Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Zwölftes Kapitel.

Wie gut Gil Blas seine funfzehnhundert Ducaten anwandte; mit was für einer Sache er sich zuerst bemengte, und was ihm die eintrug.

Der König, als wenn er sich in meine Ungeduld fügen wollte, kehrte den folgenden Tag nach Madrid zurück. Sogleich flog ich zum Königlichen Schatzmeister, und strich die Summe, worauf meine Anweisung lautete, auf der Stelle ein.

Ein seltner Fall, daß der Bettler, der sich plötzlich von Dürftigkeit in Ueberfluß versetzt sieht, nicht drehend und wirbelnd im Kopfe wird. 231 So wie sich das Glück änderte, ändert' ich mich auch. Ich gab nunmehr bloß meinem Ehrgeize und meiner Eitelkeit Gehör; überließ mein elendes Stübchen denen Secretären, die sich nicht auf die Vögelsprache verstehen, und miethete mein ehemahliges schönes Logis, das zum Glücke noch nicht besetzt war, zum zweytenmahle.

Ich schickte nach einem Schneider, der beynahe für alle Leute von gutem Ton arbeitete. Er nahm das Maß, und führte mich zu einem Kaufmann, wo er fünf Ellen Tuch ausnahm. Soviel, sagte er, brauch' ich zu einem Kleide für Ihro Gnaden. Fünf Ellen zu einem Spanischen Kleide! Gerechter Himmel! . . . . Doch wir wollen keine Anmerkungen machen. Schneider, die in Ruf sind, nehmen immer mehr wie andere. Hierauf kauft' ich Wäsche, deren ich sehr bedurfte, seidne Strümpfe, und einen Castorhut mit einer breiten goldnen Spange.

Da es sich nunmehr nicht ziemte, keinen Bedienten zu haben, so bath ich meinen Wirth, Vinzenzio Forero, mir einen zuzuweisen. Die meisten Fremden, die bey ihm logirten, pflegten gleich nach ihrer Ankunft Spanische Bedienten anzunehmen. Deßhalb finden sich in diesem Hôtel alle herrenlose Bedienten ein.

Der erste, der sich vorführte, hatte eine so sanfte und fromme Miene, daß ich ihn nicht haben mochte, ich glaubte den Ambrosio von 232 Lamela in ihm zu sehen. Die Tuckmäusergesichter stehen mir nicht an, sagt' ich zum Forero. Ich bin damit schon angeführt worden.

Kaum hatte sich dieser getrollt, so trat ein andrer herein. Ein Springinsfeld, wie es schien, kecker wie ein Page, und dabey von etwas schelmischer Miene. Er gefiel mir; ich quästionirte ihn, er gab mir witzige Antworten, und schien mir sogar für's Intrikenmachen geboren.

Der taugt in Deinen Kram, dacht' ich, und so miethete ich ihn. Mich reute dieß in der Folge gar nicht, und ich sahe bald ein, daß ich einen herrlichen Fund gethan hatte. Da der Herzog mir erlaubte, für diejenigen ein gutes Wort einzulegen, denen ich dienen wollte, und da ich gesonnen war, diese Erlaubniß nicht zu vernachläßigen, so braucht' ich einen Spürhund, mir Wildpret aufzujagen, ich meine, einen schlauen Vogel, der betriebsam und geschickt war, diejenigen auszuwittern und zu mir zu führen, die bey dem Oberstaatsminister etwas zu suchen hatten.

Und gerade hierin hatte Scipio, so hieß mein Bedienter, die größte Stärke. Er war bey Donna Anna de Guevara, der Amme des Prinzen von Asturien in Diensten gewesen, woselbst er mit diesem seinem Pfunde gar mächtiglich gewuchert hatte. Denn diese Dame war eine von denen, die aus dem Credit, worin sie sich sehen, gern Nutzen ziehen. 233

Sobald ich Scipio'n zu wissen gethan hatte, daß ich von dem Könige Gnadenbezeigungen bewirken könne, ging er auf den Fang aus, und sagte noch desselbigen Tages zu mir: Sennor, ich habe eine gute Entdeckung gemacht. So eben ist ein junger Granadischer Edelmann, Nahmens Don Rogerio de Rada hier eingetroffen. Wegen einer neulich gehabten Ehrensache ist er genothdrungen, sich unter den Schutz des Herzogs von Lerma zu begeben, und ist erböthig demjenigen gut zu zahlen, der ihm dazu verhilft. Er wollte sich an den Don Rodriguez von Calderone wenden, dessen Macht man ihm sehr herausgestrichen hatte. Ich hab' ihm aber dieß ausgeredet, indem ich ihm zu verstehen gab, daß dieser Secretär sich seine Dienste mit Gold aufwägen liesse, anstatt daß Sie Sich dafür mit einer billigen Erkenntlichkeitsbezeigung begnügten; Sie würden es sogar umsonst thun, wenn Ihnen Ihre Lage es erlaubte, ganz nach der Ihnen angebornen Großmuth und Uneigennützigkeit zu handeln. Kurz, ich hab' ihm so viel vorschwadronirt, daß er Ihnen morgen, sobald Sie Sich aus dem Bette erhoben haben, seine Aufwartung machen wird.

Ah! schon ein ganz artig Stückchen Arbeit gemacht, Herr Scipio! sagt' ich zu ihm. Wie ich merke, versteht Ihr gut den Rummel. Und seyd nicht reicher? Das wundert mich. Nichts zu verwundern, gnädiger Herr, antwortete er. 234 Ich sehe gern, wenn das Geld umläuft. Schätze sammeln ist nicht meine Sache.

Don Rogerio de Rada kam wirklich zu mir. Ich empfing ihn auf eine höflich-stolze Weise. Sennor Cavallero, sagt' ich zu ihm, eh' ich mein Wort gebe, Ihnen zu dienen, muß ich die Ehrensache wissen, die Sie an den Hof führt, denn sie könnte leicht so beschaffen seyn, daß ich nicht im Stande wäre, Sie bey dem Minister zu vertreten. Belieben Sie mir deßhalb solche auf's offenherzigste zu erzählen, und seyn Sie versichert, daß ich auf's wärmste in Ihr Interesse treten werde, sobald sich ein rechtschaffner Mann mit der Sache befassen kann. Von Grund' der Seelen, antwortete mir der junge Granadier. Ich will Ihnen meine Geschichte ganz frank erzählen. Und zugleich begann er sie folgendermaßen:

 


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