Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Siebentes Buch.

Erstes Kapitel.

Liebesverständniß zwischen Gil Blas und der Sennora Lorenza Sephora.

So reist' ich denn nach Xelva, und brachte den guten Samuel Simon die ihm durch uns entwandten dreytausend Ducaten wieder. Frey heraus zu sagen, so kam mir unterwegs die Lust an, mir dieß Geld zuzueignen, um meine Oberaufseherstelle unter einem glücklichen Zeichen anzufangen. Ich konnte dieß ohn' alle Gefahr thun, durfte nur fünf, sechs Tage herumreisen, und sodann wieder zurückkommen, als hätt' ich meinen Auftrag beendet. Don Alphonso und sein Vater waren viel zu sehr für mich eingenommen, um einen Verdacht in meine Treue zu setzen; alles begünstigte mich.

Dessen ungeachtet erlag ich der Versuchung nicht, sondern widerstand ihr als ein wackrer Mann. Kein geringes Lob für einen jungen 4 Menschen, der mit solchen Erzgaunern umgegangen war. Wie viel Leute, die bloß mit Biedermännern zu thun haben, würden sich daraus kein Bedenken gemacht haben, zumahl diejenigen, denen man Sachen anvertraut hat, die sie ohne Verlust ihres guten Leumunds unterschlagen können.

Nachdem ich dem Kaufmanne sein Geld wiedererstattet hatte, was er gar nicht mehr gewärtig gewesen war, kehrt' ich wieder nach dem Schlosse Leyva zurück. Der Graf Polan war mit Julie'n und Don Fernando'n bereits nach Toledo abgereist. Ich fand meinen neuen Herrn glühender für seine Seraphine denn je, seine Seraphine warm an ihm hängend, und Don Cäsar'n voller Freude über den Besitz dieser Beyden. Ich suchte die Gewogenheit dieses so zärtlichen Vaters zu gewinnen, und es gelang mir.

Ich war also Aufseher über das ganze Haus, hatte alles unter Händen, hob die Pachtgefälle, zahlte aus, und hatte unumschränkte Macht über die Domestiken. Doch mißbraucht' ich selbige nicht wider die Gewohnheit meines Gleichen; jagte nicht Bedienten oder Mädchen weg, die mir mißfielen, noch fordert' ich von ihnen gänzliche Ergebenheit. Wandten sie sich grades Weges an Don Cäsar oder seinen Sohn, um sich etwas von ihnen auszubitten, so legt' ich ihnen nicht nur kein Hinderniß in den Weg, sondern unterstützte noch ihr Gesuch. Ueberdieß 5 war mein Diensteifer, der durch die vielen Merkmahle von Gewogenheit, die meine beyden Herren alle Augenblicke gegen mich äusserten, noch mehr angefeuert wurde, ganz uninteressirt; ich dachte bloß auf ihr Bestes. Hokuspokusstückchen fielen bey meiner Verwaltung nicht vorn und ich war ein Oberaufseher, wie's nicht leicht einen gibt.

Indeß ich über mein Glück frohlockte, wollte Amor, gleichsam eifersüchtig über das, was Fortuna für mich that, daß ich auch ihm sollte etwas zu danken haben. Er erregte in dem Herzen der Lorenza Sephora, der ehmahligen Gouvernante von Seraphine'n, eine heftige Neigung für den Herrn Intendanten.

Die Schöne, die ich gefesselt hatte, war, um als ein getreuer Historiker zu erzählen, über die Funfzig hinaus. Indeß konnte sie wegen ihres glauen Gesichts, wegen ihrer freundlichen Miene, und wegen ein Paar schöner Augen, deren sie sich geschickt zu bedienen wußte, noch immer für eine ganz gute Eroberung gelten. Ein wenig mehr Farbe hätt' ich ihr gewünscht, denn sie war wandbleich, was ich denn ihrer jungfräulichen Strengzüchteley a conto schrieb.

Die Dame reitzte mich lange durch Blicke, worin ihre Liebe gemahlt war; anstatt aber Gegenliebäugeleyen zu machen, stellt' ich mich anfänglich, als merkt' ich ihre Absicht nicht. Das 6 brachte sie auf die Vermuthung, ich müsse noch nicht das A B C der Liebe verstehen; was ihr denn gar nicht mißfiel. Da sie nun glaubte, sie müßte bey einem solchen Guckindiewelt, wofür sie mich hielt, es nicht bey der Augensprache bewenden lassen, eröffnete sie mir bey der ersten Unterredung, die wir mit einander hatten, ihre Herzensempfindungen zur dienstfreundlichsten Nachricht rund heraus. Sie nahm sich dabey als ein Frauenzimmer, das die Schule schon durchlaufen ist.

Als sie so mit mir sprach, schien sie ganz zerstreut zu seyn, und nachdem sie mir in gutem Gottes Nahmen alles das gesagt, was sie mir hatte sagen wollen, verbarg sie ihr Gesicht, um mich auf den Wahn zu bringen, sie schäme sich, daß sie sich so gegen mich bloß gegeben habe. Nunmehr mußt' ich schon die Waffen strecken, und schien – obwohl mehr Eitelkeit als Neigung mich dazu bewog – über diese Merkmahle ihrer Gewogenheit äusserst gerührt. Ich stellte mich sogar in lauter Flamm' und Gluth zu seyn, und machte meine Rolle so schön, daß ich sogar Vorwürfe erhielt. Allein der Verweis, den mir Lorenza wegen meiner Zudringlichkeit gab, war so gelinde, daß man bey der Warnung: Nicht so lose zu seyn! merkte, wie wenig ungehalten sie im Grunde darüber war. Ich würd' es noch weiter getrieben haben, wenn meine Geliebte mir nicht einen üblen 7 Begriff von ihrer Tugend beyzubringen besorgt hätte, wofern sie mir den Sieg allzuleicht machte.

So schieden wir denn von einander; Sephora mit der Ueberzeugung, daß ich wegen ihres Scheinwiderstandes sie für eine Vestalinn ansehen würde, und ich voll der süßen Hoffnung, dieß Abenteuer bald zu Ende zu bringen.

In dieser glücklichen Lage waren meine Sachen, als ein Bedienter des Don Cäsar's mir eine Nachricht gab, die meine Freude niederschlug. Es war einer von dem naseweisen Schlage von Bedienten, die sich darauf legen, den kleinsten Vorfall im Hause auszukundschaften. Er höfelte mir fleißig, und brachte mir jedesmahl eine neue Mähre mit.

Eines Morgens kam er zu mir und sagte: Ich habe eine gar schnurrige Entdeckung gemacht, die ich Ihnen wohl mittheilen will, wenn Sie sie nur bey sich behalten. Sie betrifft Jungfer Sephore'n, schloß er, und deren Zorn möcht' ich mir nicht gern über den Hals ziehen.

Ich war zu begierig, das zu wissen, was er mir erzählen wollte, als daß ich ihm nicht verschwiegen zu seyn hätte versprechen sollen. Um mich aber nicht merken zu lassen, wie sehr mich's interessirte, fragte ich ihn so kalt wie nur immer möglich, worin denn die Entdeckung bestände, wovon er soviel Aufhebens machte.

Lorenza, sagte er zu mir, läßt den Dorfbarbier alle Abend ganz heimlich auf ihr 8 Zimmer kommen. 'S ist ein rechter hübscher, langer und dräller Junge, und der Zeisig hält sich ziemlich lang' bey ihr auf. Ich will zwar glauben, setzte er mit einer Schalksmiene hinzu, daß nichts Böses unter ihnen vorgeht, allein Sie werden mir gestehen, daß man nicht allzuviel Gutes davon denken kann, wenn sich ein junger Mensch so geheimnißvoll auf das Zimmer eines Mädchens schleicht.

Ob mir gleich diese Erzählung so wehe that, als wär ich wirklich verliebt gewesen, so nahm ich mich doch in Acht, mich's merken zu lassen, that mir sogar soviel Zwang an, daß ich über diese mir die Seele durchbohrende Nachricht lachte. Sobald ich aber ohne Zeugen war, hielt ich mich für diesen Zwang schadlos. Ich raste, fluchte, und sann hin und her, was dabey zu thun sey. Bald verachtet' ich Lorenza'n, nahm mir vor, sie fahren zu lassen, die Buhlschwester, ohne sie einmahl der geringsten Erläuterung zu würdigen; bald aber wähnt' ich, meine Ehre erheisch' es, den Barbier zu vertreiben, und beschloß, ihn vor die Klinge zu fordern. Dieser letzte Entschluß behielt die Oberhand.

Gegen Abend stellt' ich mich in einen Hinterhalt, und sah den Herrn Urian wirklich sich auf das geheimnißvollste in das Zimmer meiner Duenna hineinstellen. Dieß war nöthig, um meine Wuth, die vielleicht erkältet seyn möchte, 9 rege zu erhalten. Ich ging aus dem Schloße, und wegelagerte mich an dem Orte, wo der feine Herr durchmußte; erwartete ihn hier festen Fußes, und die Begier, mich mit ihm zu schlagen, wuchs jeden Augenblick.

Endlich erschien mein Feind, ich that einige Bramarbasschritte, um ihn zu erreichen, aber, –der Teufel weiß, woher es kam, mit Einem Mahle überfiel mich, wie einen Homerischen Helden, eine solche Bangigkeit, daß ich mußte stehen bleiben. Und es kam solcher Schrecken über mich, als über Paris, da er den Menelaus mit rasselnder Rüstung vom Wagen springen, und auf sich zuschreiten sahe.

Ich begann meinen Gegner zu betrachten. Es schien mir ein starker, rüstiger, junger Mensch, und sein Degen ganz ausserordentlich lang. Alles das machte Eindruck auf mich. Nichtsdestoweniger, ob ich gleich die Gefahr mit Augen ansahe, die sie noch vergrößerten, und ob mich gleich mein Herz davon abzuziehen hartnäckigst bemüht war, so hatt' ich dennoch, entweder aus EhreiferEhreifer ein gutes Oberdeutsches Wort, das statt Point d'honneur, dem es völlig zusagt, wohl in Gang gebracht zu werden verdient.
    Seit den neunzehn Jahren, da ich dieß schrieb, ist dieser Ausdruck schon mehr in Umlauf gekommen. – A. d. Uebers.
, oder aus anderm Grunde, 10 Dreistigkeit genug, auf den Barbier loszugehen, und die Fuchtel herauszuziehen.

Was will das sagen, Sennor Gil Blas, rief er ganz erstaunt. Wozu spielen Sie so den fahrenden Ritter? Vermuthlich ist das Schäkerey? Voller Ernst, Herr Bartkratzer, sagt' ich. Ich will wissen, ob Sie eben so muthig sind, als galant. Hoffe der Herr nicht, daß ich Ihn die Gewogenheit der Dame auf dem Edelhofe werde ungestört besitzen lassen, zu der Er sich hinschleicht, wie die Katz' auf den Taubenschlag.

Beym Sanct Comus! versetzte der Barbier mit herzlicher Lache, ein närrische Streich! Wahrhaftig und Gott! der Schein betrügt doch recht!

Da ich aus diesen Worten schloß, daß er so wenig Lust habe sich zu schlagen als ich, ward ich nur noch übermüthiger. Das macht einem Narren weiß! rief ich. Denkt nicht, mein Freund, daß ich mich mit so faulen Fischen abspeisen lasse. Mit Läugnen kommt Ihr nicht durch.

Ich sehe wohl, versetzte er, daß ich werde beichten müssen, um ein Unglück zu verhüten, das einem von uns beyden begegnen könnte. Ich muß Ihnen also ein Geheimniß offenbaren, obgleich Leute von unserm Metje nicht verschwiegen genug seyn können. Daß Jungfer Lorenza mich so heimlich zu sich kommen läßt, geschieht darum, weil die Leute im Hause ihre Krankheit 11 nicht erfahren sollen. Sie hat einen alten Krebsschaden auf dem Rücken, den ich ihr alle Abende verbindeDie Barbiere sind allzeit auch Wundärzte, und pfuschen folglich auch in die Arzeneygelehrtheit, jedoch nur in Spanien. – A. d. Uebers.. Das ist die Ursache meiner häufigen Besuche, die Ihnen einen Floh in's Ohr gesetzt zu haben scheinen. Seyn Sie also hinführo dieserhalb ganz unbesorgt!

Allein, fuhr er fort, sind Sie mit dieser Erklärung nicht zufrieden, wollen Sie platterdings, daß wir uns schlagen, so dürfen Sie's nur sagen. Ich bin der Mann nicht, der nicht ein Gängelchen mitmachen sollte. Mit diesen Worten zog er seinen langen Raufer heraus, wovor ich zusammen bebte, und legte sich auf eine Art in Positur, die mir nichts gutes versprach.

Diese Erklärung ist mir hinlänglich! sagte ich, und steckte meinen Degen wieder ein. Ich bin kein solcher Tollkopf, daß ich nicht Vernunft annehmen sollte. Nach dem, was Sie mir jetzt gesagt haben, sind wir keine Feinde mehr. Umarmen Sie mich.

Aus diesen Worten merkte er, daß ich nicht so grimmig war, als ich anfänglich geschienen hatte. Er steckte lachend seinen Sarras ein, umarmte mich, und wir schieden als die besten Freunde von einander. 12

Von diesem Augenblick' an konnt' ich nicht mehr ohn' Ekel an Sephora'n denken. Ich entzog mich allen Gelegenheiten, sie insgeheim zu sprechen, so viel sie mir auch deren gab. Und dieß that ich so sorgfältig, so geflissentlich, daß sie's gewahr wurde. Erstaunt über eine so gewaltige Veränderung, wollte sie gern deren Veranlassung wissen, und da sie endlich Gelegenheit fand, mich allein zu sprechen, sagte sie zu mir:

Kann man denn nicht erfahren, lieber Herr Intendant, warum Sie mich, ja sogar meine Blicke, fliehen? Mich sorgfältigst vermeiden, da Sie doch sonst Gelegenheit suchten, Sich mit mir zu unterhalten? Ich bin Ihnen, das ist nicht zu läugnen, halbes Weges entgegen gekommen, thaten Sie das nicht aber auch? Belieben Sie Sich noch jener Unterredung zu erinnern, die wir miteinander hatten. Damahls waren Sie lauter Feuer, jetzt sind Sie lauter Eis. Was will das sagen?

Eine sehr kitzliche Frage für einen so treuherzigen Jungen, als ich. Auch machte sie mich äusserst stutzig. Was ich der Dame antwortete, weiß ich nicht mehr, so viel aber weiß ich, daß es ihr äusserst mißfiel.

Sephora, die man wegen ihrer sanften und bescheidnen Miene für ein Lamm hätte halten sollen, war so wüthend wie ein Tieger, wenn der Zorn den Meister über sie spielte. Ich 13 glaubte, sagte sie, indem sie einen Blick voll Unwillen und Wuth auf mich schoß, solchem Geschöpfchen wie Euch ungemeine Ehre zu erzeigen, wenn ich ihm eine Leidenschaft entdeckte, die die vornehmsten Cavaliere entzündet zu haben, stolz seyn würden. Ich bin bestraft genug, daß ich mich – o der Schande! – zu einem so elenden Landfahrer habe herablassen können.

Hierbey ließ sie's nicht bewenden; ich wäre sonst zu wohlfeilen Kaufs davon gekommen. Ihre Zunge, die ihre Wuth mit sich fortriß, warf mir Ehrentitel an den Kopf, deren einer immer kräftiger war, als der andre. Ich weiß wohl, daß ich sie ganz kalt hätte anhören und bedenken sollen, daß ich durch Verschmähung des Triumphs über eine Tugend, die ich zum Wanken gebracht, ein Verbrechen begangen hatte, das nie ein Frauenzimmer verzeiht. Ich war aber zu hitzig Schmähungen zu ertragen, über die ein vernünftiger Mann an meiner Stelle würde gelacht haben, und die Geduld riß mir.

Der kleine Mann, Sennora, sagt' ich, ist auch ein Mann. Hätten jene edle Cavaliere, deren Sie gedenken, Ihren Rücken gesehen, ihre Neugier würde sich gewiß nicht weiter erstreckt haben. Kaum war mir dieser Stich entfahren, so gab mir die wüthige Duenna eine so derbe Ohrfeige, als wohl je ein beleidigtes Weib gegeben hat. Ich erwartete die zweyte nicht, und entging durch eine schnelle Flucht 14 einem Schlägeschauer, der gewiß auf mich würde gefallen seyn.

Ich dankte dem Himmel, als ich so aus der Klemme kam, und bildete mir ein, weiter nichts mehr besorgen zu dürfen, da sich die Dame gerächt hatte. Sie wird, dacht' ich, ihrer eignen Ehre wegen den Vorfall verschweigen; es vergingen auch in der That vierzehn Tage, ohne daß ich das geringste von ihr reden hörte.

Ich vergaß es bereits selbst, als ich vernahm: Sephora sey krank. Ich war gutherzig genug, mich über diese Nachricht zu betrüben; die MatronelleMatronelle, ein unverehlichtes Frauenzimmer, das sich den Matronenjahren stark nähert. Ein launiger Ausdruck unsers großen Lichtenberg's, den ich nachzubrauchen wage, und der mir hier sehr zu passen scheint. – A. d. Uebers. jammerte mich. Sie hat, glaubt' ich, eine so übel belohnte Liebe nicht besiegen können, und selbiger unterliegen müssen; ich stellte mir mit Schmerz vor, daß ich die Ursache ihrer Krankheit sey, und beklagte wenigstens die unglücklichliebende Duenna, da ich sie nicht lieben konnte. Wie betrog ich mich in meinen Gedanken! Ihre in Groll verwandelte Zärtlichkeit war nunmehr auf nichts, als auf meinen Sturz bedacht. 15

Eines Morgens, da ich zum Don Alphonso kam, fand ich ihn traurig und nachdenkend. Ich erkundigte mich auf's ehrerbietigste, was ihm fehlte. Ah! es ärgert mich, sagte er, Seraphinen schwach, ungerecht und undankbar zu sehen. Ihr wundert Euch hierüber, fuhr er fort, indem er gewahr ward, wie bestürzt ich da stand. Gleichwohl ist es wirklich so. Ich weiß nicht, wodurch Ihr Euch Lorenza's Haß möcht zugezogen haben, ich kann Euch aber versichern, Ihr seyd ihr dermaßen verhaßt geworden, daß sie sagt, ihr Tod wäre unfehlbar, wenn Ihr Euch nicht auf's schnellste aus dem Schlosse entferntet. Daß Seraphine, der Ihr werth seyd, sich anfänglich diesem Haß entgegen gesetzt hat, den sie ohn' Unbilligkeit und Undankbarkeit nicht begünstigen kann, daran dürft Ihr nicht zweifeln. Aber bey alle dem ist sie Weib, liebt Sephora'n auf's zärtlichste, weil sie von ihr erzogen worden ist, sieht diese Gouvernante als eine Art Mutter an, und glaubt an ihrem Tode Schuld zu seyn, wenn sie ihr Verlangen nicht bewilligt. Was mich betrifft, so werd' ich ungeachtet meiner Liebe zu Seraphinen nie die unmännliche Gefälligkeit für sie haben und ihr beypflichten. Eher mögen alle Duennas in Spanien umkommen, als daß ich einen Menschen fahren lasse, den ich mehr für meinen Bruder, als für einen Domestiken ansehe. 16

Als Don Alphonso dieß gesagt hatte, antwortete ich: Ich merke, gnädiger Herr, ich bin dazu geboren, Fortuna's Spielding zu seyn. Ich glaubte, sie würde aufhören mich bis zu Ihnen zu verfolgen, wo mir alles ruhige und selige Tage versprach. So wohl mir's aber auch hier geht, so behäglich ich mich hier fühle, so muß ich mich doch entschliessen, mich von hier zu verbannen.

Das sollt Ihr nicht, rief der edle Sohn des Don Cäsar. Ich will Seraphinen auf andre Gedanken bringen. Es soll nicht heissen, daß Ihr den Launen einer Duenna seyd aufgeopfert worden, für die man überhaupt nur zuviel Achtung hat.

Widersetzen Sie Sich Seraphinen's Vorhaben nicht, gnädiger Herr, erwiedert' ich, Sie möchten sie nur erbittern. Lieber will ich fortgehen, als durch einen längern Aufenthalt hier, ein so einstimmiges Paar in Zwist setzen. Ich würde mich über diesen unglücklichen Zufall nie zufrieden geben können.

Don Alphonso widersetzte sich diesem Entschlusse, und war so fest Willens mich zu schützen, daß Lorenza unfehlbar hätte den Kürzern ziehen müssen, wenn ich ihr hätte wollen die Spitze biethen. Hätt' ich bloß meiner Rachgier gefolgt, so wäre dieß gewiß geschehen. Es gab Augenblicke, wo ich gegen die Duenna 17 so aufgebracht war, daß ich sie nicht im mindesten zu schonen mir vornahm; wenn ich aber bedachte, daß ich dem armen Geschöpf, an dessen ganzem Unglück ich Schuld war, durch die Offenbarung ihrer Schande, den Dolch in's Herz bohrte, und daß diese zwey Streiche, sie ohn' alle Rettung in's Grab würden hinwelken machen, so fühlt' ich nichts als Mitleid gegen sie.

Ich hielt dafür, weil ich ein so gefährlicher Mann war, sey ich Gewissens halber verbunden, wieder Ruhe im Schlosse herzustellen. Das that ich noch den folgenden Morgen vor Tagesanbruch, ohne von meinen beyden Herren Abschied zu nehmen, aus Besorgniß: sie möchten sich aus Freundschaft für mich meiner Abreise widersetzen. Ich begnügte mich damit, in meiner Stube ein versiegeltes Papier zu lassen, worin ich von meinem bisherigen Haushalten genaue Rechnung ablegte. 18

 


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