Enkelinnen lagen, die ebenso sicher und warm wie die Kinder eines großen Herrn in ihrer Wiege schliefen oder auch aßen.

Der zusammengekrümmte, kleine, über hundert Jahre alte Urgroßvater, dessen triefende Augen erblindet waren, und der schon »unter sieben Königen gelebt hatte«, wurde in des Kwänen Hütte geführt, wo er den Ehrenplatz erhielt, den er dann die ganze Zeit lang selten anders verließ, als um sich an einem schönen Tage in die Sonne hinauszubegeben. Er tastete mit den Händen nach dem Gesicht der Enkelin und wollte immer etwas Neues hören. Er war, wie damals noch einzelne alte Finnen, nicht getauft, sondern wollte in dem Glauben seiner Väter sterben. Als sie in einem Jahre ohne ihn ankamen, wurde erzählt, er wäre gestorben und, seinem Willen gemäß, mit Birkenrinde zugedeckt, unter seinem umgekehrten Schlitten (Pulk) in einem Steinhaufen mitten im öden Gebirge begraben.

Eine Stunde nach den Ersten kam dann die ganze übrige Renntierherde in drei Abteilungen an, von den übrigen Töchtern und Schwiegersöhnen und dem Gesinde bewacht und von einer Schar von Hunden umringt, die, in das zur Ebbezeit niedrige Wasser hinabspringend und hüpfend, bald hinter einem Renntier herschwammen, bald das Wasser von sich schüttelten, immer eifrig bestrebt, die Tiere zusammenzuhalten.

In diesem Sommermonat war des Kwänen Frau wieder ein finnisches Mädchen unter dem Zelt ihrer Eltern, und Musti wieder Finnenhund; die Mutter aber machte sich ein Vergnügen daraus ihrer Tochter alles das beizubringen, was sich für eine finnische Frau schickte.

Der Kwäne sah ruhig zu. Er hatte seine Frau lieb, deren sanftes Gemüt der Gegensatz seines eigenen war; er wußte, daß es in ihrer Natur läge, und daß dieselbe Luft haben müßte.

Die männlichen Renntiere streiften jetzt scharenweis oben auf dem Gebirge wild umher, während sich die übrigen Tiere auf den sumpfigen Weideplätzen weiter unten ruhiger zusammenhielten. An den Berghalden – wo das üppige Farrenkraut den Renntieren an manchen Stellen bis über den Bauch reichte, – wurden sie jedoch nur an den einzelnen Tagen gesehen, wenn der Seenebel das hohe Gebirge in seine dunkle, undurchdringliche Wolkenkappe hüllte. Unten trafen dann die Renntiere mit den umherschwärmenden Möwenscharen zusammen, die sich vor dem Seenebel und dem Sturm flüchteten und mit unendlichem Geschrei das Land suchten.

Endlich kam dann – immer früher als gedacht – der Tag des Abschieds, an den die Tochter, gemäß der Natur ihres Volkes, das so gern nur dem Augenblicke lebt, nie hatte denken mögen. Den Tag vorher wurden die Renntiere gesammelt und am nächsten folgten sie über den Sund dem Boote, hinter welchem das Renntier mit der Glocke schwamm, das der alte Finne an einem Stricke hielt, während die Köpfe der übrigen Herde in einem langen Streifen wie Zweige aus dem Wasser hervorragten.

Und nun mußte Abschied genommen werden.

Unter Thränen wurde jeder der Reihe nach umarmt, zuletzt die alten Eltern. Sie legte ihre älteste Tochter und das Kleine, welches sie einige Jahre später erhalten hatten, an ihre Brust, und aus dem finnischen Abschiedsgruß »Bleibe in Frieden« klang von seiten der Tochter fast Verzweiflung heraus. Auch sprach sie in den nächsten Tagen, bis sie wieder in die alte Ordnung gekommen war, nur wenig.

Geduldig ließ der Kwäne dies alles über sich ergehen, denn er wußte aus Erfahrung, daß sie den schlimmsten Kummer bald vergaß; – und dann kam ihr fröhliches Geplauder über alles, was geschehen war und bis zum nächsten Jahre geschehen sollte.

In den Tagen des Januars, wenn er sie verlassen und sie nun wieder einsam in dem finstren Winter dasitzen sollte, brach ihr Kummer oft wieder heftig aus.

In einer Nacht vor der Abfahrt des Mannes auf den Fischfang schlief sie sehr unruhig. Ihr träumte, ihr verstorbener Urgroßvater stände vor ihrem Bette und sagte, sie sollte wieder zu ihrem eigenen Volke zurückkehren. Es war ihr, als ob sie ihn nach dem Bootsschuppen hinabbegleite, und da lag am Strande, von den Wellen hin- und hergeschaukelt, ein halb mit Wasser gefüllter Sarg ohne Deckel. Er sagte, mit dem Boote wollten sie über den Sund fahren. Als sie nun ängstlich zu ihrem Mann hinauseilen wollte, der, mit der kleinsten Tochter an der Hand, traurig in der Thür stand, wurde der Alte plötzlich dunkelblau im Gesicht und faßte sie so stark am Arme, daß sie mit einem lauten Schrei erwachte.

Der unerschrockene Kwäne ist, wie der Finne und Nordländer, selten abergläubisch. Als daher ihr Mann den Traum hörte, sagte er, es wäre nur Alpdrücken gewesen. In ihrem schweren Herzen dachte sie jedoch anders, nämlich, sie hätte eine Warnung erhalten.

An einem Wintertage im März begab sich die Frau des Kwänen mit ihrer vierzehnjährigen Tochter Lyma nach einer der Schären im Meerbusen, um Tang zu schneiden. Zu Hause blieb nur ihre zweite fünfjährige Tochter und der Hund. Als sie in besten Schneiden, schlägt die Mutter die Augen auf und sieht, daß das Boot mit der Strömung den Fjord langsam hinaustreibt. Die Fangleine mußte sich von dem schlüpfrigen Steine, um den sie geschlungen war, gelöst haben.

Mit einem Büschel Tang in der einen und dem Messer in der anderen Hand stand sie lange Zeit lautlos wie eine Bildsäule da und blickte dem Boote nach. Da stieg langsam der Gedanke in ihr auf, daß dies der Tod vor ihrer eigenen Thür wäre, die so nahe lag, daß sie dem Kinde und dem Hunde zurufen konnte. Menschenhilfe gab es hier nicht.

Schon kam der Vormittag des nächsten Tages. – Die halberwachsene Tochter hatte eben ihre Kleider über die Mutter gebreitet, die halb verschneit ohne Besinnung hinter einem Steine auf dem Tanghaufen lag, auf dem sie sich in der Nacht gegenseitig warm zu halten gesucht hatten. Jetzt wollte sie zur Zeit der Ebbe den Versuch wagen, über den schmalen Sund zu kommen, und im schlimmsten Falle so den Tod finden – als Marina in ihrem kleinen Boote um die Landzunge gerudert kam.

Wie Tausende von Frauen in Nordland zur Fischzeit saß auch Marina mit den Kindern allein in ihrem Häuschen, während Jon und Groß-Lars bei den Lofoten waren. In diesen zwei bis drei Monaten hatte sie manche schlaflose Stunde. In der letzten Nacht hatte sie das ferne Heulen eines Hundes zu hören geglaubt, und der Gedanke sie nicht verlassen, in Finkrogen wäre etwas Schlimmes vorgefallen. Sobald es hell wurde, ging sie deshalb nach einer Anhöhe auf der anderen Seite der Insel, von der man die Häuser in Finkrogen sehen konnte. Der schwarze Hund, den sie in dem weißen Schnee unruhig zwischen der Erdhütte und dem Strande hin- und herlaufen sah, bestärkte ihre Ahnung. Augenblicklich fuhr sie in dem kleinen Boote, das sie bei der Ebbe benutzten, hinüber und kam gerade noch zur rechten Zeit. Aber die Mutter verfiel in ein heftiges Nervenfieber, in dem Marina sie täglich pflegte, und starb einige Tage nach der Rückkehr des Kwänen vom Fischfange.

Als Mathis Nuttos Familie im Anfange des Sommers wieder nach der Insel Skorpen kam, traf sie Trauer statt Freude. Es wurde verabredet, daß die älteste Tochter Lyma die Großeltern begleiten sollte; einige Jahre später aber verheiratete sich der Kwäne, »um wieder eine Frau in das Haus zu bekommen,« mit einer andern von Mathis Nuttos Töchtern.

Dem Monat im Sommer, in welchem Mathis Nuttos Zelte rings um die Erdhütte standen, wurde von den Kindern Jons mit nicht geringerer Sehnsucht als von den Kindern des Kwänen, deren er einige jetzt auch mit seiner zweiten Frau hatte, entgegengesehen. Besonders waren die Nachmittage des Mittwochs und Sonnabends, an denen die Tiere zum Melken hinabgetrieben wurden, wahre Jubelfeste.

Schon begann die Abendsonne des warmen Sommertages rötlich über der Berghalde zu stehen, ehe sich die ersten zackigen Hörner gegen die klare Luft hoch oben in der Felskluft abzeichneten. Kurz darauf zeigten sich einige Tiere ganz vorn. Nach diesen drängte sich eine braune, unruhige Tiermasse die Berghalde hinab, mit dem eigentümlich knisternden Ton von vielen hundert Fußgelenken, in einem stets breiteren Strome zwischen den Laubbäumen hervortretend. Um sie herum jagten die Hunde, unter dem ermunternden oder zurückhaltenden Zurufe der Hüter. Nach und nach wurde der stille Abend erfüllt von dem Geschrei, Lärm und den Freudenausbrüchen von Jung und Alt, alle fieberhaft geschäftig.

Der ziemlich kleine Volksstamm der Lappen mit der weichen Sprache, den viereckigen verbrämten Sommermützen, ihren bunten, auf der Brust offenen Sommerjacken von Fries, grell blau, rot, grün und gelb eingefaßt, – Farben, die sich in dem hellen Sommerlichte des Nordens ebensogut vertragen wie die grellsten Farben im Süden, – bildeten eine eigentümlich belebte Scene, die Kinder aber kamen sich dabei wie in einem Märchen vor.

Endlich waren die Renntiere in die Einfriedigung, in welcher sie gemolken werden sollten, hineingebracht. Einige von ihnen legten sich jetzt ruhig hin, während andere stehen blieben und in fröhlichem Spiele die Hörner gegeneinander drückten. Der einem Lasso ähnliche nie fehlende Lederriemen wurde von den erwachsenen Mannsleuten dem kampflustigen erschrockenen Renntiere um den Kopf geworfen, und nach kurzem Kampfe wurde es fortgezogen und an dem nächsten Pfahl in der Umzäunung angebunden, um gemolken zu werden. Dort stand im Sonnenglanze die schwarzäugige, wohlgewachsene Kwänenfinnin Lyma in ihrer roten Mütze mit Goldband, von der Arbeit erhitzt, und lachte über die Anstrengungen ihres Geliebten. Es war der vierschrötige, freundlich aussehende Isaak Palto, der neunhundert Renntiere besaß, und mit dem sie anfangs Winters in Karusuando in Schweden, ihrem »Winterdorfe«, Hochzeit halten sollte.

Jons Kindern brachte Lyma immer einige Geschenke mit; besonders stand sie mit Morten, dem ältesten derselben, auf gutem Fuße, der in dem Jahre, wo sie von der Schär gerettet wurde, und Marina die Mutter so treulich pflegte, schon geboren war. Erst streichelte sie die Renntiere und gab ihnen Salz, und dann melkte sie dieselben, während Morten neben ihr stand und von der fetten, wohlschmeckenden Milch, die so fein wie Sahne ist, zu trinken bekam.

Nach Verlauf einiger Stunden war man fertig; und nun schaute man dieselbe malerische Scene von neuem. Schon fielen die Schatten länger zwischen dem belaubten Strauchwerk oben auf der Berghalde. Das Gebirge hinauf eilten die Tiere nach ihren gewohnten ruhigen Plätzen. Doch ertönte in der Stille des Abends weiter das Geschrei der Menschen und das Bellen der Hunde.

Später versammelten sich an dem hellen Abend wohl noch eine Zeitlang draußen auf dem Rasen die Mitglieder der Familie, Groß und Klein, sowie die Knechte und Mägde, um Geschichten und Märchen zu hören. Mathis Nutto, der auf dem Blockstuhle draußen vor der Zeltthür saß, zog aus seinem blauen, dazu eingerichteten Halstuche Stahl und Feuerstein und zündete seine kurze, schwarze Pfeife an. In schnellen Zügen dampfte er blaue Rauchwolken in den Abendhimmel, während die alte Silla dasaß, vor Altersschwäche nickte und erzählte. Hin und wieder, wenn sie umzusinken oder leise vor sich her zu singen begann, mußte man sie wecken.

Einer der jungen Männer, Namens Eddis, diente als Spaßvogel und sorgte beständig fürs Vergnügen. An anderen Abenden war Joiken, d. h. es wurden improvisierte kleine Lieder gesungen, meistenteils zur Verherrlichung irgend eines der Anwesenden, oft aber auch mit schelmischen Anspielungen. Man saß rings im Kreise auf dem Boden und sang.

Morten hörte hier zuerst von der Silber-Sara, die mit einem silbernen Gürtel unter dem Päsk (Wams) im Gebirge umhergehe, eine Runentrommel habe und »Gan zu setzen,« d. h. zu zaubern, verstehe. Dies und noch manches andere beschäftigte seine Phantasie damals in hohem Grade, und das Leben unten in Finkrogen stand seitdem beständig in märchenhaftem Glanze vor seiner Seele.


Der unternehmende Stuwitz hatte seine Augen auf Finkrogen geworfen und die äußerst vorteilhafte Lage dieses Ortes zur Gründung eines Handelsplatzes entdeckt. Er vereinigte auch in ganz ungewöhnlicher Weise die dazu notwendigen Bedingungen: – einen guten Hafen, ein Fischwehr dicht davor, und bot dadurch Gelegenheit den Handel mit den vom Fischfang zurückkehrenden Fischern mit dem ganzen Finnenhandel auf dem Festlande zu vereinigen. So bekamen die beiden Familien, welche auf der Insel Skorpen wohnten, einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen.

Stuwitz kam es darauf an, die gegenwärtigen Bewohner, die gerade die beiden geeignetsten Hafenplätze inne hatten, mit Güte oder Gewalt fortzuschaffen.

In Finkrogen traf er auf hartnäckigen Widerstand. Hinter dem Kwänen standen nämlich die Finnen, die um keinen Preis ihren bisher behaupteten Renntierweg und ihre alte Sommerweide auf der Insel Skorpen verlieren wollten. Auch Jon und Marina, die ihr Gehöft und ihren Fischgrund lieb gewonnen hatten, antworteten ausweichend, daß sie zunächst da zu bleiben gedächten, so lange der Kwäne nicht von Finkrogen fortzöge; denn von dem Geld, welches er ihnen biete, könnten sie nicht lange leben, so daß sie auf einer anderen Stelle einen neuen Anfang machen müßten.

Stuwitzens nächster Versuch bestand nun darin, den Grund und Boden käuflich an sich zu bringen; dies scheiterte jedoch daran, daß die Insel Eigentum des Staates war.

Und nun begann von seiner Seite eine Reihe von Verfolgungen und Scherereien, wie sie ein allmächtiger Kaufmann damals nur allzuleicht gegen einen armen Bauer ins Werk setzen konnte. Er kaufte Jons Schulden für die Ausrüstung zum Fischfang auf und ließ sie gerichtlich eintreiben. Als die Gerichtsleute in das Haus kamen und alles aufschrieben, verdoppelte sich die Summe, und sie konnten sich auf eine Auktion gefaßt machen.

Kurz darauf erhielten sowohl sie als auch der Kwäne in Finkrogen eine gerichtliche Vorladung wegen einiger Netze, die Stuwitzens Bootsleuten auf dem letzten Fischfange im Stamsund zerrissen waren und, wie die Anklage lautete, von den Leuten in dem Boote Jons und des ihn begleitenden Bootes, welches von dem Kwänen gerudert wurde, gekappt und mit fortgenommen sein sollten.

Dies verhielt sich so, daß sie eines Tages im letzten Winter allerdings einige treibende Netze gekappt hatten, die an den Hölzchen Heggelunds Zeichen trugen; aber das war, wie so oft auf der See, durchaus notwendig gewesen, und von den Netzen hatten sie nichts an Bord genommen. Jetzt behaupteten Stuwitzens Bootsleute, sie hätten ein damals wenig gebräuchliches Seil, wie es Stuwitz benutzen ließ, in Jons großem Boote als Fangleine wiedererkannt. Zeugen, die einem nach dem Munde reden, anstatt die Wahrheit zu sagen, findet man bei solchen Gelegenheiten oft genug, – bis es Ernst wird und zum Eide kommt.

Nie wäre die Sache zur Sprache gekommen und am wenigsten als Diebstahl ausgelegt, hätte Stuwitz nicht mit aller Macht danach getrachtet, den Leuten auf Skorpen zu Leibe zu gehen. – Aber Jon schwur in seinem Herzen, sollten sie auch wieder so mittellos, wie am ersten Tage, als er nach Skorpen kam, dasitzen, so würde er sich doch weder von dem Platze noch von dem Fischgrunde vertreiben lassen, und Marina stimmte ihm bei. Sie meinte getrost, hier werde ihnen doch wohl der helfen, der stärker wäre als Stuwitz.

Diese Dinge waren Heggelund ebenso unbekannt wie alles andere, was in dem Geschäfte vorfiel; denn das wurde lediglich von Stuwitz geleitet.



 << zurück weiter >>